lebensbedrohliche Erkrankung; Witwenrente; Versorgungesehe; Versorgungsabsicht; Vorhandensein eigener Einkünfte; Hinterbliebenenrente;
Zeitpunkt der Eheschließung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Witwenrente hat.
Die 1961 geborene Klägerin ist die Witwe des 1959 geborenen und am 19.02.2014 verstorbenen Versicherten C. M..
Am 14.03.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Hinterbliebenenrente in Form einer großen Witwenrente.
Sie gab hierbei an, am 18.12.2013 mit dem Versicherten die Ehe eingegangen zu sein und diese habe bis zum Tod des Versicherten
bestanden. Die Klägerin antwortete auf die Formblattfragen,
- ob der Versicherte plötzlich und unvermutet gestorben sei,
- ob die Heirat zur Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt sei und der Tod des Ehegatten bei Eheschließung
auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei und
- ob die tödlichen Folgen einer Krankheit bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien, jeweils
mit "nein". Angegeben wurde weiter, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit 2007 zusammengelebt hätten und schon
seit 2005 eine Partnerschaft bestanden habe. Bereits ab 2012 sei die Eheschließung angedacht gewesen.
Die Klägerin gab weiter an, dass sie als Kaufmännische Angestellte in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Beigefügt waren
eine standesamtliche Urkunde des Standesamts D-Stadt über die Eheschließung vom 18.12.2013 sowie die Sterbeurkunde vom 19.02.2014.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.03.2014 die beantragte Witwenrente ab, da eine sogenannte Versorgungsehe vorgelegen
habe.
Gegen den ablehnenden Bescheid vom 18.03.2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2014 am 14.04.2014 Widerspruch ein
und trug vor, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung
zu begründen. Es hätten von finanziellen Erwägungen unabhängige Gründe vorgelegen, die aus der langjährigen inneren Verbundenheit
resultiert hätten und von dem Wunsch nach Beistand und Unterstützung des Ehemanns in dessen schwieriger Lebenslage getragen
gewesen seien. Dies könne die Tochter der Klägerin bezeugen. Auch könne die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe durch Vorlage
von Nachweisen über das Einkommen des Verstorbenen und der Witwe widerlegt werden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2014 den Widerspruch zurück. Die gesetzliche Vermutung, dass bei einer
Ehe mit einer Ehedauer von weniger als einem Jahr, bei Eheschließung eine Versorgungsabsicht vorgelegen habe (§
46 Abs.
2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI), könne zwar widerlegt werden. Es müsse sich aber um besondere, objektiv feststellbare Umstände handeln; Erklärungen der
Ehegatten über den Zweck der Ehe würden nicht ausreichen. Zudem müssten die Gründe, die gegen eine Versorgungsehe sprechen
sollten, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung
gewesen sei. In der Gesamtschau der Angaben sei davon auszugehen, dass der Versicherte nach kurzer Krankheitsdauer verstorben
sei. Beim Versicherten sei zum Zeitpunkt der Heirat sein Versterben absehbar gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 21.07.2014 am 22.07.2014 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Sie hat zunächst
ihre Gründe aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. In einem Erörterungstermin vom 22.10.2014 hat die Klägerin geschildert,
dass sie mit ihrem verstorbenen Ehemann vor der Eheschließung schon ca. 10 Jahre zusammen gewesen sei und seit 2007 einen
gemeinsamen Haushalt geführt habe. Sie habe immer nicht so richtig heiraten wollen, ihr Mann dagegen schon; die Heirat sei
dann immer wieder verschoben worden. Im Dezember 2013 sei dann sehr schnell und unerwartet ein Lungenkarzinom diagnostiziert
worden. Ab diesem Zeitpunkt sei es der größte Wunsch ihres Mannes gewesen, zu heiraten. Die Ärzte hätten ihrem Mann eine Prognose
von ca. 1 bis 1 1/2 Jahre gegeben. Mit dem dann doch sehr schnellen Ableben hätte niemand gerechnet.
