Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
Grundsätze zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Gewährung einer Rente wegen voller
Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2012 und der damit einhergehenden Erstattungsforderung
in Höhe von 11.456,34 Euro.
Die Klägerin wurde am … 1962 geboren.
Die Klägerin erlitt am … 1997 einen Arbeitsunfall und erhält seit dem 1 2009 eine Unfallrente aufgrund einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 vom Hundert – mit einem Zahlbetrag ab Juli 2009 in Höhe von 384,25 Euro monatlich und seit
Juli 2011 in Höhe von 388,06 Euro.
Seit 31. Dezember 2004 übte die Klägerin eine selbständige Tätigkeit aus. Zuletzt übte sie ab 2011 ein Gewerbe mit einer selbständigen
Tätigkeit im Bereich Vermittlungen von Versicherungen und Bausparverträgen, Vermittlung des Abschlusses und Nachweis der Gelegenheit
zum Abschluss von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Wohnräume, gewerbliche Räume und Darlehen aus. Dieses
Gewerbe meldete sie zum 1. Mai 2012 ab.
Daneben übte die Klägerin eine abhängige Beschäftigung als Gesellschaftergeschäftsführerin bei der Firma … GmbH, deren Gesellschafterin
sie zu 50% ist, in der Zeit von April 2010 bis Dezember 2010 aus.
In der Zeit vom 28. Mai 2010 bis zum 4. Juni 2010 war die Klägerin in stationärer Behandlung im Klinikum S aufgrund einer
Erkrankung am rechten Kniegelenk und seit dem 28. Mai 2010 war sie arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
und wiederholte ihr Begehren mit dem Antrag vom 23. Juni 2010.
Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens veranlasste die Beklagte die Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie,
Unfallchirurgie und Sportmedizin Dr. M. Im Gutachten vom 22. November 2010 führte er aus, dass sie leichte bis mittelschwere
körperliche Arbeiten täglich vollschichtig verrichten könne.
Darüber hinaus erfolgte die Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Psych. Dr. H. Er führte im
Gutachten aufgrund einer Untersuchung vom 9. November 2010 aus, dass für die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein
vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe.
Weiterhin erfolgte die Begutachtung durch die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. M. Sie führte im Gutachten vom
3. Dezember 2020 aus, dass die Klägerin halb- bis unter vollschichtig erwerbstätig sein könne.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Es liege zwar seit
dem 28. Mai 2010 eine Erwerbsminderung vor, jedoch seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Januar 2011 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die Schwindelerkrankung
auf den Arbeitsunfall aus dem Jahr 1997 zurückzuführen sei.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2011 bat die Beklagte die Klägerin um Angabe der Einkünfte aus dem Beschäftigungsverhältnis und
um Angabe eines steuerrechtlichen Gewinns u.a. aufgrund von Einkünften aus einer selbständigen Tätigkeit unter Beachtung des
entsprechenden Vordrucks.
Mit weiterem Schreiben vom 18. März 2011 erinnerte die Beklagte an die Erklärung zum Einkommen ab dem 1. Juni 2010, da dieses
zur Feststellung der Rente notwendig sei.
Mit einem weiteren Schreiben vom 28. März 2011 bat die Beklagte erneut um Angaben zu den Einkünften der Klägerin und teilte
mit, dass zu klären sei, ob ab dem 1. Juni 2010 Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit oder aus der Tätigkeit als Geschäftsführerin
vorliegen würden.
Die Klägerin übersandte die Erklärung vom 5. April 2011 für die Tätigkeit bei der … GmbH, welche sie selbst unterschrieb über
das erzielte Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 1.300,- Euro im Juni und Juli sowie von brutto 1.213,33 Euro im August 2011.
Mit Schreiben vom 12. April 2011 bat die Beklagte erneut um Angaben zum Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit und um Übersendung
eines Nachweises zur Aufgabe der selbständigen Tätigkeit zum 31. Dezember 2010.
Hieraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 15. April 2011 mit, dass sie noch keine Angaben zum steuerrechtlichen Gewinn
machen könne, da noch keine Steuererklärung abgegeben worden sei. Sie sei bei der GmbH als geschäftsführende Gesellschafterin
angestellt gewesen und zum 28. August 2010 endete laut Anstellungsvertrag die Lohnfortzahlung bei bestehender Arbeitsunfähigkeit.
