LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.05.2021 - 11 VS 47/16
Feststellung einer Erkrankung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung
Dreigliedrige Kausalkette für die Anerkennung von Schädigungsfolgen
Verursachung gesundheitlicher Schäden durch ionisierende Strahlungen oder Röntgenstrahlen während einer dienstlichen Tätigkeit
bei der Bundeswehr
1. Für eine von einem ehemaligen Soldaten der Bundeswehr geltend gemachte Einwirkung von ionisierenden Strahlen ist die Berufskrankheit
Nr 2402 der Anlage 1 zur BKV ("Erkrankung durch ionisierende Strahlen") einschlägig. Die Anerkennung der Berufskrankheit Nr 2402 der Anlage 1 zur BKV setzt den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation
voraus. Bei akuten Leukämien, myelodysplastischen Syndromen und chronischen myeloischen Leukämien ist die ursächliche Bedeutung
von ionisierenden Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv hinreichend geklärt.
2. Ungeachtet der exakten rechtlichen Qualität des Berichts der Radarkommission vom 2.7.2003 ist davon auszugehen, dass bei
Erfüllen der von der Radarkommission formulierten Voraussetzungen vom Vorliegen der schädigenden Einwirkung einerseits und
von der Kausalität dieser Einwirkung für die dann eingetretene Erkrankung ausgegangen werden muss.
3. Die Annahme einer Wehrdienstbeschädigung durch ionisierende Strahlen setzt regelmäßig eine Tätigkeit des Soldaten an einem
Radargerät der SGR-Familie (insbesondere des SGR 103) voraus. Das ist bei einem Operator der Fachrichtung 23 nicht ohne weiteres
anzunehmen.
4. Ein Anspruch aufgrund der Verwendung Ra-226-haltiger Leuchtfarbe setzt grundsätzlich als spezifisch qualifizierende Erkrankung
Knochenkrebs oder Lungenkrebs voraus.
5. Eine Kann-Versorgung setzt ua das Einwirken ionisierender Strahlen voraus, deren Menge nicht so gering war, dass eine wesentliche
Bedeutung nicht diskutiert werden kann. Damit ist Voraussetzung eine Strahlenbelastung von mindestens 0,02 Sv=20 mSv und zwar
bei der Leukämie bezogen auf das Knochenmark.
Vorinstanzen: SG Berlin 19.05.2016 S 44 VS 204/14 ZVW
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für den gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Erkrankung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) und Versorgung nach Maßgabe
des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Der 1959 geborene Kläger, der seit 1990 als Jurist, seit 1992 als Rechtsanwalt und seit 2004 auch als Notar tätig ist, stand
vom 1. Oktober 1978 bis zum 30. September 1980 als Soldat im Dienstverhältnis bei der Beklagten, wobei er zwischen dem 2.
Oktober 1978 und dem 10. Januar 1979 seinen Grundwehrdienst abgeleistet hatte, ehe er anschließend als Soldat auf Zeit übernommen
wurde. Dabei war er zwischen dem 2. Oktober 1978 und dem 2. Januar 1979 bei der Marineortungsschule und danach vom 5. Januar
1979 bis zu seiner Entlassung als Ortungsgast auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“ eingesetzt. Am 11. Februar 2005 war bei
dem Kläger eine akute myeloische Leukämie (AML) diagnostiziert worden, wegen der er im Charité Campus Benjamin Franklin vom
11. Februar bis zum 31. März 2005 und noch mal vom 11. April bis zum 8. Mai 2005 (Blutstammzelltransplantation am 22. April
2005) stationär behandelt worden war.
Am 2. März 2005 beantragte der Kläger bei dem Land Berlin, vertreten durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales, eine
Beschädigtenversorgung. Dabei gab er an, seine jetzige Erkrankung sei auf ionisierende Strahlungen aus den bedienten Radargeräten
zurückzuführen. Er sei als Operator tätig gewesen, wobei ihm das Gerät, das er bedient habe, nicht bekannt sei. Es habe aber
während der Übungsfahrten ein durchgehender Sendebetrieb bestanden. Es habe sich um ein stationäres Gerät gehandelt, an dem
er zur Flugüberwachung und zur Zielortung/Gefechtsüberwachung eingesetzt gewesen sei. Dabei habe er als Arbeiten die Einschaltung,
einen Entfernungsabgleich und die Zielortung durchgeführt. Auf Übungsfahrten (längstens Januar bis Mai 1980) habe er Vier-
oder bei Gefechtsübungen Sechs-Stunden-Schichten in der Operationszentrale gehabt, davon sei er bis zu dreieinhalb Stunden
am Radar tätig gewesen, ansonsten direkt daneben. Er sei Röntgen- und Nuklidstrahlungen ausgesetzt gewesen.
Das Land Berlin erklärte dem Kläger mit Schreiben vom 3. März 2005, die Akten zuständigkeitshalber an die Beklagte weiterzuleiten,
damit diese über den Ausgleich nach § 85 SVG entscheide.
In einem Schreiben vom 15. August 2005 an die Beklagte, der mittlerweile der Vorgang durch das Land Berlin zugeleitet worden
war, trug der Kläger vor, von Anfang Januar 1979 bis Ende September 1980 Dienst als Ortungsgast (Ausbildungsreihe 23) in der
Operationszentrale auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“ der Hamburg-Klasse geleistet zu haben. Bis Ende März 1979 habe sich
das Schiff im Trockendock befunden, danach habe es zahlreiche Übungsfahrten in Nord- und Ostsee bis ins Ausland absolviert.
Von Januar bis Mai 1980 habe es an der „Standing Naval Force Atlantic“ teilgenommen und im Verbund mit Schiffen anderer NATO-Mitgliedsstaaten
Manöver vor der US-Küste absolviert. Während seiner Dienstzeit seien noch Besuchsfahrten zur Kieler Woche und nach Stockholm
wie auch nach Tromsö und Manöver in den nördlichen Atlantik durchgeführt worden. Sein Dienst während der Seezeiten sei in
der Operationszentrale an einem Überwachungsradar erfolgt. Daneben sei ein taktisches Radar gelaufen. Bei den Radargeräten
dürfte es sich unter anderem um das Seeraum-Überwachungsradar SGR 103 gehandelt haben. Weiter führte der Kläger aus, Leukämie
sei die am häufigsten mit ionisierenden Strahlungen assoziierte Krebserkrankung. Aus heutiger Sicht seien die Radargeräte
in den frühen Jahren nicht immer hinlänglich abgesichert gewesen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse noch unvollkommen gewesen,
die Sicherheitsvorschriften nicht ausreichend gewesen oder nicht ausreichend beachtet worden. In dieser Hinsicht habe es in
den sechziger und siebziger Jahren Säumnisse und Versäumnisse gegeben. Sie kämen als Ursache für mittlerweile aufgetretene
Spätschäden infrage. Er selbst könne sich während seiner Dienstzeit an keine Vorlage von Sicherheitsvorschriften oder eine
besondere Sicherheitseinweisung betreffend die Tätigkeit an Radargeräten erinnern. Strahlungswertmessungen an seinem Körper
habe es definitiv nicht gegeben. 1976 sei für den Radartyp SGR 103 nach einer Notfalluntersuchung auf der Fregatte „Emden“
festgestellt worden, dass aus strahlenschutztechnischen Gründen eine sofortige Stilllegung aller Radar-Sendeanlagen SGR 103
hätte erfolgen müssen. Strahlenschutzmessungen der Firma Eltro hätten ergeben, dass 1978 im Arsenalbereich Wilhelmshaven an
den Radargeräten SGR 103, 105 und 114 ionisierende Strahlungen aufgetreten seien. Im Oktober 1978 habe die Firma R., ein Geschäftsbereich
der Philips GmbH, das Marineunterstützungskommando darauf aufmerksam gemacht, dass Schiffe der Bundesmarine nicht mit den
ursprünglich gelieferten röntgenstrahlungsfreien und gesicherten Thyratrons des Typs RF 8613 RE ausgerüstet gewesen seien.
Die Exposition gegenüber Röntgenstrahlen sei für die Zeit von 1975 bis 1985 in erheblicher Intensität möglich gewesen. Andere
Risikofaktoren für Leukämieerkrankungen lägen in seinem Fall nicht vor.
Die Beklagte holte ein technisches Gutachten vom 26. August 2005 ein, nachdem für den Kläger und für seine Beschäftigungszeit
bei der Bundeswehr nach § 35 Abs. 8 der Röntgenverordnung folgende Organdosen für die externe Strahlenexposition durch radioaktive Leuchtfarbe festgelegt wurden:
Bereich Hand:
Rotes Knochenmark 99 Millisievert (mSv)
Knochenoberfläche 103 mSV
Oberkörper:
Rotes Knochenmark 7,1 mSv
Knochenoberfläche 7,4 mSV
In einem weiteren technischen Gutachten vom 24. Februar 2006 wurden unter Aufhebung der Ersatzdosisberechnung vom 26. August
2005 für den Kläger und für seine Beschäftigungszeit bei der Bundeswehr nach § 41 der Strahlenschutzverordnung folgende Organdosen für die externe Strahlenexposition durch radioaktive Leuchtfarbe festgelegt:
Sternum: 2,8 mSv
Becken: 2,0 mSv
Hände: 5,7 mSv
Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 stellte die Beklagte fest, dass die von dem Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung AML nicht
Folge einer WDB im Sinne des § 81 SVG sei, weswegen kein Anspruch auf Ausgleich gemäß § 85 SVG bestehe. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, in Übereinstimmung mit dem Bericht der vom Verteidigungsausschuss
des Deutschen Bundestages eingesetzten Radarkommission (Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung
in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA <Radarkommission> vom 2. Juli 2003; nachfolgend kurz: Bericht der
Radarkommission) sei davon auszugehen, dass nur Personen mit qualifizierenden Tätigkeiten an Radargeräten einer gesundheitsschädigenden
Einwirkung von Röntgenstrahlen ausgesetzt gewesen seien. Als qualifizierend seien zunächst die Arbeiten als Radartechniker
an Radaranlagen anzusehen. Darüber hinaus sei im Einzelfall eine Anerkennung auch von Operatoren möglich, sofern diese nicht
nur gelegentlich zur Unterstützung des Radartechnikers an eingeschalteten Radaranlagen eingesetzt gewesen seien. Die von dem
Kläger ausgeübte dienstliche Tätigkeit gehöre nicht zu den genannten qualifizierenden Tätigkeiten; ein Ursachenzusammenhang
zwischen einer etwaigen Röntgenstrahlungseinwirkung während der dienstlichen Tätigkeit und der Erkrankung sei somit auszuschließen.
Es sei auch geprüft worden, ob die geltend gemachte Gesundheitsstörung auf eine schädigende Einwirkung von radiumhaltiger
Leuchtfarbe zurückzuführen sei. Bei der radioaktiven Strahlung radiumhaltiger Leuchtfarbe handele es sich um ionisierende
Strahlung. Auch insoweit sei aber kein ursächlicher Zusammenhang gegeben. Nach den Kriterien des Berichtes der Radarkommission
seien als spezifische qualifizierende Erkrankungen für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als WDB-Folge wegen Inkorporation
von Leuchtfarbe nur bestimmte Formen von Knochenkrebs sowie Lungenkrebs anzusehen. Die geltend gemachte Gesundheitsstörung
AML gehöre nicht dazu. Die Gesundheitsstörung könne auch nicht durch eine externe Strahlenexposition aufgrund radiumhaltiger
Leuchtfarbe verursacht worden sein, selbst wenn man davon ausgehe, dass die Geräte, an denen der Kläger seinen Dienst verrichtet
habe, mit radiumhaltiger Leuchtfarbe versehen gewesen seien. Ein Zusammenhang der Gesundheitsstörung AML mit der für möglich
erachteten externen Strahlenexposition durch radiumhaltige Leuchtfarbe lasse sich nicht herleiten. Nach derzeitigen Erkenntnissen
auch der Radarkommission seien die Emissionen der Leuchtfarbe so gering gewesen, dass bei einer externen Bestrahlung keine
hohen Belastungswerte hätten erreicht werden können. Der Bescheid schloss mit der Mitteilung, dass über Versorgungsleistungen
nach § 80 SVG für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses das Versorgungsamt Berlin gesondert entscheide. Die Beklagte übermittelte
den Vorgang zurück an das Land Berlin.
Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid machte der Kläger unter anderem geltend, einen Ausgleich nach § 85 SVG gar nicht beantragt zu haben.
Zwischenzeitlich lehnte das Land Berlin mit Bescheid vom 13. Februar 2007 den Antrag des Klägers auf Versorgung nach dem SVG ab. Zur Begründung bezog es sich im Wesentlichen auf die Begründung des Bescheides der Beklagten vom 6. Juli 2006. Der Kläger
legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und erklärte zur Begründung unter anderem, er habe nicht nur an Radarbildschirmen
Dienst getan, sondern er sei während der Seezeiten und während des Saubermachens in den stets offenen Räumen der Radaranlagen
mit den Radarsendegeräten in Berührung gekommen. Auch machte der Kläger umfangreiche Ausführungen dazu, dass auch nach dem
Bericht der Radarkommission in seinem Fall Versorgung zu gewähren sei. Danach seien insbesondere auch Tätigkeiten als Operator
als qualifizierend anzusehen. Dies gelte erst recht, soweit diese Tätigkeiten an dem berüchtigten Radargerät SGR 103 ausgeübt
worden seien. Auch wenn es darauf in seinem Fall nicht mehr ankomme, sei zur Frage der schädigenden Einwirkung von radiumhaltiger
Leuchtfarbe auszuführen, dass der Zeitraum bis 1980 generell durch einen weitverbreiteten Einsatz einer solchen Leuchtfarbe
gekennzeichnet und daher auch in seinem Fall von einem entsprechenden Kontakt auszugehen sei. In diesem Zusammenhang sei auch
die von der Beklagten zugrunde gelegte Ersatzdosisberechnung nicht nachzuvollziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2008 wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 6. Juli 2006 zurück.
Zur Begründung führte sie aus, dass nach heutigem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine Exposition durch schädliche
Röntgenstörstrahlung nur für eine Tätigkeit als Techniker, Mechaniker oder Unterstützungspersonal (Operator) an Radargeräten
möglich sei, da die Reichweite dieser Strahlung im Bereich von Zentimetern bis zu wenigen Dezimetern liege, wobei zur Exposition
regelmäßig das Öffnen von Gehäuseteilen erforderlich sei. Lediglich für die Personen, die während der Phase 1 am Radargerät
SGR 103 tätig gewesen seien, solle grundsätzlich eine Anerkennung erfolgen, wenn näher bezeichnete Bedingungen des Berichts
der Radarkommission erfüllt seien (qualifizierende Erkrankung, ärztlich bestätigte Diagnose mit pathologisch-histologischem
Befund, Latenzzeit von mindestens zwei Jahren bei Leukämie). Der Kläger sei als Angehöriger der Verwendungsreihe 23 zum Operator
ausgebildet und als solcher auch eingesetzt worden. Die originären Arbeitsplätze der Operatoren seien üblicherweise nicht
die Radaranlagen, sondern Sichtgeräte gewesen, in denen die mit den Radargeräten gewonnenen Erkenntnisse optisch dargestellt
worden seien, und Konsolen zur Fernbedienung der Radargeräte. Diese Sichtgeräte hätten sich nicht in der Nähe unabgeschirmter
Röntgenstörstrahler, sondern auf den Schiffen der Bundesmarine in der Operationszentrale befunden. In der Operationszentrale
hätten sich aber nicht die Radaranlagen der Typen SGR 103 und SGR 105 befunden, von denen die Störstrahlung habe ausgehen
können, sondern die Radarkonsolen der Typen SGM 101, SGM 103, SGM 106 und SGM 116. Eine Strahlenexposition aufgrund der Tätigkeiten
und Aufgaben des Klägers sei mithin nicht möglich gewesen. Da der Kläger somit nicht am Radargerät SGR 103 tätig gewesen sei,
könnten die entsprechenden Empfehlungen der Radarkommission auf ihn keine Anwendung finden. Eine gesundheitlich relevante
Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung könne daher nicht unterstellt werden. Eine Unterstützungstätigkeit an den Sender-
oder Modulatorschränken der Radargeräte lasse sich aus den Unterlagen nicht herleiten. Auch habe der Kläger eine solche Unterstützungstätigkeit
nicht angegeben. Vielmehr sei eine Tätigkeit an einer offenen Radaranlage bei eingeschalteter Hochspannung in der Nähe des
unabgeschirmten Störstrahlers unwahrscheinlich. Das Öffnen eines eingeschalteten Senderschrankes sei nur dann erforderlich,
wenn der Radarmechaniker zur Fehlerbestimmung nach dem Ort von Spannungsüberschlägen gesucht habe. Es sei schwer vorstellbar,
dass dies geschehen sei, während jemand in dem Raum geputzt habe. Eine Exposition mit Röntgenstörstrahlung könne hier daher
ausgeschlossen werden. Soweit es die aus Ra-226-haltiger Leuchtfarbe herrührende Strahlung betreffe, sei festzustellen, dass
nach dem Bericht der Radarkommission bei Personendosisfestlegungen immer die Organdosis zugrunde zulegen sei. Dazu müssten
bei der Ermittlung der maßgeblichen Ortsdosisleistungswerte zwangsläufig die Abstände der Strahlenquellen vom betroffenen
Organ berücksichtigt werden. Die Berechnung der Organdosis beruhe auf den Kriterien des Berichts der Radarkommission, wonach
an Geräten, für die keine Messwerte vorliegen würden, der für das betreffende Organ maßgebliche Wert der Ortsdosisleistung
am Radargerät AN/CPN-4 zu unterstellen sei, denn relevant seien neben der Strahlungsart und Expositionsdauer vor allem auch
die Ortsdosisleistung am Ort des Organs. Dafür sei die Ortsdosisverteilung vor dem Arbeitsplatz des AN/CPN-4 entsprechend
dem Bericht der Radarkommission aus den maximalen am AN/CPN-4 gemessenen Ortsdosisleistungen berechnet worden. Auf Empfehlung
des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr und unter Einbeziehung von ausgewiesenen Hämatologen seien bei Leukämien die
Knochenmarksdosen im Bereich des Körperstammes (vor allem Brustbein und Becken) ausschlaggebend, da in den sonstigen Knochen,
zu denen auch die Hände zählten, kaum blutbildendes Knochenmark vorhanden sei. Die Kriterien der Leuchtfarbenthematik der
Nr. 1 bis 4 des Berichts der Radarkommission beträfen lediglich die Anerkennung ausschließlich wegen der Inkorporation Ra-226-haltiger
Leuchtfarbe. Eine solche Anerkennung scheide jedoch im Fall des Klägers schon deshalb aus, weil das Eingangskriterium hierfür
– das Vorliegen von Lungenkrebs oder von Sarkomen der Knochen oder des sie umgebenden Bindegewebes (Knochenhaut) – nicht erfüllt
sei. Daher seien weitere diesbezügliche Untersuchungen und somit auch eine Arbeitsplatzanamnese zur Beurteilung des Inkorporationsrisikos
bei den Tätigkeiten Auskratzen, Abschmirgeln und Wiederauftragen Ra-226-haltiger Leuchtfarbe überflüssig. Eine Arbeitsplatzanamnese
sei für die Frage des Vorliegens einer Gamma-Strahlenexposition nicht erforderlich, da eine solche nach dem Bericht der Radarkommission
ohnehin zu unterstellen sei. Eine Ersatzdosisberechnung nach Nr. 5 der Kriterien zur Leuchtfarbenthematik sei im Fall des
Klägers nicht möglich, da entsprechende Angaben zum Vorhandensein Ra-226-haltiger Leuchtfarben an den fraglichen Konsolen
in keinem Teilbericht der Arbeitsgemeinschaft Radar enthalten seien. Daher seien die Vorgaben der Nr. 6 und 7 maßgeblich.
Diese seien mit der Organdosisfestlegung vom 24. Februar 2006 umgesetzt worden. Die erste Dosisfestlegung vom 26. August 2005
habe nicht herangezogen werden können. Sie habe nicht den Vorgaben von Nr. 6 der Kriterien zur Leuchtfarbenthematik entsprochen.
In dieser werde gefordert, dass für die Ersatzdosisberechnung von der Exposition durch ein leuchtfarbenhaltiges Ziffernblatt
auszugehen und dabei die im Teilbericht der Arbeitsgemeinschaft Radar zum AN/CPN-4 dokumentierte Ortsdosisleistung anzusetzen
sei. Der in der Dosisfestlegung vom 26. August 2005 fälschlicherweise zugrunde gelegte Wert von 105 Mikrosievert (µSv) pro
Stunde entspreche einem Abstand von nur fünf cm von der Kompassrose des Bildschirms. Weder die Hände noch der Körperstamm
hätten sich in einem so geringen Abstand dazu befunden. Aber selbst, wenn die in der Personendosisfestlegung vom 26. August
2005 zugrunde gelegten Werte und damit auch deren Ergebnisse richtig gewesen wären, hätte dies keine Anerkennung zur Folge
gehabt, da bei Erkrankungen des blutbildenden und lymphatischen Gewebes der Ortsdosisleistungswert des Körperstammes (hier
Brustbein) maßgeblich sei. Dieser Wert habe auch in der fehlerhaften Festlegung vom 26. August 2005 mit knapp 7 mSv deutlich
unter der Unwahrscheinlichkeitsschwelle gelegen. Die Bedingung des vom Bundesministerium der Verteidigung formulierten alternativen
Kriteriums für maligne Erkrankungen des blutbildenden Gewebes, wonach auch bei einem Handdosiswert oberhalb von 100 mSv eine
Anerkennung in Betracht zu ziehen sei, sei auch in dieser Festlegung nicht erfüllt worden, da der für das blutbildende Gewebe
relevante Wert des roten Knochenmarks mit 99 mSv nicht oberhalb von 100 mSv liege. Nach Nr. 7 der Kriterien zur Leuchtfarbenthematik
solle bei Tätigkeiten an Geräten, für die die Existenz von Schaltern mit nicht berührungssicherer abgedeckter Ra-226-haltiger
Leuchtfarbe von der Bundeswehr nicht ausgeschlossen werden könne, von einer Ingestion (Aufnahme in den Verdauungstrakt über
Nahrung oder Flüssigkeiten) durch Abrieb beim Berühren der Schalter in Höhe des diesbezüglichen Ortsdosisleistungswertes im
Teilbericht zum Waffensystem HAWK ausgegangen werden. Im Fall des Klägers sei von der gesamten zweijährigen Wehrdienstzeit
ausgegangen worden, obwohl während der dreimonatigen Grundausbildung kein Kontakt zu entsprechenden Strahlenquellen unterstellt
werden könne. Bei Anwendung dieses Kriteriums der Radarkommission wären den 2,825 mSv aus der externen Gammastrahlung noch
2 mSv aus der Gammastrahlung etwaig inkorporierten Ra-226 hinzuzurechnen. Der Schwellenwert der Radarkommission zur Anerkennung
der geltend gemachten Leukämie in Höhe von 20 mSv wäre in jedem Fall bei weitem nicht erreicht. Auch lägen die Voraussetzungen
der „Kann-Versorgung“ nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG nicht vor. Danach müsse die Erkrankung frühestens zwei Jahre und spätestens drei Jahrzehnte nach Einwirken ionisierender
Strahlen, die nicht mit Wahrscheinlichkeit als Ursache angesehen werden könnten, deren Menge aber auch nicht so gering gewesen
sei, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden könne, festgestellt sein. Eine danach erforderliche wehrdienstlich
bedingte Strahlenexposition mit einer Organdosis von wenigstens 20 mSv sei bei dem Kläger weder nachgewiesen noch zu unterstellen.
