Tatbestand:
Die Beteiligten streiten vorliegend über die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I für den Zeitraum von März 2004 bis
August 2006.
Der im Januar 2001 geborene Kläger, der an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I leidet, beantragte im März 2004
bei der Beklagten Pflegegeld. Diese holte das MDK-Gutachten der Pflegefachkraft G vom 23. Juni 2004 ein, die eine erhebliche
Pflegebedürftigkeit verneinte: Der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 165 Minuten, von denen 150 Minuten für
den Hilfebedarf eines gleichaltrigen gesunden Kindes abzuziehen seien. Der Zeitbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung
umfasse 45 Minuten. Dem Gutachten folgend lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28. Juni 2006 ab. Hiergegen legte
der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte auf Grundlage der gutachterlichen Stellungnahme der Ärztin Kaiser (MDK) vom 11.
August 2004 mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2004 zurückwies.
Mit seiner vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger Pflegeleistungen der Pflegestufe I ab Antragstellung
begehrt. Das Sozialgericht hat das Gutachten der Kinderärztin und Diabetologin Dr. K vom 26. September 2005 eingeholt, die
einen täglichen Zeitaufwand für die Pflege und Betreuung des Klägers gegenüber einem gesunden Kind dieser Altersgruppe von
160 Minuten ermittelt hat. Gestützt auf die gutachterliche Stellungnahme der Ärztin Dr. N (MDK) vom 21. Dezember 2006 hat
die Beklagte eingewandt, ein Mehrbedarf des Klägers im Umfang von mehr als 45 Minuten bei der Grundpflege sei nicht dokumentiert.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. September 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt,
dass der Kläger nicht erheblich pflegebedürftig sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass von dem durch die Pflegefachkraft G
im MDK-Gutachten vom 23. Juni 2004 ermittelten täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege von 165 Minuten der Hilfebedarf eines
gesunden gleichaltrigen Kindes von pauschal 150 Minuten abgezogen werde. Ob die Begutachtungsrichtlinien (BRi) vom 21. März
1997 in der Fassung vom 22. August 2001, die einen Abzug von 150 Minuten vorsähen, oder in der Fassung vom 11. Mai 2006, nach
denen 138 Minuten abzuziehen seien, herangezogen würden, sei unerheblich, da auch bei dem geringeren Abzug der Hilfebedarf
des Klägers in der Grundpflege nicht die erforderlichen 45 Minuten erreiche. Für den Zeitraum nach der Gutachtenerstellung
im Juni 2004 sei davon auszugehen, dass durch das Älterwerden des Klägers dessen Gesamthilfebedarf abgenommen habe.
Der tägliche Mehrbedarf in der Grundpflege sei für das Nachputzen der Zähne (zweimal pro Tag) mit insgesamt 2 Minuten und
für das Beaufsichtigen des Händewaschens (sechsmal pro Tag) mit insgesamt 6 Minuten anzusetzen. Die Hautpflege (das Eincremen
der Fingerkuppen und der Spritzstellen) sei keine Verrichtung der Grundpflege, sondern der Behandlungspflege. Beim Verlassen
bzw. Wiederaufsuchen der Wohnung sei nur derjenige Hilfebedarf zu berücksichtigen, der unmittelbar für die Aufrechterhaltung
der Lebensführung zu Hause notwendig sei. Hierzu gehören Arztbesuche, wenn sie wenigstens einmal pro Woche anfielen. Es sei
nicht ersichtlich, dass dies im Falle des Klägers zutreffe. Eine ständige Begleitung, etwa zu sportlichen Aktivitäten, sei
nicht unmittelbar für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendig. Der krankheitsbedingte zusätzliche Betreuungsaufwand
sei keine Verrichtung der Grundpflege. Dies gelte auch für die übrigen Maßnahmen wie Blutzuckermessungen, Urinwertmessungen,
Tagebucheintragungen, Insulininjektionen und portionsgerechte Bemessung und Zuteilung einer Diätnahrung.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass das Sozialgericht die rechtliche Wertung
des §
15 Abs.
2 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (
SGB XI) verkenne. Hiernach sei bei Kindern für die Zuordnung des zusätzlichen Hilfebedarfs der Vergleich mit einem gesunden gleichaltrigen
Kind maßgebend. Dieser Vergleich dürfe sich nicht nur auf die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im
Sinne des §
14 Abs.
1 SGB XI beschränken; vielmehr müsse es auch auf die behinderungsbedingte Überwachung und den besonderen Zeitaufwand der Eltern ankommen.
Hierfür spreche auch Art.
