Tatbestand
Streitig ist eine nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung fehlerhafter Ansätze der Gebührenordnungsposition (GOP) 01740 EBM.
Der Kläger nahm als Frauenarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 29.10.2009 forderte die Beklagte
einen Betrag von 6.322,51 EUR zurück, weil sie festgestellt habe, dass der Kläger in seinen Abrechnungen die GOP 01740 in den Quartalen 2/2005 bis 2/2008 zum Teil mehrmals beim selben Versicherten abgerechnet habe. Nach den Richtlinien
des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinien)
solle der Versicherte möglichst bald ab dem Alter von 55 Jahren eine weitere Beratung (zweite Beratung, GOP 01740) erhalten. Die Anzahl der zu korrigierenden Ansätze und die sich daraus ergebende Rückforderungssumme könne er dem
beiliegenden Berechnungsschema entnehmen.
In seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass sich aus der Leistungslegende eine Beschränkung auf eine einmalige
Abrechnung in der gesamten Lebenszeit nicht ergebe. Außerdem seien in der Häufigkeitsstatistik 154 Patienten aufgelistet,
von denen 55 nach dem angegebenen Geburtsdatum noch nicht geboren seien. Mit Schreiben vom 25.03.2010 übersandte die Beklagte
eine weitere Aufstellung, in der die Geburtsdaten berichtigt waren. Aus der Übersicht ergeben sich die Arztnummer (1. Zeile,
Fettdruck), die GOP, der Patient, das Quartal der Leistungserbringung, die Höhe des Auszahlungsbetrages und der zurückgeforderte Betrag. Mit
Bescheid vom 09.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie habe im vorliegenden Fall die Plausibilitätskontrolle
für die Quartale 2/2005 bis 4/2007 durchgeführt. Als Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung sei eine Honorarrückforderung von
insgesamt 6.322,51 EUR festzusetzen. Die Honorarbescheide für die vorgenannten Quartale seien unrichtig, weil zumindest ein
Teil der Vergütung für die gegenständlichen Quartale zur Abgeltung von Leistungen festgesetzt worden sei, die nicht beziehungsweise
nicht vollständig in Übereinstimmung mit den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen erbracht worden seien.
Eine Falschabrechnung liege vor, wenn die in den Bestimmungen der jeweiligen Leistungslegenden des EBM, in den Präambeln und
sonstigen Zusatzvereinbarungen enthaltenen Abrechnungsvoraussetzungen nicht erfüllt und die GOP dennoch angesetzt würden. Die GOP 01740 beinhalte nach den Krebsfrüherkennungs-Richtlinien ab dem Alter von 55 Jahren eine weitere Beratung. Damit seien die
eingereichten Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu berichtigen. In den Abrechnungen der Quartale 2/2005 bis 4/2007 sei die
GOP 01740 zum Teil mehrmals beim selben Versicherten abgerechnet worden. Bezüglich der Patientenaufzählung werde auf die Ausführungen
im Bescheid vom 29.10.2009 und dessen Anlagen Bezug genommen. Da die eingereichten Abrechnungen für die streitgegenständlichen
Quartale sachlich-rechnerisch unrichtig seien, sei die Beklagte berechtigt und verpflichtet, den entsprechenden Honorarbescheid
aufzuheben.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Der Bescheid sei wegen eines erheblichen Begründungsmangels formell rechtswidrig. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid
bezüglich der einzelnen Berechnungsschritte des Rückforderungsbetrages einfach pauschal auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid
und dessen Anlagen bezug genommen. Diese Aufstellungen seien unverständlich. Im übrigen sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger die streitgegenständliche GOP 01740 nicht fehlerhaft angesetzt. Dass sie nur ein einziges Mal nach dem 55. Lebensjahr berechnungsfähig sei, ergebe sich
nicht aus der Leistungslegende. Im Übrigen seien in der Aufstellung als Anlage zum Ausgangsbescheid die Geburtsdaten von 53
Patienten fehlerhaft angegeben worden. Einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarbescheide stehe jedenfalls entgegen,
dass der Kläger seine vertragsärztliche Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung nicht schuldhaft verletzt habe. Die Funktion
der Abrechnungs-Sammelerklärung entfalle nämlich dann nicht, wenn lediglich ein schlichtes Versehen vorliege. Die Beklagte
legte mit Schreiben vom 06.12.2010 demgegenüber dar, dass die Berechnung der Gesamtrückforderung sich aus der Addition der
einzelnen Teil-Rückforderungsbeträge ergebe. Der Kläger habe gegen seine Grundpflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung
verstoßen. Die GOP 01740 könne nur einmalig bei Patienten ab Vollendung des 55. Lebensjahres durchgeführt werden. Es stehe zur Überzeugung der
Beklagten fest, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe und deshalb zumindest
von grob fahrlässigem Handeln auszugehen sei.
