Tatbestand
Die Parteien streiten wegen einer Versorgung nach dem Impfschadensrecht.
Für den mittlerweile 32-jährigen Kläger ist für die Wahrnehmung der Ansprüche wegen Impfschadens eine ausschließliche Betreuung
durch Rechtsanwältin P. eingerichtet. In allen übrigen Bereichen ist dessen Mutter gesetzliche Betreuerin.
Schwangerschaft und Geburt waren beim Kläger unauffällig verlaufen. Am 02.02.1980 fand eine Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt
statt. Im Rahmen dessen wurden die erste Impfung mit inaktiviertem Diphterie-Tetanus-Pertussis-Impfstoff (DTP-Impfstoff) sowie
eine Polio-Schluckimpfung (attenuierte Poliomyelitis-Lebendvakzine - P-Impfstoff) durchgeführt. Diese ersten Impfungen vertrug
der Kläger ohne Komplikationen. Die zweite Impfung ebenfalls mit DTP- und P-Impfstoff erfolgte am 16.06.1980. Die Eintragungen
im Impfbuch wurden nicht nach Hersteller und Chargennummer spezifiziert. Am Abend des 16.06. und am Vormittag des 17.06.1980
riefen die Eltern den Arzt, da hohes Fieber bestand. Über den Krankheitsverlauf zwischen dem 17. und 22.06.1980 existieren
weder Unterlagen in den Akten noch zeitnahe Angaben der Eltern.
Am 22.06.1980 trat beim Kläger ein erster Krampfanfall auf. Man brachte ihn zur diagnostischen Abklärung der Anfallursache
in die Universitätskinderklinik B-Stadt (im Folgenden: F.). Thorax und Schädel waren ohne pathologischen Befund. In der Magensaft-
und Urinanalyse entdeckte man damals eine sauer extrahierbare Substanz, die nicht weiter identifiziert werden konnte. Im Blutbild
war der Leukozytenanteil (vorwiegend Lymphozyten) stark erhöht. Die F. äußerte die Vermutung, der Krampfanfall und die gleichsam
festgestellte Tachykardie seien am Ehesten auf eine Intoxikation mit einer nicht näher identifizierbaren Substanz zurückzuführen.
Die klinischen Symptome, so liest man im Abschlussbericht, sprächen am Ehesten für ein Pfeiffer'sches Drüsenfieber, wobei
der serologische Erregernachweis fehlte. In der Anamnese dieses Berichts wurde festgehalten, "in den letzten Tagen" hätten
keine Infektzeichen bestanden; am Tag vor der Aufnahme sei der Kläger etwa 35 cm tief aus dem Kinderwagen auf einen Holzboden
gefallen, nach dem Sturz aber unauffällig gewesen.
Am 27.08.1980 trat im Rahmen eines viralen Infekts ein weiterer schwerer Krampfanfall auf, der stationär behandelt und als
Fieberkrampf interpretiert wurde. Im Alter von 15 Monaten ereigneten sich erneut zwei Krampfanfälle, worauf eine antikonvulsive
Therapie eingeleitet wurde. Die nächsten Jahre waren davon geprägt, dass sich die Anfallsituation verschlechterte, die Anfälle
medikamentös nicht beherrschbar waren und sich beim Kläger eine zunehmende geistige und motorische Retardierung mit Verhaltensauffälligkeiten
einstellte. Im Bericht der F. vom 14.07.1987 wurde zum ersten Mal die Diagnose einer primären Grand-mal-Epilepsie genannt.
Eine umfangreiche Differentialdiagnostik zur Klärung der Ursache der Epilepsie (u.a. humangenetisches Konsil, jedoch keine
Chromosomenanalyse) brachte kein Ergebnis. Die Bildgebung des Gehirns war immer unauffällig. Jedoch wurden Veränderungen an
der Schädelkalotte, am Kiefer (Cherubismus) und am Zahnfleisch festgestellt. Es kam über Jahrzehnte hinweg zu zahlreichen
stationären Krankenhausaufenthalten.
Die Ärztin K. erstellte unter dem Datum 17.08.1999 ein Gutachten im betreuungsrechtlichen Verfahren. Frau K. kam zum Ergebnis,
der Kläger sei nicht geschäftsfähig.
Am 27.03.2001 stellte die Betreuerin einen Antrag auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Am 23.08.2001 führte Dr. H. vom ärztlichen Dienst des Beklagten ein Gespräch mit den Eltern des Klägers. Diese erklärten,
es sei nicht richtig, dass das Kind vier Wochen zu früh zur Welt gekommen sei. Anfallsleiden in der Verwandtschaft seien nicht
bekannt. Die frühkindliche Entwicklung bis zur Impfung am 16.06.1980 sei völlig normal verlaufen. Das Kind sei bei der Impfung
gesund gewesen. Schon auf der Heimfahrt von der Impfung habe es einen roten Kopf und Temperaturerhöhung gehabt. Aus diesem
Grund hätten die Eltern am Abend den Kinderarzt gerufen, der Wadenwickel empfohlen habe. Am nächsten Morgen hätten sie erneut
den Kinderarzt rufen müssen, da immer noch hohes Fieber bestanden habe; dieser habe Zäpfchen verschrieben. An den weiteren
Verlauf könnten sich die Eltern nicht mehr erinnern. Es treffe nicht zu, dass das Kind am Tag vor dem Anfall aus dem Kinderwagen
gefallen sei.
Prof. Dr. K. (K) erstellte im Verwaltungsverfahren ein Gutachten nach Aktenlage. In dem Gutachten vom 09.03.2002 gab K an,
eine intrauterin erworbene Belastung bzw. Schädigung des Kindes sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Zu der Angabe der Eltern,
der Kläger habe bereits auf der Heimfahrt einen roten Kopf und Fieber gehabt, merkte K an, dass eindrucksvolle Ereignisse
(so etwa fortdauernd hohes Fieber, unstillbares Schreien, Bewusstseinstrübung, Erbrechen, weiterhin nötige Hausbesuche des
Arztes etc.) zwischen dem letztgenannten Fiebertag, dem 17.06.1980, und dem Tag des ersten Krampfanfalls, dem 22.06.1980,
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden gewesen seien. Wichtig sei, dass bei der Aufnahme eine erhebliche Leukozytose
(20.100 Zellen) bestanden habe. Am nächsten Tag sei es dann zu einem Fieberanstieg und zu generalisierten Lymphknotenschwellungen
gekommen. Am 28.06.1980 sei der Kläger dann aber wieder fieberfrei gewesen und die Lymphknotenschwellungen hätten abgenommen.
So gut wie sicher habe es sich um die Manifestation eines bestimmten genetisch determinierten Anfallsleidens gehandelt. Die
Manifestationsprovokation sei in der Frühphase einer Virusinfektion erfolgt, deren Vorhandensein schon am 22.06.1980 anhand
des hochpathologischen Blutbilds bewiesen sei und für die dann ab 23.06.1980 weitere Symptome (Fieber, generalisierte Lymphknotenschwellung)
hinzugetreten seien. Letztlich spiele keine Rolle, ob es sich um Pfeiffer'sches Drüsenfieber oder eine symptomähnliche Virusinfektion
gehandelt habe. Der zunehmend ausgeprägte Intelligenzdefekt, die Verhaltensstörungen und die motorischen Auffälligkeiten seien
anfallsbedingte Sekundärschäden gewesen.
Mit erheblicher (deutlich überwiegender) Wahrscheinlichkeit, so K, liege eine primäre Grand-mal-Epilepsie vor, genauer eine
frühkindliche Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und alternierendem Hemi-Grand-mal. Nach wissenschaftlichen
Erkenntnissen seien etwa 2% aller Epilepsien der ersten 15 Lebensjahre hier einzuordnen. Betroffen seien vorwiegend bis zum
Anfallsbeginn normal entwickelte Kinder, Jungen häufiger als Mädchen, Krankheitsbeginn bevorzugt im Alter zwischen 5 und 15
Monaten. Wesentliche Ursache sei eine polygene Determination. Hinzukommende Manifestationsauslöser seien oft Infektionen,
gelegentlich auch Impfungen. Das klinische Bild zeige anfangs häufig febrile, im weiteren Verlauf zunehmend afebrile generalisierte
klonische sowie tonisch-klonische Anfälle mit langer Anfallsdauer. Besonders im Frühstadium könnten auch wechselnde Seitenbetonungen
bis hin zu Halbseitenkrämpfen beobachtet werden. Oft bestehe Therapieresistenz, Sekundärschäden (z.B. Demenz) kämen hinzu.