Hiergegen erhob der Kläger bei dem Sozialgericht Berlin Klage, die unter dem Aktenzeichen S 42 VS 146/08 geführt worden war. Dabei hatte er ursprünglich geltend gemacht, der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt
des Bescheides vom 27. März 2008 sei aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die AML als Folge einer WDB im Sinne des
§ 81 Abs. 1 SVG anzuerkennen. Das Sozialgericht lud zum Rechtsstreit das Land Berlin bei. In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2009
erklärte der Kläger, dass er den Bescheid der Beklagten hinsichtlich eines Anspruchs auf Ausgleichszahlung nach § 85 SVG nicht angefochten habe. Er beantragte nunmehr unter Berufung auf § 75 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes ( SGG) hinsichtlich des Antrages zu 2.:
1. den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2008 aufzuheben, soweit
er die Entscheidung enthält, dass die beim Kläger aufgetretene AML nicht Folge einer WDB im Sinne des § 81 SVG und der Widerspruch gegen diese Entscheidung unbegründet sei,
2. den Bescheid des Beigeladenen vom 13. Februar 2007 abzuändern und den Beigeladenen zu verurteilen, dem Kläger von Februar
2005 an Versorgung zu gewähren und zwar unter Anerkennung der beim Kläger am 10. Februar 2005 diagnostizierten AML als Folge
einer WDB im Sinne der Entstehung im Sinne des § 81 SVG.
Das Sozialgericht hob mit Urteil vom 9. Dezember 2009 den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. März 2008 auf, soweit er die Entscheidung enthält, dass die beim Kläger festgestellte AML nicht Folge einer WDB im
Sinne des § 81 SVG sei und der Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Juli 2006 insoweit als unbegründet zurückgewiesen werde. Zur Begründung
führte es aus, dass die Beklagte für diese Entscheidung nicht zuständig gewesen sei. Den gegen den Beigeladenen geltend gemachten
Klageantrag zu 2. wies es als unzulässig ab. Es führte hierzu aus, dass erstens eine Verurteilung als Beklagter nicht in Betracht
komme, weil die Sachurteilsvoraussetzungen wegen des fehlenden Vorverfahrens nicht vorlägen, und zweitens eine im Ermessenswege
auszusprechende Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG nicht in Betracht komme, da es sich bei den Ansprüchen gegen die Beklagte und den Beigeladenen um zwei verschiedene zeitlich
voneinander getrennte Ansprüche handele. Sie stünden nicht derart in Wechselbeziehung zueinander, dass bei Unzuständigkeit
des einen Leistungsträgers der andere die Leistung zu erbringen habe. Daher sei der Kläger bei der Geltendmachung seines Anspruchs
gegen den Beigeladenen auf ein neues Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren zu verweisen. Gegen das Urteil des Sozialgerichts
vom 9. Dezember 2009 legten Kläger und Beklagte Berufung ein, die Beklagte nahm die Berufung aber am 17. November 2010 zurück.
Das Berufungsverfahren wurde bei dem Senat unter dem Aktenzeichen L 11 VS 8/10 geführt.
Zwischenzeitlich wies der damalige Beigeladene, das Land Berlin, mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2011 den Widerspruch
des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Februar 2007 zurück, wogegen der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhob, die
unter dem Aktenzeichen S 44 VS 27/11 geführt wurde. In diesem Klageverfahren beantragte der Kläger, den Bescheid vom 13. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 9. Februar 2011 aufzuheben und den Beigeladenen als Beklagten zur Anerkennung einer WDB und zur Gewährung einer Versorgung
zu verpflichten. Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. März 2014 ab und führte zur Begründung aus,
dass die Klage unzulässig sei, da anderweitige Rechtshängigkeit gegeben sei, weil derselbe Streitgegenstand wie im Verfahren
L 11 VS 8/10 betroffen sei. Der angegriffene Bescheid des Landes Berlin vom 13. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 9. Februar 2011 sei Gegenstand des Verfahrens L 11 VS 8/10. Der Kläger legte hiergegen Berufung ein, die bei dem Senat unter dem Aktenzeichen geführt wurde.
Der Senat hob im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12. Juni 2014 im Verfahren L 11 VS 8/10 den Beschluss des Sozialgerichts über die Beiladung des Landes Berlin auf. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen
für eine Beiladung nicht vorliegen würden, da es mittlerweile nach der Rücknahme der Berufung durch die Beklagte an einem
streitigen Rechtsverhältnis zwischen den Hauptbeteiligten fehle. Weiterhin liege ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen
den im Berufungsverfahren weiterverfolgten Anträgen gegen die Beklagte und den Beigeladenen nicht mehr vor, da der Kläger
bereits im Klageverfahren gegen die Beklagte in der dortigen mündlichen Verhandlung nur noch ein Anfechtungsbegehren geltend
gemacht habe. Des Weiteren entschied der Senat im Verfahren L 11 VS 8/10 durch Urteil vom 12. Juni 2014, dass auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Dezember 2009
aufgehoben werde, soweit damit die gegen den Beigeladenen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen worden sei. Im Übrigen
wies der Senat die gegen den Beigeladenen gerichtete Berufung zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Tenor im Urteil
des Sozialgerichts Berlin hinsichtlich der Klageabweisung aufzuheben gewesen sei. Denn bei einem Antrag auf Verurteilung des
Beigeladenen handele es sich nicht um einen Klageantrag, sondern um die ursprünglich gegen die Beklagte erhobene Klage, die
sich nach Beiladung - hilfsweise - auch gegen den Beigeladenen richte. Bei einer abschlägigen Entscheidung über den Antrag
gegen den Beigeladenen sei deshalb eine gesonderte Klageabweisung, wie sie hier im Urteil erfolgt sei, nicht angebracht. Vielmehr
habe sich das Gericht in den Entscheidungsgründen auf Ausführungen dazu zu beschränken, warum es eine Verurteilung des Beigeladenen
nach § 75 Abs. 5 SGG ablehne. Hinsichtlich des Begehrens auf Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG sei die Berufung demgegenüber zurückzuweisen. Nach der Aufhebung des Beiladungsbeschlusses in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat vom 12. Juni 2014 sei eine Verurteilung des Beigeladenen ausgeschlossen, da keine Beteiligung am streitigen
Verfahren mehr vorliege. Der Beigeladene habe mit dem Aufhebungsbeschluss seine Rechtsstellung in diesem Verfahren verloren,
da die Wirkung der Beiladung mit der Aufhebung geendet habe.
Im Verfahren hob der Senat durch Urteil vom 12. Juni 2014 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2014
auf und verwies die Sache an das Sozialgericht Berlin zurück. Zur Begründung führte der Senat aus, das Sozialgericht habe
die Klage als unzulässig abgewiesen, obwohl es die Sachurteilsvoraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst hätte
bejahen müssen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts stehe einer Entscheidung in der Sache selbst insbesondere nicht
die gemäß § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes auch im sozialgerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu beachtende Sperre anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen. Denn ebenso
wie in den Fällen, in denen ein Beigeladener subsidiär in Anspruch genommen werde, der bereits Beklagter in einem anderen
Rechtsstreit sei, habe der Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit auch in den Fällen keine Bedeutung, in denen ein
Beklagter bereits in einem anderen Rechtsstreit als Beigeladener subsidiär in Anspruch genommen werde. Davon abgesehen habe
der Senat die notwendige Beiladung des hiesigen Beklagten zum Verfahren S 42 VS 146/08 = L 11 VS 8/10 mit seinem Beschluss vom 12. Juni 2014 mittlerweile aufgehoben, weil aus seiner Sicht die Voraussetzungen hierfür zu keiner
Zeit vorgelegen hätten. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts lasse sich eine anderweitige Rechtshängigkeit auch nicht
aus dem Umstand herleiten, dass der Kläger in dem Verfahren S 42 VS 146/08 = L 11 VS 8/10 mit seinem Antrag zu 2. erstinstanzlich beantragt habe, den Bescheid des hiesigen Beklagten vom 13. Februar 2007 abzuändern.
Denn mit diesem Antrag habe er bei verständiger Auslegung seines Vorbringens insgesamt nicht etwa eine neue eigenständige
Klage erhoben, sondern wie der gerade auf den Antrag zu 2. Bezug nehmende Hinweis auf § 75 Abs. 5 SGG belege, den hiesigen Beklagten nur in seiner Eigenschaft als dortigen Beigeladenen in Anspruch nehmen wollen. Dementsprechend
hätte es einer Aufnahme des Bescheides vom 13. Februar 2007 in den Antrag zu 2. an sich nicht bedurft; seine Benennung erweise
sich jedoch für den Antrag nach § 75 Abs. 5 SGG als unschädlich.
Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist nach Zurückverweisung der Sache unter dem Aktenzeichen S 44 VS 204/14 ZVW geführt worden. Das Sozialgericht ging zum 1. Januar 2015 von einem Beklagtenwechsel kraft Gesetzes aus, wonach nunmehr
anstelle des Landes Berlin die Bundesrepublik Deutschland Beklagte sei.
In einem nichtöffentlichen Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 25. Juni 2015 hat der Kläger erklärt, während seiner
Grundausbildung in Drangstedt in der Nähe von Bremerhaven eine Ausbildung an Radargeräten absolviert zu haben, er könne sich
aber an keine Einzelheiten erinnern. Bei so genannten Replenishment at Sea-Manövern seien auch andere Schiffe auf sein Schiff
zugelaufen oder in Parallelfahrt gegangen. Bei diesen Manövern habe er auf dem B-Deck mit Signalmitteln Kommandos zu dem anderen
Schiff übertragen. Sobald ein solches Manöver angestanden habe, sei er ans Oberdeck gerufen worden und habe dem anderen Schiff
mit Signalmitteln Kommandos und Informationen übermittelt. Insoweit sei er der Strahlung der anderen Schiffe ausgesetzt gewesen.
Er könne zudem nicht ausschließen, dass er am Oberdeck auch radiumhaltige Anzeigen an den Konsolen behandelt habe. Es habe
sich um Instandsetzungsarbeiten gehandelt, man habe mit Farbmitteln gearbeitet und sei mit Streichen, Rostentfernung und Reparaturen
befasst gewesen. Zeugen könne er nicht benennen. Allerdings hätten er und seine Kameraden stundenlang an Radarkonsolen gesessen.
Sie hätten sich auch mit dem Oberkörper auf die Konsolen gelegt, ein Kamerad sei dabei häufiger eingeschlafen. Er sei öfter
in einem Raum mit elektronischen Geräten tätig gewesen, unter anderen auch für Reinigungsarbeiten. Dies habe jeden Tag angestanden,
je eine Stunde morgens und abends. Gereinigt habe er neben dem Elektronikraum den Gang vor der Offiziersmesse. Während das
Schiff auf See gewesen sei, habe ständig jemand am Operationsradar gesessen, je nach Wachart hätten die Wachen zwischen vier
und sechs Stunden gedauert. In der Operationszentrale habe es ein größeres Radargerät gegeben. Er habe auch öfter Kontakt
mit der Brücke gehabt, wo die Navigation stattgefunden habe, auch dort habe sich ein Radargerät befunden. Er selbst habe während
der Seefahrt und der Manöver am Radarbildschirm in der Operationszentrale gesessen, während der Manöver hätten die Wachen
sechs Stunden gedauert. Um sich während der Wachen zu erholen, habe man sich auf die Konsole gelehnt.
Der Beklagtenvertreter hat im Erörterungstermin erklärt, die Radargeräte auf dem Schiff „Schleswig-Holstein“ seien bereits
vor Dienstantritt des Klägers strahlensicher umgerüstet worden, dies habe die Arbeitsgruppe Radar ermittelt. Das Radar SGR
103 habe extrem hohe Strahlenwerte ausgewiesen, daher seien dessen Bauteile sofort ausgetauscht worden. Weiter hat der Beklagtenvertreter
erklärt, an den Radarkonsolen der „Schleswig-Holstein“ habe es keine Ra-226-haltige Leuchtfarbe gegeben, was sich aus der
Bewertung der Arbeitsplatzverhältnisse der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar für die Sichtgeräte
SGM 101, 103, 106 und 116 ergebe. Eine entsprechende Dokumentation hierzu gebe es aber nicht.