Mit Urteil vom 17.04.2012 gab das SG der Klage statt. Die Kammer habe keine Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung der Beklagten, dass der Kläger die GOP 01740 in den angeführten Fällen (grob fahrlässig) falsch abgerechnet habe. Dies ergebe sich aus dem Zusammenspiel der einschlägigen
Regelungen der Krebsfrüherkennungs-Richtlinien und der GOP 01740. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung durch die Beklagte sei im Ergebnis dennoch zu beanstanden, da der Bescheid
vom 29.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2010 nicht inhaltlich hinreichend bestimmt sei. Es werde nicht
erkennbar, welche Honorarbescheide konkret aufgehoben würden. Eine Neufestsetzung der Honorare fehle. Auch sei nicht hinreichend
erkennbar, wie sich der Rückforderungsbetrag bezogen auf die einzelnen Quartale zusammensetze. Die widersprüchlichen Aussagen
darüber, welche Honorarbescheide konkret aufgehoben würden, hätten zur Folge, dass der streitgegenständliche Bescheid nicht
hinreichend inhaltlich bestimmt sei. Im Übrigen werde auch nur ein einziger Rückforderungsbetrag für alle betroffenen Quartale
aufgeführt. Eine Aufstellung von Einzelbeträgen bezüglich der einzelnen Quartale sei nicht erfolgt.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Bei dem streitgegenständlichen Verfahren handele es sich um ein Prüfverfahren
für die Quartale 2/2005 bis 2/2008, das auf Antrag der Krankenkassen durchgeführt werden musste und über 1000 Praxen betroffen
habe. Deshalb befinde sich im Ausgangsbescheid ein Hinweis auf die im Prüfantrag genannten Quartale. Dies bedeute aber nicht,
dass beim Kläger in jedem dieser Quartale eine Rückforderung erfolgt sei. Aus der mit dem Schreiben vom 25.03.2010 übersandten
Liste sei für den Kläger eindeutig erkennbar, in welchen Quartalen bei welchen Patienten und in welcher Höhe die GOP 01740 zurückgefordert werde. Dies ergebe sich aus dem Bescheid vom 29.10.2009 und dem Schreiben vom 25.03.2010 in Zusammenschau
mit der zweiten übermittelten Patientenliste. Überdies sei eine Honoraraufhebung und Neufestsetzung gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Stelle die Beklagte in der vom Vertragsarzt eingereichten Abrechnung Abrechnungsfehler fest, könne sie die Honorarforderung
im Wege der sachlich-rechnerische Richtigstellung nach §
106a Abs.
2 S. 1
SGB V in Verbindung mit § 45 Abs. 2 BMV-Ä berichtigen. Der Kläger habe gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem er die GOP 01740 entgegen den Abrechnungsvoraussetzungen mehrmals bei Versicherten abgerechnet habe. Die Beklagte habe das Abrechnungsverhalten
des Klägers zu keinem Zeitpunkt geduldet. Die GOP 01740 sei der automatischen quartalsübergreifenden Kontrolle entzogen. Die Kassen könnten hingegen versichertenbezogen prüfen
und hätten daher die Anträge bei der Beklagten gestellt. Ergänzend werde zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung ausgeführt,
dass diese zugleich mit der Honorargewährung in der Weise erfolgen könne, dass das Honorar von vorneherein nur gemindert bewilligt
werde, dies sei die so genannte quartalsgleiche Richtigstellung. Es sei aber auch möglich, das Honorar wie hier zunächst in
der vom Arzt geforderten Höhe zu bewilligen und auszubezahlen und erst nachträglich eine sachlich-rechnerische Richtigstellung
vorzunehmen, die so genannte nachgehende Richtigstellung.
Die Beklagte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 07.05.2012.
Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 08.06.2012.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München war deshalb aufzuheben und die Klage
abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 29.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2010 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der nachgehenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch den Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom
29.10.2009 ist §
106 a SGB V, § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä), § 34 Abs. 4 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä). Die Befugnis zur Richtigstellung besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide im Rahmen der nachgehenden Richtigstellung.
Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids (BSG Urteil vom 08.02.2006, B 6 KA 12/05 R). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-) Aufhebung des Honorarbescheids
mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Absatz ein S. 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG a.a.O.).
Die sachlich-rechnerische Richtigstellung des mehrfachem Ansatzes der GOP 01740 beim selben Patienten ist zutreffend, da sich - worauf das SG ausdrücklich hingewiesen hat - aus der Leistungslegende und § 38 Abs. 2 Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (bzw. Abschnitt B. 3. b. - Frauen und C. 2. b. - Männer Krebsfrüherkennungs-Richtlinie
a.F.) eindeutig ergibt, dass nach Vollendung des 55. Lebensjahres nur eine Beratung, die so genannte zweite Beratung, abgerechnet
werden kann.
Gegen den Richtigstellungsbescheid bestehen auch im Übrigen keine rechtlichen Bedenken. Einen Begründungsmangel (§ 35 Abs. 1 S. 1 SGB X) oder die fehlende Bestimmtheit (§ 33 SGB X) des Bescheides vermag der Senat nicht zu erkennen. Aus der Aufstellung aller abgerechneten und aller richtig gestellten
GOP unter Angabe des jeweiligen Patienten sowie der Quartale, die mit Schreiben vom 25.03.2010 übersandt wurde, ergibt sich eindeutig,
wie oft die GOP jeweils pro Quartal richtig gestellt wurde. Dabei ist es zwar grundsätzlich wünschenswert, dass die jeweiligen Rückforderungsbeträge
bezogen auf ein Quartal dargestellt werden; aus rechtlicher Sicht führt es jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Richtigstellungsbescheides,
wenn die jeweilige quartalsbezogene Rückforderungssumme nicht ausdrücklich beziffert wird, soweit anhand der vorhandenen Daten
durch eine einfache Addition eine Berechnung möglich ist. Eine Neufestsetzung des jeweiligen Honorars für die streitgegenständlichen
Quartale muss nicht explizit erfolgen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.