Die Klägerseite hat mehrere ärztliche Unterlagen vorgelegt: Bei einer Erstbehandlung beim Lungenfacharzt Dr. E. am 04.12.2013
ist die Überweisung in das Universitätsklinikum B-Stadt für den gleichen Tag zur weiteren diagnostischen Abklärung erfolgt
(Arztbrief vom 06.12.2013). Das Universitätsklinikum B-Stadt hat nach stationärer Diagnostik den dringenden Verdacht auf ein
Lungenkarzinom rechts zentral mit hämatogener Metastasierung und peritonealer/mesenterialer Metastasierung geäußert (Aufenthalt
dort vom 04.12.2013 bis 11.12.2013, Entlassungsbericht vom 11.12.2013). Neuer Termin war für den 19.12.2013 in der pulmologischen
Schwerpunktambulanz vorgesehen. Am 27.12.2013 ist die medizinische Situation folgendermaßen beschrieben worden, dass der Versicherte
vor zwei Wochen die Erstdiagnose eines weit fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms erhalten habe und eine Radiochemotherapie
geplant sei. Die Chemotherapie ist ab 30.12.2013 eingeleitet worden, wobei es sich um eine palliative Therapie gehandelt hatte;
die Strahlentherapie ist vom 08.01.2014 bis zum 21.01.2014 durchgeführt worden. Am 21.02.2014 hat das Universitätsklinikum
B-Stadt über die stationäre Behandlung des Versicherten vom 18.02.2014 bis zu seinem Tod berichtet: Der Versicherte sei mit
Atemnot in die Notaufnahme gekommen und es sei eine Punktion durchgeführt worden. In der weiteren Folge sei eine Kreislaufinsuffizienz
eingetreten, die sich trotz Intensivbehandlung weiter verschlechtert habe. Noch vor der Verlegung auf die Palliativstation
sei der Tod eingetreten.
Zu diesen ärztlichen Unterlagen hat am 06.11.2014 der Prüfarzt Dr. S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten Stellung genommen:
Aus dem Entlassungsbericht vom 11.12.2013 sei zu entnehmen, dass ein fortgeschrittenes Karzinomleiden mit Lungen-, Hirn-,
Leber-, Knochen-, Milz und Nebennierenbefall vorgelegen habe und kurative Therapieoptionen nicht bestanden haben. Die Prognose
sei als sehr ungünstig anzusehen gewesen, so dass eine Überlebenszeit von einem Jahr aus medizinischer Sicht unwahrscheinlich
gewesen sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 15.01.2015 die Klage abgewiesen. Die gesetzliche Vermutung des §
46 Abs.
2a SGB VI sei nicht widerlegt worden. Das Gericht gehe von den Angaben der Klägerin aus, so dass eine Zeugeneinvernahme nicht erforderlich
sei. Der Tod des Versicherten sei nicht unvermittelt eingetreten. Dem Versicherten und der Klägerin sei zum Zeitpunkt der
Eheschließung bekannt gewesen, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Krankheit leide, die ein erhebliches Risiko
für ein baldiges Ableben in sich führe. Unbeachtlich sei, dass die Klägerin und der Versicherte auf eine Lebensdauer von mehr
als einem Jahr gehofft haben mögen und dies auch von den behandelnden Ärzten so geäußert worden sein mag. Die Eheschließung
am 18.12.2013 sei maßgeblich von der Kenntnis um die schwere Erkrankung und die Befürchtung des baldigen Ablebens des Versicherten
bestimmt gewesen. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass ab dem Zeitpunkt der Erkrankung der größte Wunsch des Versicherten
die Heirat gewesen sei. Vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung hätten konkrete Hochzeitspläne gerade nicht bestanden,
auch wenn der verstorbene Ehemann schon länger habe heiraten wollen. Langjährige Heiratsabsichten könnten nur dann die Vermutung
der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret gewesen seien und die Eheschließung sich als konsequente Verwirklichung
einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstelle.
