Keine Versicherungspflicht einer Tätigkeit als Berater und Teilprojektleiter für IT-Projekte in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Keine Weisungsgebundenheit und keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin in der Zeit vom 4. März 2014 bis 31.
März 2016 versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war.
Der 1968 geborene Beigeladene bietet seit Oktober 2013 - zunächst unter dem Namen S2 - Beratungsleistungen bei IT-Projekten
von Unternehmen der Energiewirtschaft an. Seit 2017 ist er Geschäftsführer der I. GmbH, die ebenfalls Beratungsleistungen
rund um IT- Projekte für Unternehmen der Energiewirtschaft erbringt.
Im hier streitigen Zeitraum war der Beigeladene aufgrund mehrerer Vereinbarungen für die Klägerin als IT-Berater/Teilprojektleiter
tätig. Die Parteien schlossen die erste Vereinbarung aufgrund eines schriftlichen Angebots des Beigeladenen "Beratung für
das Projekt r." vom 4. März 2014. Darin heißt es unter anderem:
"4. (Aufgabenstellung/Leistungsumfang) Herr S. bietet an, die S1 GmbH in dem Projekt r. zu unterstützen.
Herr S. wird innerhalb dieses Anwendungsmigrationsprojektes in der Organisation IT der S1 GmbH tätig. Stand März 2014 ist
die Übernahme der Leitung des Teilprojektes "S3" vorgesehen.
Die Organisation IT der S1 GmbH in dem Projekt r. hat insbesondere folgende Ziele und Aufgaben:
Abstimmung mit dem V. IT Projekt
Abnahme der Applikationsübersicht und Steckbriefe
Definition der Applikations-Zielarchitektur in Abstimmung mit dem V. Projekt, Infrastruktur
Definition der Anforderung für das Projekt und Überwachung der Projektschritte/-qualität
Erstellung und Verfolgung des "Transfer-Fahrplans"
Aufbau der IT "Applikations-Organisation"
Übernahme der Betriebsverantwortung
Herr S. unterstützt die S1 GmbH bei der Erreichung dieser Ziele insbesondere im Teilprojekt "S3".
Da das Projekt sich Stand 04.03.14 noch in einer Initialisierungsphase befindet, ist beiden Parteien bewusst und von beiden
Parteien akzeptiert, dass der Schwerpunkt der Aufgabe von Herrn S. bezüglich der Zuständigkeit für die Systeme oder die Positionierung
im Projekt sich noch ändern kann.
5. Eingesetzte Mitarbeiter Für die beschriebene Aufgabe ist der Einsatz von Herrn S. vorgesehen.
6. Leistungsumfang Dieses Angebot bezieht sich auf den Zeitraum 04.03.2014 bis 30.06.2014. In diesen Zeitraum fallen die Phasen
Konzeption und Umsetzungsplanung des Projektes.
Eine konkrete Aufwandsschätzung liegt derzeit nicht vor. Im März 2014 ist der Einsatz von ca. 60 h für das Projekt möglich
und vorgesehen. Von April bis Juni 2014 ist ein 100%tiger Einsatz vorgesehen. Das entspricht etwa 550 h.
Eine Verlängerung des Einsatzes ist nach Absprache möglich.
7. Arbeitsort Der Arbeitsort befindet sich an den Standorten der S1 GmbH in H ... Es können auch Tätigkeiten außerhalb der
Standorte des Auftraggebers, z.B. im Büro des Auftragnehmers oder auf Reisen vorgenommen werden.
8. Honorar Die Leistungen werden nach erbrachtem Aufwand des Auftragnehmers abgerechnet. Der Auftraggeber zahlt dem Auftragnehmer
ein Stundenhonorar in Höhe von 120,00 EUR/h zuzüglich MwSt. Für Reisen zu den Standorten des Auftraggebers in H. oder B. fallen
keine weiteren Reisekosten oder Spesen an. Für Reisen abweichend von diesen Standorten werden alle anfallenden Reise- und
Übernachtungskosten sowie Spesen im Rahmen der steuerlich zulässigen Beträge berechnet. Für diese Reisen gilt die Reisezeit
als Projektzeit.
Die Leistungen werden monatlich nachträglich abgerechnet. Hierzu erstellt der Auftragnehmer eine Rechnung, aus der die erbrachten
Leistungen (Beschreibung der Tätigkeiten und Anzahl der abrechnungsfähigen Leistungsstunden) und die hierfür in Rechnung zu
stellende Vergütung zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer ersichtlich sind."
