Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (noch) über die Feststellung einer Polyneuropathie als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1307 der
Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV - Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen) und nach der Nr. 13 der Berufskrankheiten-Liste der ehemaligen DDR
(Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten - Liste der
Berufskrankheiten - vom 21. April 1981, Gesetzblatt der DDR I Nr. 12, S. 137, 140 - Krankheiten durch organische Phosphorverbindungen).
Der 1949 geborene Kläger war in der ehemaligen DDR als Agrochemiker tätig. Zu seiner Tätigkeit gehörte insbesondere das Ausbringen
von Pflanzenschutzmitteln (Pestizide, Fungizide, Insektizide und Herbizide) auf landwirtschaftliche Flächen. Soweit vorliegend
relevant, war er von August 1971 bis April 1972 sowie von Oktober/November 1973 bis April 1991 (unterbrochen lediglich durch
eine ca. sechsmonatige Tätigkeit als Bauhelfer) bei der Bäuerlichen Handelsgesellschaft (BHG) T bzw. im Agrochemischen Zentrum
(ACZ) T, das aus der BHG hervorgegangen war, im Bereich Pflanzenschutz beschäftigt. Nach Angaben des Klägers erbrachte das
ACZ T Leistungen für die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften T, S und H auf einer Gesamtfläche von zirka 15 000
ha. Von Mai 1991 bis Dezember 1997/Januar 1998 war der Kläger beim Nachfolgebetrieb des ACZ T, der Firma A GmbH, tätig. Ab
1990 war er nach eigenen Angaben nur noch in der Werkstatt eingesetzt. Seit 1. Juli 2003 bezieht der Kläger nach eigenen Angaben
eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger gab zum Beginn seiner Erkrankung an, 1975 wegen Herzrasens mehrmals in der Rettungsstelle des D-Krankenhauses L
gewesen zu sein. Bereits 1980 habe er ein Taubheitsgefühl in den Beinen gespürt und sei deshalb seit 1994 in Behandlung gewesen.
Jedenfalls am 14. März 1996 stellte er sich mit Schmerzen und Missempfindungen im linken Fuß bei dem Arzt für Psychiatrie
und Neurologie Dr. O vor, der ein Radikulärsyndrom L5 diagnostizierte. Vom 9. Juli bis 8. August 1996 wurde der Kläger in
der Neurologischen Abteilung des St. J-Krankenhauses P behandelt, im Entlassungsbericht ist ausgeführt, dass die Aufnahme
erfolgt sei wegen eines erstmals im Oktober 1990 verspürten Taubheitsgefühls am linken Fuß, welches sich mit der Zeit auf
das gesamte linke Bein ausgebreitet habe. Diagnostiziert wurde der Verdacht auf eine Neuroborreliose. Der Verdacht auf eine
Polyneuropathie wurde, soweit ersichtlich, erstmals am 26. Februar 2002 aufgrund einer Vorstellung in dem Universitätsklinikum
B, Neurologische Klinik und Poliklinik, gestellt. Der Kläger war dort in der Folgezeit weiterhin in Behandlung; mit Arztbrief
vom 28. Februar 2003 wurde von hier eine sensibel akzentuierte, axonale distal-symmetrische Polyneuropathie unklarer Genese
mit autonomer Blasenstörung und Restharnbildung mitgeteilt. In einem Reha-Entlassungsbericht der Fachklinik W über eine dortige
Behandlung vom 3. bis 24. Dezember 2003 aufgrund der Diagnosen sensibel akzentuierte distal-symmetrische axonale Polyneuropathie,
sensible Gangataxie bei sensomotorischer Paraparese, autonome Dysregulation, Verdacht auf funikuläre Myelose bei Vitamin B12-Mangel
und chronische neuropathische Schmerzen ist ausgeführt, dass der Kläger nach eigenen Angaben und den dort vorliegenden Unterlagen
seit 1990 an einer Polyneuropathie mit einem chronisch-progredienten Krankheitsverlauf leide.
Eine Meldung der Krankenkasse des Klägers, dass wegen einer Polyneuropathie des Klägers der Verdacht auf eine BK bestehe,
leitete die Beigeladene an die Beklagte weiter, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt in ihrem Zuständigkeitsbereich tätig gewesen
sei. Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers, seinen Sozialversicherungsausweis und die
Akten des Rentenversicherungsträgers Landesversicherungsanstalt (LVA) Brandenburg bei.
Beigebracht wurde eine Erklärung des Leiters Pflanzenschutz im ACZ T bzw. ab 1984 des Kreises L Herrn D (ohne Datum), wonach
der Kläger nach seiner Wehrdienstzeit ohne Unterbrechung bis zur Auflösung im ACZ T tätig gewesen sei. Er sei bei frostfreiem
Wetter fast nur mit Pflanzenschutzmaßnahmen beschäftigt gewesen, die Mittel seien von ihm ausgebracht worden. Der Erklärung
waren beigefügt drei Listen mit Namen und Wirkstoffen der ausgebrachten Mittel. Auch seitens des Klägers wurden Listen mit
von ihm verwendeten Wirkstoffen beigebracht.
