Beitragsnachforderung nach einer Verurteilung wegen Hinterziehung von Lohnsteuer; Aussetzung der Vollziehbarkeit eines Beitragsbescheides
im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren; Anordnungsgrund
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine ablehnende Überprüfungsentscheidung
zu einem Beitrags-Nachforderungsbescheid.
Der Antragsteller ist mit seit 21.10.2005 Strafurteil des Amtsgerichts C-Stadt vom 13.10.2005 Az.: 306 Ls 771 Js 22720/04 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen u.a. wegen Lohnsteuerverkürzung in 13 Quartalen von April 1999 bis Juni 2002
rechtskräftig verurteilt. Die Bewährungsauflagen hat der Antragsteller bis 20.10.2009 erfüllt. Hintergrund waren jahrelang
mit Hilfe von nur dem Scheine nach Selbständigen durchgeführte, für welche der Antragsteller u.a. vorgab, ein Unternehmen
in Spanien zu betreiben, so dass deutsches Recht keine Anwendung finde.
In Auswertung der Ermittlungs- und Strafakten forderte die Antragsgegnerin auf Grund Betriebsprüfung mit Bescheid vom 20.12.2006
Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschläge iHv EUR 58.885,27 nach. Einen Antrag vom 04.02.2008, diese
Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers aufzuheben, lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 06.02.2009/Widerspruchsbescheid
vom 29.09.2009 ab. Dagegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben (Az.: S 12 R 4391/09).
Gleichzeitig hat der Antragsteller im Wege einstweiligen Rechtsschutzes sinngemäß beantragt, die Vollziehung des Beitragsbescheides
bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache auszusetzen. Mit Beschluss vom 16.12.2009 hat das Sozialgericht den Antrag
abgelehnt. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller begründet sein Begehren einerseits mit der
Verdrängung deutschen durch vorrangiges spanische Recht, mit der verdrängenden Abführung von Steuern wegen selbständiger Tätigkeit
in Spanien, mit der Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern sowie mit der fehlenden Aufklärung gerade dieser Rechtsfragen im
Strafverfahren. Zum anderen sei der Antragsteller finanziell nicht in der Lage, die Nachforderungen zu leisten.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 16.12.2009 aufzuheben die Vollziehung des Bescheides vom 20.12.2006 bis zum
rechtskräftigen Abschluss der Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2009/Widerspruchsbescheid vom 29.09.2009 auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Beigezogen waren die Strafakten Az.: 306 Ls 771 Js 22720/04 einschließlich der Vollstreckungsakten, die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie die Akten des Sozialgericht Würzburg
Az.: S 12 R 4391/09. Ergänzend wird darauf Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber unbegründet. Es besteht keine Veranlassung, wegen der Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2009/Widerspruchsbescheid
vom 29.09.2009 die Vollziehung des Bescheides vom 20.12.2006 auszusetzen.
Streitgegenstand ist die Aussetzung der gem §
86a Abs
1 S 2 Nr
2 SGG bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit des Beitrags-Bescheides vom 20.12.2006 aus Anlass einer Klage gegen eine darauf bezogene
ablehnende Überprüfungsentscheidung gem § 44 SGB X. Diesem Klageverfahren kommt wegen des Streitgegenstandes Überprüfungsentscheidung keine aufschiebende Wirkung in Bezug auf
die Beitragsnachforderung zu. Die aufschiebende Wirkung kann in der Folge auch nicht gem §
86b Abs
1 S 1 Nr
2 SGG hergestellt werden. Das Begehren des Antragstellers ist somit auf Erlass einer Regelungsanordnung gem §
86b Abs
2 SGG gerichtet, die verhindern soll, dass der Beitrags-Bescheid vom 20.12.2006 vollzogen wird.
Im Rahmen der summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage, die wegen der vom Antragsteller geltend gemachten besonderen
Eilbedürftigkeit geboten ist, ergibt sich, dass weder ein Anordnungsanspruch, also ein inhaltliches Recht des Antragstellers,
noch ein Anordnungsgrund, der die Eilbedürftigkeit begründet, glaubhaft gemacht ist gem §
