Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Rotatorenmanschettenruptur
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung der Folgen und Entschädigung eines Arbeitsunfalles vom 8. Februar 2006.
Die 1954 geborene Klägerin rutschte nach ihren Angaben gegenüber dem Durchgangsarzt, dem Chirurgen Dr. B., und gegenüber ihrem
Arbeitgeber am 8. Februar 2006 auf dem Weg zur Arbeit auf einer Eisplatte aus und stürzte auf die linke Schulter. In der Unfallschilderung
vom 23. Februar 2006 gab die Klägerin an, sie sei auf Glatteis mit durchgestrecktem Arm, der sich in einer Drehbewegung befunden
habe, gestürzt. Dr. B. diagnostizierte eine Kontusion des Schultergelenks mit Verdacht auf Rotatorenmanschettenläsion. Zur
weiteren Abklärung wurde am 16. Februar 2006 ein Magnetresonanztomogramm (MRT) durchgeführt. Der Radiologe Prof. Dr. L. erklärte,
es finde sich eine Flüssigkeitsansammlung, die Folge eines Überdehnungsschadens sein könne. Eine direkte Schadensfolge in
Form eines Defektes der Rotatorenmanschette sei nicht nachweisbar. Der Orthopäde E. berichtete am 4. August 2006 von einer
Beschwerdebesserung. Die Heilbehandlung werde abgeschlossen.
Ein MRT vom 6. März 2007 zeigte eine Periarthropathia humero-scapularis mit Bursitis und Ruptur der Supraspinatussehne. Der
subacromiale Raum war eingeengt, eine Muskelatrophie nicht festzustellen. Der Orthopäde R. berichtete am 19. März 2007, der
Riss scheine eher degenerativer Natur zu sein. Im Operationsbericht vom 30. März 2007 erklärte er, intraoperativ habe sich
sowohl eine erhebliche subacromiale Stenose als auch massive Degeneration gefunden, so dass von einem rein degenerativen Geschehen,
nicht von einer traumatischen Genese auszugehen sei. Im Schreiben vom 25. April 2007 bestätigte er nochmals, sowohl der kernspintomographische
Befund als auch der intraoperative Befund sprächen absolut gegen die Annahme einer unfallbedingten Rotatorenmanschettenruptur.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, durch den Unfall sei es zu einer zwischenzeitlich folgenlos
ausgeheilten Schulterprellung gekommen. Arbeitsunfähigkeit habe bis einschließlich 4. April 2006 bestanden, die Behandlung
sei zum 3. April 2006 abgeschlossen worden. Bei den aktuellen Beschwerden handele es sich um degenerative Leiden.
Ihren Widerspruch vom 2. Juni 2007 begründete die Klägerin mit Hinweis auf den Bericht des Orthopäden Dr. W. vom 23. Juli
2007, der erklärte, da die Klägerin vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei und auf den Aufnahmen vom 16. Februar 2006 vermehrte
Flüssigkeit in der Bursa sowie eine kleine partielle Ruptur festgestellt worden sei, sei eine Überprüfung angezeigt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2007 zurück.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage erklärte die Klägerin, sie habe darauf vertraut, dass die Beklagte die Kosten
der Operation übernehmen würde. Vor dem Unfall habe sie keine Beschwerden gehabt. Der Schaden an der Schulter sei auf den
Unfall zurückzuführen.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten vom 24. Mai 2008 aus,
sowohl Unfallhergang als auch klinische und insbesondere kernspintomographische Erstbefunde sprächen gegen eine strukturelle
Läsion der Rotatorenmanschette. Durch den Unfall sei es allenfalls zu einer Zerrverletzung mit Flüssigkeitsaustritt gekommen.
Von einer Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens könne nicht ausgegangen werden, da eine Erkrankung der Schulter vor
dem Sturzereignis von der Klägerin ausdrücklich verneint werde und auch aus den ärztlichen Unterlagen nicht festzustellen
sei. Zerrverletzungen heilten innerhalb weniger Wochen folgenlos aus, so dass Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit
über den 3. April 2006 nicht bestanden hätten. Eine unfallbedingte MdE messbaren Grades ab Wegfall der Arbeitsunfähigkeit
sei nicht begründbar.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2008 ab. Dabei stützte es sich im Wesentlichen auf
die Ausführungen von Dr. F., zumal seine Beurteilung durch keinerlei anders lautende ärztliche Stellungnahmen widerlegt worden
sei. Für die Annahme einer Unfallfolge reiche es nicht aus, dass die Beschwerden erst nach dem Unfall aufgetreten seien, da
ein rein zeitlicher Zusammenhang einen rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den nun
bestehenden Gesundheitsstörungen nicht zu begründen vermöge.
Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 erklärte sie, die unfallbedingte Verletzung sei
auf den Aufnahmen vom 16. Februar 2006 bereits sichtbar, dies habe ihr ein Facharzt bestätigt. Sie stelle den Antrag, das
MRT vom 16. Februar 2006 durch einen gerichtlichen Sachverständigen beurteilen zu lassen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 5. September 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides
vom 2. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 zu verurteilen, festzustellen, dass eine Rotatorenmanschettenruptur
Folge des Arbeitsunfalles vom 8. Februar 2006 ist und Entschädigungsleistungen über den 4. April 2006 hinaus zu gewähren.
Hilfsweise beantragt die Klägerin, dass das MRT vom 16. Februar 2006 einem Arzt vorgelegt wird, evtl. Dr. S. in R ...
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen,
da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung
der Sach- und Rechtslage führen konnte. Sowohl Prof. Dr. L., der das MRT vom 16. Februar 2006 beurteilte, als auch der Orthopäde
R., der die Klägerin am 30. März 2007 operierte, haben erklärt, dass die Rotatorenmanschettenruptur, die bei der Klägerin
am 6. März 2007 festgestellt wurde, keine Folge des Arbeitsunfalles vom 8. Februar 2006 ist. Dies hat der ärztliche Sachverständige
Dr. F. in seinem Gutachten vom 24. Mai 2008 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 20. Mai 2008 bestätigt.
Nach herrschender medizinischer Lehrmeinung unterliegt die Rotatorenmanschette in hohem Maße der Degeneration. Diese beginnt
ab dem dritten Lebensjahrzehnt. Zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr treten die meisten Rotatorenmanschettenschäden mit Krankheitsmerkmalen
auf. Ursache der Entstehung ist eine lokale Minderdurchblutung im Bereich der Sehnenansätze am Oberarmkopf sowie ein zunehmender
Verschleiß der Sehnen in der Enge des subacromialen Raumes. Dabei handelt es sich um eine Störung der Gleitbewegung zwischen
Oberarmkopf einschließlich der Rotatorenmanschette und dem Schulterdach (Acromion). Jede Veränderung des Inhalts und der Begrenzung
des subacromialen Raumes kann zu einem Engpass des Schultergelenkes führen: z.B. degenerative Erscheinungen der Rotatorenmanschette
einschließlich Teilrupturen und vorzeitiger Verschleiß des Schultereckgelenkes (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 7. Aufl., 2003 S. 504 ff.).
Die Klägerin hat in der Unfallschilderung vom 23. Februar 2006 angegeben, der linke Arm habe sich beim Sturz in einer Drehbewegung
befunden. Gegenüber Dr. F. gab sie an, sie habe beim Sturz den Arm in Form eines Schürzengriffes am Rücken gehabt. Selbst
wenn man von einem für eine Rotatorenmanschettenruptur geeigneten Unfallhergang ausginge, sprechen wesentliche Gründe gegen
die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs. Wie Dr. F. erläutert, sind die für eine frische unfallbedingte Verletzung
der Rotatorenmanschette charakteristischen Symptome Reißgefühl, Pseudoparalyse und passive freie Beweglichkeit bei unauffälliger
Muskulatur. Eine Pseudoparalyse lässt sich aus dem Bericht des Dr. B. vom 8. Februar 2006 nicht entnehmen. Die Bewegungseinschränkung
im Schultergelenk ist zwar Hinweis auf eine Erkrankung, aber nicht auf eine Verletzung der Rotatorenmanschette. Außerdem bestand
offensichtlich keine passive freie Beweglichkeit. Das MRT vom 16. Februar 2006 zeigte nur eine Flüssigkeitsansammlung, aber
keine Rissbildung im Bereich der Rotatorenmanschette. Dagegen war eine knöcherne Einengung im Bereich des Schultergelenks
zu sehen, die einen degenerativen Riss verursachen kann.
Eine weitere Sachaufklärung auf medizinischem Gebiet war im Hinblick auf die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten
nicht veranlasst. Insbesondere besteht kein Anlass, das MRT vom 16. Februar 2006 Dr. S. oder einem anderen Arzt vorzulegen.
Denn dieses MRT wurde sowohl von dem Radiologen Prof. Dr. L. als auch von Dr. F. im Gutachten vom 24. Mai 2008 ausgewertet
und bei der Beurteilung berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.