6 Abs.
2 GG, wonach Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sei. Es stoße auf verfassungsrechtliche Bedenken,
dass das
SGB XI nur den Pflegebedarf älterer Menschen im Blick habe, wohingegen Eltern mit einem pflegebedürftigen Kind nahezu außer Betracht
blieben. Dies vertrage sich nicht mit dem Sozialstaatsgebot. Weiter trägt er vor: Seine Eltern müssten bei ihm mindestens
einmal pro Nacht den Blutzucker messen und bei Unterzuckerung entsprechende Maßnahmen einleiten, beispielsweise die Gabe von
Jubin, einer schnell wirkenden Zuckerlösung. Auch sei zu berücksichtigen, dass er sehr häufig zu den vorgeschriebenen Zeiten
nicht essen wolle. Es müsse sehr genau auf Hygiene geachtet werden, insbesondere sei ständig sorgfältiges Händewaschen notwendig,
um die Blutzuckerwerte nicht zu verfälschen. Er müsse sich einer erheblichen Anzahl ärztlicher Untersuchungen unterziehen.
Alle sechs Wochen werde der Stand seiner Diabeteserkrankung und die Einstellung überprüft.
Die Beklagte hat das MDK-Gutachten der Ärztin N vom 15. Juni 2009 vorgelegt, die u.a. ausgeführt hat, dass die nächtlichen
Blutzuckermessungen nicht der Grundpflege, sondern der Behandlungspflege zuzuordnen seien. Sie hat hinsichtlich des Vorbringens
des Klägers, er müsse von seinem Eltern zum regelmäßigen Essen bewegt, fast gezwungen werden, darauf hingewiesen, dass ein
Mehrbedarf bei der mundgerechten Zubereitung von 2 Minuten und bei der Nahrungsaufnahme von 7 Minuten (gegenüber einem gesunden
dreijährigen Kind) bzw. 12 Minuten (gegenüber einem gesunden vierjährigen Kind) berücksichtigt worden sei.
Der Kläger bringt hiergegen vor, bei Stoffwechselerkrankungen sei die mahlzeitenvorbereitende Blutzuckerkontrolle, die sich
hieraus ergebende Berechnung der diabetesgeeigneten Mahlzeit, deren Zusammenstellung, die hierzu notwendige Berechnung der
Insulinmenge und die Insulingabe als Verrichtungen im Bereich der Ernährung zu bewerten. Zumindest seien die genannten Maßnahmen,
welche die Ernährung sicherstellen sollen, als krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen nach §
15 Abs.
3 SGB XI zu berücksichtigen, da sie mit dem Bereich der Ernährung in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang ständen.
Gleiches gelte auch für das häufige, vom normalen Durchschnitt abweichende Händewaschen und Eincremen der Hände. Die Begleitung
und Fahrt zu regelmäßigen sportlichen Aktivitäten seien dem Bereich der Mobilität zuzuordnen, da eine regelmäßig sportliche
Betätigung gerade auch bei jungen Diabetikern förderlich sei.
Mit Rücksicht darauf, dass der Kläger im Jahre 2006 auf Antrag der Eltern in die Grundschule eingeschult worden ist, hat der
Senat mit Beschluss vom 19. November 2009 die Teile des Streitgegenstandes für die Zeit ab dem 1. September 2007 abgetrennt,
für die das Berufungsverfahren zum Aktenzeichen L 27 P 66/09 fortgeführt wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
28. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2004 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. März
2004 bis zum 31. August 2006 Leistungen der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge
der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraums vom 1. März 2004 bis zum 31.
August 2006 zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 20. September 2007 abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten
vom 28. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten. Denn er hat im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Voraussetzung ist nach §
37 Abs.
1 SGB XI u. a., dass der Anspruchsteller pflegebedürftig ist und mindestens der Pflegestufe I zugeordnet werden kann. Pflegebedürftigkeit
liegt hierbei nach §
14 Abs.
1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen
und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs
Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, die nach §
14 Abs.
3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder
in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche
und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach §
14 Abs.
4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen,
Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte
Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden,
Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen
Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.
Die Zuordnung zur Pflegestufe I setzt nach §
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus
einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der
hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft
ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt,
muss hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten
entfallen müssen.