Hiergegen hat die Klägerin mit Telefax-Schreiben am 16.02.2015 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass die Klägerin über ein eigenes hohes Bruttoeinkommen verfüge, so dass von finanziellen
Erwägungen unabhängige Gründe vorgelegen haben müssten. So habe bereits vor der Heirat eine langjährige innere Verbundenheit
zwischen den Eheleuten vorgelegen. Dies könne die Tochter der Klägerin bezeugen. Es sei auch schon bereits mehrfach mit dem
späteren Ehemann die Eheschließung in Erwägung gezogen worden, jedoch nicht realisiert worden, weil an verschiedenen Terminen
Unklarheiten vorgelegen hätten. Trotzdem sei entscheidend, dass geheiratet habe werden sollen, was schon im Jahr 2010 erstmals
in Erwägung gezogen worden sei. Es seien auch Planungen bezüglich des Hochzeitskleides vorgenommen worden und es sei überlegt
worden, wo die Hochzeitsfeierlichkeiten stattfinden sollten. Im Nachgang zu der mündlichen Verhandlung am Sozialgericht habe
eine Freundin der Klägerin dieser erklärt, sie könne aus ihrem Tagebuch heraus bestätigen, dass sie sich am 24.10.2013 mit
der Klägerin getroffen habe und hier über konkrete Heiratsabsichten gesprochen worden sei. Dabei sei beispielsweise die Farbe
des Hochzeitskleides überlegt worden und es seien Überlegungen zur Durchführung der Hochzeitsfeierlichkeiten angestellt worden.
Auch sei nicht belegt, dass die Lebenswahrscheinlichkeit des Versicherten zum Zeitpunkt der Heirat unterhalb eines Jahres
gelegen hätte. Unwiderlegbar sei gegenüber der Klägerin und deren Ehemann ärztlicherseits von ca. 1 bis 1 1/2 Jahren noch
vorhandener Lebenserwartung ausgegangen worden. Dies könne die Tochter der Klägerin bezeugen.
Wie das Ersturteil festgestellt habe, sei der Klägerin erst kurze Zeit nach der Eheschließung bekannt geworden, dass der Versicherte
an einer lebensbedrohlichen Krankheit leide. Damit räume das Urteil selbst ein, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung eine
derartige Kenntnis noch nicht vorgelegen habe. Richtig sei, dass der Heiratswunsch des verstorbenen Ehemanns der Klägerin
noch weiter gestiegen sei, als er davon ausging, noch 1 bis 1 1/2 Jahre leben zu dürfen.
Der Senat hat die Akten des Standesamtes D-Stadt über die Eheschließung der Klägerin beigezogen. Danach ist die Anmeldung
zur Eheschließung am 17.12.2013 für einen Termin am 18.12.2013 erfolgt. Ersichtlich ist auch, dass ein gemeinsamer Ehename
nicht vereinbart worden ist.
Der Senat hat Unterlagen des behandelnden Lungenarztes Dr. E. beigezogen. Danach hat sich der Versicherte bei ihm am 04.12.2013
in Behandlung befunden und ist zur weiteren Behandlung in das Universitätsklinikum B-Stadt überwiesen worden. Nach Angaben
des behandelnden Allgemeinmediziners J. E., die auf Anfrage des Senats gemacht worden waren, war der Versicherte bis Oktober
2013 ausschließlich wegen einer vorbekannten Colitis ulcerosa behandelt worden. Am 15.10.2013 sei eine Vorstellung wegen Husten
mit Auswurf und Atemnot bei Nikotinabusus erfolgt. Am 29.11.2013 sei wegen anhaltender Beschwerdesymptomatik die Überweisung
zum Pulmologen ausgestellt worden. Die Arbeitsunfähigkeit sei vom 15.10.2013 bis 25.10.2013 und ab 11.12.2013 durchgehend
festgestellt worden. Laut der Krankenhausbefunde sei der Tod binnen eines Jahres absehbar gewesen. Die Befundbesprechung bei
ihm sei am 12.12.2013 erfolgt. Der Versicherte sei im Krankenhaus und nach der Krankenhausentlassung von ihm über die Schwere
der Erkrankung aufgeklärt worden und darüber, dass nur noch palliative Behandlungsmöglichkeiten bestehen würden.