Die Beklagte ermittelte über ihre Abteilung Prävention, für die der Technische Aufsichtsbeamte N am 21. April 2004 nach einer
Befragung des Klägers mitteilte, dass der Kläger eine Ausbildung zum Agrochemiker abgeschlossen habe und für die Firmen BHG,
ACZ und A GmbH tätig gewesen sei. Die Betriebe existierten nicht mehr, die Angaben basierten ausschließlich auf den Aussagen
des Klägers sowie auf den eingeholten Auskünften ehemaliger Arbeitskollegen. Der Kläger habe jeweils während der Pflanzenschutzsaison,
welche von Anfang März bis Ende Oktober jeden Jahres gelaufen sei, die Aufgabe gehabt, Pflanzenschutzmittel auszubringen,
dies sei außer am Wochenende täglich erfolgt. In den übrigen Zeiträumen habe er Düngemittel entladen und ausgebracht sowie
Transportarbeiten als Kraftfahrer und den Winterdienst verrichtet. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger mit allen während
des Zeitraumes zugelassenen Pflanzenschutzmitteln Umgang gehabt habe. Eine detaillierte mengenmäßige Zusammenstellung sei
nicht möglich. Ab zirka Mitte 1991 sei er aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr mit dem Ausbringen von Pflanzenschutz-
und Düngemitteln, sondern in der Werkstatt eingesetzt gewesen.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Dr. M, Chefarzt der Neurologie der Landesklinik B, vom 11. November 2004 zur Frage des
Bestehens einer BK 1317 (Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) ein. Er diagnostizierte ein Polyneuropathie-Syndrom
distal symmetrisch, sensibel. Eine 2002 vorgenommene Nervenbiopsie in der Neurologischen Klinik des Be-Klinikums habe die
Ursache der Polyneuropathie nicht erkennen lassen. Eine exakte Zuordnung der Einwirkung von Noxen, die ein Polyneuropathie-Syndrom
auslösten, sei nicht möglich, da sie nicht zu einem pathognomonischen Befund führten. Als konkurrierende Schädigungsursache
müsse der im Juli 2003 erhobene pathologische Glukosetoleranztest gewertet werden, das klinische Bild der diabetischen Polyneuropathie
weiche aber von dem vorliegenden Prädilektionsbild ab und eine manifeste Diabetes-Erkrankung liege nicht vor. Eine entzündliche
Ursache sei durch mehrmalige Liquorpunktionen ausgeschlossen worden. Eine immunvermittelte Polyneuropathie habe durch die
Biopsie nicht bestätigt werden können. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei die jahrelange Einwirkung der chemischen
Noxen und hier vor allem der organischen Verbindungen ursächlich für den Ausbruch der Polyneuropathie. Die Abteilung Prävention
der Beklagten teilte am 4. Januar 2005 hierzu mit, dass die vorliegenden Erkenntnisse keine Hinweise auf eine Exposition entsprechend
der BK 1317 ergäben, es könne hingegen u. a. von einer Gefährdung im Sinne der BK 1307 ausgegangen werden, dies sei weiter
abzuklären.
Mit arbeitsmedizinischer Stellungnahme vom 23. März 2005 teilte Dr. G mit, dass aufgrund der Tätigkeit als Agrochemiker in
den Jahren 1975 bis 1991 von einer insbesondere inhalativen Exposition gegenüber verschiedenen neurotoxischen Pestiziden (phosphororganische
Verbindungen, Halogenkohlenwasserstoffe) im Sinne einer Gefährdung nach den BK-Ziffern 1302, 1307 und 1310 auszugehen sei.
Die in der Vergangenheit durchgemachte Neuroborreliose käme nicht als Ursache der Polyneuropathie in Frage. Weitere außerberufliche
Ursachen hätten ebenfalls nicht festgestellt werden können. Der gutachterlichen Auffassung, dass es sich bei der Polyneuropathie
um eine Folge der beruflichen Neurotoxinexposition handele, werde beigetreten. Die Abteilung Prävention der Beklagten teilte
mit Stellungnahme des Dr. F vom 6. Juli 2005 mit, aufgrund der bisher durchgeführten Ermittlungen von einer gefährdenden Tätigkeit
u.a. im Sinne der BK 1307 und der Nr. 13 der
BKV der DDR auszugehen.
Die Beklagte holte sodann ein Gutachten des Diplom-Chemikers und Facharztes für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin
Dr. P vom 16. September 2005 ein. Dieser führte aus, dass der Kläger an einem schwergradigen Polyneuropathie-Syndrom mit axonaler,
aber auch demyelinisierender Komponente leide. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger einer Belastung durch Pflanzenschutzmittel
ausgesetzt gewesen sei, welche bei professionellen Pflanzenschutzmittelausbringern der ehemaligen DDR an der Tagesordnung
gewesen seien. Insgesamt sprächen jedoch der Schweregrad und der Verlauf der Erkrankung gegen eine berufsbedingte Polyneuropathie,
wenngleich die Möglichkeit eines beruflichen Zusammenhanges im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden könne. Die Erkrankung
habe im Oktober/November 1990 begonnen. Unmittelbar danach sei die Tätigkeit des Pflanzenschutzmittelausbringens beendet worden.
Im Laufe der Jahre habe sich die Erkrankung nach und nach bis zum gegenwärtigen schwerwiegenden Krankheitsbild verschlechtert,
ohne dass eine weitere Exposition bestanden habe. Ein solcher Verlauf spräche gegen eine toxische Polyneuropathie. Hier erwarte
man eigentlich einen Stillstand der Erkrankung oder gar eine Besserung, nicht jedoch eine kontinuierliche Verschlimmerung,
da die Halbwertzeit der eingesetzten Pflanzenschutzmittel im Organismus nur kurz sei. Eine Polyneuropathie im Zusammenhang
mit einer chronischen Phosphorsäureesterbelastung sei nicht beschrieben. Es ergäben sich auch keine gesicherten Erkenntnisse
darüber, dass in der Berufsgruppe der Pflanzenschutzmittelausbringer vermehrt Polyneuropathien aufgetreten seien.
Mit gewerbeärztlicher Stellungnahme vom 25. Oktober 2005 empfahl die Fachärztin für Arbeitsmedizin Dipl.-Med. T, eine BK nicht
anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 10. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung des Klägers als BK, insbesondere der
Nrn. 1302, 1307, 1310 und 1317 der Anlage zur
BKV bzw. nach den Nrn. 13 und 21 der
BKV der ehemaligen DDR, ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2006 zurück. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Einwirkungen am Arbeitsplatz
und der Polyneuropathie sei nicht wahrscheinlich.
Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger die Feststellung einer BK 1307 geltend und begehrte die Gewährung einer
Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v. H. Er brachte eine Stellungnahme des
Herrn D vom 1. Juni 2010 zu seiner Exposition bei.
Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Sozialgericht Potsdam die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland
zum Verfahren beigeladen. Im Anschluss an eine sich hinziehende Auseinandersetzung über die Frage, wer auf Seiten der Berufsgenossenschaften
zuständig sei, erklärte schließlich die Beigeladene mit Schriftsatz vom 26. April 2010, bereits mit Schriftsatz vom 18. Dezember
2007 ihre Zuständigkeit erklärt gehabt zu haben. In der Folgezeit bestätigte sie im Termin vor dem Sozialgericht am 31. Mai
2012 erneut ihre Zuständigkeit.
Das Gericht hat am 25. März 2010 einen Erörterungstermin durchgeführt, Befundberichte des Facharztes für Urologie Dr. H vom
9. Juni 2011 und der Fachärztin für Neurologie G vom 28. August 2011 eingeholt und ein im Verfahren auf Anerkennung eines
höheren Grades der Schwerbehinderung erstattetes Gutachten der Prof. Dr. C/Dr. S, E-Klinikum, vom 31. August 2009 beigezogen,
die ausführten, dass der Kläger aufgrund der durch die Polyneuropathie bedingten Gleichgewichtsstörungen vollständig abhängig
und auf fremde Hilfe angewiesen sei, die Mobilität und Eigenständigkeit im täglichen Leben seien deutlich reduziert.