Die vertragliche Vereinbarung kam zustande, indem die Klägerin die Beauftragung gemäß dem Angebot und der Beigeladene die
Annahme des Auftrages jeweils schriftlich bestätigten.
Die Parteien schlossen sodann im Wesentlichen gleichartige Vereinbarungen aufgrund von "Anschlussangeboten" vom 29. Mai 2014
(Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2014, 100 %iger Einsatz des Beigeladenen mit etwa 1100 Stunden), vom 2. November 2014 (Zeitraum
1. Januar bis 30. Juni 2015, 100 %iger Einsatz des Beigeladenen mit etwa 1100 Stunden) und vom 14. Mai 2015 (Zeitraum 1. Juli
bis 31. Dezember 2015, 100 %iger Einsatz des Beigeladenen mit etwa 1100 Stunden). Aufgrund eines "Anschlussangebots" vom 26.
Januar 2016 vereinbarten die Parteien eine Tätigkeit des Beigeladenen zur Unterstützung der fachlichen und operativen Koordination
und Steuerung des Fachbereichs "Infrastruktur" (K.) sowie die Unterstützung der neu besetzten Leitung des Fachbereichs "Kundenmanagement"
(K1). Hintergrund war der längerfristige krankheitsbedingte Ausfall des Fachbereichsleiters K. und die Neubesetzung der Leitung
des Fachbereichs K1. Vereinbart wurde der Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2016 sowie der 100 %ige Einsatz des Beigeladenen
mit etwa 550 Stunden. Der Kläger erstellte monatliche Rechnungen und fügte als Anlagen "Einsatzberichte/Leistungsnachweise"
über die geleisteten Stunden bei.
Am 3. März 2016 stellte der Beigeladene bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen
Status. Er gab an, er sei zunächst von März 2014 bis Dezember 2015 als IT-Berater und (Sub-)Teilprojektleiter (SAP) im Teilprojekt
IT des Projekts r. der Klägerin tätig gewesen ("Bereich K1 - Kundenmanagementsysteme"). Hintergrund sei der Carve Out - das
Herauslösen - der Klägerin aus dem V.-Konzern gewesen. Ein wesentlicher Teil dieses Projekts sei das Herauslösen der gesamten
IT-Landschaft und der parallele Aufbau einer IT-Organisation bei der Klägerin gewesen. Er habe interimsweise die Leitung eines
Teilbereichs dieses IT-Projekts übernommen. Von November 2015 bis März 2016 habe er aufgrund einer mehrmonatigen Krankheit
eines internen IT-Teamleiters auch die Steuerung des Teilprojekts T. "Infrastruktur" übernommen ("Bereich K. - Infrastruktur").
Eine Einweisung oder Einarbeitung sei nicht erfolgt, da er die Fähigkeiten zur Projektleitung und Koordination sowie das IT-Fachwissen
bereits mitgebracht habe. Er besitze einen Hochschulabschluss als Diplom-Physiker und sei vor dem Beginn der Tätigkeit für
die Klägerin bereits 16 Jahre als IT-Berater bei Energieversorgern tätig gewesen. Daher kenne er die Prozesse und die IT-Systeme
in der Energieversorgung sehr gut. Ergebniskontrollen seien ausschließlich im Rahmen des Projekt-Controllings und -Reportings
erfolgt. Die Vorgehensweise und die Vorgaben hätten sich aus den projektinternen Regelungen ergeben, die für alle projektbeteiligten
Gruppen definiert und abgestimmt seien. Vorgaben zu regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten habe es nicht gegeben. In
der Regel habe er zwischen 7.45 und 8.30 Uhr angefangen und die Arbeit zwischen 17.30 und 18.30 Uhr beendet. Wenn viel zu
tun gewesen sei, habe er gelegentlich nach eigenem Ermessen auch am Wochenende Arbeiten erledigt. Es habe kein Stunden-Minimum
oder -Maximum gegeben, er habe jede Stunde einzeln abgerechnet und die geleisteten Stunden pro Tag als Leistungsnachweis zur
Rechnung dokumentiert. Weitere persönliche Berichte habe es nicht gegeben, wohl aber Projektstatusberichte, die den Fortschritt
des Projekts dokumentiert hätten. Die Tätigkeit habe er sowohl vor Ort beim Auftraggeber, an anderen Projektstandorten als
auch etwa ein- bis zweimal im Monat in seinem eigenen Büro ausgeführt. Urlaubszeiten habe er persönlich mit den möglichen
Vertretern im Projekt abgestimmt. Das Projekt sei besetzt gewesen mit Mitarbeitern der Klägerin, V.-Mitarbeitern, externen
Beratern und anderen Dienstleistern für die Klägerin. Die fachliche Steuerung des Beigeladenen sei durch die Projektleitung
und den IT-Leiter der Klägerin erfolgt. Er habe die fachliche Arbeit der Mitarbeiter in seinem Teilprojekt und ab November
2015 auch im Bereich K. gesteuert. Eine disziplinarische Verantwortung/Steuerung sei durch ihn aber nicht erfolgt. Es habe
2-wöchentliche Telefonkonferenzen mit der Gesamt-IT-Projektleitung und den anderen Teilprojektleitern, 1-wöchentliche Meetings
mit dem SNH-IT-Management zum Status des Aufbaus der Bereiche sowie wöchentlich mehrere Meetings in seinem Teilprojekt mit
dessen Mitgliedern (Mitarbeiter der Klägerin, V.-Mitarbeiter, externe Berater und andere Dienstleister der Klägerin) gegeben.