Die Beklagte hat im Erörterungstermin eine schriftliche Ausarbeitung der Schwerpunktgruppe Radar vom 18. Juni 2015 zu den
Akten gereicht, in dem schriftliche Fragen des Sozialgerichts beantwortet worden sind. Knapp zusammengefasst ist darin ausgeführt,
dass der Kläger als Operator in der Operationszentrale tätig gewesen sei, in der sich nicht die eigentlichen Radaranlagen,
sondern Radarkonsolen der Typen SGM 101, SGM 103, SGM 106 und SGM 116 befunden hätten. Von den Radarkonsolen habe keine Störstrahlung
ausgehen können. Im Strahlenbündel der Sender- und Modulatoranlagen des SGR 103 habe man sich nur aufgehalten, wenn man sich
im Abstand weniger Dezimeter vor den eingeschalteten Anlagen befunden habe. Dies sei beim Kläger nicht plausibel. Namentlich
sei davon nicht in Bezug auf die vom Kläger angegebenen Reinigungsarbeiten auszugehen, weil dies vorausgesetzt hätte, dass
ein Radarmechaniker zeitgleich zu den Reinigungsarbeiten an den geöffneten Radarschränken tätig gewesen wäre, was aus verschiedenen
Gründen nicht plausibel sei. Der Zerstörer „Schleswig-Holstein“ sei mit den Radaranlagen SGR 103, SGR 105 und SGR 114 ausgestattet
gewesen, diese seien zur Zeit des Wehrdienstes des Klägers bereits vollständig umgerüstet gewesen, so dass von ihnen keine
radiologische Gefährdung mehr ausgegangen sei. Die entsprechenden Änderungen hätten im Wesentlichen im Austausch der Clipperdioden
durch Widerstands-Halbleiter-Kombinationen, im Anbringen eines Bleibleches oder einer Bleikappe am Magnetron der SGR 103 und
der SGR 105-Anlage und im Ersatz des Glaskolben-Thyratrons durch ein Keramik-Thyratron bestanden. Die Änderungsmaßnahmen an
Bord seien Mitte 1976 begonnen worden, im Sommer 1977 seien mit dem Einbau des Änderungssatzes auf dem Tender „Rhein“ sämtliche
Anlagen umgerüstet gewesen. Von den Sichtkonsolen, an denen der Kläger habe tätig sein können, sei keine Röntgenstrahlenexposition
ausgegangen. Zur Leuchtfarbe sei anzumerken, dass es an den SGM-Konsolen tatsächlich keine Ra-226-haltige Leuchtfarbe gegeben
habe. Soweit aber wie hier der Einsatz einer solchen nicht ausgeschlossen werden könne, sei bei der Ersatzdosisermittlung
von der Exposition durch ein leuchtfarbenhaltiges Ziffernblatt entsprechend der im Teilbericht der AG Radar zum AN/CPN-4 dokumentierten
Ortsdosisleistung in Höhe von 7,5 µSv pro Stunde bei einem Abstand von 30 cm zur Strahlenquelle auszugehen. Bei unterstellt
800 Dienststunden im Jahr hätte der Kläger an den SGM-Konsolen mindestens 17 Jahre Wehrdienst leisten müssen, um die Anerkennungsschwelle
für solide maligne Tumore in Höhe von 100 mSv zu erreichen. Könne auch die Existenz von Schaltern mit nicht berührungssicher
abgedeckter Ra-226-haltiger Leuchtfarbe nicht ausgeschlossen werden, so sei gemäß dem Bericht der Radarkommission von einer
Ingestion (Inkorporation über die Nahrungswege) durch Abrieb beim Berühren der Schalter in Höhe des diesbezüglichen Ortsdosis-Leistungs-Wertes
im Teilbericht zum Waffensystem HAWK auszugehen. Für die gesamte Wehrdienstdauer des Klägers ergebe dies eine Dosis von nur
2 mSv.
Die Beklagte hat unter anderem einen Bericht „Radargeräte der SGR-Familie Teilbericht SGR-103, SGR-105, SGR-114“ der Aufklärung
der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 18. September 2002 zu den Akten gereicht.
In Erfüllung einer gerichtlichen Auflage hat die Beklagte eine schriftliche Stellungnahme der Strahlenmessstelle der Bundeswehr
– Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr - vom 20. Oktober 2015 zu den Gerichtsakten
gereicht. Danach sei die Umrüstung der Schiffe in den Verantwortungsbereich des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung
(BWB) gefallen. Beauftragt worden sei die Firma H. S., die der in Deutschland tätigen Firma R. einen Unterauftrag zur Umrüstung
erteilt habe. Der Stellungnahme ist ein Schreiben der Firma R. an die Firma H. S. vom 26. Mai 1977 beigefügt worden, mit dem
eine Auftragsabschlussbescheinigung hinsichtlich der Radaranlagen SGR 103, SGR 105 und SGR 114 auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“
erteilt worden ist. Weiter sind dem Schreiben Berichte über Röntgenstörstrahlungsmessungen auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“
beigefügt gewesen, wonach näher bezeichnete Geräte und Anlagen vom 27. Juni bis 29. Juni 1977 hinsichtlich ihrer Wirksamkeit
als Störstrahler gemäß § 5 der Röntgenverordnung überprüft worden seien. In der Gesamtbewertung sind danach keine Geräte als Störstrahler festgestellt worden.
Im Übrigen liege es nahe, dass der Kläger an der Konsole des Navigationsradargerätes KH 14 gearbeitet habe. Nach einem Teilbericht
der AG Radar gebe es keine Hinweise auf das Vorkommen radioaktiver Leuchtfarbe an den Radarkonsolen. Insoweit liege auch ein
Messprotokoll für den Zerstörer „Schleswig-Holstein“ vor, das an den Konsolen KH 14 keinen Wert der Ortsdosisleistung über
dem messtechnischen Nulleffekt ausweise. Die Beklagte hat eine Modellrechnung der Ortsdosisleistung an einer Pultkonsole (Navigationsradar)
bei unüblichen Körperhaltungen der Strahlenmessstelle der Bundeswehr – Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen
der Bundeswehr - vom 11. Dezember 2015 zu den Gerichtsakten gereicht, wonach für Zerstörer der Klasse 101 keine Hinweise auf
radioaktive Leuchtfarbe an Radarkonsolen bestünden. Die demnach fiktive Berechnung habe ergeben, dass bei einem Sich-Hinlegen
auf die Konsole erst nach 326 Stunden im Jahr ein Wert (1 mSv) erreicht werde, der für eine Person der Allgemeinbevölkerung
unzulässig wäre. Bezogen auf das rote Knochenmark werde der Dosiswert von 1 mSv nach frühestens etwa 280 Stunden im Jahr erreicht.
Eine unzulässige Exposition sei bei einem Sich-Hinlegen auf die Konsole ausgeschlossen. In einer weiteren Stellungnahme vom
15. Dezember 2015 hat die Strahlenmessstelle der Bundeswehr – Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen
der Bundeswehr - nochmal dargelegt, warum die Organdosisfestlegung vom 24. Februar 2006 zutreffend und an die Stelle der ersten
Dosisfestlegung vom 26. August 2005 getreten sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 19. Mai 2016 ist der Kläger persönlich befragt worden. Er hat
erklärt, die Ersatzdosisberechnung der Beklagten sei falsch, weil man sich nicht außerhalb, sondern während des Dienstes auf
die Konsole gelehnt habe, was möglich gewesen sei, weil diese fast waagerecht gestanden hätten. Ein Vertreter der Strahlenmessstelle
der Bundeswehr hat die Ersatzdosisberechnung erläutert.
Das Sozialgericht hat die auf Aufhebung des Bescheides des Landes Berlin vom 13. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 9. Februar 2011 und auf die Verurteilung der Beklagten, die bei dem Kläger im Februar 2005 diagnostizierte AML als Folge
einer WDB im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG anzuerkennen und ihm ab dem 11. Februar 2005 Leistungen der Beschädigtenversorgung zu gewähren, gerichtete Klage durch Urteil
vom 19. Mai 2016 abgewiesen. Die Klage sei zulässig und richte sich seit einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2015 zutreffend
gegen die Beklagte. Die Klage sei aber nicht begründet. Eine WDB sei gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes
erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden sei. Insofern müsse infolge
einer geschützten Tätigkeit ein schädigendes Ereignis eine gesundheitliche Schädigung hervorgerufen haben. Dabei müssten die
geschützte Tätigkeit, das schädigende Ereignis und die Gesundheitsstörung nachgewiesen sein. Hier sei ein schädigendes Ereignis
innerhalb der Wehrdienstzeit des Klägers als geschützter Tätigkeit nicht nachgewiesen. Werde eine Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge
nach dem SVG wegen allmählicher Einwirkungen des Wehrdienstes oder wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse geltend gemacht, so könne sie
nur dann als WDB anerkannt werden, wenn die Schädigungsfolge als Berufskrankheit in der Berufskrankheitenverordnung ( BKV) anerkannt sei oder anerkannt werden könnte oder die wehrdiensttypischen Belastungen auf kriegsähnliche Belastungen zurückgingen,
die in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen würden. Grundsätzlich sei für die von dem Kläger geltend gemachten Strahlenschäden
die Berufskrankheit Nr. 2402 „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“ der Anlage I der BKV einschlägig. Deren Anerkennung setze den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung,
Kontamination oder Inkorporation voraus. Eine solche relevante Exposition gegenüber ionisierender Strahlung sei hier nicht
nachgewiesen. Daten über Art und Menge der ionisierenden Strahlung, der der Kläger während seiner Dienstzeit konkret ausgesetzt
gewesen sei, lägen nicht vor und seien nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass der Zerstörer „Schleswig-Holstein“, auf
dem der Kläger im Wesentlichen seinen Wehrdienst versehen habe, unterdessen außer Dienst gestellt und abgebrochen worden sei,
nicht mehr zu ermitteln. Die Beweiserleichterung gemäß § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) sei hier nicht anzuwenden. Hiernach seien die Angaben eines Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang
stehenden Tatsachen bezögen, der versorgungsrechtlichen Entscheidung zugrunde zulegen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder
nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen seien und soweit
diese Angaben nach den Umständen des Einzelfalles glaubhaft erscheinen würden. Diese Beweiserleichterung erfordere, dass der
Antragsteller zu der fraglichen Beweistatsache Angaben aus eigenem Wissen, jedenfalls aber überhaupt Angaben machen könne.
Derartige Angaben seien dem Kläger indes im Hinblick auf eine eventuelle Strahlungsexposition und auf deren Umfang naturgemäß
nicht möglich. Hingegen nehme die Verursachung gesundheitlicher Schäden durch ionisierende Strahlungen oder Röntgenstrahlen
während einer dienstlichen Tätigkeit bei der Bundeswehr insoweit eine Sonderrolle ein, als dass häufig eine lange Zeitspanne
zwischen der Strahleneinwirkung, insbesondere bei der Tätigkeit am Radargerät, und dem Auftreten einer Schädigung liege und
der Nachweis sowohl einer relevanten Strahlenexposition als auch eines Ursachenzusammenhangs oftmals auf Schwierigkeiten stoße.
Aus diesem Grund sei vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eine Expertenkommission eingesetzt worden, die die
Verhältnisse an den früheren Arbeitsplätzen im Militär aufklären, eine Expertise zu den Belastungswerten abgeben, gegebenenfalls
zusätzliche und neue Erkenntnisse zur gesundheitlichen Auswirkung bei Strahlenbelastung durch Radargerät aufbereiten sowie
den wissenschaftlichen Sachstand zur Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung durch ionisierende Strahlung und Hochfrequenzstrahlung
feststellen und die versorgungsmedizinischen Aspekte von Strahlenschäden untersuchen sollte. Die Radarkommission habe ihre
Arbeit durch Vorlage des entsprechenden Berichts vom 2. Juli 2003 abgeschlossen. In diesem Bericht seien unter anderem Empfehlungen
für die Anerkennung von WDB bei Radargeräten im Militär enthalten. Die Radarkommission habe darin für die hier unter anderem
in Rede stehende Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung drei Phasen unterschieden. Die etwa bis 1975 dauernde Phase 1 werde
dadurch charakterisiert, dass kaum Messungen zu Ortsdosisleistungen und keine personenbezogenen Dosiswerte vorhanden seien.