Diese Voraussetzungen sind im streitigen Zeitraum von März 2004 bis August 2006 nicht erfüllt. Denn es lässt sich nicht feststellen,
dass sein Grundpflegebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 45 Minuten betrug. Dies hat das Sozialgericht unter
Verwertung der im Verwaltungs- und im Klageverfahren erhobenen ärztlichen und fachpflegerischen Feststellungen überzeugend
dargelegt. Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils vom 20. September 2007 wird nach §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) Bezug genommen.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Entscheidung:
Entgegen seiner Auffassung sind die Maßnahmen, die der Beschaffung und Zubereitung der für seine Diät benötigten Lebensmittel
dienen, d.h. die Blutzuckerkontrolle, die sich hieraus ergebende Berechnung der Mahlzeit, deren Zusammenstellung, die Berechnung
der Insulinmenge und die Gabe des Insulins nicht dem Bereich der Ernährung zuzuordnen.
§
14 Abs.
4 SGB XI unterscheidet zwischen der mundgerechten Zubereitung oder der Aufnahme der Nahrung einerseits, wobei ein Hilfebedarf bei
diesen Verrichtungen der Grundpflege zuzuordnen ist, sowie dem Einkaufen und Kochen andererseits, das dem Bereich der hauswirtschaftlichen
Versorgung zugewiesen ist. Die Vorschrift differenziert damit allein nach dem äußeren Ablauf der Verrichtungen; sie knüpft
nicht an das mit der Verrichtung angestrebte Ziel an. Bezogen auf den allerdings existenznotwendigen Lebensbereich Ernährung
bedeutet dies, dass nicht umfassend alle Maßnahmen einzubeziehen sind, die im konkreten Einzelfall im weitesten Sinn dem Ernährungsvorgang
zugeordnet werden können. Zur Grundpflege gehört nach §
14 Abs.
4 Nr.
2 SGB XI vielmehr nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der
Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich wird (BT-Drucks 12/5262, S 96, 97). Dies schließt
bei an Stoffwechselstörungen leidenden Personen die Einbeziehung solcher Hilfen in die Grundpflege aus, die nur dazu dienen,
die Verträglichkeit der Nahrung sicherzustellen, etwa durch Kontrollmaßnahmen oder durch Zuführung von Arzneimitteln (so Bundessozialgericht
-BSG-, Urteil vom 19. Februar 1998, B 3 P 3/97 R, BSGE 82, 27).
Die von dem Kläger genannten Maßnahmen, welche die Ernährung sicherstellen sollen, können auch nicht als verrichtungsbezogene
krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen nach §
15 Abs.
3 Satz 2
SGB XI bei der Feststellung des Zeitaufwandes in der Grundpflege berücksichtigt werden. Hierzu zählen nach §
15 Abs.
3 Satz 3
SGB XI Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf entweder untrennbarer Bestandteil einer
Katalogverrichtung des §
14 Abs.
4 SGB XI ist oder mit einer solchen Verrichtung notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.
Die Einbeziehung der Behandlungspflege in die Grundpflege im Sinne des §
14 Abs.
4 SGB XI setzt voraus, dass die konkrete Hilfeleistung mit dem Wortlaut bzw. dem Begriff der betreffenden Katalogverrichtung des §
14 Abs.
4 SGB XI jedenfalls bei weiter Auslegung vereinbar ist, es also einen "sachlichen Zusammenhang" gibt (vgl. beispielsweise BSGE SozR
3-3300 § 14 Nr. 9 zur Hilfe beim Baden: Pflegebad an Stelle eines normalen Bades und anschließende Hautbehandlung bei einem
Neurodermitis-Patienten; BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 3 zur Hilfe beim An- und Auskleiden: An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen
als zusätzlichem krankheitsbedingten Teil der Bekleidung). Nur in diesem Falle darf der zeitliche Aufwand für eine Maßnahme
der Behandlungspflege bei der Ermittlung des Gesamtbedarfs für die Grundpflege bei der jeweiligen Verrichtung aus dem Katalog
des §
14 Abs.
4 SGB XI mit einbezogen werden Ein nur rein zeitlicher Zusammenhang zwischen Behandlungspflegemaßnahme und Grundpflege reicht indes
nicht aus.
Die Medikamentengabe stellt als krankheitsspezifische Pflegemaßnahme eine Form der Behandlungspflege dar, die vom Verrichtungskatalog
des §
14 Abs.
4 SGB XI auch bei weiter Auslegung nicht erfasst wird (so BSG, Urteil vom 17. März 2005, B 3 KR 9/04 R, BSGE 94, 192 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 a.a.O., zu Insulininjektionen bei Diabetespatienten; siehe auch Urteil
vom 17. Juni 1999, B 3 P 10/98 R, SozR 3-3300 § 15 Nr. 7). Insbesondere handelt es sich nicht um eine Pflegemaßnahme im Rahmen der - hier allein in Betracht