Die bildgebende Darstellung sei meist unauffällig bis unergiebig, im EEG finde man zunächst meistens Normalbefunde, später Tetra-Rhythmen.
Zwar seien, so fuhr K fort, die verabreichten Impfstoffe grundsätzlich in der Lage, zentralnervöse Impfschäden auszulösen,
hierunter auch Krampfanfälle und die Manifestationsprovokation genetisch determinierter Anfallsleiden. Trotzdem sei das hier
nicht der Fall gewesen. Denn in den Tagen nach der Impfung bis zum ersten Krampfanfall seien keine enzephalopathischen Symptome
genannt worden. Auch zeitgleich mit dem Auftreten des ersten Krampfanfalls hätten sich weder enzephalopathische Symptome noch
Liquorbefund (wie für die Mehrzahl der Pertussis- und Poliomyelitis-Impfschäden zu erwarten) noch später Hirnsubstanzverluste
in bildgebender Darstellung (wie für Diphterie- und DT-Impfschäden zu erwarten) gefunden. Der erste Krampfanfall sei vielmehr
zweifelsfrei durch eine anlaufende (siehe Blutbild mit Leukozytose) und am nächsten Tag auch mit externer klinischer Symptomatik
einhergehende Infektionskrankheit verursacht worden. Ein Impfschaden liege nicht vor.
Der Beklagte lehnte den Versorgungsantrag mit Bescheid vom 23.09.2002 ab. In der Begründung wies er darauf hin, K habe es
als nahezu zweifelsfrei erachtet, dass der erste Krampfanfall am 22.06.1980 nach der Art eines Initial- oder Infektkrampfes,
d.h. in der präfebrilen Phase einer bereits anlaufenden und sich am nächsten Tag auch mit externer klinischer Symptomatik
manifestierenden Infektionskrankheit aufgetreten sei. Diese Infektionskrankheit, die nicht in ursächlichem Zusammenhang mit
der Impfung stehe, habe letztendlich die Manifestation des Anfallsleidens provoziert. Eine Kannversorgung scheide aus, weil
zum einen über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft keine Unklarheit bestehe und zum anderen
die Krampfauslösung praktisch zweifelsfrei auf die Infektionskrankheit zurückzuführen sei. Versuche des Beklagten, weitere
ärztliche Unterlagen aus der Zeit nach der Impfung bis zum Auftreten des ersten Anfalls zu beschaffen (alte Karteikarte des
damals behandelnden Kinderarztes, dessen persönliche Befragung, weitere Unterlagen der F.), seien negativ verlaufen. Den gegen
den Ablehnungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2002 zurück.
Am 11.12.2002 hat der Kläger beim Sozialgericht Nürnberg Klage erhoben. Dr. H. (H) hat ein Gutachten nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) erstellt (Gutachten vom 28.02.2007). Er hat die Ansicht vertreten, die Ursache des jetzigen Anfallsleidens des Klägers liege
vermutlich in einer postvakzinalen pathologischen Immunreaktion. Es handle sich um eine hyperergische Reaktion von zentralen
Gefäßwänden und dem umgebenden Nervengewebe mit Übertritt von Flüssigkeit ins Gehirn und einer Entzündung. Der Pathomechanismus
der postvakzinalen Enzephalitis/Enzephalopathie sei im Prinzip für alle Impfstoffe gleich und gleiche auch dem der postinfektiösen
Fälle. Es handle sich um eine pathologische, vermutlich T-Zell-vermittelte Immunreaktion, bei der zunächst die das Nervensystem
versorgenden Blutgefäße reagierten und danach
Nervengewebe irrtümlich angegriffen werde. Als plausibles Zeitintervall für diese pathologischen verzögerten Immunreaktionen
nach Impfstoffanwendung werde derzeit ein Zeitraum von wenigen Stunden bis hin zu 42 Tagen angesehen. Prinzipiell sei jedes
der applizierten Impfantigene in der Lage, eine solche pathologische Immunreaktion auszulösen. Am häufigsten seien Komplikationen
nach der Pertussis-Ganzkeimimpfung beschrieben, aber in Einzelfällen auch nach Diphterie-, Tetanusimpfung und Polio-Lebendimpfung.
Bei der vom 23. bis 28.06.1980 dauernden Erkrankung handle es sich um einen Ausdruck der systemischen Reaktion auf eine Impfvirus-Virämie
nach einer Lebendimpfung. Die Polio-Lebendimpfung sei als Ursache des "Infekts" nicht in Betracht gezogen worden; daher seien
auch keine Untersuchungen diesbezüglich durchgeführt worden. Der unauffällige Liquorbefund vom 22.06.1980 spreche nicht gegen
eine impfbedingte Enzephalopathie, weil diese Reaktion auch ohne oder mit geringgradiger Pleocytose auftreten könne. Sicherlich
bestehe beim Kläger eine Disposition zu Anfallsleiden. Jedoch sei dafür keine andere Ursache als die Impfung erkennbar. Das
Zeitintervall für eine solche Impfreaktion sei plausibel. Derartige Impfreaktionen seien bekannt und pathophysiologisch erklärbar.
Zwar könnten auch Infekte mit Viren oder Bakterien eine immunologisch vermittelte Enzephalopathie auslösen. Jedoch seien andere
Erreger nicht identifiziert worden, so dass diese Annahme spekulativ sei. Mit dieser Begründung ist H zum Ergebnis gekommen,
ein Impfschaden liege vor.
Dazu hat K unter dem Datum 14.11.2007 auf den Auftrag des Beklagten hin ergänzend Stellung genommen. Die F., so K, habe damals
keinen Anlass gehabt, speziell auf einen Impfschaden hin zu untersuchen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen gebe es für Impfschäden
keine beweisende Symptomatik. Vielmehr handle es sich um eine Ausschlussdiagnose die folgende Voraussetzungen habe:
- Die postvakzinale Inkubationszeit müsse akzeptabel sein;- das Schadensbild (das Akutereignis ebenso wie der Langzeitschaden)
müsse plausibel sein;
- alle für ein solches Schadensbild in Frage kommenden Konkurrenzursachen müssten ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich
sein.
An letzterer Voraussetzung würde es beim Kläger fehlen. Es liege eine wesentlich wahrscheinlichere Ursache vor. Diese Konkurrenzursache
sei die bereits am 22.06.1980 durch ein extrem pathologisches Blutbild fassbar gewordene Infektionskrankheit. An der grundsätzlichen
Diagnose einer bereits am 22.06.1980 vorhandenen Infektionskrankheit bestehe angesichts des pathologischen Blutbilds und der
Lymphknotenschwellungen kein Zweifel. H, so K weiter, habe das Krankheitsgeschehen als postvakzinale Enzephalitis bzw. Enzephalopathie
aufgefasst. Jedoch äußere sich eine Enzephalitis in aller Regel nicht nur in einem isolierten Krampfanfall, sondern (mit oder
ohne Krampfanfälle) mit über Tage und eventuell Wochen andauernder zentralnervöser pathologischer Hemmungs- und/oder Enthemmungssymptomatik.
Davon könne hier keine Rede sein; der Kläger habe sich rasch erholt. Die große Mehrzahl enzephalitischer Kinder zeige Meningismus
(Nackensteifigkeit etc.), einen pathologischen Liquorbefund und in der bildgebenden Darstellung ödematöse Hirnveränderungen;
an all dem fehle es hier. Für ein immunologisch vermitteltes entzündliches Geschehen im Bereich der Hirngefäße und des Hirngewebes
gebe es keinerlei Hinweise. Unhaltbar sei die Hypothese des H, das pathologische Blutbild und die Lymphknotenschwellungen
seien durch die virämische Ausbreitung der Poliomyelitis-Impfviren bedingt. Solche Auffälligkeiten finde man bei der Poliomyelitis
gerade nicht. Das nach Meinung von H plausible Zeitintervall besage für sich allein noch gar nichts. Wenn H meine, die Annahme
eines Infekts am 22.06.1980 sei spekulativ, dann verkenne er, dass es dabei um eine Frage der Klinik gehe, wobei hier ein
spektakuläres Blutbild vorgelegen habe; welcher Erreger konkret nun die Ursache gewesen sei, sei nicht erheblich. Nach den
Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) könne eine Enzephalitis symptomarm, niemals aber symptomlos verlaufen. Darüber hinaus fehle es an einem postvakzinalen
Entwicklungsknick (als zusätzliche diagnostische Hilfe); ein solcher sei erst später als typische iktogene (= anfallsbedingte)
Sekundärschädigung aufgetreten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.05.2008 abgewiesen, wobei die Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung
als Zeugin vernommen worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, der zeitliche Zusammenhang zwischen der Impfung am 16.06.
und dem Auftreten des ersten Krampfanfalls am 22.06.1980 genüge nicht, um einen Ursachenzusammenhang wahrscheinlich erscheinen
zu lassen. Es hat sich der Argumentation von K angeschlossen. Aus den Unterlagen der F., so das Sozialgericht, ergebe sich,
dass für die Zeit unmittelbar vor dem 22.06.1980 kein Nachweis einer Fiebertätigkeit bestanden hätte. Der gegenteiligen Zeugenaussage
der Mutter des Klägers sei im Verhältnis dazu weniger Gewicht beizumessen.