Diese könnten auch nicht verlässlich rekonstruiert werden. Eine zuverlässige oder auch nur obere Abschätzung der Exposition
der Störstrahlung rückwirkend werde für diese Phase nicht für möglich erachtet. Eine Übertragung späterer Messungen sei in
der Regel nicht möglich, da eine Vielzahl von Einflussfaktoren nicht mehr zu rekonstruieren sei. Daneben existiere eine Übergangsphase
(Phase 2) von ca. 1975 bis 1985 und eine Phase 3, die durch einen adäquaten Strahlenschutz charakterisiert sei. Dabei könne
für Radaranlagen des Typs SGR 103, eine solche sei auch auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“ vorhanden gewesen, für die
Zeit nach 1976, spätestens 1980, generell davon ausgegangen werden, dass wirksame Strahlenschutzmaßnahmen installiert gewesen
seien, die die Ortsdosisleistung dauerhaft unter 10 µSv begrenzt hätten. In diesem Zusammenhang sähen die Empfehlungen aus
dem Bericht der Radarkommission Beweiserleichterungen vor. Deren rechtliche Einordnung und damit auch der Grad ihrer Bindungswirkung
sei allerdings zweifelhaft. Rechtlich verbindliche Beweismaßstäbe könnten darin bereits aus dem Grunde nicht festgelegt sein,
da es sich bei dem Bericht weder um ein Gesetz noch um eine Rechtsverordnung handele. Ferner komme eine Einordnung als antizipiertes
Sachverständigengutachten in Betracht. Für das Verwaltungsverfahren habe das frühere Bundesministerium für Gesundheit und
Sozialordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung angeordnet, dass die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen
Zusammenhangs zwischen Strahlenexposition und bösartiger Erkrankung vorliege, soweit die seitens der Radarkommission aufgestellten
Voraussetzungen vorliegen würden. Die rechtliche Einordnung der Empfehlungen aus dem Bericht der Radarkommission könne indes
dahinstehen, wenn ein Kläger die Voraussetzungen für die von der Radarkommission empfohlenen Beweiserleichterungen nicht erfülle.
So liege der Fall auch hier. Die Radarkommission habe grundsätzlich folgendes Vorgehen bei der Bewertung der Krankheitsbilder
eines Antragstellers empfohlen:
- Als qualifizierende Krankheiten seien alle malignen Tumoren mit Ausnahme der chronisch lymphatischen Leukämie sowie Katarakte
in Betracht zu ziehen.
- Voraussetzung seien ferner ärztlich bestätigte Diagnosen mit pathologisch-histologischem Befund.
- Die Latenzzeiten, d. h. die Zeiten zwischen Beginn der Exposition und Manifestation des Tumors, müssten für solide Tumore
mindestens fünf Jahre und bei Leukämien und Knochensarkomen mindestens zwei Jahre betragen.
Bei Personen, die während der oben genannten Phase 1 an einem Radargerät des Typs SGR 103 tätig gewesen seien, sollten bei
Vorliegen der genannten Voraussetzungen Anerkennungen erfolgen. Bei Personen, die an anderen Radargeräten tätig gewesen seien,
sollte eine Anerkennung erfolgen, wenn eine Tätigkeit als Techniker/Mechaniker oder Operator an Radaranlagen durchgeführt
worden sei, die erforderliche maximale Betriebsspannung für die jeweilige Tumorlokalisation erreicht worden sei, die Bundeswehr
nicht zeitnah nachweisen könne, dass nur eine Teilkörperexposition aufgetreten sein könne, die das erkrankte Organ nicht betreffe,
eine Ersatzdosisbestimmung mit einer hinreichend großen Zahl an Messwerten (mehr als 20) aus späterer Zeit nicht dokumentiert
sei und die Bundeswehr nicht nachweisen könne, dass konstruktionsbedingt eine Tätigkeit am offenen Gerät bei eingeschalteter
Hochspannung nicht möglich gewesen sei. Für Tätigkeiten während der Phase 2 werde eine Differenzierung empfohlen. Falls aus
dieser Phase genügend Messungen der Ortsdosisleistung eines Störstrahlers dokumentiert seien, um mit hinreichender statistischer
Sicherheit die Variabilität der aufgetretenen Ortsdosisleistungen zu erfassen, solle für den Zeitraum der Phase 2 eine Ersatzdosisberechnung
durchgeführt werden. Für Tätigkeiten während der Phase 3 würden keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass hierbei noch relevante
Expositionen durch Röntgenstörstrahler aufgetreten seien. Nur sofern eine relevante Exposition nicht ausgeschlossen werden
könne, werde eine Abschätzung der Ersatzdosis empfohlen.
Anders als der Kläger ordne die Kammer hier dessen Dienstzeit auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“ vollständig der Phase
3 im Sinne des Berichts der Radarkommission zu. Das Gericht sehe es als erwiesen an, dass bereits vor Beginn der Dienstzeit
des Klägers auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“ die darauf befindliche Radaranlage des Typs SGR 103, an dessen Bedienelementen
der Kläger seinen Dienst versehen habe, strahlungsmindernd umgerüstet worden sei. Die diesbezüglichen Angaben der Beklagten
seien glaubhaft. Für die Richtigkeit der Angaben spreche bereits, dass die Firma R. mit Schreiben vom 26. Mai 1977 deutlich
vor Beginn der Dienstzeit des Klägers Auftragsabschlussbescheinigungen für Radarmodifizierungen unter anderem der Radaranlage
SGR 103 des Zerstörers „Schleswig-Holstein“ übersandt habe. Im Wesentlichen stütze sich die Kammer bei ihrer Entscheidung
aber auf den Prüfbericht Nr. 78 der Firma Eltro über die Strahlenschutzprüfung nach § 5 der Röntgenverordnung an Störstrahlern des Zerstörers „Schleswig-Holstein“ vom 2. August 1977. Nach diesem Bericht seien in der Zeit vom 27. Juni
1977 bis 29. Juni 1977 verschiedene Anlagen und Geräte auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“ hinsichtlich ihrer Wirksamkeit
als Störstrahler gemäß Röntgenverordnung geprüft worden. Dazu habe unter anderem die Radaranlage SGR 103 gehört. Dabei seien keine der überprüften Anlagen und Geräte
als Störstrahler gemäß Anlage II zur Röntgenverordnung festgestellt worden. Der Prüfbericht enthalte auch Angaben zu den überprüften Anlagen und Geräten und Bauteilen. Für die
beiden bei der Radaranlage SGR 103 überprüften Bauteile, das Magnetron 7008 mit der Serie Nr. 1899 und das Thyratron 8613,
werde in dem Bericht mitgeteilt, der Magnetronhals sei durch eine Bleiplatte (213 × 143 mm) zur Seite hin abgeschirmt (Magnetron
7008), bzw. die Anlage sei auf Halbleiter umgestellt worden (Thyratron 8613). Dementsprechend würden auch keine auffälligen
Dosisleistungen angegeben, diese bewegten sich bei geöffneter Seitenwand bzw. Servicetür in 5 cm Abstand zwischen 1 µSv und
5 µSv je Stunde. Auf die ebenfalls strittige Frage, ob bei dem Kläger aufgrund seiner konkreten Verwendung als Radarbediener
überhaupt in relevantem Umfang eine Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung möglich gewesen wäre, ob also eine qualifizierende
Tätigkeit im Sinne der Empfehlungen aus dem Bericht der Radarkommission vorgelegen habe, komme es deswegen nicht an.
Ferner stütze der Kläger seinen Anspruch auf eine Exposition gegenüber ionisierender Strahlung, die möglicherweise von den
Radarbedienkonsolen ausgegangen sei, an denen er tätig gewesen sei. Eine solche relevante Exposition sei indes nicht bewiesen.
Soweit Röntgenstörstrahlung in Rede stehe, sei eine relevante Strahlungsbelastung ebenfalls durch den Prüfbericht der Firma
Eltro vom 2. August 1977 widerlegt. Hierin enthalten seien auch Angaben und Messwerte für die in der Operationszentrale befindlichen
Sichtgeräte SGM 101/61 (Seriennummer 113/17), SGM 106/66 (Seriennummern YX 113/26 und XE 183/S 49) und SGM 116/64 (Seriennummer
YX 112/1). Als einzige strahlungsemittierende Bauteile würden die darin befindlichen Bildröhren angegeben, die gemessenen
Dosisleistungen bewegten sich bereits in 5 cm Abstand zwischen 3 µSv und 7,5 µSv je Stunde und damit deutlich unterhalb der
Grenzwerte. Die Kammer gehe überdies davon aus, dass es während des Dienstes an diesen Anlagen regelmäßig zu einer geringeren
Exposition gegenüber Strahlung gekommen sei, da die diensthabenden Radarbediener bestimmungsgemäß nicht in so geringem Abstand
von den Bildröhren ihren Dienst versehen hätten. Soweit hier auch eine Exposition durch von Radium-226-haltiger Leuchtfarbe
ausgehende ionisierende Strahlung in Rede stehe, halte die Kammer eine relevante Strahlungsbelastung ebenfalls nicht für erwiesen.
So sei das Vorhandensein Ra-226-haltiger Leuchtfarbe auf Radarsichtgeräten in der Operationszentrale während der Dienstzeit
des Klägers bereits durch den Prüfbericht der Firma Eltro vom 2. August 1977 widerlegt. Die Kammer gehe davon aus, dass das
Vorhandensein weiterer als der angegebenen Strahlungsquellen in der Operationszentrale des Zerstörers „Schleswig-Holstein“
bei der Strahlenschutzprüfung aufgefallen wäre. Diesbezügliche Angaben würden sich in dem Bericht jedoch nicht finden, vielmehr
würden als einzige Strahlungsquellen an den in der Operationszentrale befindlichen Radarbedienkonsolen die Bildröhren genannt.
Auch die Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung stützten die Annahme nicht, dass sich an den Sichtkonsolen,
an denen er Dienst versehen habe, Leuchtfarbe befunden habe. Er habe selbst angegeben, dass diese Konsolen grundsätzlich beleuchtet
gewesen seien und nach seiner Erinnerung hieran kein Leuchten zu beobachten gewesen sei, wenn sich diese nicht in Betrieb
befunden hätten. Überdies erscheine eine Verwendung von Leuchtfarbe an den Bedienkonsolen, an denen der Kläger Dienst versehen
habe, der Kammer ebenso wie der Beklagten nicht plausibel, da deren Vorhandensein nur bei Ausfall der Schiffsstromversorgung
sinnvoll gewesen wäre, in diesem Fall aber auch die Radaranlage nicht mehr funktionstüchtig gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund
verbleibe für die in dem Bericht der Radarkommission empfohlene Beweiserleichterung für Radargeräte, für die die Verwendung
radiumhaltiger Leuchtfarbe und die Existenz von Schaltern mit nicht berührungssicher abgedeckter Ra-226-haltiger Leuchtfarbe
nicht dokumentiert sei, jedoch von der Bundeswehr nicht nachweisbar habe ausgeschlossen werden können, kein Raum.
Soweit der Kläger im Erörterungstermin auf seine Einsätze als Schiffssignalgeber bei Replenishment at Sea-Manövern hingewiesen
und angedeutet habe, er sei hierbei möglicherweise Radarstrahlung von Schiffen ausgesetzt gewesen, die auf den Zerstörer „Schleswig-Holstein“
zugelaufen seien, sei ebenfalls keine relevante Exposition gegenüber Strahlung bewiesen. Messwerte für denkbare, konkret aufgetretene
Strahlungsbelastungen existierten nicht. Auch auf in dem Bericht der Radarkommission vorgeschlagene Beweiserleichterungen
könne sich der Kläger nicht stützen, denn die Radarkommission habe für Schädigungen durch Überexposition in Hochfrequenzfeldern
Beweiserleichterungen lediglich im Hinblick auf Katarakte als qualifizierende Krankheit vorgeschlagen. Hieran leide der Kläger
aber nicht.