Die Beigeladene hat auf Anforderung des Gerichtes eine Stellungnahme ihres TAD, hier des Technischen Aufsichtsbeamten F, vom
6. Juli 2011 eingeholt, der ausführte, dass auch nach Befragung des ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers Herrn D weiter
jede Angabe darüber fehle, welche Mittel in welcher Zeit und in welcher Konzentration vom Kläger ausgebracht worden seien.
Abgesehen von Birlane seien sämtliche Mittel in verdünnter Form ausgebracht worden. Ausschließlich beim Einfüllen habe Umgang
mit den Konzentraten bestanden. Man gehe von einer sicheren Einhaltung der Grenzwerte für die Wirkstoffe aus, sofern solche
überhaupt existierten. Pflanzenschutzmittel würden zu mehr als 90 % über die Haut aufgenommen, der Rest respirativ. Soweit
der Kläger angegeben habe, dass bei Verstopfungen der Düsen die Füße mit den Spritzmitteln in Kontakt geraten seien, dürften
damit das Schuhwerk und die anwendungsgemäß verdünnte Spritzbrühe gemeint sein. Zusammenfassend sei der Nachweis einer schädigenden
Tätigkeit im Sinne einer BK nicht erbracht.
Das Gericht hat sodann ein arbeitsmedizinisch-toxikologisches Fachgutachten des Prof. Dr. N vom 7. März 2012 eingeholt, der
zu dem Ergebnis kam, dass sich beim Kläger eine neurotoxische Polyneuropathie fände, die nachweislich und mit Wahrscheinlichkeit
ursächlich im Sinne der Entstehung auf den Umgang mit organischen Lösungsmitteln oder deren Gemischen in seiner beruflichen
Tätigkeit zurückzuführen sei. Die berufliche Exposition des Klägers gegenüber Organophosphaten sei die alleinige Ursache der
Erkrankung. Wenn auch der direkte Beweis für eine gesundheitsgefährdende Exposition nicht mehr geführt werden könne, solle
doch am Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Verursachung der beim Kläger bestehenden Erkrankung aus der
allgemeinen arbeitsmedizinischen Erfahrung nicht gezweifelt werden. Es hätten zwar Schutzhandschuhe und Schutzanzüge aus Gummi
zur Verfügung gestanden, doch sei die Gummikleidung für den Sommer absolut ungeeignet gewesen und nicht getragen worden. Ferner
habe der Kläger mit den aufgelisteten Stoffen direkten Hautkontakt über ungeschützte Hautpartien (Arme, Gesichts- und Halsbereich)
sowie durch verschmutzte Arbeitskleidung gehabt. Die ausgegebene Kleidung habe von den Arbeitnehmern selbst gesäubert werden
müssen. Die einwirkenden Aerosole hätten sich zwangsläufig auf der Arbeitskleidung niedergeschlagen und seien dort eingetrocknet,
so dass die in ihnen enthaltenen Wirkstoffe mit der Zeit akkumuliert seien. Es habe auch die Möglichkeit der Schadstoffaufnahme
bei der Einnahme von Nahrungsmitteln am Arbeitsplatz und beim Rauchen bestanden. Die auf die Wirkstoffkonzentrationen in den
versprühten Aerosolen eingeengte Betrachtung des TAD führe zwangsläufig, sehe man von Birlane in Granulatform ab, zu einer
wesentlichen Unterschätzung der auf dem Hautwege einwirkenden Dosen. Dies gelte insbesondere auch für die übrigen staubförmig
vorliegenden Pflanzenschutzmittel. In Konsequenz der Darlegung des Herrn F hätte es im Pflanzenschutz nicht zu gewerblichen
Gesundheitsschädigungen kommen können. Dagegen würden in der Standardliteratur allein die neurotoxischen Schäden als typisch
für Anwender von Pflanzenschutzmitteln herausgestellt.
Zum Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Exposition gegenüber Pestiziden und dem Auftreten einer Neuropathie führte er
aus, dass sogenannte verzögerte Polyneuropathien, die nach Intoxikationen mit Organophosphaten aufträten, als Folge derartiger
Intoxikationen wissenschaftlich außer Zweifel stünden. Entgegen Dr. P gebe es Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur
für eine Häufung toxischer Polyneuropathien in der Berufsgruppe, der der Kläger zuzuordnen sei. In der
BKV erschienen Beschäftigte, welche beruflich gegenüber Schädlingsbekämpfungsmitteln (Pestiziden) exponiert seien, unter den
Ziffern 13 als definierte Berufsgruppe. Im vorliegenden Fall habe der Kläger insbesondere zur Gruppe der Exponierten gegenüber
organischen Phosphorverbindungen (BK 1307) gehört. Die Gefährdung dieser Berufsgruppe durch verzögert auftretende Polyneuropathien
nach akuten Intoxikationen sehe er außer Zweifel. Erste Berichte über monate- bis jahrelang bestehende Lähmungserscheinungen
an Armen und Beinen als Spätsymptome nach Vergiftungen mit Organophosphaten seien schon in den 1950-er Jahren erschienen.
Neue Erkenntnisse könnten aus einer Arbeit von Parrón et al 2011 abgeleitet werden. Die Autoren hätten 17 429 Fälle mit neuro-psychiatrischen
Erkrankungen hinsichtlich der Häufung einzelner Diagnosen in Abhängigkeit von der umweltbedingten Belastung durch Pestizide
untersucht und bei der männlichen Bevölkerung ein erhöhtes Risiko u. a. für Polyneuropathien gefunden. Die Untersuchung sei
ausdrücklich als Beitrag zur Frage neurologischer Folgeschäden nach beruflicher Anwendung von Pestiziden konzipiert gewesen.
Der generelle Kausalzusammenhang stelle sich damit heute noch überzeugender dar.
Einzuwenden sei zwar, dass akute Intoxikationen des Klägers unter der Exposition von Organophosphaten nicht eindeutig dokumentiert
seien. Schließlich klängen verzögerte Polyneuropathien nach Einwirken von Organophosphaten in aller Regel ab, wenn die Exposition
beendet werde. Allerdings sei es vorliegend zu akuten Intoxikationen offenbar nicht nur vereinzelt, sondern mehrfach gekommen.