Gleichzeitig übersandte sie die Gewerbe-Abmeldung für die … GmbH zum 31. Dezember 2010.
Mit Schreiben vom 27. April 2011 bat die Beklagte erneut um Angabe zum Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit, auch wenn
noch kein Steuerbescheid vorliegt.
Die Klägerin teilte hieraufhin mit Schreiben vom 9. Mai 2011 mit, dass ihr Einkommen aus dem Gehalt für die Geschäftsführertätigkeit
bei der … GmbH bestanden habe, welche zum 31. Dezember 2010 abgemeldet worden sei. Aus der Lohnsteuerbescheinigung für das
Jahr 2010 der … GmbH ergab sich für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2010 ein Bruttoarbeitslohn von 6.413,33 Euro.
Mit Bescheid vom 9. September 2011 gewährte die Beklagte der Klägerin aufgrund eines Leistungsfalls vom 28. Mai 2010 eine
Rente ab dem 1. Juni 2010 wegen teilweiser Erwerbsminderung. Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte
die Beklagte ab. Den Zahlbetrag legte sie für die Zeit ab Oktober 2011 auf 379,35 Euro fest. Gleichzeitig stellte sie für
den Zeitraum Juni 2010 bis September 2011 eine Nachzahlung in Höhe von 2.272,41 Euro fest. Unter Berücksichtigung der individuellen
Hinzuverdienstgrenzen verfügte die Beklagte, dass die Rente für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31. März 2011 nicht zustehe.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2011 hielt die Klägerin ihren Widerspruch weiterhin aufrecht.
Aus dem Bescheid für 2010 über die Einkommenssteuer vom Dezember 2011 ergeben sich Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit
der Klägerin in Höhe von 6.413 Euro und aus der selbständigen Tätigkeit als Einzelunternehmer in Höhe von 3.859 Euro.
Im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens bat die Widerspruchsstelle im Ergebnis der Sitzung vom 17. Februar 2012
um Prüfung, ob ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes
bestehe.
Zur weiteren Klärung der Voraussetzungen erkundigte sich die Beklagte am 8. März 2012 telefonisch bei der Klägerin. Die Klägerin
teilte mit, dass sie im Jahre 2011 ihr Gewerbe wieder angemeldet habe und nunmehr einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit
nachgehe. Angaben zu den Einkünften könne sie nicht machen, da sie den Einkommenssteuerbescheid von 2011 noch nicht vorliegen
habe.
Mit der Erklärung vom 30. April 2012 gab die Klägerin zu ihrer selbständigen Tätigkeit unter Verwendung des von der Beklagten
übersandten Formulars an, dass diese im Umfang von 10 bis 15 Stunden ausgeübt werde.
Mit der Gewerbe-Abmeldung vom 14. April 2012 meldete die Klägerin ihr Gewerbe aus gesundheitlichen Gründen zum 1. Mai 2012
ab. In der Zeit von Januar 2012 bis April 2012 erzielte die Klägerin aus der gewerblichen Tätigkeit einen Gewinn in Höhe von
27.553,- Euro. Wegen der Einzelheiten zu den Einnahmen wird auf die Kontoauszüge für den Zeitraum auf Blatt 148 bis 165 der
Gerichtsakte verwiesen. Hieraus ergeben sich u.a. die folgenden Zahlungseingänge:
2012
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5.355,- Euro
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2012
|
5.355,- Euro
|
2012
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801,25 Euro
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2012
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13.566,- Euro
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2012
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1.428,- Euro
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2012
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2.731,05 Euro
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2012
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1.625,- Euro
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2012
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1.023,78 Euro
|
2012
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3.070,20 Euro
|
Ab Mai 2012 nahm die Klägerin eine Tätigkeit bei … Immobilien als Verwalterin mit einem Arbeitseinkommen in Höhe von 400,-
Euro auf.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2012 bat die Klägerin um Berechnung ihrer Hinzuverdienstgrenzen.