Soweit der Kläger im Erörterungstermin auf den Umstand hingewiesen habe, dass er während seiner Ausbildung im Herbst 1978
auch an Radargeräten ausgebildet worden sei, fehle es nicht nur an jeglichen konkreten Angaben, die auf eine mögliche Exposition
gegenüber ionisierender Strahlung schließen lassen würden, noch sei irgendein tatsächlicher Anknüpfungspunkt erkennbar, an
dem über die Heranziehung einer der im Abschlussbericht der Radarkommission vorgeschlagenen Beweiserleichterungen nachzudenken
sein könnte.
Schließlich stehe dem Kläger auch kein Anspruch nach Maßgabe der sogenannten Kann-Versorgung zu. Gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG könne dann, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb
nicht gegeben sei, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe,
die Gesundheitsstörung als Folge einer WDB anerkannt werden. Dabei habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter
anderem für Neoplasien der Hämatopoese, zu denen die Leukämien zählten, und myelodysplastische Syndrome eine allgemeine Zustimmung
für eine Kann-Versorgung erteilt. Eine solche komme bei Neoplasien der Hämatopoese nur in Betracht, wenn eine relevante Strahlenexposition
bestanden habe, die nicht so niedrig gewesen sei, dass eine ursächliche Bedeutung für die Entstehung einer Leukämie nicht
diskutabel sei. Unabhängig von der Frage, ob neben der Berücksichtigung der Empfehlungen aus dem Abschlussbericht der Radarkommission
für die Berücksichtigung der Grundsätze der Kann-Versorgung noch Raum verbleibe, sehe die Kammer aus den oben dargestellten
Gründen eine relevante Strahlungsexposition des Klägers als nicht erwiesen an. Eine Exposition des Klägers oberhalb der Grenzwerte
der Strahlenschutzverordnung sei nicht ersichtlich.
Gegen das ihm am 25. Juni 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Juli 2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er
im Wesentlichen ausgeführt, die Leukämie sei die am häufigsten mit ionisierenden Strahlungen assoziierte Krebserkrankung,
was in besonderer Weise für die bei ihm vorliegende AML gelte. 1976 seien auf der Fregatte „Emden“ alarmierende Messresultate
festgestellt worden, deretwegen an sich aus strahlenschutztechnischen Gründen alle Radar-Sendeanlagen SGR 103 sofort hätten
stillgelegt werden müssen, worauf man während des kalten Krieges zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit der Bundesmarine
verzichtet habe. Der Bericht der Firma Eltro vom 2. August 1977, auf den sich das Sozialgericht maßgeblich bezogen habe, sei
zweifelhaft, weil diese 1978 Störstrahlungen an den Radargeräten SGR 103, SGR 105 und SGR 114 festgestellt habe. Noch im Oktober
1978 seien falsche störstrahlende Thyratrons eingebaut gewesen. Völlig unklar sei, in welchem Verhältnis die Auftragsabschlussbescheinigung
von Mai 1977 und der später abgeschlossene Vertrag von April 1978 zueinander stünden. Der vorgelegte Vertrag weise keinen
Bezug zum Zerstörer „Schleswig-Holstein“ auf. Zudem sei unklar, ob und wann die vereinbarten Leistungen ausgeführt worden
seien. Demnach sei seine Tätigkeit im Sinne des Berichts der Radarkommission während der Phase 2 ausgeübt worden, die hier,
da die Tätigkeit am SGR 103 ausgeübt worden sei, wie Tätigkeiten der Phase 1 zu bewerten seien. Ungeachtet dessen, dass der
Radarbericht keine qualifizierenden Tätigkeiten verlange, habe er eine solche mit seinen Reinigungsarbeiten im so genannten
„Elo-Raum“ ausgeführt. Auch die Ausführungen des Sozialgerichts zur Exposition durch radiumhaltige Leuchtfarbe gingen fehl.
Insoweit habe er sich auf das Radargerät SGR 103 gelehnt, nicht – wie die Beklagte annehme – das Gerät KH 14. Zu Unrecht habe
sich das Sozialgericht auch insoweit auf den Prüfbericht vom 2. August 1977 gestützt.
Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats ein Anschreiben des BWB an die Firma H. S. B. V. vom 12. April 1978 nebst anliegendem
Vertrag, mit dem die Beseitigung der Röntgenstörstrahlung an den Radaranlagen SGR 103, 105 und 114 vereinbart worden war,
sowie ein Skizzenbuch für Zerstörer der Klasse 101/01 „Hamburg“ zu den Akten gereicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2016 sowie den Bescheid des Landes Berlin vom 13. Februar 2007 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei ihm im Februar 2005 diagnostizierte
akute myeloische Leukämie als Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG anzuerkennen und ihm ab dem 11. Februar 2005 Leistungen der Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es könne nicht nachvollzogen werden, warum der vorgelegte Vertrag nach der Auftragsabschlussbescheinigung abgeschlossen worden
sei, man gehe aber davon aus, dass dem Abschlussbericht von 1977 eine weitere Beseitigung von Röntgenstörstrahlung zugrunde
liege, in Bezug auf die eine entsprechende vertragliche Vereinbarung nicht vorliege. Es bestünden aber keine Zweifel daran,
dass der Zerstörer „Schleswig-Holstein“ zur Dienstzeit des Klägers bereits umgerüstet gewesen sei. Der von ihm zur Stütze
seines Vorbringens herangezogene Bericht („Sommer-Bericht“) sei vor der Heranziehung der Expertenkommission erstellt worden
und weise nicht den entsprechenden Recherchetiefgang auf. Für einen Abschluss der Umrüstung der Schiffe vor Dienstantritt
des Klägers spreche auch, dass ausweislich des Berichts der Radarkommission die personendosimetrische Überwachung von Radartechnikern
mit Schreiben des Marineunterstützungskommandos vom 24. Mai 1978 eingestellt worden sei, da man nach den Umrüstungen dafür
keine Erforderlichkeit mehr gesehen habe. Selbst wenn man anderes annehmen wollte, hätte der Kläger aber jedenfalls keine
qualifizierende Tätigkeit ausgeübt, welche ihn einer relevanten Strahlenbelastung hätte aussetzen können. Insoweit reiche
nicht jedwede Tätigkeit im Umfeld des Radargerätes. Soweit der Kläger auf Strahlenbelastung durch heranfahrende Schiffe abstelle,
könne eine solche allenfalls zur Entstehung von hier nicht in Rede stehenden Katarakten führen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten einschließlich der Gerichtsakten S
42 VS 146/08=L 11 VS 8/10, die den Kläger betreffenden WDB-Akten zuzüglich der Widerspruchsakten der Beklagten und die Versorgungsakte
des Landes Berlin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der allein streitgegenständliche Bescheid des Landes Berlin vom 13. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 9. Februar 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dabei richtet sich der Anspruch nunmehr
gegen die Beklagte. Insoweit ist zum 1. Januar 2015 nach entsprechender Änderung durch das Gesetz zur Übertragung der Zuständigkeiten
der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des SVG auf den Bund vom 15. Juli 2013 (BGBl I S. 2416) ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 18. November 2015 – B 9 V 1/15 R - BeckRS 2016, 65224, Rn. 14). Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung der AML als Schädigungsfolge und einer hieraus
resultierenden Versorgung steht dem Kläger nicht zu.
Dabei kann der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verweisen, vgl. § 153 Abs. 2 SGG, und führt ergänzend – teilweise auch wiederholend – Folgendes aus:
Soldaten, die eine WDB erlitten haben, erhalten nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und
wirtschaftlichen Folgen der WDB gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Eine WDB ist dabei gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes
erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die Anerkennung von
Schädigungsfolgen setzt eine dreigliedrige Kausalkette voraus (vgl. nur BSG, Urteil vom 25. März 2004 - B 9 VS 1/02 R - juris): Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (= WDB)
(2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (= Folge einer WDB) (3. Glied) bedingt. Dabei
ist eine trennscharfe Differenzierung zwischen dem 2. und dem 3. Glied oftmals in der Praxis schwierig und daher regelmäßig
verzichtbar; auch im wesensverwandten Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung wird dies so praktiziert (vgl. Bayerisches
Landessozialgericht <LSG>, Urteil vom 19. November 2014 - L 15 VS 19/11 – juris, Rn. 50). Die drei Glieder der Kausalkette müssen erwiesen sein, wofür eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit
genügen kann, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließt. Demgegenüber reicht für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang
der drei Glieder die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs aus, § 81 Abs. 6 SVG. Wahrscheinlichkeit ist nach Teil C Nr. 3.4.1 Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV; versorgungsmedizinische Grundsätze) gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für
als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht insofern
nicht aus.
Vorliegend kommt eine unfallbedingte Verursachung der Erkrankung des Klägers nicht in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG, der sich der Senat nach eigener Überprüfung anschließt, bestimmt sich bei unfallunabhängigen Krankheiten der vom SVG geschützte Bereich nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung, es sei denn, es handelt
sich um besondere außerordentliche Belastungen, die typischerweise nur unter den Bedingungen des Wehrdienstes bzw. Krieges
auftreten. Die Anerkennung einer durch allmähliche Einwirkungen des Wehrdienstes oder wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse
verursachten Erkrankung als Schädigungsfolge kommt in Betracht, wenn die Erkrankung nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch des Siebten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB VII) in der BKV als Berufskrankheit anerkannt ist, nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Berufskrankheit anerkannt werden könnte oder die angeschuldigten wehrdiensttypischen Belastungen auf kriegsähnliche Belastungen
zurückgehen, wie sie in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R – juris).
Für die vom Kläger geltend gemachte Einwirkung von ionisierenden Strahlen ist vorliegend die Berufskrankheit Nr. 2402 der
Anlage 1 zur BKV („Erkrankung durch ionisierende Strahlen“) einschlägig. Die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV setzt den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation
voraus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1258). Für die Bestimmung
der zu verlangenden Strahlendosis greift der Senat auf die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP; letzte Ausgabe 2008) zurück. Anders als die AHP enthält die
VersMedV keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, so dass insoweit entweder auf die AHP
2008 zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft
nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten, genutzt werden müssen (BSG, Urteil vom 7. April 2011, B 9 VJ 1/10 R - juris). Nach Nr. 122 (6) AHP 2008 (S. 241 f.) ist die Ätiologie der meisten myelodysplastischen Syndrome und der Neoplasien
der Hämatopoese (Leukämien, Plasmozytom, Polycythaemia vera, Osteomyelosklerose, essentielle Thrombozythämie, maligne Lymphome)
wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt. Hinreichend geklärt ist bei akuten Leukämien, myelodysplastischen Syndromen und
chronischen myeloischen Leukämien die ursächliche Bedeutung von ionisierenden Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens
0,2 Sv (dieser Wert entspricht etwa der Verdoppelungsdosis), von Strahlen radioaktiver Substanzen in vergleichbarer Stärke
sowie von Zytostatika und Benzol. Dabei beträgt die Latenzzeit bis zur Erkrankung mindestens zwei Jahre nach Strahlenexposition
sowie mindestens ein Jahr nach zytostatischer Behandlung oder Benzolkontamination. 0,2 Sv entspricht 200 mSv (= 200.000 µSv).
Eine konkrete und nachvollziehbar bezifferbare Strahlenbelastung des Klägers im Sinne einer persönlich feststellbaren Dosis
ist vorliegend weder nachgewiesen noch im Nachhinein nachweisbar. Die Verursachung gesundheitlicher Schäden durch ionisierende
Strahlungen oder Röntgenstrahlen während einer dienstlichen Tätigkeit bei der Bundeswehr kommt jedoch grundsätzlich als WDB
in Betracht (vgl. auch LSG Hessen, Urteil vom 8. Februar 2018 - L 1 VE 33/14 – juris, Rn. 67). Derartige Schädigungen nehmen
insoweit eine Sonderrolle ein, als dass häufig eine lange Zeitspanne zwischen der Strahleneinwirkung, insbesondere bei Tätigkeit
am Radargerät, und dem Auftreten einer Schädigung liegt und der Nachweis eines Ursachenzusammenhangs oftmals auf Schwierigkeiten
stößt. Aus diesem Grund ist vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eine Expertenkommission eingesetzt worden,
die die Verhältnisse an den früheren Arbeitsplätzen im Militär aufklären, eine Expertise zu den Belastungswerten abgeben,
gegebenenfalls zusätzliche und neue Erkenntnisse zur gesundheitlichen Auswirkung bei Strahlenbelastung durch Radargeräte aufbereiten
sowie wissenschaftlichen Sachstand zur Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung durch ionisierende Strahlung und Hochfrequenzstrahlung
feststellen und die versorgungsrechtlichen Aspekte von Strahlenschäden untersuchen sollte. Diese Kommission (Radarkommission)
hat ihre Arbeit durch Vorlage des Abschlussberichtes vom 2. Juli 2003 abgeschlossen. In diesem Bericht sind u. a. Empfehlungen
für die Anerkennung von WDB bei Radartätigkeiten im Militär enthalten.