Die Klägerin habe ihm einen Arbeitsplatz mit Zugang zum internen Netz zur Verfügung gestellt. Er habe auch einen Laptop bekommen,
da aus Sicherheitsgründen der Zugriff auf die Projektdokumente nur mit einem Laptop der Klägerin möglich gewesen sei. Er habe
die Tätigkeiten ausschließlich persönlich erbracht. Dienstpläne, Dienstkleidung oder Schulungsmaßnahmen habe es nicht gegeben.
Er betreibe seit Oktober 2013 Werbung über eine eigene Website ( ) und Premiumpräsenz auf der Plattform X ... Er führe regelmäßige
Akquisegespräche mit potentiellen Auftraggebern und besuche Messen zur eigenen Weiterbildung und zur Knüpfung von Kontakten.
Er betreibe vollständig eigene Verhandlung und Vertragsgestaltung inklusive Preisen. Er trage das Haftungsrisiko aus seiner
Tätigkeit. Da es sich um eine Beratungsleistung handele, erfolge kein Kapitaleinsatz.
Unter dem 19. Juli 2016 hörte die Beklagte sowohl die Klägerin als auch den Beigeladenen dazu an, dass sie beabsichtige, eine
abhängige Beschäftigung des Beigeladenen in der Zeit vom 5. März 2014 bis zum 31. März 2016 sowie die Versicherungspflicht
dieser Beschäftigung in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Die Leistung sei ausschließlich
persönlich und überwiegend vor Ort beim Auftraggeber erbracht worden. Dem Beigeladenen seien die notwendigen Arbeitsmittel
zur Verfügung gestellt worden, der zeitliche Umfang sei jeweils bei der Einzelbeauftragung festgelegt worden, die Gestaltungsmöglichkeiten
seien durch die Geschäftszeiten und die Verfügbarkeit der Arbeitsmittel eingeschränkt gewesen. Die Vergütung sei auf Stundenbasis
erfolgt, sodass ein unternehmerisches Risiko nicht erkennbar sei. Es habe eine Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Klägerin
stattgefunden und die Arbeit habe sich in ein Gesamtprojekt eingegliedert. Bei Verhinderung (Urlaub) sei eine Vertretung durch
andere Projektteilnehmer erfolgt. Es seien regelmäßige Projektstatusberichte erfolgt und es habe eine Abstimmung im Rahmen
regelmäßiger Telefonkonferenzen und Meetings stattgefunden. Die Arbeiten seien vom Auftraggeber anhand von Einsatzberichten/Leistungsnachweisen
kontrolliert worden. Demgegenüber seien wesentliche Merkmale für eine selbständige Tätigkeit nicht erkennbar.