Der Kläger habe auf Befragen telefonisch mitgeteilt, dass er wiederholt seine Arbeit auf dem Feld wegen plötzlich auftretender
gesundheitlicher Probleme habe unterbrechen und mehrere Male sofort zum diensthabenden Arzt habe gebracht werden müssen. Er
habe dabei ein quälendes Herzrasen verspürt und sei dann jeweils weiter zu klinischen Untersuchungen und Behandlungen nach
L gefahren. Dort habe er Injektionen mit Falicard erhalten. Prüfe man die in den Akten enthaltenen Angaben über ärztliche
Behandlungen, so falle vor allem auf, dass der Kläger offenbar am 29. August 1987, dann am 14. April 1990 zur Rettungsstelle
L gebracht worden sei. Nach seinem gutachterlichen Urteil erscheine die Annahme einer Polyneuropathie vom verzögerten Typ
aufgrund der offenkundig bestehenden zeitlichen Zuordnung zu akuten Affektionen aber auch deshalb besonders naheliegend, weil
die erwähnten konkurrierenden neurotoxischen Einwirkungen allein nicht als Ursache der Polyneuropathie angesehen werden könnten.
Bei dieser Beweislage eine der Polyneuropathien anzunehmen, die ursächlich nicht geklärt werden könnten, erscheine unplausibel.
Ob auch niedrigere Expositionen, welche nicht zu akuten Intoxikationen führten, über längere Zeit Polyneuropathien auslösen
könnten, sei in der Literatur umstritten. Die Frage könne zurzeit nicht als geklärt angesehen werden.
Für gesichert halte er die berufliche Verursachung aber bei zusätzlicher Würdigung des Krankheitsverlaufes, der in hohem Maße
dem einer toxisch bedingten Schädigung auch des zentralen Nervensystems entspräche.
Zu außerberuflichen Gefährdungen führte er aus, dass die Diagnose eines Typ II-Diabetes laborchemisch nicht untermauert und
in der Folgezeit bei ärztlichen Untersuchungen nicht aufrechterhalten worden sei. Allerdings sei die Medikamentenanamnese
zu berücksichtigen. Der Kläger werde seit langem mit dem Kalziumantagonisten Falicard behandelt, aufgrund dessen eine Verstärkung
der beruflichen neurotoxischen Einwirkung anzunehmen sei. Dass im vorliegenden Fall eine Polyneuropathie zu beurteilen sei,
welche nach Beendigung der gefährdenden Exposition nicht abgeklungen, sondern sogar noch progredient verlaufen sei, finde
nach seinem Urteil eine überzeugende Erklärung darin, dass außerberufliche neurotoxische Einwirkungen, welche allein nicht
zu dieser Erkrankung hätten führen können, weiterhin bestanden hätten. Hier sei insbesondere an die Neigung zu diabetischer
Stoffwechsellage sowie die erst im August 2003 einsetzende vollständige Alkoholkarenz zu denken. Entscheidende Bedeutung messe
er aber der kontinuierlich fortgeführten Behandlung mit dem Kalziumantagonisten Falicard zu.
Das Gericht hat eine Rückfrage an den Sachverständigen Prof. Dr. N gerichtet, welche BK der Gruppe 13 nach seiner Auffassung
ggf. beim Kläger vorliege. Dieser führte hierzu mit Stellungnahme vom 23. Mai 2012 aus, dass eine Mitwirkung von Lösemitteln
zwar nicht auszuschließen sei, dass jedoch die Gruppe der Organophosphate unter den Gefahrstoffen, mit denen der Kläger beruflich
in Kontakt gekommen sei, mit Abstand am häufigsten genannt worden sei. Es entspräche auch der arbeitsmedizinischen Erfahrung,
dass unter den in der Landwirtschaft verwendeten Pestiziden organische Phosphorsäureester einen hohen Anteil gehabt hätten.
Dass dies auch in der ehemaligen DDR der Fall gewesen sei, sei ihm von Prof. Dr. S bestätigt worden, welche die dort seinerzeit
herrschenden Verhältnisse bei der Schädlingsbekämpfung aus eigener wissenschaftlicher Arbeit kenne. Die vorliegenden Fakten
sollten ausreichen, um die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 1307 zu bejahen. Dr. P könne nicht gefolgt werden.
Die sogenannte verzögerte Polyneuropathie nach beruflicher Intoxikation durch Organophosphate sei von ihm nicht in die Betrachtung
einbezogen, nicht einmal erwähnt worden. Die Tatsache, dass der Kläger nachweislich wiederholt während der Arbeit kollabiert
sei und notärztlich habe behandelt werden müssen, habe keine Aufmerksamkeit gefunden. Hinweisen auf zwischenzeitlich erkennbare
Beeinträchtigungen zentralnervöser Funktionen wie Störungen der Wahrnehmung und der mnestischen Funktionen sowie der Konzentrationsfähigkeit
sei nicht nachgegangen worden. Die Dauermedikation mit dem neurotoxischen Medikament Falicard sei nicht beachtet worden, sonst
hätte dem Aspekt der Chronifizierung akuter Neuropathien durch bekannte Nebenwirkungen einer langjährigen Medikation nicht
ausgewichen werden können. Die neue Veröffentlichung von Parrón über gehäuft auftretende Polyneuropathien nach Anwendung von
Pestiziden habe nicht berücksichtigt werden können, da sie zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. P noch nicht vorgelegen
habe.
Mit Urteil vom 31. Mai 2012 hat das Gericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die beim Kläger bestehende
Polyneuropathie keine BK sei und eine Verurteilung der zuständigen Beigeladenen daher nicht in Betracht gekommen sei. Für
die Erkrankung des Klägers müssten nach §
215 Abs.
1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII), i. V. m. § 1150 Abs. 2
Reichsversicherungsordnung (
RVO) die Voraussetzungen für die Anerkennung als BK sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach dem Recht
des Bundesgebietes erfüllt sein. Vorliegend seien bereits die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach bundesdeutschem
Recht nicht erfüllt. Dies richte sich nach den Vorschriften der
RVO, weil die geltend gemachte BK vor Inkrafttreten des
SGB VII am 1. Januar 1997 aufgetreten sei, so dass dessen Bestimmungen nicht anwendbar seien; für derartige Fälle werde auf die
RVO verwiesen. Die Kammer sei nicht mit dem erforderlichen Maß davon überzeugt, dass und in welchem Umfang der Kläger welchen
Stoffen auf welchem Weg ausgesetzt gewesen sei. Zwar lägen die Auskünfte des bis 1983 im Beschäftigungsbetrieb des Klägers
tätig gewesenen Zeugen D und die eigenen Aussagen des Klägers vor. Hieraus könne aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
darauf geschlossen werden, wann und in welchem Umfang der Kläger organischen Phosphorverbindungen ausgesetzt gewesen sei.