Die Beklagte hat auf die Ausführungen des behandelnden Hausarztes verwiesen und dargelegt, dass es sich medizinisch um eine
klar infauste Prognose gehandelt habe, was auch von der Prüfärztin Dr. B. so bestätigt worden sei.
Die Klägerseite hat vorgetragen, dass die Verehelichung bereits vorbereitet gewesen, als am 17.12.2013 die ärztliche Besprechung
stattgefunden habe. Dass eine schwere Erkrankung bestanden habe und eine palliative Situation vorgelegen sei, bedeute noch
nicht, innerhalb eines Jahres versterben zu müssen. Auch könne eine weitere Zeugin benannt werden, mit der bereits schon mehr
als ein Jahr vor der Diagnostizierung des Lungenkarzinoms über eine mögliche Verehelichung gesprochen worden sei. Ebenso könnten
die ernsthaften Heiratsabsichten durch zwei weitere Zeuginnen bestätigen werden. So sei bereits im Jahr 2010 vorgeschlagen
worden, die notwendigen Papiere in einen Urlaub mitzunehmen und im Urlaub zu heiraten, was die Klägerin und ihr zukünftiger
Ehemann wegen der Eltern jedoch nicht gewollt hätten.
In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 15.11.2017 hat die Klägerin auf Nachfrage noch einmal angegeben, dass sie und
der Versicherte seit Mitte 2004 ein Paar gewesen seien. Nach einem Umbau im Jahr 2007 sei der Versicherte in ihre Wohnung
mit eingezogen, wobei die Ummeldung möglicherweise auch erst etwas später erfolgt sein könne. Die Klägerseite hat darauf hingewiesen,
dass als gewichtiger Umstand, der gegen eine Versorgungsehe spreche, das Einkommen der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt in
Höhe von 2.900,00 Euro brutto monatlich in Betracht zu ziehen sei. Die Klägerin habe bei der Eheschließung auch nicht an eine
Versorgung gedacht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.01.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 08.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 11.03.2014 hin große Witwenrente
aus der Versicherung des C. M. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.01.2015 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Akten der Beklagten und des Standesamtes
D-Stadt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Witwenrente.
§
46 Abs.
2 Satz 1
SGB VI bestimmt, dass eine Witwe, die nicht wieder geheiratet hat, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf eine große
Witwenrente hat, wenn die Witwe das 47. Lebensjahr vollendet hat und der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt
hat. Die Klägerin ist die Witwe des am 19.02.2014 verstorbenen Versicherten C. M., der die allgemeine Wartezeit gemäß §
50 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI erfüllt hatte. Sie hat nach dessen Tod auch nicht wieder geheiratet und war bei Antragstellung 52 Jahre alt. Damit besteht
gemäß §
46 Abs.
2 S. 1
SGB VI grundsätzlich ein Anspruch auf eine große Witwenrente.
Gemäß §
46 Abs.
2a SGB VI haben Hinterbliebene jedoch keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat,
es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder
überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Als besondere Umstände im Sinne
des §
46 Abs.
2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe
für die Heirat schließen lassen (BSG Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R m.w.N. - nach juris).
Im Fall der Klägerin hat die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert, da die Ehe am 18.12.2013 geschlossen wurde und der Versicherte
am 19.02.2014 verstorben ist. Damit hat die Klägerin nach §
46 Abs.
2a SGB VI grundsätzlich keinen Anspruch auf Witwenrente. Es gilt die gesetzliche Vermutung, dass es der alleinige oder überwiegende
Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Annahme eines anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr
ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat
ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder
zumindest gleichwertig sind. Dabei sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf von der Versorgungsabsicht
verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für
die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung
bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des
Einzelfalles zu bewerten (BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 134/08 R; BSG Urteil vom 05.05.2009 a.a.O., jew. nach juris).