Unter Berücksichtigung der Geringfügigkeit der selbständigen Tätigkeit der Klägerin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom
25. Mai 2012 der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2011. Den Zahlbetrag legte die
Beklagte für die Zeit ab Juli 2012 auf 649,65 Euro fest und verfügte für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 eine
Nachzahlung in Höhe von 4.362,43 Euro. Sie führte zur Begründung aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab dem 31. Dezember
2010 erfüllt seien und die Rente ab dem 7. Kalendermonat geleistet werde.
Auf Nachfrage der Beklagten übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 2. Juli 2013 den Bescheid für 2011 über Einkommenssteuer
vom April 2012. Hieraus ergeben sich Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 15.086,- Euro.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2014 berechnete die Beklagte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Juni 2010 neu und
stellte eine Überzahlung in Höhe von 1.126,86 Euro fest für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 30. Juni 2011 fest. Hiergegen
legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2014 hörte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 2012
mit Wirkung vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2012 nach § 45 des Zehnten Buches – Sozialgesetzbuch (SGB X) und einer sich hieraus ergebenden Überzahlung in Höhe von 11.456,34 Euro an. Sie führte zur Begründung aus, dass die Klägerin
bis zum 30. April 2012 eine mehr als geringfügige Tätigkeit ausgeübt habe und daher kein Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung
eingetreten sei. Die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung habe die Klägerin erkennen können, weil der Rentenbescheid vom 25.
Mai 2012 den Hinweis enthalten habe, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung entfallen könne, wenn eine selbständige
Tätigkeit aufgenommen oder ausgeübt werde.
Im Rahmen der Anhörung führte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juni 2014 aus, dass die Fehlerhaftigkeit für sie nicht erkennbar
gewesen sei, da der Steuerbescheid für 2012 erst im Dezember 2013 erstellt worden sei. In der Zeit vom 28. Mai 2010 bis zum
3. April 2011 sei sie arbeitsunfähig gewesen. Danach sei sie zwischen 10 und 15 Stunden tätig gewesen. Die Einnahmen im Jahre
2012 seien auf Provisionszahlungen für Verkäufe Ende 2011 zurückzuführen. Hieraus ergebe sich ein höheres Einkommen für den
Zeitraum Januar 2012 bis April 2012. Weiterhin seien durch die Nachzahlungen steuerliche Nachteile entstanden.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2014 hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 25. Mai 2012 hinsichtlich des Rentenanspruchs mit Wirkung
vom 1. Juli 2011 nach § 45 SGB X auf und forderte nach § 50 SGB X eine Erstattung für den Zeitraum Juli 2011 bis Oktober 2012 in Höhe von 11.456,34 Euro. Sie führte zur Begründung aus, dass
die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit gegeben seien. Ein Vertrauensschutz der Klägerin bestehe nicht,
da mit dem Bescheid vom 25. Mai 2012 die Klägerin darüber informiert worden sein, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung
entfallen könne, wenn eine Beschäftigung ausgeübt oder aufgenommen werde. Eine solche Beschäftigung der Klägerin liege seit
Januar 2011 bis zum Mai 2012 vor, da die selbständige Tätigkeit der Klägerin ein Einkommen von 400,- Euro im Monat übersteige.
Dagegen habe die Klägerin mehrmals mitgeteilt, dass ihre selbständige Tätigkeit nur geringfügig sei.
Auch im Rahmen des Ermessens sei zu berücksichtigen, dass keine Gründe gegen eine Aufhebung vorliegen würden, insbesondere
da die Beklagte kein Verschulden an der Überzahlung trage. Erst mit dem Eingang der Einkommenssteuerbescheide sei erkennbar
gewesen, dass eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit über den 31. Dezember 2011 ausgeübt werde.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2014 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit
Mai 2012 bis Oktober 2012 und eine Nachzahlung in Höhe von 1.934,64 Euro. Einen Zahlungsanspruch verneinte die Beklagte für
die Zeit Juli 2011 bis April 2012. Eine Auszahlung erfolgte vorerst nicht.