Es gebe keinen arbeitstechnischen Beweisnotstand, welcher die Feststellung einer konkreten Gefährdung entbehrlich mache. Es
stünde auch nicht fest, welche Mengen von organischen Phosphorverbindungen der Kläger über welchen Zeitraum aufgenommen habe.
Darüber hinaus fehle es an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen einer beruflich bedingten
Einwirkung von organischen Phosphorverbindungen und der Erkrankung des Klägers an einer Polyneuropathie. Aufgrund der Ausführungen
des Sachverständigen könne letztlich nur von der bloßen Möglichkeit einer Verursachung ausgegangen werden.
Gegen dieses ihm am 13. August 2012 zugegangene Urteil richtet sich die am 10. September 2012 eingegangene Berufung des Klägers.
Der Kläger verweist auf das Ergebnis der Ausführungen des Prof. Dr. N, soweit sich dieser zur BK Nr. 1307 geäußert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 31. Mai 2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2005 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006 abzuändern und festzustellen, dass die bei ihm bestehende sensibel
akzentuierte axonal distal-symmetrische Polyneuropathie eine Berufskrankheit nach Nr. 13 der
Berufskrankheiten-Verordnung der ehemaligen DDR sowie eine Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung ist und festzustellen, dass wegen der Folgen dieser BK die Beigeladene zur Erbringung von Leistungen verpflichtet ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte teilt mit, bei einer gefährdenden Einwirkung für die Zeit nach 1990 zuständig zu sein. Da eine solche jedoch
nicht im Vollbeweis habe nachgewiesen werden können, sei die Beigeladene zuständig, diese habe ihre Zuständigkeit auch anerkannt.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene verweist auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. K vom 16. Juni 2015 und führt aus, dass der Vollbeweis
einer schädigenden Tätigkeit nach wie vor nicht erbracht sei. Es bleibe im Ergebnis der arbeitstechnischen Ermittlungen unklar,
welchen Stoffen der Kläger im Einzelnen in welchem Ausmaß tatsächlich ausgesetzt gewesen sei. Die Überlegungen des Sachverständigen
überschritten insgesamt das Maß der Vermutungen nicht. Dr. K führt aus, dass Krankheitsbilder der peripheren Neuropathie trotz
massivem, jahrelangem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft keine Rolle gespielt hätten. Die Kenntnis, welche
Organophosphate eingesetzt worden seien, sei aber selbstverständlich Grundvoraussetzung für die Kausalitätsdiskussion, zumal
die toxikologische Potenz der einzelnen Pflanzenschutzmittel ganz unterschiedlich sei und die meisten gar nicht neurotoxisch
seien. Es lägen zur angeschuldigten Exposition keinerlei interpretationsfähige Informationen vor, sondern nur pauschale Vermutungen.
Das Krankheitsbild sei fünf Jahre nach Expositionsabkehr aufgetreten und in den folgenden zehn Jahren auffallend progredient
unter Hinzutreten erweiterter Symptomatik gewesen, beides widerspräche jeder arbeitstoxikologischen Erfahrung, wenn nicht
schwere Vergiftungsbilder nachweislich vorangegangen seien, was beim Kläger nicht erwiesen worden sei. Die Diagnosesicherung
einer Organophosphatvergiftung stehe und falle klassischerweise mit der Aussage über Höhe und Entwicklung der Cholinesterasespiegel,
die vorliegend nie ermittelt worden seien. Die prädiabetische Stoffwechsellage und die nach Zitat von Prof. Dr. N beachtliche
Alkoholvorgeschichte seien lehrbuchhafte konkurrierende Kausalfaktoren für die Polyneuropathie und erklärten auch den fortschreitenden
Verlauf der Erkrankung zwanglos.
Das Gericht hat eine Rückäußerung des Dr. P vom 20. August 2013 eingeholt, der ausführte, dass zwischen den Gutachtern Übereinstimmung
dahingehend bestünde, dass der Kläger von zirka 1975 bis Mitte der 1990-er Jahre verschiedenste Pflanzenschutzmittel ausgebracht
habe, die, wie es damals üblich gewesen sei, recht sorglos gehändelt worden seien. Umfängliche Körperschutzmaßnahmen seien
nicht zum Einsatz gekommen. Atemschutz sei offenbar nicht getragen worden. Die zur Verfügung gestellten Gummischutzanzüge
seien insbesondere an heißen Tagen offenbar nicht verwendet worden. Es bestünde kein Zweifel daran, dass der Kläger einer
Belastung durch Pflanzenschutzmittel in einem Maße ausgesetzt gewesen sei, wie es in der ehemaligen DDR und auch in der Bundesrepublik
üblich gewesen sei. Eine Quantifizierung sei nicht mehr möglich. Akute Intoxikationsereignisse durch Pflanzenschutzmittel
ergäben sich nach Aktenlage nicht. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass es zweimalig zu leichten Angiftungen mit
Pflanzenschutzmitteln gekommen sei, belegen lasse sich dies jedenfalls nicht. Eine typische Intoxikationssymptomatik einer
Phosphorsäureester- oder Carbamatvergiftung sei durch die dokumentierten Vorstellungen in der Rettungsstelle L wegen Herzrasens
nicht zu belegen. Bei einer Vergiftung durch Phosphorsäureester bzw. Carbamate erwarte man zunächst eine Bradykardie, eine
Verlangsamung der Herzfrequenz, nicht jedoch unbedingt eine Beschleunigung der Herzfrequenz (Tachykardie). Auf keinen Fall
lasse sich eine schwerergradige akute bzw. subakute Intoxikation mit Pflanzenschutzmitteln belegen. In der Literatur fänden
sich eindeutige Belege dafür, dass nach einer akuten Vergiftungssymptomatik durch Organophosphate eine Polyneuropathie einträte.
Dieses Krankheitsbild könne auch als verspätete Polyneuropathie auftreten. Nach einer Low-Dose-Langzeitexposition, wie sie
beim Kläger der Fall gewesen sei, sei eine organophosphatbedingte Polyneuropathie nicht gesichert. Jedenfalls sei die Verschlimmerungstendenz
nicht zu erklären.