Die Umstände sind nachzuweisen; die Beweislast trägt, wer die Hinterbliebenenrente beantragt - hier also die Klägerin (Keller
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, Kommentar zum
SGG, 12. Aufl. 2017, §
118 Rn. 6).
Aus dem Vorhandensein eigener Einkünfte des hinterbliebenen Ehegatten lässt sich kein Beleg für das Vorhandensein von Beweggründen,
die von einer Versorgungsabsicht verschieden sind, herleiten. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass die Rechtsvermutung
nur bei Witwen bzw. Witwern gelten soll, die ihrerseits keine oder nur eine nicht genügende Versorgung haben. Allenfalls kann
das Vorhandensein eigener Einkünfte der Klägerin ein möglicher Hinweis darauf sein, dass der eventuellen Absicht des Versicherten,
die Versorgung der Klägerin nach dem eigenen Tod sicherzustellen, kein größeres Gewicht zukommt. Dies rechtfertigt aber nicht
schon die Annahme eines von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrundes für die Heirat.
Im Rahmen der Gewichtung der anderen Beweggründe im Verhältnis zu der vom Gesetz unterstellten Versorgungsabsicht ist bei
Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten
in der Regel der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a Halbs. 2
SGB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose
und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet - überwiegend oder zumindest
gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung
diejenigen besonderen - inneren und äußeren - Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je
offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß
steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels
an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung
der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines
Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010 a.a.O.).
Der Klägerin und dem Versicherten ist nach der Schilderung der Klägerin bereits beim Verlassen der Klinik und nach dem Akteninhalt
spätestens am 12.12.2013 nach der Besprechung beim Allgemeinarzt J. E. klar gewesen, dass für die Krankheit des Versicherten
keine Heilungsaussicht mehr bestand und die Krankheit in absehbarer Zeit zum Tode führen werde. Die Behauptung einer Überlebensprognose
von mehr als einem Jahr ist kein Umstand, der allgemein im Rahmen des §
46 Abs.
2a SGB VI als entgegenstehender Faktor zu berücksichtigen wäre. Beim Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung zum Zeitpunkt der
Eheschließung ist regelhaft vom Vorliegen des Ausschlussgrundes nach §
46 Abs.
2a SGB VI auszugehen. Eine relativ längerfristige Überlebensprognose wäre lediglich für die Bestimmung des Steigerungsgrades der besonderen
im Einzelfall entgegenstehenden Gründe von Bedeutung. Die Klägerin konnte ihre Behauptung einer längeren Überlebensprognose
für den Versicherten nicht belegen; eine solche war objektiv nicht gegeben und auch die Angaben des Hausarztes bestätigten
dies nicht.
Die im Verlauf des Verfahrens vorgebrachte Behauptung, dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eheschließung keine
Kenntnis vom Vorliegen der lebensbedrohlichen Erkrankung hatten, hat sich nicht bestätigen lassen. Vielmehr sprechen die Angaben
der Klägerin und der behandelnden Ärzte zum Geschehensablauf und die Angaben des Standesamtes, wonach die Anmeldung zur Eheschließung
am Vortag des Heiratstermins erfolgt sei, dagegen. Die Kenntnis des Versicherten vom Vorliegen einer zum Tode führenden Erkrankung
wird von seinem Hausarzt bestätigt; dies sei von der Klinik, aber auch von ihm selbst Mitte Dezember 2013 so vermittelt worden.
Dass auch die Klägerin darum wusste, ergibt sich schon aus ihren eigenen Angaben im Rentenantragsverfahren, was sich auch
mit den tatsächlichen Geschehensabläufen deckt: Nachdem die Klägerin zuvor immer zögerlich auf Heiratspläne des Versicherten
reagiert hatte, hat sie nun absolut kurzfristig in die Eheschließung eingewilligt.
Die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung und die begrenzte Lebenserwartung des Versicherten waren für die Eheleute also klar
gewesen. In einem solchen Fall ist es - wie oben angesprochen - nicht entscheidungserheblich, ob von den Ärzten prognostisch
noch eine Überlebensdauer von einem Jahr für möglich angesehen wird oder nicht. Der Senat konnte sich unter Abwägung aller
ärztlichen Ausführungen nicht davon überzeugen, dass die Eheleute mit Sicherheit davon ausgehen durften, dass der Versicherte
trotz seiner Erkrankung länger als ein Jahr leben würde. Die lebensbedrohliche Erkrankung mit einer Überlebensperspektive
von weniger als einem Jahr war als bedeutsames Faktum zu berücksichtigen.