Gegen den Bescheid vom 25. Juni 2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Juli 2014 Widerspruch ein. Sie führte zur Begründung
aus, dass ein Vertrauensschutz bestehe und die gewährten Leistungen im guten Glauben verbraucht seien. Es würden zu keiner
Zeit falsche oder unrichtige Angaben vorliegen. Es sei nicht erkennbar gewesen, in welcher Höhe Gewinne und ob überhaupt Gewinne
erzielt werden würden. Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze sei für sie nicht erkennbar gewesen. Erst im Juni 2014 habe
sie definitiv die Höhe ihrer Einnahmen gekannt. Darüber hinaus sei die Frist von 2 Jahren hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides
vom 25. Mai 2012 abgelaufen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass
der aufgehobene Bescheid vom 25. Mai 2012 auf in wesentlicher Beziehung unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhe und
die Klägerin die Fehlerhaftigkeit des Bescheides hätte erkennen können. Zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung sei der Klägerin
das Einkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit für den Zeitraum bis zum 30. April 2012 bekannt gewesen und somit habe sie
die Fehlerhaftigkeit des Bescheides gekannt, da das Einkommen über 400,- Euro im Monat gelegen habe. Mit dem aufzuhebenden
Bescheid habe die Beklagte die folgenden Hinweise erteilt:
„Ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung
Sie haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt, weil die volle
Erwerbsminderung nicht ausschließlich auf Ihrem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes
beruht. Die Anspruchsvoraussetzungen sind ab 31. Dezember 2010 erfüllt.
(…)
Bitte teilen Sie uns unverzüglich mit, wenn Sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufnehmen oder ausüben. Ihre
Rente wegen voller Erwerbsminderung kann dann wegfallen. Dies gilt selbst dann, wenn Sie nichts verdienen oder sogar Verluste
erwirtschaften.“
Unter Beachtung dieser Umstände habe für die Klägerin kein Vertrauensschutz bestanden und eine Frist von 2 Jahren komme nicht
zur Anwendung. Dagegen liege die Rücknahmefrist nach § 45 Abs. 3 SGB X bei 10 Jahren. Auch im Rahmen des Ermessens sei nicht von der Bescheidrücknahme abzusehen. Allein die wirtschaftliche Härte
könne noch nicht dazu führen, von der Aufhebung und Rückforderung abzusehen.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat mit
Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2017 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin in der Zeit
von Juli 2011 bis Oktober 2012 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gehabt habe, da der
vorliegende Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung nicht wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in eine volle
Erwerbsminderung umgeschlagen sei. Die Klägerin habe bis April 2012 eine nicht geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt,
da aus ihrem Gewerbebetrieb im Jahr 2011 im Schnitt ein monatliches Einkommen von 1.257,11 Euro und im Zeitraum Januar bis
April 2012 ein Gewinn von 27.553,00 Euro erzielt worden sei. Daher sei die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
mit Bescheid vom 25. Mai 2012 von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen von § 45 SGB X würden vorliegen. Im Ergebnis sei die Aufhebung und die Rückforderung der Rentenzahlung rechtmäßig erfolgt.
Gegen den ihr am 20. Dezember 2017 zugestellten Gerichtsbescheid legt die Klägerin mit Schreiben vom 16. Januar 2018 Berufung
ein. Sie führt zur Begründung aus, dass der Gewinn im Frühjahr 2012 auf Provisionen für Verkaufsaufträge aus Januar, Februar
und April 2011 beruhe. Dagegen sei eine Tätigkeit im streitigen Zeitraum von mehr als 12 Stunden pro Woche ihr nicht möglich
gewesen. Sie habe die Rentenzahlungen im guten Glauben entgegengenommen und verbraucht, da die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze
ihr nicht möglich gewesen sei. Weiterhin habe sie die gesamten Rentenzahlungen für das Jahr 2012 versteuern müssen und die
Veranlagung sei nunmehr bestandskräftig. Die geforderte Rückzahlung würde daher einen erheblichen steuerlichen Schaden begründen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 4. Dezember 2017 aufzuheben und den Bescheid vom 25. Juni 2014 in der
Form des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 4. Dezember 2017 zurückzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum eine nicht geringfügige Tätigkeit ausgeübt habe und
daher die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht vorliegen würden. Mit der Aufgabe der selbständigen
Tätigkeit zum 1. Mai 2012 komme eine Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung erst ab 1. November 2012 wieder in Betracht
nach §
101 Abs.
1 des
Sechsten Buches – Sozialgesetzbuch (
SGB VI). Dieser Umstand sei der Klägerin bereits bei der Bescheiderteilung bewusst gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Rechtsausführungen und der Sachdarstellung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten (Az: 65 080262H519) und auf den der Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 2014 in der Form des Widerspruchsbescheides vom
28. Januar 2015 abgewiesen. Die isolierte Anfechtungsklage ist zwar zulässig aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid
rechtmäßig ist und die Klägerin nicht beschwert nach §
54 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG).