Am 29.08.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, auch nach dem 17.06.1980 habe er
an Fieber gelitten. Dieser Fieberzustand habe bis zu dem ersten Krampfanfall und auch danach angehalten. Ein genetisch bedingtes
Anfallsleiden liege nicht vor. Ein Zweitinfekt sei nicht bewiesen. Selbst wenn ein Zweitinfekt vorgelegen hätte, so wäre dieser
durch die Impfung ausgelöst worden. Der Bericht vom 21.11.1980 dürfte nicht mehr vollständig sein, weil er so spät erstellt
worden sei. Den von K diagnostizierten Infekt habe es nicht gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.05.2008 aufzuheben sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 23.09.2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2002 eine Grand-mal-Epilepsie mit Folgeerkrankungen als Impfschaden anzuerkennen
und ab Zeitpunkt der Antragstellung Versorgung zu gewähren,
hilfsweise
eine Kannversorgung zu gewähren.
Für den Fall eines negativen Urteils beantragt der Kläger die Zulassung der Revision.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter dem Datum 02.02.2012 hat der Vorsitzende der Betreuerin das Senatsurteil vom 28.07.2011 - L 15 VJ 8/09 (= Breithaupt 2012, S. 51) übersandt.
In der mündlichen Verhandlung am 14.02.2012 ist die Mutter des Klägers erneut als Zeugin vernommen worden. Die Betreuerin
hat die Prozessanträge gestellt,
- ein Sachverständigengutachten nach §
106 oder §
109 SGG zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass die Impfzusatzstoffe, vor allem Thiomersal, beim Kläger einen Impfschaden hervorgerufen
haben,
- ein ergänzendes Gutachten des H zu der Stellungnahme des K vom 14.11.2007 einzuholen,
- ein ergänzendes Gutachten des H einzuholen, dass der beim Kläger vorliegende Gesundheitsschaden durch die Impfung verursacht
worden sei,
- K zu der Frage anzuhören, wieso er das Vorliegen eines Infekts unterstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere wegen des Inhalts medizinischer Berichte, Gutachten und Unterlagen,
wird auf die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese haben allesamt
vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, die Feststellung seines Epilepsieleidens und der Folgeerkrankungen, insbesondere
der geistigen und motorischen Retardierung, als Impfschaden sowie die Zuerkennung eines Versorgungsanspruchs zu erreichen.
Das Begehren des Klägers wird im Folgenden ausschließlich nach den einschlägigen Bestimmungen des IfSG beurteilt. Denn der Versorgungsantrag wurde erst im März 2001 gestellt, also bereits unter der Geltung des IfSG. Ein Tatbestand, der die Rückwirkung einer Versorgungsgewährung vor die Zeit der Antragstellung zur Folge haben könnte, ist
nicht zu erkennen. Damit bleiben keine "Anspruchsreste", die materiell nach den bis Ende 2000 geltenden Bestimmungen des Bundesseuchengesetzes
(BSeuchG) zu beurteilen wären (vgl. dazu BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 6).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält bei einem Impfschaden u.a. Versorgung, wer durch eine Schutzimpfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich
empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil
über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann gemäß § 61 Satz 2 IfSG mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer
Schädigung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden. Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden
gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Dahin stehen kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG im Übrigen erfüllt sind. Jedenfalls scheitert das Begehren des Klägers auf eine Versorgung nach dem IfSG daran, dass einerseits zwischen den angeschuldigten Impfungen und der beim Kläger bestehenden Epilepsieerkrankung kein Kausalzusammenhang
im versorgungsrechtlichen Sinn wahrscheinlich ist (dazu unten 1.) und andererseits auch die Voraussetzungen für die so genannte
Kann-Versorgung nicht vorliegen (dazu unten 2.).
1. Versorgung aufgrund mit Wahrscheinlichkeit erwiesenen Kausalzusammenhangs zwischen Impfungen und Gesundheitsschaden
Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und bestehendem Gesundheitsschaden des Klägers ist nach Überzeugung des Senats
nicht nur nicht wahrscheinlich, sondern unwahrscheinlich.
Im Rahmen der Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden ist zwischen der haftungsbegründenden (zwischen Impfung und
Primärschädigung) und der haftungsausfüllenden (zwischen Primärschädigung und Folgeschaden) zu unterscheiden. Das ergibt sich
aus der Struktur von § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Erste Voraussetzung ist danach die Durchführung einer speziellen Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der
spezifischen Prophylaxe. Der Betroffene muss zweitens eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben; dabei muss es im haftungsbegründenden
Tatbestand unabdingbar zu einer gesundheitlichen Schädigung (= Primärschädigung) gekommen sein, rein wirtschaftliche Nachteile
genügen insoweit nicht. Zum haftungsbegründenden Tatbestand gehört auch, dass die Primärschädigung im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgeht. Drittens ist zur Haftungsbegründung notwendig, dass die gesundheitliche
Schädigung durch die Schutzimpfung verursacht ist (so genannte haftungsbegründende Kausalität, vgl. zum Begriff BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 74 f. m.w.N.). Der Impfschaden im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG bildet das letzte Glied der Prüfungskette, nämlich die verbliebene Minderung an relevanten Rechtsgütern (im gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Bereich); unter dem Reglement des BSeuchG war unter Impfschaden dagegen die Primärschädigung zu verstehen
(vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Aus der Passage in § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG "wegen des Impfschadens" ergibt sich, dass zwischen der Primärschädigung und dem Impfschaden ebenfalls ein kausaler Zusammenhang
bestehen muss (so genannte haftungsausfüllende Kausalität).
Wie auch sonst im Versorgungsrecht gilt für beide Kausalverläufe die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 37). Im Rahmen der Kausalität ist eine Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung
zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie
nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 08.08.1974 - 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges
"annähernd gleichwertig" sind. Was unter dem Begriff der "annähenden Gleichwertigkeit" zu verstehen ist, ist in der angeführten
Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche
Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven
Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn
nicht eine alternative unversicherte Ursache von "überragender Bedeutung" ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen
Rechtsprechung des BSG, das, wie z.B. dem Urteil vom 14.07.1955 - 8 RV 177/54 zu entnehmen ist, von einer "annähernd gleichwertigen" Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht einer
Ursache eine "überragende Bedeutung" zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher
Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit"
aufdrängen könnte, besteht somit nicht (vgl. Senatsurteile vom 19.07.2011 - L 15 VS 7/10 und L 15 VG 20/10). Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung davon aus,
dass eine vom Schutzbereich des IfSG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des IfSG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben).
Hinsichtlich des Beweismaßstabs genügt für die Kausalität insgesamt deren Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlichkeit bedeutet,
dass mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSGE 60, 58; BSG SozR 3850 § 51 Nr. 8, 10; § 52 Nr 1; BSG, Urteil vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R; BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38). Auch nach Ablösung der entsprechenden Regelungen des BSeuchG durch §§ 60, 61 IfSG geht der Senat davon aus, dass für beide Komponenten der Kausalität der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit greift (vgl.
LSG Bayern, Breithaupt 2012, S. 51 ). Nach der Rechtsprechung des BSG zum Entschädigungsanspruch nach dem BSeuchG musste sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität
nur wahrscheinlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R); diese Rechtsprechung ließ sich zwanglos mit dem Wortlaut von § 52 Abs. 2 BSeuchG vereinbaren. § 61 Satz 1 IfSG unterscheidet sich jedoch von § 52 Abs. 2 BSeuchG erheblich. Nimmt man die Regelung wörtlich, scheint sie die bloße Wahrscheinlichkeit nur für die Kausalität zwischen
gesundheitlicher Schädigung und dem Gesundheitsschaden genügen lassen zu wollen, während der ebenfalls notwendige Kausalzusammenhang
zwischen Impfung und gesundheitlicher Schädigung außen vor bleibt. Zu Gunsten des Klägers nimmt der Senat an, dass sich entgegen
dem Wortlaut von § 61 Satz 1 IfSG an der Rechtslage, die unter dem Reglement des BSeuchG durch das BSG geprägt worden ist, nichts ändern soll. Dafür spricht, dass nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrs 14/2530, S. 88)
§ 61 IfSG lediglich an die entsprechenden Vorschriften des BVG angepasst worden sei, um eine einheitliche Sprachregelung im Entschädigungsrecht zu erreichen, indem wie in den anderen Gesetzen
der sozialen Entschädigung zwischen der (primären) gesundheitlichen Schädigung und dem verbleibenden Schaden (Gesundheitsschaden)
unterschieden werde. Zudem könnte eine derartige Verschärfung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen - zumindest in Fällen,
in denen der Versorgungsantrag noch unter dem Reglement des BSeuchG gestellt worden ist - nach Ansicht des Senats erhebliche
verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf den Vertrauensschutz aufwerfen. An dieser Stelle soll nicht beleuchtet werden,
ob ein unter dem BSeuchG entstandener Entschädigungsanspruch unter den Schutz von Art.