Der im Verlauf des Verfahrens getätigte Vortrag der Klägerin, dass der Entschluss zur Eheschließung bereits deutlich vor dem
tatsächlichen Heiratstermin erfolgt gewesen sei und deshalb auf diesen früheren Zeitpunkt und nicht auf das Datum der Eheschließung
für die Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Versicherten und der Kenntnis der späteren Eheleute vom Schweregrad
der Erkrankung abzustellen sei, hat sich ebenfalls nicht bestätigen lassen. Es hat sich gezeigt, dass zwar eine langjährige
Beziehung bestanden hatte, die jedoch ohne Verehelichung geführt worden war; die Dauer und Intensität der Beziehung belegen
dabei gerade, dass eine langjährige erfüllte Beziehung auch ohne Eheschließung möglich gewesen war. Auch die vom verstorbenen
Versicherten wohl schon seit längerer Zeit geäußerten Heiratswünsche haben nach dem aus der Akte ersichtlichen Sachverhalt
keine hinreichend konkrete Hochzeitsvorbereitung ausgelöst gehabt. Zwar waren möglicherweise Personaldokumente in verschiedene
Urlaube mitgenommen worden; es handelte sich aber nur um vorsorgliche Maßnahmen, um ggf. kurzfristig heiraten zu können, wozu
es aber nicht gekommen ist. Die von der Klägerseite mit angebotenem Zeugenbeweis vorgebrachten Sachverhalte bzgl. Hochzeitsvorüberlegungen
können sämtlich zu Gunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt werden. Weder Gespräche über eine mögliche Hochzeitsvorbereitung
noch Abwägungen zur Auswahl eines Brautkleides stellen eine nach außen belegte unmittelbare Hochzeitsvorbereitung von einem
so ausreichenden Konkretisierungsgrad dar, dass anstatt auf das Datum der Eheschließung auf das frühere Datum der Hochzeitsfestlegung
abzustellen wäre. Der Gedanke einer möglichen Heirat mag also zwar schon über einen längeren Zeitraum bei dem Versicherten
und auch der Klägerin eine Rolle gespielt haben; er ist jedoch eben gerade immer wieder nicht verwirklicht und auch nicht
konkret in Angriff genommen worden. Dabei handelt es sich noch nicht einmal um ein Verschieben von einem angedachten Termin
zum anderen, sondern nur um jeweils ziemlich vage Vorüberlegungen. Der tatsächliche Ablauf der Hochzeit war dann auch ein
völlig anderer als in den Vorüberlegungen angenommen. Insofern ist für die Beurteilung der gesundheitlichen Verhältnisse und
der Kenntnis der Eheleute über den Schweregrad der Erkrankung zutreffend auf das Datum der Eheschließung bzw. das Datum der
Anmeldung beim Standesamt am Vortag abzustellen gewesen.
Auch das Vorliegen einer Liebesbeziehung reicht allein nicht aus, die Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe zu
erschüttern, wenn die vorliegende schwere und akut lebensbedrohliche Erkrankung den Nachweis besonderer Gründe erforderlich
macht (vgl. BayLSG Urteil vom 20.04.2011 - L 20 R 20/09 - nach juris). Eine Liebesbeziehung ist ein üblicherweise mit einer Eheschließung verbundener Grund und kann nicht den hier
geforderten besonderen Grund darstellen.
Von der Versorgungsabsicht unterschiedene, zumindest gleichwertige andere Gründe für die Eheschließung hat die Klägerin zur
Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Besondere Gründe - über die von der Klägerin angeführten Gründe hinaus - sind nicht
geltend gemacht worden und nicht ersichtlich.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 ist somit unbegründet; die Entscheidung
des Gerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
die beantragte Witwenrente.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.