Die Ermächtigungsgrundlage für den angegriffenen Bescheid ist § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen
der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte
auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer
Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben
beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht
hat, (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Dabei liegt grobe
Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen vor, wobei keine Gesichtspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides
erkennbar sind. Die Beklagte führte mit dem Schreiben vom 14. Mai 2014 die Anhörung der Klägerin durch und wies hierin auf
die wesentlichen Umstände für eine Aufhebung nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X hin. Die Umstände für eine Aufhebung nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X waren für die Klägerin aus dem Bescheid vom 25. Juni 2014 erkennbar, so liegt insoweit eine Heilung des möglichen Anhörungsmangels
nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X vor.
Der von der Beklagten aufgehobene Bescheid vom 25. Mai 2012 über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung war
zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig – von Anfang an – und somit ist der Anwendungsbereich von § 45 Abs. 1 SGB X eröffnet. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
nach §
43 Abs.
2 SGB VI, da zu diesem Zeitpunkt ein entsprechender Leistungsfall nicht vorgelegen hat. Nach §
43 Abs.
2 Satz 1 Satz 2
SGB VI ist voll erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Im Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest in der Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2012 in der Lage war, mindestens
drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, wobei die Beklagte bereits von einem Leistungsfall hinsichtlich dieser Einschränkung
mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 28. Mai 2010 ausgeht. Der Senat folgt mit seiner Einschätzung den Ergebnissen
der sozialmedizinischen Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und den Ausführungen in den zum Leistungsvermögen
der Klägerin eingeholten Gutachten, wobei eine quantitative Leistungseinschränkung sich nur aus der Begutachtung durch die
Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. M ergab, welche ausführte, dass die Klägerin halb- bis unter vollschichtig erwerbstätig
sein könne. Anhaltspunkte für eine weitere Einschränkung des Leistungsvermögens können den medizinischen Ermittlungen nicht
entnommen werden, zumal die weiteren Sachverständigen, nämlich der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. und Dipl.-Psych.
H und Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin Dr. M, in ihren Gutachten zu keiner Einschränkung des quantitativen
Leistungsvermögens der Klägerin kamen.
Die teilweise Erwerbsminderung schlug nicht aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes im streitigen Zeitraum
in einen Fall der vollen Erwerbsminderung um.
Die Grundsätze zur Verschlossenheit des Teilzeit-Arbeitsmarktes gelten weiter (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Januar
2004 – L 14 RJ 175/03 und Gürtner, in: Kasseler Kommentar,
SGB VI, Stand: Mai 2021, §
43 Rn. 30). Dies bedeutet, dass über den Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften hinaus ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung
dann besteht, wenn das Restleistungsvermögen des Versicherten nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich beträgt. Nach wie vor
ist nämlich davon auszugehen, dass der entsprechende Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (hierzu BSG Großer Senat, Beschluss vom 11. Dezember 1969 - GS 4/69 und Beschluss vom 10. Dezember 1976 - GS 2/75 sowie Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95). Da nämlich für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ein Rentenartfaktor von 0,5 maßgeblich ist (vgl. §
67 Nr. 2
SGB VI), beträgt diese Rente nur 50 v.H. der Vollrente. Diese Rente setzt damit von ihrer Grundkonzeption her gesehen voraus, dass
der Versicherte zur Deckung seines Lebensunterhalts - durch die Ausübung einer entsprechenden Teilzeitarbeit - weiteres Einkommen
erzielen müsste oder andere Sozialleistungen bezieht. Daher ist die sogenannte konkrete Betrachtungsweise geboten, d.h. die
Verhältnisse des Arbeitsmarktes sind zu beachten. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wird also nicht allein vom
Gesundheitszustand abhängig gemacht (sog. abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob der Versicherte in der Lage
ist, bei der konkreten Situation des Teilzeitarbeitsmarktes die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens
einzusetzen. Das hat zur Folge, dass bei einem festgestellten Leistungsvermögen von über 3 bis unter 6 Stunden und zum Beispiel
gleichzeitiger Arbeitslosigkeit der Anspruch in einen solchen auf volle Erwerbsminderungsrente umschlägt.