14 des
Grundgesetzes fällt, oder ob sich ein möglicher Vertrauensschutz vorrangig aus dem Rechtsstaatsprinzip nach den Grundsätzen der unechten
Rückwirkung ergibt. Denn mit der vom Senat gewählten Auslegung, dass auch die haftungsbegründende Kausalität von der Erleichterung
im Beweismaßstab erfasst wird, wird von vornherein vermieden, dass es überhaupt zu einer Rechtsverschlechterung kommen kann.
Nicht zuletzt hat das BSG jüngst die Beweiserleichterung des § 61 Satz 1 IfSG für beide Kausalstränge angewandt, allerdings ohne auf das Problem einzugehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38).
Aber auch diese Handhabung durch den Senat verhilft dem Kläger nicht zu dem begehrten Versorgungsanspruch. Ebenso wenig nützt
ihm, dass der Senat nicht schon deswegen einen Anspruch auf Versorgung verneint, weil eine Primärschädigung als solche überhaupt
nicht identifiziert werden kann. Zwar ist im IfSG, wie oben ausgeführt, eine dreistufige Prüfung (Impfung - Primärschädigung - verbliebener Schaden) angelegt. Es wäre allerdings
realitätsfremd, in jedem impfschadensrechtlichen Fall zu verlangen, es müsse eine deutlich wahrnehmbare Primärschädigung festgestellt
werden. Allgemein dient die Dreigliedrigkeit dazu, bestimmte Geschehnisabläufe bereits auf einer Vorstufe der Prüfung "auszusondern"
und das Fehlen kausaler Zusammenhänge leichter erkennen zu können. Je mehr sich die Kausalitätsprüfung in gedankliche Zwischenschritte
"zerlegen" lässt, desto objektivierbarer kann der Geschehnisablauf rechtlich aufgearbeitet werden. Diese Differenzierung ist
aber dann nicht möglich, wenn die Schädigung, also der (erste) Eingriff in das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit,
nicht deutlich zu Tage tritt, sondern wie hier im Verborgenen erfolgt (a.A. wohl Meßling in: Knickrehm, Gesamtes Soziales
Entschädigungsrecht, 1. Auflage 2012, § 60 IfSG, Rn. 62). Zweifellos ist in solchen Fällen die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung schwieriger, weil sich der Verursachungspfad
nicht klar abzeichnet. Dennoch darf nicht per se wegen der Nichterkennbarkeit einer Primärschädigung am Rechtsgut der körperlichen
Gesundheit die Wahrscheinlichkeit des kausalen Zusammenhangs negiert werden. Vielmehr muss der Zusammenhang zwischen Impfung
und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen "Etappe" beurteilt werden (vgl. LSG Bayern, Breithaupt
2012, S. 51 ).
Diese Beurteilung hat in einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77). Die Gesamtabwägung vollzieht sich nicht ausschließlich auf der medizinischen Ebene, sondern ist - wie auch sonst Abwägungsvorgänge,
z.B. im Recht der Fachplanung - erheblich rechtlich determiniert (vgl. LSG Bayern, Breithaupt 2012, S. 51 ). So müssen zunächst
alle möglicherweise relevanten medizinischen Aspekte herausgearbeitet und gesammelt werden. Dabei handelt es sich einerseits
um Tatsachen, die den konkreten Fall betreffen, so z.B. der beobachtete zeitliche Abstand zwischen Impfung und Auftreten relevanter
Symptome oder eventuelle gesundheitliche Vorschädigungen. Andererseits spielen generelle Tatsachen eine eminent wichtige Rolle;
dazu gehören beispielsweise die bisherigen Beobachtungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf den Impfstoff. Auch
die Gewichtung der einfließenden Aspekte bleibt nicht ausschließlich dem gutachterlichen Ermessen überlassen. So muss die
Aussagekraft der generellen Tatsachen nach deren Evidenz beurteilt werden. Zu diesem Zweck sind die Tatsachen gedanklich nach
"Evidenzklassen" zu gliedern, in etwa vergleichbar dem Verfahren, das der Gemeinsame Bundesausschuss anwendet, wenn er die
Zweckmäßigkeit einer medizinischen Methode beurteilt. Groß angelegte, nach wissenschaftlichen Grundätzen durchgeführte epidemiologische
Studien haben grundsätzlich die größte Aussagekraft, jedenfalls soweit es darum geht, gerade das statistisch gesicherte Ergebnis
der Studie zu verwerten.
Epidemiologische Studien, die unmittelbar die Wirkung des im vorliegenden Fall angeschuldigten Impfstoffs betreffen, existieren
nicht. Somit muss das Ergebnis aus einer Zusammenschau aller relevanten Indizien gewonnen werden, wobei bei der Evaluierung
der Indizientatsachen die Grundsätze der Schulmedizin anzuwenden sind. Sehr wichtige "Mosaiksteine" sind dabei die zeitnah
zur Impfung beim Kläger beobachtete Symptomatik, das allgemein auftretende Bild eines Impfschadens mit cerebraler Beteiligung,
die Ätiologie des beim Kläger vorhandenen Krankheitsbilds, die Pathogenese in Bezug auf mögliche Alternativursachen.
Der Senat schließt sich vollumfänglich dem Gutachten des K an und macht sich dessen Feststellungen ausdrücklich zu Eigen (vgl.
dazu unten a). Das Gutachten des H vermag dagegen nicht ansatzweise zu überzeugen und kann daher nicht als Entscheidungsgrundlage
dienen (vgl. dazu unten b).
a) Der Senat hält das Gutachten des K und dessen ergänzende Stellungnahme für sehr fundiert, kompetent und überzeugungsstark.
K ist dem Senat aus zahlreichen Impfschadensgutachten als Sachverständiger bekannt. Die bei ihm generell festzustellenden
Qualitäten - vor allem eine enorme Erfahrung, eine bestechende Präzision und Logik sowie eine herausragende Kompatibilität
der medizinischen Informationen und der gutachterlichen Darstellungsweise mit den juristischen Anforderungen - finden sich
auch in den im vorliegenden Fall erstellten Sachverständigenäußerungen. Wie es der Senat von ihm gewohnt ist, hat K im vorliegenden
Fall mit detektivischer Akribie sowie bestechender Logik und Fachkunde die Kausalzusammenhänge nach allen Seiten hin geprüft.
Ein medizinisches Impfschadensgutachten muss, wie oben ausgeführt, eine Gesamtabwägung vornehmen. Das erfordert eine dialektische
Betrachtung im Sinn einer Gegenüberstellung von Für und Wider. Wesentlich dabei ist, dass die Pro- und Contra-Argumente umfassend
gefunden, herausgearbeitet und in ihrer Bedeutung für das Gesamtergebnis abgehandelt werden. Das Gutachten und die ergänzende
Stellungnahme des K entsprechen dem geradezu mustergültig. Man hat nie das Gefühl, dass K irgendwelchen Problemen aus dem
Weg geht oder nicht gewachsen ist. Dass der Beklagte Auftraggeber war, nimmt den Äußerungen des K nichts von ihrer Überzeugungskraft.
Dieser hat sich objektiv, auf hohem Niveau und umfassend unter Anwendung wissenschaftlicher Methodik geäußert. Der Senat hat
keinerlei Anzeichen von fehlender Unparteilichkeit erkennen können. Die Äußerungen des K konnten über den Urkundsbeweis in
das Verfahren eingeführt und im Rahmen der Entscheidungsfindung verwertet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 10.08.1993 - 9/9a BV 185/92).