kommenden - Verrichtung der "Nahrungsaufnahme" im Sinne des §
14 Abs.
4 Nr.
2 SGB XI. Medikamente sind keine "Nahrung" im Sinne dieser Vorschrift; dazu zählen nur die festen und flüssigen Nahrungsmittel, die
der Mensch zu seiner Ernährung, d.h. zur Aufrechterhaltung der Stoffwechselfunktionen, zu sich nimmt. Im Übrigen ist das Spritzen
von Insulin zeitlich zu weit vom Vorgang des Essens entfernt, um noch unter "Aufnahme der Nahrung" (§
14 Abs.
4 Nr.
2 SGB XI) subsumiert zu werden; es handelt sich somit um eine selbständige Maßnahme der Behandlungspflege ohne Bezug zu einer der
Verrichtungen des Katalogs in §
14 Abs.
4 SGB XI (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 17. Juni 1999 a.a.O.).
Auch bei Kindern besteht für einen Verzicht auf das Erfordernis eines Hilfebedarfs bei der Grundpflege (§
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB XI) keine Grundlage. Insbesondere kann nicht aus §
15 Abs.
2 SGB XI der Schluss gezogen werden, bei Kindern sei der gesamte Mehrbedarf, unabhängig von seiner Zuordnung zur Grundpflege oder
hauswirtschaftlichen Versorgung, maßgebend. Mit dieser Regelung sollte lediglich klargestellt werden, dass "der natürliche,
altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern" unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden
Aufwand abzustellen ist (BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 a.a.O., unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/5262, S. 98 zu § 13 Abs.
2 des Entwurfs).
Die Begleitung des Klägers zu regelmäßigen sportlichen Aktivitäten kann nicht als "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung"
dem Bereich der Mobilität im Sinne des §
14 Abs.
4 Nr.
3 SGB XI zugeordnet werden. Die Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie erforderlich
ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem
Pflegeheim zu vermeiden. Als Maßnahme der Grundpflege anerkannt worden ist demgemäß die Hilfe durch Begleitung bei durchschnittlich
wenigstens einmal wöchentlich anfallenden Arztbesuchen. Gleiches gilt für die Begleitung zum Krankengymnasten, wenn die Maßnahme
ärztlich verordnet ist (siehe etwa BSG, Urteil vom 26. November 1998, B 3 P 20/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 9, zur Krankengymnastik eines Kindes). Im vorliegenden Fall geht demgegenüber in erster Linie um eine
durch den Diabetiker selbst vorzunehmende Ergänzung der ärztlichen Behandlung der Diabeteserkrankung. Die sportlichen Aktivitäten
stellen sich daher als Teil der ärztlichen Therapie dar. Zwar dienen dem weiteren Verbleib in der Wohnung, jedoch handelt
es sich bei der dem Kläger für dessen sportliche Betätigung geleistete Hilfestellung der Sache nach um Behandlungspflege und
nicht um Grundpflege. Bei der Feststellung des Pflegebedarfs nach den §§
14,
15 SGB XI sind - wie oben ausgeführt - Maßnahmen der Behandlungspflege nur zu berücksichtigen, wenn sie entweder untrennbarer Bestandteil
einer Maßnahme der Grundpflege sind oder wenn sie aus medizinisch-pflegerischen Gründen in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen
Zusammenhang mit einer Maßnahme der Grundpflege erforderlich werden. Daran fehlt es hier; die Hilfeleistungen zu den sportlichen
Aktivitäten des Kläger stehen mit keiner anderen Verrichtung der Grundpflege (§
14 Abs.
4 Nrn. 1 bis 3
SGB XI) in unmittelbarem Zusammenhang (vgl. BSG, Urteil vom 10. Oktober 2000, B 3 P 15/99 R, SozR 3-3300, § 14 Nr. 16, zu der Betätigung eines Diabetikers in Form des als Teils der ärztlichen Therapie anerkannten
Spazierengehens).
Die Begrenzung des für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen maßgebenden Hilfebedarfs
auf die im Katalog des §
14 Abs.
4 SGB XI im einzelnen aufgeführten Verrichtungen ist nicht verfassungswidrig. Das
Grundgesetz räumt kein Recht auf den Bezug bestimmter Sozialleistungen ein; eine Ausnahme stellt lediglich der durch Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
2 und Art.
20 GG gewährleistete Anspruch auf das Existenzminimum (vgl. BVerfGE 82, 60, 80 und 364, 368) dar, den die Sozialhilfe sicherstellt. Es ist ferner nicht zu erkennen, dass der Schutzbereich des Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG durch die Regelungen des
SGB XI berührt würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht erfüllt.