Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld.
Der Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger und war in den Jahren von 2003 bis 2006 inhaftiert. Am 17.11.2006 beantragte
er bei der Dienststelle der Beklagten in N. die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Ausweislich seines Passersatzes war er ausreisepflichtig,
seine Abschiebung war jedoch bis 26.12.2006 ausgesetzt (Duldung). Als Nebenbestimmung der Duldung war seitens der Ausländerbehörde
verfügt, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei.
Mit Bescheid vom 23.11.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil dem Kläger die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit untersagt
sei, und er damit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe.
Mit dem hiergegen am 27.11.2006 erhobenen Widerspruch brachte der Kläger vor, dass die Versagung von Arbeitslosengeld allein
unter Anknüpfung an die Ausländereigenschaft einen Verstoß gegen Art 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darstelle. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2006 zurück.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Sozialgericht N. (SG) mit Urteil vom 16.01.2008 abgewiesen. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe nur, wenn eine Beschäftigung ausgeübt werden
dürfe. Dem Kläger sei die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit jedoch nicht gestattet, so dass er den Vermittlungsbemühungen der
Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung stehe.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 08.02.2008 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt und erneut den Verstoß
gegen Art 14 der EMRK gerügt. Er beantragt (sinngemäß):
Das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 16.01.2008 und der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.12.2006 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Leistungen nach dem
SGB III zu bewilligen und auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat mangels Verfügbarkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die u.a. arbeitslos sind, §
118 Abs
1 Nr
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit),
§
119 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB III. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden
wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes
ausüben kann und darf, §
119 Abs
5 Nr
1 SGB III.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger jedoch offenkundig nicht, weil ihm - zum Zeitpunkt der Antragstellung im November
2006 - durch die zuständige Ausländerbehörde die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit untersagt war, so dass er eine Beschäftigung
im Sinne des §
119 Abs
5 Nr.1
SGB III nicht aufnehmen durfte. Damit stand der Kläger dem Arbeitsmarkt - aufgrund rechtlicher Hindernisse - nicht zur Verfügung.
Ob in der Folgezeit dieses rechtliche Hindernis weggefallen ist, hat der Kläger nicht dargelegt. Anhaltspunkte hierfür fehlen
jedoch, und spätestens nach dem Wegzug des Klägers aus N., der für die Zeit ab dem 10.12.2007 zu belegen ist, hat der Kläger
mangels Erreichbarkeit im Sinne des §
119 Abs
5 Nr
2 SGB III - unabhängig von der aufgeworfenen Rechtsfrage - keinen Leistungsanspruch.
Das SG hat am 10.12.2007 anlässlich der Ladung des Klägers zum geplanten Termin am 16.01.2008 festgestellt, dass dieser nicht mehr
unter der Anschrift in N. gemeldet war. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger die Beklagte über den Umzug informiert und
sich am neuen Wohnort arbeitslos gemeldet hätte.
Aufgrund des rechtlichen Hindernisses keine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu dürfen, stand der Kläger dem Arbeitsmarkt nicht
zur Verfügung.
Nach § 4 Abs 3 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet
- Aufenthaltsgesetz (AufenthG) - dürfen Ausländer eine Beschäftigung nur dann ausüben, wenn ein Aufenthaltstitel dies erlaubt, und von Arbeitgebern nur
beschäftigt werden, wenn sie über einen solchen Aufenthaltstitel verfügen. Ein solcher Aufenthaltstitel iSd § 4 Abs 1 Satz 2 AufenthG hat im Hinblick auf die Ausreisepflicht des Klägers (Duldung) jedoch gerade nicht vorgelegen, und es liegen auch keine Anhaltspunkte
vor, dass dem Kläger auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit
ohne den Besitz eines Aufenthaltstitels gestattet gewesen wäre (§ 4 Abs 3 Satz 2 AufenthG).