Der Senat hat keine Zweifel, dass der Ansatz des K den Kern der Sache trifft. K leugnet weder, dass es überhaupt Impfschäden
gibt, noch, dass auch das Epilepsieleiden des Klägers prinzipiell Resultat einer Schädigung im Rahmen einer Impfung sein könnte.
Der Sachverständige ist grundsätzlich "offen" für den Impfschaden und in keiner Weise "ideologisiert"; das wird auch dadurch
belegt, dass dem Senat von K sowohl viele negative als auch positive Gutachten bekannt sind. Gerade die konkret von ihm festgestellten
Umstände in der Krankheitsbiografie des Klägers haben K zum Schluss kommen lassen, dass das Krampfleiden nicht durch die Impfung
ausgelöst worden ist. In diesem Zusammenhang hat K restlos überzeugend aufgezeigt, dass es sich beim Kläger um einen ganz
typischen Manifestationsverlauf handelt, nämlich über die Provokation durch einen Infekt. Dass der Kläger nach wie vor argumentiert,
ein Infekt sei nicht nachgewiesen, geht an der Sache vorbei, ist jedoch aus dem Bemühen heraus, den Rechtsstreit trotz aller
ungünstigen Vorzeichen zu einem positiven Ende zu bringen, verständlich. Dass aber auch H als Sachverständiger so argumentiert,
verwundert. Denn K hat wiederholt sehr plausibel begründet, warum ein Infekt überaus wahrscheinlich ist: Das Blutbild war
am 22.06.1980 eindeutig pathologisch. Zudem kam es am nächsten Tag, dem 23.06., tatsächlich zum klinischen Ausbruch einer
fiebrigen Krankheit mit Lymphknotenschwellungen. Es kann nicht nachvollzogen werden, wieso bei diesen handfesten Befunden
die Annahme eines Infekts spekulativ sein soll. Spekulativ ist vielmehr die Hilfsargumentation des Klägers, wenn schon ein
Infekt den Krampfanfall ausgelöst habe, dann sei dieser Infekt durch die Impfung am 16.06.1980 hervorgerufen worden. Für solche
theoretischen Überlegungen lässt das Gutachten des K, der auch solcherart mittelbare Verursachungstheorien in seine Überlegungen
einbezogen hat, keinen Raum; es ist davon auszugehen, dass erst am 22.06.1980 wieder (neúe) Krankheitszeichen aufgetreten
sind, während der Kläger vom 18. bis 21.06.1980 unauffällig war. Dass der konkrete Erreger nicht identifiziert worden ist,
tut der Überzeugungskraft der Auffassung des K keinen Abbruch. Denn K als überaus erfahrener ehemaliger Chefarzt einer Kinderklinik
hat sehr glaubhaft dargestellt, dass einerseits für solche Diagnosen das klinische Bild entscheidend ist und es andererseits
im Jahr 1980 nicht Usus war, nach dem konkreten Erreger zu suchen. Bezeichnend ist, dass weder der Kläger noch H ein wirkliches
Gegenargument gegen die Diagnose einer Infektionskrankheit ins Feld geführt, sondern unsubstantiiert darauf beharrt haben,
ohne den Nachweis eines ganz konkreten Erregers dürfe nicht von einer Infektionskrankheit ausgegangen werden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht der Senat keine Möglichkeit, diese sich am 22.06.1980 ankündigende und einen Tag
später klinisch zum Ausbruch gekommene Erkrankung könnte mit der Impfung eine knappe Woche vorher in Zusammenhang stehen.
Das ist deswegen relevant, weil der Senat mit K davon ausgeht, dass der erste Krampfanfall am 22.06.1980 durch die sich am
22.06.1980 ankündigende Erkrankung - wobei hier nicht die Frage zu beantworten ist, ob auch im Sinn einer "wesentlichen Bedingung"
oder nur als Gelegenheitsursache - ausgelöst worden ist. Zu Recht hat K einen Zusammenhang mit der Impfung verneint, weil
es zwar am 16. und 17.06.1980 zu - wohl impfbedingten - Krankheitserscheinungen gekommen war, dann aber bis zum ersten Krampfanfall
keine Anomalitäten mehr vorlagen. Auch der Senat ist davon überzeugt, dass zwischen dem 17. und 22.06.1980 keine durchgehende
Erkrankung bestand. Denn es gibt keine schriftlichen Befunde, aus denen sich irgendein Hinweis auf das Gegenteil entnehmen
lassen könnte. Vielmehr spricht der Bericht vom 21.11.1980 über den ersten stationären Aufenthalt in der F. vom 22.06. bis
03.07.1980 eindeutig dagegen. Als überaus zeitnahe Anamnese der Eltern liest man nämlich darin, "in den letzten Tagen" habe
es keine Infektzeichen gegeben. Obwohl also die Eltern des Klägers augenscheinlich gezielt nach dessen gesundheitlichen Befinden
in den letzten Tagen befragt worden waren, machten sie keine Angaben, die auf einen Infekt oder überhaupt auf eine Krankheit
"in den letzten Tagen" hingewiesen hätten. Einen Zusammenhang mit der Impfung eine knappe Woche vorher stellten die Eltern
seinerzeit offenkundig nicht her. Dass der Bericht relativ lange Zeit nach dem stationären Aufenthalt verfasst wurde, nimmt
seinem Inhalt nicht die Glaubhaftigkeit; denn die anamnestischen Angaben der Eltern sind am Aufnahmetag aufgeschrieben worden.
Sehr aussagekräftig ist auch, dass die Eltern des Klägers in ihrem Gespräch mit Dr. H. am 23.08.2001 äußerten, "an den weiteren
Verlauf" - gemeint sind die Tage zwischen dem 17. und 22.06.1980 - hätten sie keine Erinnerung mehr.
Der anders lautenden Einlassung der Mutter des Klägers, die diese im Rahmen der Zeugeneinvernahme sowohl vor dem Sozialgericht
als auch dem Bayerischen Landessozialgericht gemacht hat, schenkt der Senat keinen Glauben. Im Rahmen der Vernehmung in der
mündlichen Verhandlung vom 14.02.2012 war schon der sehr deutliche Eindruck entstanden, die Mutter könne sich eigentlich nicht
mehr an die Tage zwischen dem 17. und 22.06.1980 erinnern. Das war wohl vor dem Sozialgericht nicht anders. Denn zu der Aussage,
dass die Mutter während der fraglichen Zeit andauernd den Kläger habe betreuen müssen, ist es vor dem Sozialgericht augenscheinlich
erst gekommen, nachdem dieses der Mutter eine gedankliche "Hilfestellung" gegeben hat, die bei dieser möglicherweise eine
Schein-Erinnerung erzeugt hat. So hat die Betreuerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die besonders einfühlsame
Befragung durch das Sozialgericht gelobt, wobei sie geoffenbart hat, dass die Aussage der Mutter, sie habe den Kläger pausenlos
betreut, nicht von dieser spontan, sondern erst nach direkter Nachfrage des Gerichts getroffen worden ist. Gleichwohl hat
auch das Sozialgericht die Aussage nicht für überzeugend gehalten; denn es hat keine vom 16. bis 22.06.1980 durchgehend bestehende
Erkrankung angenommen. Unabhängig davon, dass die Aussage der Mutter nicht den Eindruck erweckt hat, sie basiere auf tragfähiger
Erinnerung, wiegen die zeitnäheren Beweismittel, der Vermerk zum Gespräch mit Dr. H. und vor allem der Bericht der F. vom
21.11.1980, ungleich schwerer.
b) Das Gutachten des H bleibt hinsichtlich seiner Überzeugungskraft weit hinter dem des K zurück.
Zunächst erscheint es gewagt, dass sich H in neurologisch sehr spezielle und schwierige Bereiche vorgewagt hat, ohne Facharzt
zu sein. Zwar ist ein medizinisches Gutachten eines Arztes, der nicht einschlägiger Facharzt ist, nicht von vornherein unbrauchbar.
Jedoch muss sich das Gericht von der erforderlichen Qualifikation des Sachverständigen eine Überzeugung verschaffen können.
