Arbeitslosengeld; Vereiteln einer Vertragsanbahnung; Amtsermittlungspflicht; freie Beweiswürdigung; Verfahrensmangel
Gründe
I.
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit und
die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 605,80 €.
Der schwerhörige Kläger bezog Alg in Höhe von 30,29 € täglich (Bescheid vom 15.09.2015). Wegen der Verhinderung der Anbahnung
eines Beschäftigungsverhältnisses hob die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2016 die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts
einer dreiwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 11.02.2016 bis 02.03.2016 auf und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen
in Höhe von 605,80 €. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger angegeben, er habe seine Bewerbungsunterlagen persönlich
abgegeben, aber die Firma R. (Firma R) habe sich nicht mehr gemeldet. Der Mitarbeiter W. (W) der Firma R hat auf Nachfrage
der Beklagten mitgeteilt, er habe die Bewerbungsunterlagen des Klägers persönlich entgegengenommen und dem Kläger einen Termin
für ein Vorstellungsgespräch am 10.02.2016 bei dem für die Einstellungen zuständigen Mitarbeiter genannt. Zu diesem Termin
sei der Kläger jedoch nicht erschienen. Der für den Kläger zuständige Mitarbeiter der Beklagten hat ausgeführt, die Hörschwäche
des Klägers mache sich bei Gesprächen nicht bemerkbar. Der Kläger habe ihm am 25.02.2016 mitgeteilt, er habe sich bei der
Firma R beworben, sei aber zum vereinbarten Termin nicht erschienen, weil er bei einer derartigen Firma nicht zu arbeiten
beginne. Den Widerspruch wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2016 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Wegen seiner Schwerhörigkeit sei ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 bei ihm anerkannt. Tatsächlich habe er ab
14.03.2016 auf eigene Initiative eine Stelle gefunden. Er gehe mit seiner Behinderung nicht hausieren, das wäre für die Arbeitsuche
"nachträglich". Er habe umgehend Bewerbungsunterlagen bei der Firma R an W übergeben und auf seine Schwerhörigkeit hingewiesen,
was allerdings eine Tätigkeit als Maler nicht hindere. W habe ihm bei der Abgabe der Unterlagen erklärt, man werde sich melden.
Dies sei aber nicht erfolgt. Einen eventuellen Hinweis auf einen Termin am 10.02.2016 durch W habe er möglicherweise wegen
seiner Schwerhörigkeit nicht vernehmen können. Er überspiele seine Hörschwäche geschickt, was aber mit einem Defizit an Kenntnisnahme
einhergehe.
Der Kläger hat sich auf Nachfrage des SG mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Das SG hat ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 29.11.2017 die Klage abgewiesen. Die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses
im Rahmen einer zumutbaren Tätigkeit habe der Kläger verhindert, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Zur Überzeugung
des SG habe er einen Vorstellungstermin für den 10.02.2016 von W zumindest mündlich genannt bekommen. Er sei aber zu diesem Termin
nicht erschienen. Dies habe er zunächst auch gegenüber dem Arbeitsvermittler angegeben. Im Übrigen verhindere er, sobald er
etwas nicht verstehe und dies in Kauf nehme, bewusst die Vertragsanbahnung. Seine Angaben im Laufe des Verfahrens seien widersprüchlich.
Die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattungsforderungen seien daher rechtmäßig. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Das SG habe sich über die Angabe des Klägers, er habe keinen Vorstellungstermin für den 10.02.2016 erhalten, einfach hinweggesetzt
und den Sachverhalt nicht aufgeklärt. Falls W einen Termin genannt habe, habe er dies möglicherweise wegen seiner Schwerhörigkeit
nicht gehört. Das SG hätte W als Zeugen einvernehmen müssen. Auch seien die Ausführungen des Arbeitsvermittlers zu seiner Arbeitswilligkeit unrichtig.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
145 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht.
Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder ein Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung sind für den Senat nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Der Kläger geht vielmehr von einem Verfahrensfehler, nämlich von der Verletzung der Amtsermittlungspflicht, durch das SG aus. Der Amtsermittlungsgrundsatz (§
103 SGG) ist jedoch nicht verletzt. Das SG hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung - Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung stellen keinen Verfahrensmangel dar (Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Auflage, §
144 Rn. 34a) - auf die von W im Laufe des Widerspruchsverfahrens gegenüber der Beklagten erteilten Auskunft gestützt und auch
dargelegt, weshalb es den Angaben des Klägers nicht folgt. Das SG ist davon ausgegangen, dass W dem Kläger den Vorstellungstermin für den 10.02.2016 zumindest genannt habe, und es hat ausgeführt,
dass die Inkaufnahme des Nichtverstehens ein bewusstes Vereiteln einer Vertragsanbahnung darstelle. Nachdem sich der Kläger
auch mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatte, war ihm auch klar, dass keine weitere
Beweisaufnahme durch das SG mehr erfolgen würde. Das SG hat damit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs.
1 Satz 1
SGG) entschieden. Die Auskunft des W im Rahmen des Widerspruchsverfahrens konnte es als Urkundenbeweis im Rahmen der Beweiswürdigung
berücksichtigen (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO § 103 Rn.11d).
Nach alledem war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).