Unabhängig davon, dass diese Verwaltungsentscheidung der Ausländerbehörde für die Beklagte bindende Wirkung hat und der dort
geregelte Sachverhalt der Entscheidung über den Leistungsanspruch zugrunde zu legen ist, hat der Kläger nicht dargelegt, dass
die Ausreisepflicht zu Unrecht angeordnet worden wäre, und dass er die Entscheidung der Ausländerbehörde angefochten hätte.
Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich auch nicht nach dem Vortrag des Klägers, es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
des Art 14 der EMRK vor, weil er wegen seiner Ausländereigenschaft diskriminiert werde.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Kläger nicht wegen seiner Ausländereigenschaft vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist, sondern
weil ihm aufgrund seines - nicht hinreichend - gesicherten ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus der Zugang zum deutschen
Arbeitsmarkt verwehrt ist, und er hat - auch nach supranationalen Regelungen - keinen Anspruch auf einen uneingeschränkten
Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag, der durch das Zustimmungsgesetz nach Art.
59 Grundgesetz (
GG) in deutsches Recht transformiert wurde, den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat. Insofern ist es für Gerichte und Behörden
der Vertragsstaaten gleichermaßen verbindlich wie eine Entscheidung des BVerfG nach § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BverfGG). Jedoch verpflichtet die EMRK die Vertragsstaaten nicht zu einer bestimmten Gesetzgebung, sondern dient in erster Linie zur Abwehr und zum Schutz gegen
Eingriffe des Staates. Ansprüche auf Leistungen des Staates werden durch die Menschenrechte der EMRK nicht begründet. Die in der EMRK enthaltenen Menschenrechte verkörpern einen sog. Mindeststandard, den die in der Verfassung verankerten Grundrechte in Umfang
und inhaltlicher Reichweite teilweise weit übertreffen. Bei der Auslegung der in der Verfassung garantierten Grundrechte zieht
das BVerfG die in der EMRK enthaltenen Menschenrechte zudem mit heran (vgl. BFH, Beschluss vom 23.02.2006 - Az. III B 44/05 in juris mwN)
Insofern lässt sich allein aus Art 14 der EMRK kein uneingeschränkter Zugang eines Ausländers zum deutschen Arbeitsmarkt ableiten, denn auch der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte (EGMR) erachtet eine unterschiedliche Behandlung von Ausländern nur als diskriminierend, soweit keine sachliche Rechtfertigung
vorliegt, d.h. kein legitimes Ziel verfolgt wird oder die Maßnahme unverhältnismäßig ist.
Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben, denn die Regulierung des Zugangs ausländischer Beschäftigter zum deutschen Arbeitsmarkt
stellt ein in diesem Sinne legitimes Ziel dar. Der EGMR vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die EMRK das Recht eines Fremden, das Gebiet eines Konventionsstaates zu betreten und in ihm zu verweilen, nicht gewährleistet; (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 2 BvR 101/84, 2 BvR 313/84 in BVerfGE 76, 1-83). Umso weniger ist aus Art 14 der EMRK ein uneingeschränkter Zugang eines Ausländers zum Arbeitsmarkt eines Konventionsstaates abzuleiten.
Anderes gilt lediglich für Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, zu denen der Kläger als nigerianischer
Staatsangehöriger jedoch nicht zählt.
Lediglich den Unionsbürgen wird innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit als Arbeitnehmer gewährleistet (Art 39 Abs 1
EG-Vertrag). Diese umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer
der Mitgliedsstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen (Art 39 Abs 2 EG-Vertrag), wobei
selbst diese Freizügigkeit beschränkt werden kann, wenn Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit dies rechtfertigen
(Art 39 Abs 3 EG-Vertrag).
Die hier maßgeblichen Regelungen des deutschen Arbeitsförderungsrechts über den Ausschluss vom Leistungsbezug stellen auch
keine unverhältnismäßige oder sachwidrige Ungleichbehandlung dar, denn auch an anderer Stelle des
SGB III ist der Ausschluss und/oder der Verfall erworbener Ansprüche geregelt, die auf tatsächlichen oder rechtlichen Beschränkungen
beruhen, eine Beschäftigung aufzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Absatz
2 Nr.1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.