Das Gericht hat ferner eine Rückäußerung des Prof. Dr. N vom 23. September 2014 eingeholt, der ausführte, dass Dr. P auf die
von ihm in seiner ersten Rückäußerung genannten Mängel weitgehend nicht eingegangen sei. Zur Publikation von Parrón et al
habe er sich nicht geäußert, wie er überhaupt vorwiegend Literatur des vergangenen Jahrhunderts heranziehe, jedoch neuere
Erkenntnisse nicht berücksichtige. Aufgrund der Studie von Parrón lägen nunmehr gesicherte Erkenntnisse vor, dass es nach
Low-Dose-Expositionen gegenüber Organophosphaten zu Polyneuropathien komme. Inzwischen gäbe es auch weitere Mitteilungen über
die Häufigkeit von Polyneuropathien nach Low-Dose-Exposition gegenüber Pestiziden, hauptsächlich Organophosphaten, benannt
wurden hier weitere Studien. Der Kläger habe nicht seltene Kollapszustände beschrieben, bei denen der Notarzt habe herbeigerufen
werden müssen, zweimal sei sogar stationäre Behandlung bis zum nächsten Tag erforderlich gewesen, eine außerberufliche Ursache
sei nicht gefunden worden. Diese Zustände seien in arbeitsfreien Intervallen nicht vorgekommen und auch nach Beendigung der
beruflichen Exposition gegenüber Pestiziden nicht mehr, was sehr für einen Zusammenhang mit der Exposition spräche. Die Behauptung,
verzögerte Polyneuropathien nach Organophosphat-Einwirkung könnten nicht progressiv verlaufen, belege Dr. P nicht mit Literatur
mit Beobachtungen zum Krankheitsverlauf, seine diesbezügliche Einschätzung erschiene sachlich unbegründet. Vielmehr ergäbe
sich eine Analogie zur Anerkennungspraxis bei der BK 1317, wo eine vergleichbare Handhabung mit Herausgabe des neuen Merkblattes
verlassen worden sei, auch hier sei mittlerweile anerkannt, dass sich zwar lösungsmittelbedingte Polyneuropathien nach Unterlassung
der gefährdenden Tätigkeit häufig besserten, nicht selten bliebe diese jedoch klinisch konstant oder verschlechtere sich.
Diese Grundsätze seien übertragbar. Auch auf die Auswirkungen des Medikamentes Falicard sei Dr. P nicht eingegangen. Er gelange
zu dem Fazit, dass ungeschütztes Versprühen von Organophosphaten über längere Zeiträume auch dann ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung
wesentlich erhöhtes Risiko bedinge, an einer verzögerten Polyneuropathie zu erkranken, wenn die Höhe der Exposition nicht
ausreiche, akute Intoxikationen auszulösen.
Das Gericht hat ferner ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Kardiologie,
Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. B, Institut für Arbeitsmedizin der C, Universitätsmedizin B, vom 3. März 2015 eingeholt,
der ausführte, dass insgesamt davon auszugehen sei, dass die Expositionsdosis für die Verursachung einer BK 1307 ausgereicht
habe. Der Kläger sei langjährig gegenüber einer kaum vorstellbaren Menge und Vielzahl toxischer Pflanzenschutzmittel weitgehend
ungeschützt sowohl inhalativ als auch kutan (Hautkontakt, auch über die kontaminierte Kleidung) ausgesetzt gewesen. Auch sei
von einer gewissen, allerdings weit nachrangigen inhalativen Aufnahme durch das Rauchen und durch perorale Aufnahme auszugehen,
da ohne größere Körperreinigung und ohne Wechsel der Kleidung auch während der Arbeitszeit gegessen und geraucht worden sei.
Der Kläger habe intensiven Kontakt mit einer Reihe neurotoxischer Pflanzenschutzmittel, so mit mindestens sechs Organophosphaten,
Carbamaten, organischen Metall- und Halogenverbindungen, gehabt. Eine Auflistung der eingesetzten Pflanzenschutzmittel finde
sich in der Akte der Beklagten, ferner in handschriftlichen Notizen des Leiters des Pflanzenschutzes des Kreises L Herrn D
und in dem in den BG-Akten befindlichen Pflanzenschutzverzeichnis 1984/1985 der DDR. Es sei von einer hohen chronischen und
intermittierend von einer extrem hohen Exposition auszugehen, dies infolge des tagelangen Spritzens solcher Produkte auch
bei ungünstigen Windverhältnissen. Zu verweisen sei auf das offene Fahrerhaus des Traktors vor der Spritze bis 1980 bzw. danach
auf die offenen Fenster des Lkw mit offener Verbindung des Fahrerhauses zur aufgesetzten Spritze, so dass in dem von dem Kläger
ganz überwiegend gefahrenen offenen Schlepper bzw. Lkw eine ständige mehr oder weniger starke Aerosol-Belastung neben dem
direkten Hautkontakt an den unbedeckten Stellen der Hände, Arme, Beine, des Gesichts und des Halses beim Anrühren und Füllen
des Tanks etc. bestanden habe. Des Weiteren sei die Kleidung oft nicht nur oberflächlich mit Pflanzenschutzmitteln kontaminiert
gewesen, sondern teilweise regelrecht durchfeuchtet, so durch Sprühnebel bei ungünstigen Windverhältnissen und Reparaturen,
durch den Kontakt mit gespritzten Pflanzen sowie verschüttete oder beim Anrühren/Befüllen der Tanks versehentlich aufgebrachte
Pflanzenschutzmittel.
Es sei ferner hinreichend wahrscheinlich, dass die beim Kläger bestehende fortgeschrittene Polyneuropathie durch die von ihm
in großen Mengen unter sehr ungünstigen arbeitshygienischen Bedingungen langjährig eingesetzten organischen Phosphorverbindungen
verursacht worden sei und dass es sich um eine Erkrankung im Sinne der BK 1307 der Anlage zur
BKV bzw. der BK 13 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von BKen der DDR handele. Die wiederholt aufgetretenen
expositionsbezogenen Krankheitserscheinungen (Kollaps, Erfordernis notärztlicher Behandlungen, Herzrasen, Hautreizungen und
-schuppungen) seien auf die chronische, intermittierend extrem hohe Belastung mit Pflanzenschutzmitteln, vor allem Organophosphaten,
zurückzuführen. Sowohl die akuten Intoxikationssymptome als auch die chronischen Krankheitserscheinungen seien typisch für
die Substanzgruppe. Entsprechendes gelte im Sinne der gegebenen haftungsausfüllenden Kausalität für die sich progredient entwickelt
habende schwere axonale Polyneuropathie mit Befall vor allem der unteren Extremitäten. Wie anhand der Literatur dargestellt,
seien hierfür auch die objektivierten pathologischen, klinischen, histologischen und elektrophysiologischen Befunde typisch
(Lokalisation untere Extremität, symmetrischer sensibler axonaler Befall, Gang- und Standataxie, Beteiligung autonomer Funktionen,
ASR-Verlust, früh einsetzende Muskelschwäche, Demyelinisierung, EMG-Veränderungen). Die jahrelang hohe, phasenweise exzessive
Exposition gegenüber Organophosphaten habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits ab den 1970-er Jahren wiederholt zu
Intoxikationen und zu einer ab Ende der 1980-er Jahre manifesten Polyneuropathie geführt. Der tatsächliche Krankheitsbeginn
seibereits für Ende der 1980-er Jahre anzunehmen, als Beschwerden im Sinne einer Polyneuropathie bzw. 1990 mit dann progredientem
Verlauf aufgetreten seien. Objektiv belegt sei die Diagnose allerdings erst seit 1996.