Der Senat lässt es dahinstehen, ob es sich beim Bericht der Radarkommission um ein antizipiertes Sachverständigengutachten
handelt (so etwa Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. November 2014 - L 15 VS 19/11; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Februar 2008 - L 5 VS 11/05 – beide bei juris) oder als Expertenmeinung als Gutachten neben anderen wissenschaftlichen Meinungsäußerungen zu berücksichtigen
ist und hierbei aufgrund der zahlreichen beteiligten Experten eine herausragende Stellung einnimmt (vgl. Landessozialgericht
Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2011 - L 6 VS 4157/10 – juris). Die Radarkommission hat jedenfalls die ihr bekannten und ermittelten Daten und Fakten sowohl hinsichtlich der in
der Bundeswehr festzustellenden Tatsachen als auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Diskussion zusammengetragen und ausgewertet
und Empfehlungen ausgesprochen, die in die ständige Verwaltungspraxis der Bundeswehr eingeflossen sind (vgl. dazu die Antwort
der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage vom 28. Juli 2006 - BT Drs. 16/2320). Der Bundesminister der Verteidigung hat
nach Erstattung des Berichts der Radarkommission zugesagt, deren Empfehlungen würden „eins zu eins“ umgesetzt (dazu erneut
Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage vom 28. Juli 2006 - BT Drs. 16/2320, S. 1). Jedenfalls ist davon auszugehen,
dass bei Erfüllen der von der Radarkommission formulierten Voraussetzungen vom Vorliegen der schädigenden Einwirkung einerseits
und von der Kausalität dieser Einwirkung für die dann eingetretene Erkrankung ausgegangen werden muss (vgl. insoweit LSG Niedersachsen-Bremen,
Urteil vom 24. September 2015 - L 10 VE 36/13 – juris).
Grundvoraussetzung jeder Anerkennungsempfehlung der Radarkommission bei Expositionen dieser Art ist danach, dass es sich bei
der streitgegenständlichen Krankheit um einen malignen Tumor - mit Ausnahme der Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL) - oder
einen Katarakt (Trübung der Augenlinse) handelt, dass diese Erkrankung ärztlich diagnostiziert und mit pathologisch-histologischem
Befund untermauert ist und eine Latenzzeit von mindestens fünf Jahren (bei soliden Tumoren) bzw. von mindestens zwei Jahren
(bei Leukämie und Knochensarkomen) bestanden hat (S. 135 der Berichts der Radarkommission). Diese Voraussetzungen sind vorliegend
gegeben. Bei der Erkrankung des Klägers – AML – handelt es sich, jedenfalls soweit es nicht um die Strahlenbelastung durch
radioaktive Leuchtfarbe geht, um eine so genannte qualifizierte Erkrankung im Sinne der Voraussetzungen der Radarkommission.
Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung durch ionisierende Strahlung und Hochfrequenzstrahlung hat die
Radarkommission drei Phasen unterschieden (S. 130 f. des Berichts der Radarkommission). Die Phase 1 ist dadurch gekennzeichnet,
dass Messwerte, welche die nachträgliche Ermittlung der Exposition gestatten würden, nicht vorliegen und, gemessen an heutigen
Maßstäben, kein adäquater Strahlenschutz bestand. Die Phase 2 markiert die Übergangsperiode, in der nach den alarmierenden
Messungen am Radargerät SGR 103 der Marine an wichtigen Waffensystemen der Teilstreitkräfte der Bundeswehr nach und nach systematische
Messungen der Ortsdosisleistung durch Störstrahler durchgeführt und Strahlenschutzmessungen etabliert wurden. Ausschlaggebend
war, dass 1975 im Marinearsenal Wilhelmshaven der Tod von zwei Beschäftigten als Folge maligner Erkrankungen zu Unruhe und
Spekulationen über Arbeitsplatzbedingungen geführt hatte. Die daraufhin initiierten Messungen am Sender eines SGR 103 hatten
einen Wert von ca. 400 mSv/h ergeben. Dies führte zu einer Reihe technischer und administrativer Sofortmaßnahmen mit dem Ziel,
schnellstmöglich Expositionen an Arbeitsplätzen zu reduzieren. Der Zeitraum der Phase 2 ist für jedes Radargerät und Waffensystem
spezifisch zu ermitteln. Die Phase 3 ist der Zeitraum, ab dem ein bezüglich der Störstrahler adäquater Strahlenschutz in der
Bundeswehr etabliert war. Der Beginn dieser Phase ist dadurch bestimmt, dass – sofern erforderlich – die aus den systematischen
Messungen der Phase 2 abgeleiteten technischen Maßnahmen zur Reduzierung der Ortsdosisleistungen an Arbeitsplätzen abgeschlossen
waren. Technische Verbesserungen konzentrierten sich dabei auf zusätzliche Abschirmungen und den Ersatz der Störstrahler durch
Halbleiterkomponenten, bei denen physikalisch bedingt keine Störstrahlung mehr auftreten kann, oder zumindest durch verbesserte
Röhren, bei denen die Verwendung von Keramik statt Glas die Störstrahlung signifikant reduziert.
Entgegen der Einschätzung des Klägers ist hier bereits nicht anzunehmen, dass er an einem Radargerät SGR 103 tätig gewesen
ist. Dabei stützt sich der Senat auf den Bericht „Radargeräte der SGR-Familie Teilbericht SGR-103, SGR-105, SGR-114“ (Teilbericht
SGR-Familie) der AG Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 18. September 2002. Hieraus ergeben sich als maßgebliche
Röntgenstörstrahler Magnetron, Thyratron und Clipperdioden sowie die Gleichrichterdioden, die verbaut waren im Sender und
im Modulator. Dass der Kläger am Sender oder Modulator des SGR 103 tätig gewesen ist, vermag der Senat aber nicht zu erkennen.
Vielmehr saß er während seiner Dienstzeit an einem „Radarbildschirm“ (Erklärung des Klägers im Erörterungstermin am 25. Juni
2015), also an einer Sichtkonsole („Scopes“, vgl. Aktenvermerk der Beklagten vom 14. Oktober 2008, S. 4). Dazu passt, dass
der Kläger nach eigenen Angaben im Erörterungstermin während der Seefahrt und der Manöver in der Operationszentrale tätig
gewesen ist, in der die Radargeräte, auch das SGR 103, sich aber entgegen dem klägerischen Vortrag nicht befunden haben. Eine
Tätigkeit an einem Radargerät der SGR-Familie wäre ausweislich des Teilberichts SGR-Familie (S. 24 ff.) im Wesentlichen nur
in Betracht gekommen, wäre der Kläger ein Elektroniker der Fachrichtung 24 gewesen. Ein Operator der Fachrichtung 23 wie der
Kläger führte grundsätzlich keine Instandhaltungsarbeiten an den von ihm bedienten Geräten durch. Daher ist die Stellungnahme
der Schwerpunktgruppe Radar vom 18. Juni 2015 schlüssig, wenn es darin heißt, der Kläger sei in der Operationszentrale nicht
an Radar anlagen , sondern an Radar konsolen der Typen SGM tätig gewesen. Insoweit würde nichts anderes gelten, sollte der
Kläger, was zwischenzeitlich im Raum gestanden hat, an der kleinsten Radarkonsole KH 14 tätig gewesen sein. Ausweislich der
Stellungnahme vom 18. Juni 2015 (S. 3) enthielten die Radarkonsolen nicht die skizzierten Röntgenstörstrahler, sondern als
Störstrahler kam lediglich die Bildröhre in Betracht, die aber wie bei einem Schwarz-Weiß-Fernsehgerät in Glas eingekapselt
gewesen ist, weshalb eine relevante Strahlenexposition insoweit ausgeschlossen war. Dies wird im Übrigen durch den Messbericht
der Firma Eltro vom 2. August 1977 bestätigt, in dem eine Röntgenstörstrahlung (auch) für die Radarkonsolen der SGM-Reihe
und des Typs KH 14 verneint wurde. Soweit der Kläger Reinigungsarbeiten verrichtet hat, vermag der Senat nicht festzustellen,
dass damit eine Tätigkeit in der Nähe eines Radargerätes verbunden gewesen ist. Insoweit steht bereits nicht fest, dass sich
in dem vom Kläger gereinigten Raum überhaupt Radargeräte der SGR-Familie befunden haben. Seine diesbezüglichen Angaben etwa
im Erörterungstermin, in dem er von einem Elektronikraum gesprochen hat, ergeben dies nicht. Namentlich ist nicht ersichtlich,
dass er Räume gereinigt hat, in denen sich der Sender oder Modulator eines Radargerätes befunden hat. Unmaßgeblich ist daher,
ob, wie es in der Stellungnahme der Beklagten vom 18. Juni 2015 ausgeführt wird, eine relevante Strahlenbelastung nur bei
geöffneten Sender- oder Modulatorschränken in Betracht kam, aber nicht anzunehmen ist, dass der Radarmechaniker während der
Reinigungsarbeiten seinerseits an einem solchen geöffneten Schrank tätig gewesen ist.
Selbst wenn der Kläger aber an einem Radargerät der SGR-Familie tätig gewesen wäre, könnte er daraus keinen Anspruch ableiten.
Denn anders als der Kläger nimmt der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht an, dass der Kläger hier in der skizzierten
Phase 3 tätig gewesen ist. Allgemein spricht dafür der Bericht der Radarkommission, wenn es darin heißt, nach Feststellungen
alarmierender Strahlungswerte im Marinearsenal Wilhelmshaven seien schrittweise Schutzmaßnahmen ergriffen worden, die Sofortmaßnahmen
bei der Marine seien im Wesentlichen zwischen 1976 und 1978 durchgeführt worden (S. 11). In Bezug auf die Phase 2 heißt es
weiter, dieser Prozess sei bei der Marine relativ schnell abgeschlossen worden, bereits Ende 1976 hätten kaum noch erhöhte
Messwerte vorgelegen (S. 23). Demgemäß hält die Radarkommission den Beginn der Phase 3 im Marinebereich vor 1980 für sinnvoll
(S. 31). Bestätigt werden diese Angaben und Einschätzungen durch den Teilbericht SGR-Familie, wenn es darin heißt, die Umrüstungsarbeiten
an Bord seien Mitte 1976 begonnen und im Sommer 1977 abgeschlossen worden (S. 5). Der Senat verkennt nicht die Einwände, die
der Kläger gestützt auf den Bericht des Arbeitsstabes Dr. Sommer „Die Bundeswehr und ihr Umgang mit Gefährdungen und Gefahrstoffen“
(Sommer-Bericht) erhoben hat. Namentlich die Angaben auf S. 82 des Berichts, wonach noch 1978 Strahlenschutzmessungen der
Firma Eltro im Arsenalbereich Wilhelmshaven ionisierende Strahlung an den Radargeräten SGR 103, SGR 105 und SGR 114 ergeben
hätten, und dass die Firma R. im Oktober 1978 darauf hingewiesen habe, nicht immer seien die röntgenstrahlungsfreien Thyratrons
eingebaut worden, deuten darauf hin, dass die erforderlichen Strahlenschutzmaßnahmen im Einzelfall nicht oder nicht im erforderlichen
Umfang durchgeführt worden sind. Im konkreten Fall des Klägers waren die erforderlichen Maßnahmen indes abgeschlossen. Dies
ergibt sich aus dem entsprechenden Messbericht der Firma Eltro vom 2. August 1977 über Messungen im Juni desselben Jahres
auf dem Zerstörer „Schleswig-Holstein“. Denn in diesem Bericht sind nicht nur keine Störstrahler festgestellt worden, sondern
es sind auch jene Schutzmaßnahmen genannt, die im Teilbericht SGR-Familie skizziert worden sind, nämlich die Abschirmung des
Magnetrons durch eine Bleiplatte, die Umrüstung der Anlage auf Halbleiter oder Halbleiterdioden und die Verwendung eines Keramik-Thyratrons.