Eine Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ist in folgenden Fällen anzunehmen:
- Arbeitslosigkeit (z.B. nach Aufgabe eines nicht leistungsgerechten Arbeitsplatzes),
- dauernde (tatsächlich oder voraussichtlich mehr als sechs Monate) Arbeitsunfähigkeit bei einem nur aus formalen Gründen
bestehenden Arbeitsverhältnis,
ein geringfügiges (§
8 SGB IV) oder kein Beschäftigungsverhältnis (vgl. Kreikebohm,
SGB VI, 5. Auflage 2017, § 43 Rn. 28 und zur Geringfügigkeit: BSG Großer Senat, Beschluss vom 10. Dezember 1976 – GS 2/75, GS 4/75, GS 3/6).Die Klägerin übte im streitigen Zeitraum aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit jedoch keine geringfügige Tätigkeit
aus. Bei selbstständig Tätigen ist nämlich zu prüfen, ob sie ihre selbstständige Tätigkeit noch ausüben oder diese nur noch
formal angemeldet haben und in welchem Umfang sie ggf. auch auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird. Eine Vermutung dergestalt,
dass sie, solange sie selbstständig sind, auch eine leistungsgerechte Erwerbstätigkeit ausüben, lässt sich dem Gesetz nicht
entnehmen und würde zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung dieser Personengruppe führen (Kamprad, in: Hauck/Noftz, SGB,
Stand: 12/14, §
43 SGB VI Rn. 95 und Kreikebohm,
SGB VI, 5. Auflage 2017, §
43 Rn. 28). Nach einer für Beschäftigte vergleichbaren Prüfung ist bei Selbständigen zu klären, ob eine geringfügige Beschäftigung
im Sinne von §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV – mit der entsprechenden Geltung für selbständig Tätige nach Abs. 3 Satz 1 – mit einem geringfügigen Einkommen (weniger als
400,- Euro im streitigen Zeitraum nach §
8 SGB IV in der Fassung vom 5. August 2010) vorliegt.
Die Klägerin übte in dieser Zeit keine geringfügige Tätigkeit, da sie laut dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011
Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 15.086,- Euro und aus ihrer gewerblichen Tätigkeit im Zeitraum
Januar bis April 2012 (Aufgabe der selbständigen Tätigkeit) einen Gewinn in Höhe von 27.553,- Euro erzielte. Hieraus ergibt
sich ein Betrag der deutlich über dem Grenzwert von 400,- Euro im Monat für eine geringfügige Beschäftigung liegt.
Der sozialrechtliche Begriff des bei einer selbständigen Tätigkeit maßgeblichen Arbeitseinkommens ist in §
15 Abs.
1 Satz 1
SGB IV definiert. Danach ist Arbeitseinkommen "der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts
ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit". Diese Vorschrift nimmt also schon ihrem Wortlaut nach Bezug auf das
EStG und verweist auf den Gewinn, wie er nach dem Einkommenssteuergesetz (§
2 Abs.
2 Nr.
1, §§
4 bis 7k
EStG) ermittelt wird. Der Begriff des Arbeitseinkommens aus einer selbstständigen Tätigkeit i.S.d. §
15 Abs.
1 Satz 1
SGB IV umfasst alle typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Einkunftsarten.
Die Einkünfte der Klägerin für das Jahr 2011 ergeben sich aus dem vorliegenden Steuerbescheid und hinsichtlich der Einkünfte
für das Jahr 2012 kann auf die Bescheinigung des Steuerberaters der Klägerin zurückgegriffen werden, wobei bei Betriebsaufgabe
während des laufenden Kalenderjahres ein Rumpfwirtschaftsjahr mit der Folge entsteht, dass zur Feststellung des maßgeblichen
Arbeitseinkommens der für die Zeit vom Jahresanfang bis zum Monat der Betriebsaufgabe ermittelte steuerliche Gewinn durch
die Anzahl der in diesem Zeitraum zurückgelegten Monate zu teilen ist (BSG, Urteil vom 22. September 1999 – B 5 RJ 54/98 R).