Die Klägerin wandte hiergegen ein, dass der Beigeladene mit besonderer Expertise für Energieversorgungsunternehmen tätig werde
und mit seinem Unternehmen "S. Consulting" werbend am Markt auftrete. In diesem Geschäftsfeld seien nahezu keine Betriebsmittel
notwendig, das "Kapital" des Beigeladenen bestehe vielmehr in erster Linie in seinem Expertenwissen. Daher erbringe er seine
Beratungsleistung auch persönlich. Bei der Klägerin habe es sich um ein neugegründetes Unternehmen gehandelt. Der Beigeladene
sei als Unternehmensberater in der Start-Up-Phase mit der Entwicklung des IT-Bereiches befasst. Dazu hätten auch Coaching-Leistungen
gehört. Er sei aber nicht wie ein abhängig Beschäftigter in die Betriebsorganisation eingebunden gewesen. Er sei frei in seinen
Entscheidungen gewesen, wann und in welchem Umfang er seine Leistung erbracht habe. Dass er an Projektsitzungen oder Meetings
teilgenommen habe, stehe dem nicht entgegen, denn jeder externe Berater müsse mit seiner Kundschaft abgestimmte Termine einhalten.
Unzutreffend sei, dass der zeitliche Umfang der Beratungsleistungen durch die Geschäftszeiten der Klägerin und die Verfügbarkeit
von Arbeitsmitteln eingeschränkt gewesen sei. Der Beigeladene habe vielmehr ganz unabhängig von irgendwelchen Geschäftszeiten
aus seinen eigenen Büroräumen heraus ebenso seine Leistungen erbracht. Dass die Klägerin ihm einen Laptop zur Verfügung gestellt
habe, sei in den Sicherheitsrichtlinien des Konzerns begründet, da der Beigeladene auch auf unternehmensinterne Daten habe
zugreifen müssen. Der Beigeladene habe nicht die Mitarbeiter im Projekt gesteuert, sondern die Projektsteuerung übernommen.
Dies bedeute das Controlling über die zeitlichen Abläufe und die Einhaltung der festgelegten Projektziele und -zeiten. Dies
sei nicht gleichbedeutend mit einer fachlichen Steuerung im Sinne einer arbeitsrechtlichen Führung oder Anweisung. Der Beigeladene
habe nie fachliche Weisungen erhalten. In der Bestimmung von Ort und Zeit seiner Arbeitsleistung sei er, bis auf feste abgestimmte
Termine und Besprechungen, frei gewesen.
Der Beigeladene hat ergänzend mitgeteilt, dass es keinerlei vertragliche Vereinbarungen zum Ort der Arbeitsleistung gegeben
habe, zumal die Beratungsleistungen ganz überwiegend telefonisch erfolgt seien, weil die Mitglieder des Projektteams an den
verschiedensten Standorten eingesetzt gewesen seien. Als Arbeitsmittel habe er lediglich einen Laptop und ein Telefon benötigt.
Diese stünden ihm aber auch persönlich zur Verfügung. Er sei daher nicht auf die Geschäftszeiten der Klägerin angewiesen gewesen.
Das unternehmerische Risiko habe darin bestanden, dass in Urlaubszeiten oder Zeiten einer Erkrankung keine Vergütung gezahlt
werde. Es treffe nicht zu, dass die fachliche Steuerung über die Gesamtprojektleitung erfolgt sei. Diese habe vielmehr lediglich
ein Projekt-Handbuch herausgegeben, dem die allgemeinen Regularien für sämtliche Teilprojekte vorgegeben gewesen seien. Ansonsten
sei er völlig weisungsfrei gewesen und habe die Art und Weise der ihm übertragenen Aufgaben ohne jede inhaltliche Vorgabe
(mit Ausnahme des Projekt-Handbuches) entfalten können. Er sei auch nicht in die Betriebsabläufe der Klägerin integriert,
sondern lediglich im Rahmen eines einzelnen Teilprojektes tätig gewesen. Ein Großteil der Mitarbeiter des Projekts seien ebenfalls
freie Mitarbeiter gewesen. Hinsichtlich des Urlaubs sei der Beigeladene völlig frei gewesen, er habe sich lediglich mit einem
anderen Teilprojektleiter dahingehend abgestimmt, dass nicht beide gleichzeitig Urlaub hatten. Es habe keinerlei Zahlungen
bei Urlaub oder Krankheit gegeben.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheiden vom 29. September 2016 gegenüber der Klägerin und gegenüber dem Beigeladenen
fest, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin vom 5. März 2014 bis zum 31. März 2016 um eine abhängige
Beschäftigung gehandelt habe, für die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung
bestanden habe. In der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung habe keine Versicherungspflicht
bestanden. Zur Begründung wiederholte die Beklagte im Wesentlichen ihre Argumente aus der Anhörung.
Sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene erhoben Widerspruch gegen die sie betreffenden Bescheide und wiederholten ebenfalls
ihre Einwände aus dem Anhörungsverfahren. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 3. April 2017
zurück. In den Gründen führte sie ergänzend aus, dass die Klägerin den äußeren Rahmen für die Ausübung der Tätigkeit gesetzt
habe. Der Beigeladene habe sich in großem Umfang mit den festangestellten Mitarbeitern abstimmen müssen und er sei den Arbeitsabläufen
des Unternehmens unterworfen gewesen. Aus den vertraglichen Vereinbarungen habe sich nicht im Voraus eine präzise Aufgabenstellung
ergeben, sodass es möglich gewesen wäre, dem Beigeladenen jeweils konkret die Arbeitsinhalte vorzugeben.
Die Klägerin hat dagegen am 2. Mai 2017 Klage erhoben. Sie hat ihre bisherigen Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht wiederholt
und die Auffassung vertreten, es habe keinerlei Eingliederung des Beigeladenen in die Arbeitsorganisation der Klägerin gegeben.
Die Beklagte habe insoweit nicht zwischen Projektsteuerung und arbeitsrechtlicher Steuerung von Mitarbeitern differenziert.
Die Beklagte und der Beigeladene haben an ihren jeweiligen Rechtsauffassungen festgehalten.
Das Sozialgericht hat den Beigeladenen sowie einen Vertreter der Klägerin (Herrn B. in der mündlichen Verhandlung vom 5. März
2020 persönlich angehört. Der Beigeladene hat erklärt, er habe bei der Klägerin den IT-Umzug koordiniert. Die fachliche Entscheidung
habe dabei aber bei der Klägerin gelegen. Parallel dazu habe er die Fachbereiche bereits gecoacht. Es habe auf beiden Seiten
- bei V. und bei der Klägerin - einen IT-Bereich und den jeweiligen Fachbereich gegeben. Es seien also etwa vier Bereiche
an dem Projekt beteiligt gewesen und er habe den IT-Bereich auf der Seite der Klägerin betreut. Zur Umsetzung habe er diverse
Pläne ausgearbeitet. Die Entscheidung über das letztliche Vorgehen habe bei der Klägerin gelegen. Man habe in Workshops zusammengearbeitet,
dort Ideen entwickelt und diese dann der Geschäftsleitung vorgelegt. Es habe sehr viele Meetings gegeben, weil er mit vielen
Menschen habe reden wollen und müssen. Er sei nicht in der Programmierung, sondern in der Planung, Koordinierung und Beratung
tätig gewesen. Wenn er die in den Arbeitspaketen festgehaltenen Stunden überschritten hätte, hätte es zu Nachverhandlungen
kommen müssen. Dass im ersten Angebot noch ein geringerer Zeitanteil vereinbart worden sei, habe daran gelegen, dass er zu
der Zeit noch in einem anderen Projekt tätig gewesen sei und er daher nicht seine gesamte Zeit der Klägerin zur Verfügung
habe stellen können. Der Stundensatz von 120 EUR sei Verhandlungssache gewesen und nicht ganz das, was er sich vorgestellt
habe. Er und die Klägerin hätten verhandelt und sich dann dort getroffen. Er sei sehr gerne und freiwillig selbständig tätig.
Der Vertreter der Klägerin hat erklärt, es sei zu Beginn sehr schwierig gewesen, qualifiziertes Personal zu bekommen, deshalb
habe man die Tätigkeit des Beigeladenen quasi temporär eingekauft. Ursprünglich habe man versucht, den Beigeladenen als festangestellten
Fachbereichsleiter zu gewinnen, was leider nicht möglich gewesen sei. Dabei hätte es sich allerdings um eine andere Tätigkeit
gehandelt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. März 2020 abgewiesen. Der Beigeladene habe in seiner Tätigkeit aufgrund
des Angebots vom 4. März 2014 sowie der jeweiligen Anschlussangebote in einem abhängigen und damit versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis gestanden. Zwar habe nur ein eingeschränktes Weisungsrecht der Klägerin bestanden, dies sei jedoch
bei Diensten höherer Art nicht unüblich und stehe einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Der Beigeladene sei aber
in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, denn er sei Mitglied des Projektteams und habe dort mit den weiteren Mitarbeitern
der Klägerin zusammengearbeitet. Kriterien, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen, seien nicht ersichtlich. Dem Beigeladenen
seien unter Beachtung der Sicherheitsbestimmungen der Klägerin ein Laptop und ein Internetzugang zur Verfügung gestellt worden.