Damit ist der Nachweis abgeschlossener Strahlenschutzmaßnahmen geführt. Der von der Beklagten vorgelegte Vertrag von April
1978 steht mit den offenbar schon weit vorher abgeschlossenen Umrüstungsarbeiten nicht in Zusammenhang und vermag deshalb
an der Überzeugungskraft des vorliegenden Messprotokolls nichts zu ändern, zumal, worauf der Kläger zu Recht hinweist, der
Vertrag von 1978 keinen konkreten Bezug zum Zerstörer „Schleswig-Holstein“ aufweist.
Keinen Anspruch kann der Kläger auch aus der etwaigen Verwendung Ra-226-haltiger Leuchtfarbe herleiten. Auch insoweit ist
eine Organdosis (Knochenmark) von 0,2 Sv nicht ersichtlich.
Die Benutzung der hier in Rede stehenden Leuchtfarben lässt sich nach dem Bericht der Radarkommission in einen Zeitraum bis
1980 und einen Zeitraum ab 1980 untergliedern: Während bis 1980 von einem weit verbreiteten Einsatz 226-Ra-haltiger Leuchtfarben
ausgegangen werden muss, bei dem es im Einzelfall durch Auskratzen, Abschmirgeln und zum Teil Wiederauftragen dieser Leuchtfarben
ohne adäquate Strahlenschutzvorkehrungen zu einer Inkorporation sowie durch das Berühren nicht abgedeckter Schaltelemente
zu einer externen Exposition mit hohen Belastungen gekommen sein kann, ist das Risiko einer entsprechenden Exposition ab 1980
als gering anzusehen (S. 132). Im Übrigen empfiehlt die Radarkommission, als spezifische qualifizierende Erkrankung durch
Aufnahme in den Körper (Inkorporation) die Erkrankung an Knochenkrebs (Sarkome von Knochen und umgebendem Bindegewebe) anzusehen.
Darüber hinaus muss im Einzelfall mittels Arbeitsplatzanamnese geprüft werden, ob bei einem entsprechenden Arbeitsanfall 226-Ra-haltige
Leuchtfarbe in lungengängiger Form (Inhalation) freigesetzt worden ist. Bejahendenfalls kann auch bei Vorliegen einer Erkrankung
an Lungenkrebs unter bestimmten weiteren Voraussetzungen eine Anerkennung erfolgen. Anhaltspunkte für eine Tätigkeit, die
mit Auskratzen, Abschlagen oder Wiederauftragen der Farbe verbunden war, bestehen hier nicht. Die Ausführungen des Klägers
im Erörterungstermin vom 25. Juni 2015, er könne zudem nicht ausschließen, dass er am Oberdeck auch radiumhaltige Anzeigen
an den Konsolen behandelt habe, sind für die Annahme einer solchen Tätigkeit zu vage. Zudem steht hier auch nicht die insoweit
spezifisch qualifizierende Erkrankung Knochenkrebs und auch kein Lungenkrebs in Rede (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil
vom 23. Februar 2016 - L 12 VE 11/10 – juris, Rn. 48).
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass für die Bestimmung einer externen Exposition nach 9.3.2 Nr. 5 des Berichts der Radarkommission
(S. 138) grundsätzlich für die von der AG Radar erfassten Radargeräte mit radiumhaltigen Leuchtfarben die in den entsprechenden
Teilberichten dokumentierten Aktivitäten und Ortsdosisleistungen zugrunde zu legen sind. Hier stehen indes Radargeräte in
Rede, für die die Verwendung radiumhaltiger Leuchtfarbe nicht dokumentiert ist, aber von der Beklagten auch nicht durch geeigneten
Nachweis ausgeschlossen werden kann. Insoweit ist nach 9.3.2 Nr. 6 des Berichts der Radarkommission für die Ersatzdosisermittlung
von der Exposition durch ein leuchtfarbenhaltiges Ziffernblatt auszugehen. Dabei kann die im Teilbericht der AG Radar zum
AN/CPN-4 vom 13. Mai 2002 dokumentierte Ortsdosisleistung angesetzt werden. Dies ist bei einem Operator bei Zugrundelegung
eines vier Stunden täglichen Operatordienstes eine Ortsdosisleistung von 7,5 µSv/h für den Bereich von Oberkörper und Kopf
und 105 µSv/h für die Hände. Die erforderliche Strahlenbelastung von 200 mSv kann der Kläger so aber nicht erreicht haben
und zwar nicht einmal nach der für ihn günstigsten, aber fehlerhaften Berechnung aus dem technischen Gutachten vom 26. August
2005. Allerdings hat die Beklagte im Klageverfahren eine stimmige Modellrechnung der Ortsdosisleistung an einer Pultkonsole
(Navigationsradar) bei unüblichen Körperhaltungen zu den Akten gereicht. Dieser lässt sich bei 800 Dienststunden eine Jahresdosis
von 2,86 mSv, bezogen auf das für die Entstehung einer Leukämie besonders relevante rote Knochenmark von 2,45 mSv entnehmen.
Rechnet man den Wert für eine Ingestion durch Abrieb beim Berühren der Schalter nach Maßgabe von 9.3.2 Nr. 7 des Berichts
der Radarkommission hinzu – großzügig gerundet 2 mSv (Stellungnahme der Beklagten vom 18. Juni 2015, S. 4) -, ergibt sich
bezogen auf die Dienstzeit des Klägers von 21 Monaten nicht einmal ein Wert von 10 mSv.
Soweit der Kläger im Erörterungstermin in Bezug auf seine Einsätze als Schiffssignalgeber bei Replenishment at Sea-Manövern
angedeutet hat, er sei hierbei möglicherweise Radarstrahlung von Schiffen ausgesetzt gewesen, die auf den Zerstörer „Schleswig-Holstein“
zugelaufen seien, und soweit er im selben Erörterungstermin erklärt hat, dass er während seiner Ausbildung im Herbst 1978
auch an Radargeräten ausgebildet worden sei, hat die Berufung aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen, auf die der Senat
gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist, keinen Erfolg.
Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch nach den Grundsätzen der so genannten Kann-Versorgung. Wenn die zur Anerkennung
einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die
Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG in der aktuellen Fassung mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium
für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann
allgemein erteilt werden. Das nach Maßgabe der alten Gesetzesfassungen (vgl. dazu Bienert, NZS 2020, 640) des § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG noch zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat für eine Reihe von Krankheiten, über deren Entstehung in der
medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, für die also nach den gesetzlichen Bestimmungen eine Kann-Versorgung in Frage
kommt, eine allgemeine Zustimmung erklärt, der sich das Bundesministerium für Verteidigung bereits im Voraus angeschlossen
hat (vgl. Nr. 6 Abs. 2 der Richtlinien zu § 85 SVG zum 23. Mai 1975, BAnz Nr. 98, mit Änderungen vom 31. Oktober 1977, BAnz. Nr. 214). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat diese Zustimmung
in den von ihm herausgegebenen AHP veröffentlicht. Die Zustimmung ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt,
die in den Kapiteln zur Beurteilung der einzelnen Krankheitszustände jeweils beschrieben ist. Die Zustimmung wurde auch für
Neoplasien der Hämatopoese - u. a. Leukämien - erteilt (vgl. Nr. 39 Abs. 7 Nr. 11 AHP 2008). Wie bereits dargelegt, war die
Ätiologie der meisten myelodysplastischen Syndrome und der Neoplasien der Hämatopoese (z. B. Leukämien) in der Vergangenheit
und ist auch aktuell nach Nr. 122 Abs. 6 AHP 2008 wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt. Ungewissheit besteht u. a. darüber,
ob zu den genannten speziellen Neoplasien der Hämatopoese auch Strahlen geringerer Intensität als 0,2 Sv führen können. Wegen
dieser Ungewissheit sind die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung erfüllt, wenn sich nach folgenden Schädigungstatbeständen
eine Neoplasie der Hämatopoese innerhalb nachstehender Zeiträume manifestiert hat (Nr. 122 (6) a) AHP 2008): Frühestens zwei
Jahre und spätestens drei Jahrzehnte nach Einwirken ionisierender Strahlen, die nicht mit Wahrscheinlichkeit als Ursache angesehen
werden können, deren Menge aber auch nicht so gering war, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden kann.
Wann eine Menge so gering war, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden kann, geht aus den AHP nicht hervor.
Nach der aktuellen wissenschaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“ vom 24. Oktober 2011 (GMBl. 2011, 983) ist eine Strahlendosis von kleiner 50 mSv
im relevanten Organ so niedrig, dass eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung aller relevanten Risikofaktoren
in der Regel nicht zu erreichen ist. Im Bericht der Strahlenkommission wird von einem Wert von mindestens 0,02 Sv=20 mSv ausgegangen
(S. 128) und zwar bei der vorliegend in Rede stehenden Leukämie bezogen auf das Knochenmark (S. 129). Welcher der beiden Werte
zugrunde zu legen ist, kann hier offen bleiben. Denn wie bereits dargelegt, ist bei dem Kläger von einer Strahlenbelastung
von unter 10 mSv auszugehen. Eine Kann-Versorgung scheidet also deshalb aus.
Soweit in der Rechtsprechung eine WDB wegen Strahlenbelastung während der Dienstzeit in der Bundeswehr in der Rechtsprechung
im Einzelfall anerkannt worden ist, unterscheiden sich die Fälle jeweils maßgeblich vom vorliegenden Fall:
- im Fall L 1 VE 33/14 (LSG Hessen, Urteil vom 8. Februar 2018) stand der dortige Kläger ab 1960 und damit deutlich in Phase
1 im Dienstverhältnis bei der Beklagten, war bei der Luftwaffe am Radargerät AN/CPN-4 tätig und musste als Operator bei Reparatur-
und Einstellarbeiten eines Radargerätes Unterstützungsarbeiten leisten;
- im Fall L 2 VS 50/13 (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. November 2015) war der dortige Betroffene zwischen 1957 und Ende 1963, demnach deutlich
in Phase 1, als Techniker und Operator an verschiedenen Radareinrichtungen zu Wartungs- und Überwachungsarbeiten eingesetzt
worden;
- im Fall L 10 VE 36/13 (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. September 2015) war der dortige Betroffene ab 1971 und damit
in der Phase 1 tätig, dies zudem bei der Luftwaffe und als Operator, der teilweise auch als Hilfspersonal für Radarmechaniker
eingesetzt worden war;
- im Fall L 12 VS 4/09 (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. Oktober 2013) hielt es das LSG für glaubhaft, dass der dortige Betroffene am SGR
103 tätig gewesen ist und zwar ab 1967 und damit deutlich in Phase 1;
- im Fall S 1 (28,31,3) VS 374/04 (SG Düsseldorf, Urteil vom 18. April 2011) war der dortige Kläger ab 1971 und damit deutlich
in Phase 1 tätig; zudem musste er als Operator auch Wartungsarbeiten am geöffneten Sendeschrank eines Radargeräts verrichten;
- im Fall L 4 VS 1/05 (LSG Hessen, Urteil vom 29. April 2009) ist das LSG dort bei einer Dienstzeit bei der Luftwaffe von 1988 bis 1992 von Phase
1 ausgegangen; das LSG bejahte die Kann-Versorgung zugunsten des Betroffenen, der alle auf der Station vorhandenen Kurzwellensende-
und Empfangsgeräte sowie Richtfunkgeräte wartete;
- im Fall S 25 (18) VS 192/07 (SG Aachen, Urteil vom 29. September 2008) sind zwar viele Daten anonymisiert, der dortige Betroffene
stand aber 22 Jahre im Dienst der Luftwaffe und zwar mindestens ganz überwiegend in einem Zeitraum, der der Phase 1 zuzuordnen
ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
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