Frühestens zum 1. Mai 2012 mit der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit und Beginn einer geringfügigen Beschäftigung trat der
Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung durch Umschlagen der teilweisen Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung
aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ein. Unter Beachtung der Regelung in §
101 Abs.
1 SGB VI kommt somit eine Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab November 2012 in Betracht.
Auf Vertrauen kann sich die Klägerin nicht berufen, da die Tatbestände von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und darüber hinaus von Nr. 3 SGB X erfüllt sind.
Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich
oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Die Klägerin tätigte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens unvollständige Angaben über ihre Einkünfte und verschwieg die Einnahmen
aus der selbständigen Tätigkeit. Zwar informierte sie umfangreich über die Tätigkeit bei der … GmbH aber nicht über ihre weitere
selbständige Tätigkeit, obwohl hieraus erhebliche Einnahmen zuflossen. Zwar waren die Angaben zum Einkommen zutreffend aber
jedoch unvollständig. Das Verschweigen erfolgte zumindest grob fahrlässig, da die Beklagte die Klägerin in vielen Schreiben
darum bat, das Einkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit darzulegen und die Klägerin hierzu nur auf die Einnahmen aus einer
Tätigkeit bei der HOKRA Immobilien GmbH verwies.
Die Auskunft, dass ihr die Einkommenshöhe aus der selbständigen Tätigkeit erst nach der Erteilung eines Einkommenssteuerbescheides
bekannt sei, ist nicht überzeugend. Die Klägerin war seit dem 31. Dezember 2004 selbständig tätig und konnte daher aufgrund
der vorhandenen Erfahrungen abschätzen, in welcher Höhe aus der Tätigkeit ein Gewinn erzielt wird. Es hätte sich ihr aufdrängen
müssen, dass es sich hierbei um Beträge handelt, die die Geringfügigkeitsschwelle von 400,- Euro deutlich übersteigt. Aufgrund
der Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit mit einem Entgelt von 400,- Euro ab Mai 2012 hätte der Klägerin der Grenzbetrag
zumindest bekannt sein müssen.
Auf Vertrauen kann sich ebenfalls der Begünstigte nicht berufen, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes
kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 1 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Bereits mit Bescheid vom 9. September 2011 und erneut mit dem Bescheid vom 25. Mai 2012 hat die Beklagte ausdrücklich auf
die Mitteilungspflichten, insbesondere bei Aufnahme oder dem Fortführen einer Erwerbstätigkeit, hingewiesen. Der Klägerin
als Immobilienmaklerin und Versicherungsvermittlerin war es zuzumuten, Bewilligungsbescheide über Rentenleistungen zur Kenntnis
zu nehmen und umfassend zu lesen. Es hätte ihr einleuchten müssen, dass der gleichzeitige Zufluss von ganz erheblichen Einkommen
zu einem Wegfall der Rente wegen voller Erwerbsminderung führen kann und sie dieses Einkommen der Beklagten hätte mitteilen
müssen.
Die Rücknahmefrist ist gewahrt nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 SGB X. Maßgeblich ist hiernach eine Frist von 10 Jahren, welche die Beklagte wahrte. Darüber hinaus hatte die Beklagte erst mit
der Übersendung des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2011 mit Schreiben der Klägerin im Juli 2013 Kenntnis über erster
Anhaltspunkte für die Rücknahme des Rentenbescheides vom 25. Mai 2012. Mit der angegriffenen Entscheidung vom 25. Juni 2014
wahrte die Beklagte die Jahresfrist, wobei der konkrete Beginn offenbleiben kann.
Die Beklagte hat im angegriffenen Bescheid auch das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen ausgeübt. Anhaltspunkte für einen
Ermessensnicht- bzw. Ermessensfehlgebrauch liegen nicht vor.
Die Klägerin ist demzufolge gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X verpflichtet, die überzahlten Leistungen i.H.v. 11.456,34 Euro, soweit die Beklagte den Rentenbescheid vom 25. Mai 2012 aufgehoben
hat, zu erstatten. Die Regelung in § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X enthält eine „Soll“-Regelung zur Verbindung der Entscheidung über die Erstattung mit dem Rücknahmebescheid.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.