Es gäbe keinen Hinweis auf eine andere Ursache der vorliegenden schweren Polyneuropathie. Außerberufliche Faktoren des Krankheitsbildes
seien nicht erkennbar. Der einmalige pathologische Glukosetoleranztest sei nicht geeignet, das Krankheitsbild zu erklären.
Es sei wahrscheinlich, dass nachrangig auch neurotoxische Effekte durch die ebenfalls vielfach eingesetzten neurotoxischen
Chlor-Kohlenwasserstoffverbindungen, ferner durch neurotoxisch wirkende Carbamate und metallorganische Verbindungen hinzugekommen
seien. Das vorliegende Krankheitsbild lasse sich durch die Letzteren aber größtenteils nicht erklären. Hinweise auf einen
exzessiven Alkoholabusus bestünden nicht. Abweichend von Prof. Dr. N halte er die Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen pathogenetischen
Einflusses des Medikamentes Falicard für wenig wahrscheinlich, zumal eine übliche Dosierung erfolgt sei und eine derart schwere
Polyneuropathie, wie sie hier vorliege, in der Literatur als Nebenwirkung dieses Medikamentes nicht zu finden sei. Wie in
- im Einzelnen genannten - Veröffentlichungen ausgeführt, sei die Auslösung verzögerter und auch spät auftretender Polyneuropathien
durch bestimmte, im vorliegenden Fall vielfach eingesetzte Organophosphate gut belegt. Dies beträfe auch die Involvierung
des autonomen Nervensystems. Die biologische Halbwertzeit der meisten Organophosphate betrage nur wenige Tage, es gäbe aber
auch lipophile Verbindungen, die eine wesentlich längere Halbwertzeit hätten. Im vorliegenden Fall sei die Gewichtsabnahme
von über 30 kg in den Jahren 1990 bis 1992 möglicherweise mit einer Freisetzung von Organophosphaten bzw. deren Metaboliten
aus dem Fettgewebe verbunden, dadurch lasse sich die erhebliche Progredienz des Krankheitsbildes ab diesem Zeitpunkt am ehesten
erklären.
Dr. P könne nicht gefolgt werden. Da durch ihn keine persönliche Anamnese erhoben worden sei, hätten ihm wesentliche Informationen
nicht zur Verfügung gestanden. Entgegen Dr. P sei nicht von einer chronischen Low-Dose-Exposition auszugehen, sondern zweifelsohne
von einer hohen und phasenweise exzessiven Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln einschließlich mindestens sechs Organophosphaten.
Derartige Expositionen seien geeignet, Polyneuropathien im Sinne der BK 1307 der Anlage zur
BKV und der Nr. 13 der ehemaligen DDR hervorzurufen. Weiter sei seiner Einschätzung zu widersprechen, dass keine schweren Intoxikationen
vorgelegen hätten, dass eine Polyneuropathie durch Phosphorsäureester in der Literatur nicht beschrieben sei, dass sich keine
gesicherten Erkenntnisse über Polyneuropathien in der Berufsgruppe der Pflanzenschutzmittelausbringer ergäben und dass ein
Kausalzusammenhang nicht herzustellen sei. Er liefere keine differenzierte Auseinandersetzung mit dem in der Literatur wiedergegebenen
Kenntnisstand, so dass seine Einschätzung letztendlich unbegründet bleibe und nicht nachvollzogen werden könne. Insbesondere
sei darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zur Annahme des Dr. P Polyneuropathien durch organische Phosphorverbindungen nach
einer Reihe von Literaturmitteilungen keine Seltenheit darstellten. Auf der Basis einer aktuellen Literaturauswertung sei
auch bei einer eher niedrigen chronischen Organophosphatexposition von Low-Dose-Polyneuropathien auszugehen. Ferner weise
die neuere Literatur darauf hin, dass insbesondere nach wiederholten schweren Intoxikationen nicht mit einer Rückbildung des
Krankheitsbildes zu rechnen sei, es könne hingegen auch zu einer Progression kommen (Parrón et al). Übereinstimmung bestehe
mit dem Gutachten des Prof. Dr. N.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst
Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten, u.a. mit dem Pflanzenschutzmittelverzeichnis
der ehemaligen DDR.
Die vorliegend als Berufskrankheit geltend gemachte Polyneuropathie ist vor dem 01. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten.
Prof. Dr. B ging in seinem Gutachten von einem Erkrankungsbeginn Ende der 80-er Jahre aus. Der Kläger hat das seine Erkrankung
anfänglich prägende Taubheitsgefühl an einem Fuß bereits für Oktober 1990 berichtet (so die Angaben im Entlassungsbericht
des St. J-Krankenhauses P über die dortige Behandlung vom 9. Juli bis 8. August 1996 und gegenüber der Fachklinik W). Auch
Dr. P ging von einem Erkrankungsbeginn im Oktober/November 1990 aus, so dass insgesamt jedenfalls ein Erkrankungsbeginn vor
dem 1. Januar 1992 feststeht. Damit müssen also die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Versicherungsfalls sowohl nach
dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach dem Recht des Bundesgebietes erfüllt sein.
Für die Anerkennung als BK muss grundsätzlich eine versicherte Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o.
ä. auf den Körper geführt haben, und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben. Die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, bewiesen sein. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteile vom 02. April 2009, Az.: B 2 U 7/08 R, und Az.: B 2 U 30/087 R, zitiert nach juris.de). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht
gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese hat zur Ausgangsbasis
die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht
hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie
werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg
zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig".
Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den
Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte
für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches,
also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche
Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach den Einwirkungen, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden
Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten sind der Beurteilung des
Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen
Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische
Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler
anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, Az. B 2 U 13/05 R, zitiert nach juris).