Damit tut sich der Senat angesichts der konkreten Ausführungen, die H hier gemacht hat, schwer. Daran ändert nichts, dass
H ausweislich seines Gutachtens als "Experte für Impfstoffsicherheit" auftritt. Der Senat will diese Qualifikation keineswegs
in Abrede stellen. Jedoch erscheint diese nicht ausreichend für den hier vorliegenden Fall. Allgemein verkörpert die Impfschadensbegutachtung
keine autarke Disziplin, die eine völlig eigene Kategorie von Kenntnissen und Erfahrungen erfordern würde; sie erfordert nur
ein bestimmtes zusätzliches Wissen. Ohne Zweifel ist sie sehr anspruchsvoll, weil multifaktorielle Sachverhalte zu beurteilen
und aufzulösen sind: Der Sachverständige hat einerseits umfassende konkrete Beobachtungen und Bewertungen an der geschädigten
Person einfließen zu lassen, andererseits muss er allgemeine Erkenntnisse über die stoffliche Beschaffenheit und Wirkungsweise
des Impfstoffs verarbeiten. In einer Gesamtabwägung all dieser Faktoren sollte er sein Ergebnis finden und begründen. Der
Schwerpunkt und die Kernprobleme liegen dabei bei der Fachdisziplin, der die behaupteten medizinischen Schädigungsfolgen zuzuordnen
sind (im vorliegenden Fall Neurologie oder Neuropädiatrie). Die allgemeinen "stofflichen" Tatsachen lassen sich im Vergleich
dazu einfacher ermitteln. Sicher ist es dabei von Vorteil, wenn man wie offenbar H über entsprechende mikrobiologische Erfahrungen
verfügt. Letztendlich aber besteht der Arbeitsprozess bezüglich der stofflichen Beschaffenheit eines Impfstoffs aus (im Optimalfall
weltweiter) Datenbank- und Literaturrecherche. Das erfordert ohne Zweifel viel Arbeit, praktisches Geschick und das Beherrschen
wissenschaftlicher Methodik. Die zentralen Probleme stellen sich gleichwohl bei der konkret-medizinischen Beurteilung. Die
gutachterliche Entscheidung muss daher in der Regel wohl der jeweiligen Fachdisziplin, hier der Neurologie oder Neuropädiatrie,
vorbehalten bleiben.
Diese Bedenken bestätigen sich in den konkreten Ausführungen des Gutachtens. Zwar hat H auf S. 21 seines Gutachtens ein umfangreiches
Prüfungsschema für seine Entscheidungsfindung vorgegeben, das als solches für ein medizinisches Gutachten tragfähig wäre:
Maßgebend, so H, seien der zeitliche Ablauf des Geschehens, die Bekanntheit und die pathophysiologische Erklärbarkeit sowie
das Fehlen plausibler alternativer Erklärungen. Im Einzelnen ist H aber sehr viel schuldig geblieben:
aa) Für die Annahme des H, beim Kläger habe sich ein immunologisch vermitteltes entzündliches Geschehen im Bereich der Hirngefäße
und des Hirngewebes abgespielt, gibt es keine Belege. Richtig ist zwar, dass Impfschäden mit cerebraler Beteiligung generell
sich auf diesem Weg manifestieren können. K hat aber überzeugend dargelegt, dass ein solcher Pathomechanismus beim Kläger
gerade nicht vorgelegen hat. H dagegen hat die konkreten objektiven Befunde nicht genügend berücksichtigt und statt dessen
ein theoretisches Erklärungsmodell als wahrscheinlichen Geschehnisablauf angeboten. Um diesen Erklärungsversuch zu "halten",
hat er sich sinngemäß darauf verlegt, beim Kläger habe eine "stille" Enzephalopathie ohne die typischen Symptome vorgelegen.
Dieser Gedankenansatz ist nicht zielführend. Zwar darf allgemein die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Impfschadens nicht
allein mit dem Hinweis auf die extreme Seltenheit von Impfschäden überhaupt negiert werden; denn andernfalls würde der vom
Gesetzgeber gewollte Ausgleich bei Impfschäden ausnahmslos vereitelt. Wenn aber H in seinem Gutachten innerhalb der ohnehin
sehr seltenen Impfschäden dann noch ohne Belege den offenbar extraordinären Fall einer "stillen" Enzephalopathie proklamiert,
so ist dies nicht geeignet, den Kläger bei seinem Bemühen, die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung durch die Impfung zu belegen,
voranzubringen. Unabhängig davon, dass K unter Berufung auf die AHP geschrieben hat, es gebe allenfalls eine symptomarme,
jedoch keine symptomlose Enzephalitis, sind derartige Gedankenkonstrukte des H, für die es keinerlei konkrete Belege gibt,
wertlos. Dabei wird von Seiten des Klägers verkannt, dass es dem Kläger nichts nützt, dass man den von H dargestellten Geschehnisablauf
möglicherweise nicht mit allerletzter Sicherheit ausschließen kann. Denn eine Versorgung steht nicht schon dann zu, wenn ein
Impfschaden nicht mit hundertprozentiger Sicherheit auszuschließen ist. Sie steht erst dann zu, wenn mehr für als gegen einen
Impfschaden spricht - das kann nicht genug betont werden. Die in Impfschadensstreitigkeiten von Klägerseite häufig gehörte
Präsentation von erdachten Kausalzusammenhängen, die mit "Man kann aber doch nicht ausschließen, dass, ..." eingeleitet wird,
verkennt regelmäßig die rechtlich vorgegebenen Beweismaßstäbe. Aufgabe eines Sachverständigen ist nicht, von ihm entwickelte
Konstrukte anzubieten, die vielleicht - insbesondere für medizinische Laien - auch plausibel klingen, für die aber nach dem
Stand der medizinischen Wissenschaft oder nach den Verhältnissen des konkreten Falls nur wenig oder keine Belege existieren.
Das mündet nahezu zwangsläufig - wie auch leider hier - in eine Spekulation, die nicht einmal ausreicht, um eine gute Möglichkeit
im Sinn der Kann-Versorgung zu belegen. Zudem macht sich der Senat vollumfänglich folgende Ausführungen des K in dessen ergänzender
Stellungnahme zu Eigen: H habe, so K, das Krankheitsgeschehen als postvakzinale Enzephalitis bzw. Enzephalopathie aufgefasst.
Jedoch äußere sich eine Enzephalitis in aller Regel nicht nur in einem isolierten Krampfanfall, sondern (mit oder ohne Krampfanfälle)
mit über Tage und eventuell Wochen andauernder zentralnervöser pathologischer Hemmungs- und/oder Enthemmungssymptomatik. Davon
könne hier keine Rede sein; der Kläger habe sich rasch erholt. Die große Mehrzahl enzephalitischer Kinder zeige Meningismus
(Nackensteifigkeit etc.), einen pathologischen Liquorbefund und in der bildgebenden Darstellung ödematöse Hirnveränderungen;
an all dem fehle es hier. Wenn H behaupte, vermutlich habe ein immunologisch vermitteltes entzündliches Geschehen im Bereich
der Hirngefäße und des Hirngewebes vorgelegen, dann sei darauf zu antworten, dass es für ein entzündliches Geschehen keinerlei
Hinweise gebe. Unhaltbar, so K weiter, sei die Hypothese des H, das pathologische Blutbild und die Lymphknotenschwellungen
seien durch die virämische Ausbreitung der Poliomyelitis-Impfviren bedingt. Solche Auffälligkeiten finde man bei der Poliomyelitis
gerade nicht. Dass nach Meinung von H plausible Zeitintervall besage für sich allein noch gar nichts.
bb) Im vorliegenden Fall Thiomersal als Ursache für ein entzündliches Geschehen im Gehirn anbieten zu wollen, wie es H getan
hat, widerspricht nicht nur, wie K eindrucksvoll ausgeführt hat, den hier vorliegenden klinischen Befunden. Vielmehr entbehrt
das Gutachten insoweit auch einer hinreichenden wissenschaftlichen Methodik. Denn H hat lediglich eine eigene - offenbar bei
ihm verfestigte - Theorie als Lösung angeboten, ohne das Für und Wider annähernd umfassend zu beleuchten. Dieser negative
Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der Stand der medizinischen Wissenschaft zu Thiomersal in Impfstoffen ein anderer zu
sein scheint, als es H dargestellt hat, er aber mit keinem Wort auf diese herrschende Meinung eingegangen ist. Der Senat entnimmt
dies zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die auch er als ein mit medizinischen Laien besetztes Gremium auswerten,
verstehen und im Rechtsfindungsprozess sachgerecht verwerten kann, ohne dass der Inhalt erst durch einen medizinischen Sachverständigen
"übersetzt" werden müsste (vgl. bereits LSG Bayern, Breithaupt 2012, S. 51 ):
(1) Der Aufsatz "Thiomersal und Impfungen" von Weisser/Bauer/Volkers/Keller-Stanislawski, Bundesgesundheitsblatt 2004, S.