86b Abs
2 S 4
SGG iVm §
920 Abs
2 ZPO. Diese sind auch sonst nicht ersichtlich.
Im Wesentlichen begründet der Antragsteller sein Begehren mit Einwendungen gegen die Beitragsnachforderung. Diese sei rechtswidrig,
weil wegen selbständiger Tätigkeiten nach spanischem Recht deutsches Recht nicht anwendbar sei, der Antragsteller niemand
beschäftigt habe und die Antragsgegnerin zur Nachforderung nicht berechtigt gewesen sei. Das Identische hatte der Antragsteller
bereits im Strafverfahren vorgebracht. Gleichwohl hat er die Verurteilung wegen Hinterziehung von Lohnsteuer akzeptiert, in
Rechtskraft erwachsen lassen und die Bewährungsauflagen über vier Jahre hinweg erfüllt. Der Antragsteller hat insbesondere
die entsprechenden Lohnsteuernachzahlungen an das zuständige Finanzamt geleistet. In Würdigung dieser Tatsachen ergibt sich,
das das erneute Vorbringen zu einem angeblich in Spanien ansässigen Untenehmen und der vorgeblich freien Tätigkeit der Transportfahrer
durch das eigene Verhalten des Antragstellers widerlegt und damit nicht glaubhaft ist. Der Antragsteller hat durch die geleisteten
Nachzahlungen die Versteuerung der durch mehrere Rechnungen, Belege und Zeugenaussagen bewiesenen Fahrervergütungen als Lohn
akzeptiert. In der Konsequenz muss er auch die Verbeitragung der Fahrervergütungen als Lohn akzeptieren, da die erfüllten
Voraussetzungen des steuerrechtlichen Dienstverhältnisses (§
2 Abs
1, §
19 Abs
1 EStG, § 1 Abs 1, 3 LStDV) in Bezug auf die Tätigkeiten der Bootstransport-Fahrer identisch sind mit den Anforderungen einer in der Arbeitslosenversicherung
gem §
25 Abs
1 SGB III, der Krankenversicherung gem §
5 Abs
1 Nr
1 SGB V, der Pflegeversicherung §
20 Abs
1 2 Nr
1 SGB XI sowie der Rentenversicherung gem §
1 S 1 Nr
1 SGB VI versicherungspflichtigen Beschäftigung gem §
7 Abs
1 SGB IV. Dem folgend hat der Antragsteller als Arbeitgeber die Gesamtsozialversicherungsbeiträge gem §
28d ff
SGB IV zu entrichten, welche die Antragsgegnerin in der Ausgangsentscheidung zutreffend errechnet hatte. Die Säumniszuschläge, die
auch der Höhe nach korrekt festgesetzt sind, begründen sich in §
24 SGB IV. Die Beklagte war damit in der Ausgangsentscheidung ihrem Recht und ihrer Pflicht zum Bescheiderlass gem § 28p
SGB IV nachgekommen. Ein Anordnungsgrund ist damit nicht erkennbar.
Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass wegen der illegalen Beschäftigung der Bootstransport-Fahrer §
7 Abs
7 SGB IV keine Anwendung findet (Bayer. LSG Beschluss vom 12.2.2010 - L 5 R 994/09 ER sowie Beschluss vom 07.01.2010 - L 5 R 881/09 ER jeweils mwN).
Ob der Antragsteller - wie ohne konkrete Glaubhaftmachung behauptet - die Beitragsnachforderung mangels Einkommens und Vermögens
dauerhaft nicht erfüllen kann hat keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren, das eine Entscheidung über Stundung oder
Niederschlagung gem §
76 Abs
2 SGB IV nicht umfasst, ohne Belang. Anhaltspunkte für eine unzumutbare Härte sind gerade vor dem Hintergrund der rechtskräftigen
Verurteilung des Klägers nicht erkennbar, zumal die Beitragsnachforderung sich als Einzug der unrechtmäßigen Gewinne aus illegaler
Beschäftigung darstellt. Die begehrte Aussetzung der Vollziehung ist deshalb auch mangels Anordnungsgrundes abzulehnen.
Die Beschwerde bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz i.V.m. §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Orientierung an der streitbegründenden Beitragsnachforderung und berücksichtigt den vorläufigen Charakter des vorliegenden
Verfahrens.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.