Im Falle des Klägers sind sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 1307 erfüllt. Der Kläger leidet an einer fortgeschrittenen
sensibel akzentuierten axonal distal-symmetrischen Polyneuropathie, wie übereinstimmend alle Sachverständigen festgestellt
haben. Diese Erkrankung ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch chemische Einwirkungen, denen der Kläger an seinem
Arbeitsplatz in der Zeit von August 1971 bis April 1972 und von Oktober/November 1973 bis 1990 ausgesetzt war, verursacht
worden. Dies steht für das Gericht fest aufgrund der gutachterlichen Feststellungen der Prof. Dr. N und Prof. Dr. B, denen
sich das Gericht anschließt. Bei beiden Gutachtern handelt es sich um ausgewiesene Experten für die sich vorliegend stellenden
Fragen. Beide Gutachten sind aufgrund einer umfassenden Auswertung der Akten erstellt und detailliert begründet, Prof. Dr.
B hat zudem den Kläger persönlich befragt und untersucht. Beide Gutachter verweisen für ihre Schlussfolgerungen jeweils umfangreich
auf medizinische Veröffentlichungen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass diese Gutachter ihrer Beurteilung den medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisstand zugrunde gelegt haben.
Zunächst einmal war der Kläger einer für die Verursachung einer BK 1307 ausreichenden Expositionsdosis durch neurotoxische
Pflanzenschutzmittel mit organischen Phosphorverbindungen ausgesetzt. Dies steht fest insbesondere aufgrund der Ausführungen
des Sachverständigen Prof. Dr. B, der die glaubhaften Angaben des Klägers, denen vorliegend gefolgt werden kann, die Angaben
des Herrn D als Leiter Pflanzenschutz im ACZ T bzw. ab 1984 des Kreises L und die von ihm beigebrachten Aufstellungen über
verwendete Wirkstoffe sowie das in den Akten befindliche Pflanzenschutzmittelverzeichnis der DDR 1984/1985 auswertete und
seine Beurteilung mit weiteren allgemeinen arbeitsmedizinischen Erkenntnissen begründete. Er kam in jeder Hinsicht nachvollziehbar
zu dem Ergebnis, dass im Falle des Klägers von einer hohen chronischen und intermittierend von einer extrem hohen Exposition
auszugehen ist. Zum gleichen Ergebnis einer ausreichenden Exposition kamen im Übrigen Dr. G, Dr. F und Prof. Dr. N. Der erforderliche
Vollbeweis der Exposition und der entsprechenden Einwirkung auf den Kläger ist hierdurch geführt. Konkrete Messergebnisse
waren darüber hinaus im vorliegenden Fall wegen der Art der Tätigkeit und der besonders lang dauernden Einwirkung hoher Mengen
von toxischen Pflanzenschutzmitteln nicht erforderlich. Den hiergegen vorgebrachten Einwänden seitens der Beklagten und der
anderslautenden Einschätzung des Sozialgerichts konnte nicht gefolgt werden. Letzteres hat die Anforderungen an den Vollbeweis
der arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegend überspannt. Der Vollbeweis kann grundsätzlich auch mit Zeugenaussagen, ausnahmsweise
sogar - jedenfalls soweit diese nach allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen glaubhaft sind und zu keinen durchgreifenden Zweifeln
Anlass geben - mit eigenen Angaben der Kläger sowie durch gutachterliche Feststellungen geführt werden, soweit hierdurch die
volle richterliche Überzeugung begründet werden kann. Vorliegend bestand eine für den Vollbeweis ausreichende Informationsgrundlage
aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers, des Herrn D und der Listen über die verwendeten Pflanzenschutzmittel. Die Gutachter
Prof. Dr. N und Prof. Dr. B vermochten sich aufgrund dieser ihnen vorliegenden Informationen ausdrücklich und eindeutig dahin
festzulegen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen beim Kläger erfüllt sind. Dies ist angesichts der langen Dauer und
erheblichen Schwere der Exposition ohne weiteres nachvollziehbar, so dass dem gefolgt wird.
Es ist ferner hinreichend wahrscheinlich, dass die beim Kläger bestehende fortgeschrittene Polyneuropathie durch die von ihm
in großen Mengen unter sehr ungünstigen arbeitshygienischen Bedingungen langjährig eingesetzten organischen Phosphorverbindungen
(Organophosphate) wesentlich im Sinne der oben dargestellten Wesentlichkeitstheorie verursacht worden ist. Auch diesbezüglich
wird Prof. Dr. N und Prof. Dr. B gefolgt. Sie haben dargelegt, dass das Krankheitsbild des Klägers in seiner konkreten Ausgestaltung
mit seinen Krankheitserscheinungen und dem Befall vor allem der unteren Extremitäten typisch für eine Verursachung durch die
angeschuldigte Substanzgruppe ist. Zum gleichen Ergebnis kamen im Übrigen Dr. M und Dr. G.
Die Einwände des Dr. P überzeugen hingegen nicht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Prof. Dr. N in seinen Rückäußerungen
und die Auseinandersetzung des Prof. Dr. B mit der Einschätzung des Dr. P verwiesen. Insbesondere wurde entgegen Dr. P und
den erstinstanzlichen Ausführungen überzeugend dargelegt, dass auch das Fortschreiten der Erkrankung nach Expositionsende
vorliegend nicht entscheidend gegen die Wahrscheinlichkeit der Verursachung spricht. Der aktuelle Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse zur Verursachung selbst durch niedrige anhaltende Einwirkungen und zum möglichen Verlauf einer hierdurch verursachten
Erkrankung wurde durch Prof. Dr. N und Prof. Dr. B insbesondere durch deren Verweis auf die große Studie von Parrón et al
aus 2011 dargelegt, zudem machte Prof. Dr. B auf Blatt 34 ff umfangreiche Ausführungen zu der von ihm verwendeten medizinisch-wissenschaftlichen
Literatur, während Dr. P sich allein auf eine Monographie aus 1999 stützte und trotz Erläuterungen der anderen Gutachter zu
neueren Ergebnissen auf diese in seiner Rückäußerung nicht einmal einging.
Nach alledem war der Berufung daher stattzugeben.
Bestimmte Leistungen waren noch nicht zuzusprechen. Die Gewährung einer Rente wurde im Berufungsverfahren nicht mehr beantragt,
hierüber hätte mangels einer diesbezüglichen überprüfbaren Verwaltungsentscheidung auch noch keine Entscheidung ergehen dürfen.
Denn der angefochtene Bescheid enthielt keine ausdrückliche Ablehnung einer Verletztenrente, die Beklagte hatte sich im angefochtenen
Bescheid hiermit auch noch nicht auseinandergesetzt. Die Höhe der Leistungen wird deshalb in einem gesonderten Verfahren zu
klären sein.