1165 ff., kommt zum Ergebnis, dass nach neueren epidemiologischen Studien kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen neurodegenerativen
Entwicklungsstörungen und thiomersalhaltigen Impfstoffen existiere. Die Autoren haben darauf hingewiesen, die vorhandenen
Erfahrungen würden das - nicht in Thiomersal enthaltene - Methyl-Quecksilber betreffen und die diesbezüglich festgesetzten
Grenzwerte lägen wesentlich höher als die in Impfstoffen verwandten Dosen. Verschiedene Gremien, CPMP, FDA, AAP/PHS, IOM und
die WHO, hätten unabhängig voneinander festgestellt, dass keine Hinweise auf schädliche Wirkungen wie Autismus und andere
Entwicklungsstörungen vorlägen. Bis jetzt seien keine Nebenwirkungen durch die in Impfstoffen verwendeten niedrigen Thiomersaldosen
bekannt außer seltene Überempfindlichkeitsreaktionen.
(2) Die Hinweise der STIKO über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen (Epidemiologisches Bulletin, 22.06.2007/S.
209 ff.), die auf der Basis des aktuellen Wissens erfolgen (vgl. BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 13), führen zu Thiomersal und Aluminiumhydroxid aus (S. 230 - 232), die Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit
von Zusatzstoffen erfolge im Zulassungsverfahren der jeweiligen Impfstoffe (S. 230). Das GACVS habe ab 2002 die Rolle von
Thiomersal in Impfstoffen analysiert. Der Analyse sei die Feststellung vorangestellt worden, dass sich Ethyl-Quecksilber substanziell
von Methyl-Quecksilber unterscheide. Die Halbwertszeit für Ethyl-Quecksilber sei viel kürzer, so dass die Exposition kurz
sei. Zudem werde es aktiv über den Darm ausgeschieden, während Methyl-Quecksilber im Körper akkumuliere. Die Autoren mehrerer
epidemiologischer Studien in Großbritannien und Dänemark hätten den möglichen Zusammenhang zwischen thiomersalhaltigen Impfstoffen
und neurologischen Entwicklungsstörungen untersucht. Es habe kein Hinweis auf einen Zusammenhang gefunden werden können. Gegenteilige
Studien an Mäusen habe das GACVS keine Aussagekraft beigemessen.
(3) Gleich lautende Äußerungen zu Thiomersal findet man in der Übersichtsarbeit "Impfsicherheit heute" von Schneeweiß/Pfleiderer/Keller-Stanislawski,
die im Deutschen Ärzteblatt 2008, S. 590 ff., publiziert wurde, auf S. 591.
(4) Aufsatz "Sicherheit von Impfstoffen" von Weißer/Barth/Keller-Stanislawski in Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 1 ff.
(5) Stellungnahme der EMEA (Europäische Agentur zur Evaluierung von Medizinprodukten) zu Thiomersal vom 24.03.2004.
(6) Statement on thiomersal der WHO vom Juli 2006 unter Bezugnahme auf die GACVS.
(7) Stellungnahme der FDA (U.S. Food and Drug Administration) zu Thiomersal in Impfstoffen (wohl aus 2001 oder 2002).
Diese Beiträge sind spätestens mit Übersendung des Senatsurteils vom 28.07.2011 - L 15 VJ 8/09 in das Verfahren eingeführt und in der mündlichen Verhandlung auch thematisiert worden.
cc) Die Diskussion möglicher Alternativursachen fällt bei H nahezu aus. Eine andere Ursache, so H, sei nicht erkennbar, wobei
dieser Einschätzung keine wirkliche Problemerörterung vorausgeht. Der Senat hält die Aussage des H für falsch und nicht nachvollziehbar.
Um Wiederholungen zu vermeiden, kann zur Begründung auf die Ausführungen des K verwiesen werden.
2. Kann-Versorgung
Auch auf der Basis von § 61 Satz 2 IfSG vermag der Kläger mit seinem Begehren nicht durchzudringen. Eine Versorgung kann danach auch gewährt werden, wenn die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung
nur deswegen scheitert, weil in der medizinischen Wissenschaft über die Leidensursache allgemein Unkenntnis herrscht. Dabei
ist eine abstrakte theoretische Unsicherheit Voraussetzung, nicht eine bloß konkrete im Einzelfall (vgl. BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 57). § 61 Satz 2 IfSG ist dahin zu interpretieren, dass mit Ausnahme des Wahrscheinlichkeitsnachweises alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein
müssen und zugleich keine Aspekte erkennbar sein dürfen, welche die Wahrscheinlichkeit der Verursachung unabhängig von der
Ätiologie und der Pathogenese der betreffenden Krankheit ausschließen.
Auch im Rahmen der Kann-Versorgung existiert eine Kausalitätsvoraussetzung. Diese erfüllt der Kläger nicht. Zwischen § 61 Satz 1 und 2 IfSG bestehen im Hinblick darauf nur graduelle Unterschiede (vgl. BSG SozR 3850 § 52 Nr. 1, S. 4). Die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs reicht im Rahmen der Kann-Versorgung nicht. Vielmehr muss
es wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, welche die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt.
Wird eine solche Meinung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer
Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft über die Entstehung des Leidens (vgl. dazu eingehend BSGE 73, 190 ). Nach der Rechtsprechung des BSG zum Soldatenversorgungsrecht, die auch hier anwendbar ist, muss zur Gewährung der Kann-Versorgung nicht nur ein zeitlicher
Zusammenhang zwischen angeschuldigtem Ereignis und Leidensmanifestation bestehen, sondern nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen
Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten
Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und einer festgestellten Krankheit sprechen. Es darf nicht nur eine
theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit", die sich in der wissenschaftlichen
Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden
kann (vgl. BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 57).
Die einschlägigen Regelungen der AHP bzw. der VG übernehmen und konkretisieren diese rechtlichen Anforderungen. Teil C Nr.
4 VG enthält zur Kann-Versorgung u.a. folgende Regelungen:
a) ...
b) Folgende medizinische Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
aa) Über die Ätiologie und Pathogenese des Leidens darf keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche
Auffassung herrschen. Eine von der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung abweichende persönliche Ansicht einer sachverständigen
Person erfüllt nicht den Tatbestand einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft.
bb) Wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen
oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können.
Ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch
begründet in Erwägung gezogen werden. Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie
und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss gutachterlich beurteilt werden, ob der ursächliche Zusammenhang
wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist.
cc) Zwischen der Einwirkung der wissenschaftlich in ihrer ursächlichen Bedeutung umstrittenen Umstände und der Manifestation
des Leidens oder der Verschlimmerung des Krankheitsbildes muss eine zeitliche Verbindung gewahrt sein, die mit den allgemeinen
Erfahrungen über biologische Verläufe und den in den wissenschaftlichen Theorien vertretenen Auffassungen über Art und Wesen
des Leidens in Einklang steht.
c) ...
d) Ist bei einem Leiden eine Kannversorgung generell in Betracht zu ziehen, muss trotzdem anhand des Sachverhaltes des Einzelfalles
stets zuerst geprüft werden, ob der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit zu beurteilen ist. Lässt sich dabei die
Frage des ursächlichen Zusammenhangs bereits in ihrer Gesamtheit entscheiden, so entfällt eine Kannversorgung ...
Die AHP 1996, 2005, 2005 und 2008, enthielten, soweit von Relevanz, jeweils in Nr. 39 damit übereinstimmende Regelungen.
Aus diesen Vorgaben geht hervor, dass die beim Kläger vorhandene Gesundheitsstörung von vornherein nicht die Anforderungen
erfüllt, die den Zugang zu einer Kann-Versorgung überhaupt erst ermöglichen. Denn eine entsprechende allgemeine Ungewissheit
über Ätiologie und/oder Pathogenese besteht nicht. Insoweit stützt sich der Senat auf die restlos überzeugende ergänzende
Stellungnahme des K. Der hat geschrieben, H's Aussage zur Kann-Versorgung werde den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft
nicht gerecht. Eine Ungewissheit über die Ätiopathologie im rechtlichen Sinn bestehe nicht. Man könne sich insoweit nicht
auf feinere Details beziehen. Denn das sei bei der Mehrzahl der Krankheiten und medizinischen Diagnosen der Fall. Bei rabulistischer
Argumentation könne man somit für die Mehrzahl aller Krankheiten Kann-Versorgung begründen. Mit dieser Einschätzung hat K
wiederum voll den rechtlichen Kern getroffen. "Türöffner" für die Kann-Versorgung ist in der Tat nicht schon jede bestehende
medizinisch-wissenschaftliche Unklarheit zu einer Krankheit. Beispielsweise reicht es nicht, dass zu einem genetisch determinierten
Leiden die betroffenen Gene (noch) nicht konkret identifiziert sind. Die rechtlich vorausgesetzte allgemeine medizinisch-wissenschaftliche
Ungewissheit muss vielmehr so beschaffen sein, dass es opportun erscheint, den Betroffenen vom Nachweis der wahrscheinlichen
Verursachung zu befreien. Das ist dann der Fall, wenn der Wahrscheinlichkeitsnachweis a priori vereitelt wird, weil schon
die ätiopathologischen "Basics" in der medizinischen Wissenschaft nicht geklärt sind. Es muss sich somit um grundsätzliche
Wissenslücken zu zentralen Punkten handeln. Hier liegt, wie K überzeugend ausgeführt hat, der Sachverhalt anders. Auch die
im vorliegenden Fall gegebene frühkindliche Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und alternierendem Hemi-Grand-mal
ist sicherlich noch nicht bis in die letzte Facette erforscht. Auf jeden Fall besteht aber über ihre Ätiopathologie so viel
Gewissheit, dass es unangebracht wäre, beim Nachweis des Impfschadens auf das Wahrscheinlichkeitserfordernis zu verzichten.
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass es auch an der "guten Möglichkeit" einer Verursachung fehlen würde.
Denn K hat festgestellt, es bestehe kein Anhalt für einen Impfschaden. Der Krampf am 22.06.1980 sei zweifelsfrei durch eine
frisch auftretende Infektionskrankheit ausgelöst worden.
3. Beweisanträge des Klägers
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweis- bzw. Ermittlungsanträgen musste der Senat nicht entsprechen. Solche Anträge
müssen nicht vor der Entscheidung durch Urteil per gesonderten Beschluss verbeschieden werden. Vielmehr kann, wenn ihnen nicht
stattgegeben wird, unmittelbar die Entscheidung in der Sache ergehen, wobei die Beweisanträge in der Urteilsbegründung abzuhandeln
sind.
a) Mit dem Antrag, K möge dazu befragt werden, wieso er das Vorliegen eines Infekts unterstelle, will der Kläger von seinem
Fragerecht nach §
116 Abs.
2 SGG, §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §§
397,
402,
411 Abs.
4 der
Zivilprozessordnung Gebrauch machen (vgl. zum Fragerecht eingehend BSG, Beschluss vom 09.12.2010 - B 13 R 170/10 B). Grundsätzlich steht dem Kläger ein Recht zu, Fragen an K richten zu dürfen, auch wenn dieser nicht als gerichtlicher
Sachverständiger, sondern als Gutachter im Verwaltungsverfahren aufgetreten ist und die Gutachten im Gerichtsverfahren über
den Urkundsbeweis verwertet worden sind. Mangels objektiver Sachdienlichkeit müssen aber solche Fragen einem Sachverständigen
nicht vorgelegt werden, die bereits eindeutig beantwortet sind (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 11, 15). Das ist hier der Fall. K hat nicht nur einmal dargelegt, dass er aufgrund des klinischen Bilds, das
sich am 22.06.1980 und an den Folgetagen geboten hat, insbesondere wegen des pathologischen Blutbilds und der Lymphknotenschwellung,
mit Sicherheit von einem Infekt ausgeht. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung formulierte Frage zielt auf nichts anderes
als das, was K ohnehin schon ausführlich - überdies auch höchst plausibel - begründet hat.
b) Die übrigen Beweisanträge halten sich dagegen außerhalb des Fragerechts im obigen Sinn; vielmehr handelt es sich um Anstöße
zu weiteren Ermittlungen. Der Umstand, dass bestimmte Ermittlungen mit einem förmlichen Beweisantrag verlangt werden, vermag
nicht dazu zu führen, dass für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ein strengerer Maßstab bezüglich der Frage anzulegen
wäre, unter welchen Voraussetzungen die gewünschten Ermittlungen unterbleiben dürfen. Der förmliche Beweisantrag nach dem
SGG hat lediglich eine Filterfunktion für die Revisionsinstanz; Sachaufklärungsmängel sollen nach §
160 Abs.
2 Nr.
3 SGG erst dann als Verfahrensmängel relevant sein, wenn in der Tatsacheninstanz die jeweilige Beweiserhebung förmlich beantragt
worden ist. Die Ermittlungspflichten der Gerichte werden dadurch aber nicht verschärft. So dürfen Beweisanträge im Hinblick
auf §
103 Satz 2
SGG immer schon dann abgelehnt werden, wenn die beantragte Beweiserhebung am Maßstab der Amtsermittlungspflicht gemessen nicht
notwendig erscheint (vgl. BSG SozR 1500 §
160 SGG Nr. 5, 12, 13, 35; BSG, Beschluss vom 07.10.2005 - B 1 KR 107/04 B sowie Beschluss vom 27.06.2006 - B 2 U 421/05 B; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage 2008, III. Kapitel Rn. 13 ff. sowie IX. Kapitel
Rn. 134; Pawlak in: Hennig,
Sozialgerichtsgesetz, § 103 Rn. 60 ff. ; Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG (Teil II), SGb 2007, S. 328 ). Der Gegenansicht, die sich an den Voraussetzungen von §
244 Abs.
3 bis
5 der
Strafprozessordnung orientieren will (vgl. BSG, Beschluss vom 06.02.2007 - B 8 KN 16/05 B), ist nicht zu folgen, weil sie im
SGG keinen Niederschlag findet. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist erst dann gegeben, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen
unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (ständige
BSG-Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 19/10 R, Rn. 18).
aa) Der Antrag, ein Sachverständigengutachten zur Rolle der Impfzusatzstoffe einzuholen, ist abzulehnen, weil aufgrund des
Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme des K in Zusammenschau mit den dem Senat zugänglichen wissenschaftlichen Äußerungen
kein Zweifel verbleibt, dass ein Verursachungsbeitrag durch diese Stoffe, insbesondere durch Thiomersal, nicht nur nicht wahrscheinlich,
sondern sehr unwahrscheinlich ist. Der Kläger verkennt, dass K bei seiner Begutachtung die Impfzusatzstoffe nicht ausgeklammert
hat. Das beweist gerade seine ergänzende Stellungnahme, die er auf das auffallend "thiomersallastige" Gutachten des H und
in voller Kenntnis dessen Argumentation abgegeben hat. Dass der Kläger die Frage nach Thiomersal noch als offen und klärungsbedürftig
ansieht, liegt daran, dass die Gedankenführung des K eine andere ist als die des Klägers und des H. K hat seine eigenen, überaus
langjährigen Erfahrungen sowie die wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu, wie sich Impfschäden allgemein, aber auch in Ausnahmefällen
äußern, herangezogen und dieses empirische Wissen akribisch mit den konkreten Umständen verglichen, wie sie beim Kläger vorlagen.
Auf der Basis dieses zutreffenden Ansatzes ist er zum Ergebnis gekommen, dass die Krankheitsbiografie des Klägers einen Impfschaden
unwahrscheinlich macht. Der Senat hält diesen Abgleich zwischen allgemeinem Wissens- und Erfahrungsschatz mit den konkreten
Beobachtungen für zwingend geboten, um zu einem überzeugenden Ergebnis kommen zu können. Bei dieser Vorgehensweise spielt
es keine Rolle, wie nun die einzelnen Komponenten eines Impfstoffs theoretisch wirken können. Ob nun eine immunologische Reaktion
des zentralen Nervensystems durch einen Impfzusatzstoff oder durch den abgetöten Erreger als solchen ausgelöst wird, spielt
keine Rolle. Denn K hat überzeugend nachweisen können, dass es eine derartige immunologische Reaktion mit hoher Wahrscheinlichkeit
nicht gegeben hat. Ein entsprechendes Gutachten kann auch nicht auf der Grundlage von §
109 SGG eingeholt werden, weil dieses Recht mit dem Gutachten des H bereits "verbraucht" ist; neue Aspekte, die es angezeigt erscheinen
lassen könnten, ein weiteres Gutachten nach §
109 SGG einzuholen, sind nicht erkennbar.
bb) Die beiden Anträge, die auf eine nochmalige Einschaltung von H zielen, sind abzulehnen, weil §
109 SGG dem Kläger nicht den Anspruch vermittelt, dass der von ihm gewählte Gutachter "das letzte Wort" hat. Neue Gesichtspunkte,
die dies aus Fairneßgründen ausnahmsweise hätten angezeigt erscheinen lassen können, fehlen. Auf der Grundlage von §
106 SGG hat der Senat H nicht mehr beteiligt, weil der Sachverhalt restlos aufgeklärt ist. Selbst wenn noch Fragen offen gewesen
wären, hätte der Senat sicherlich nicht H konsultiert, da sich dieser mit seinem unbefriedigenden Gutachten nicht für weitere
Nachfragen qualifiziert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.