Ein unternehmerisches Risiko habe er nicht getragen, denn ein ungewisser Einsatz der eigenen Arbeitskraft auch mit der Gefahr
eines Verlustes sei nicht ersichtlich. Zwar könne die Höhe des vereinbarten Stundensatzes für eine selbständige Tätigkeit
sprechen, dies führe jedoch in der Gesamtbetrachtung nicht zur Feststellung einer selbständigen Tätigkeit. Auch aus der Möglichkeit
eigener Werbemaßnahmen ergebe sich kein überzeugendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit, zumal der Beigeladene nach einer
anfänglichen Übergangszeit zu 100% bei der Klägerin beschäftigt gewesen sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht
für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. März 2016, in dem der Beigeladene die Tätigkeit eines erkrankten Mitarbeiters
der Klägerin übernommen habe. Auch hinsichtlich dieses Teils seiner Tätigkeit sei der Beigeladene in den Betrieb der Klägerin
eingebunden gewesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 20. April 2020 zugestellte Urteil am 20. Mai 2020 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der
Beigeladene sei unstreitig weisungsfrei und damit selbständig tätig gewesen. Der Umstand, dass während des Projekts eine Abstimmung
mit Arbeitnehmern der Auftraggeberin habe stattfinden müsse und man sich zu Terminen und Meetings verabredet habe, stehe dem
nicht entgegen. Die Annahme des Sozialgerichts, der Beigeladene habe das Team nicht beraten, sondern sei Teil des Teams gewesen,
sei nicht belegt. Vielmehr habe der Beigeladene darauf hingewiesen, dass er das Team beraten und gecoacht habe. Auch der Umstand,
dass der Beigeladene für wenige Monate die Aufgaben eines erkrankten Arbeitnehmers der Klägerin übernommen habe, führe nicht
zu einer anderen Beurteilung, sondern sei vergleichbar mit einer Fremdvergabe dieser Aufgaben für einen begrenzten Zeitraum
an ein Drittunternehmen. Der Beigeladene habe ein unternehmerisches Risiko getragen, denn er habe Betriebsmittel in erheblichem
Umfang angeschafft. Nicht entscheidend sei, dass ihm ein bestimmtes Stundenkontingent garantiert worden sei, denn dann wäre
jede Festpreisvereinbarung keine selbständige Tätigkeit. Anders als ein abhängig Beschäftigter sei der Beigeladene im Übrigen
nur für tatsächlich abgeleistete Stunden vergütet worden. Das unternehmerische Risiko bestehe im Übrigen auch darin, keinen
Folgeauftrag zu bekommen. Schließlich habe das Sozialgericht den gemeinsamen Parteiwillen nicht hinreichend gewürdigt, denn
der Beigeladene sei auf seinen ausdrücklichen Wunsch als selbständiger Consultant tätig geworden. Die Beteiligten hätten entsprechende
Vereinbarungen getroffen und diese auch gelebt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. März 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2016 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit für die
Klägerin vom 4. März 2014 bis 31. März 2016 nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der
Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2020 Herrn Birk als Vertreter der Klägerin sowie den Beigeladenen
erneut persönlich angehört.
Der Vertreter der Klägerin hat erklärt, es habe in den einzelnen Projektteams keine Entscheidungskompetenz gegeben, sondern
diese hätten nur Pläne erarbeitet und der Leitungsebene vorgeschlagen, welche dann die Entscheidungen getroffen habe. In der
letzten Tätigkeitsphase hätten er selbst und der IT-Leiter den Beigeladenen gebeten, vorübergehend die Infrastruktur in dem
Team des erkrankten Kollegen zu koordinieren. Grund dafür sei dessen Expertise gewesen.
Der Beigeladene hat erklärt, es habe eine lange Anlaufphase gegeben, in der zunächst der große Rahmen des Projektes festgelegt
worden sei. Der Rahmen für sein Teilprojekt sei im Wesentlichen von ihm gekommen, aber in Abstimmung mit anderen. Die Teilprojekte
hätten relativ autark gearbeitet, aber mit Schnittstellen zu anderen Projekten. Die Gesamtprojektleitung habe alles koordiniert.
Diese habe auch ein Handbuch herausgegeben, das zum Beispiel Formatvorlagen für W. und E. oder auch Vorlagen für Statusberichte
enthalten habe. Arbeitsergebnisse seien regelmäßig vorgestellt worden und es habe auch regelmäßige Berichte an die Projektleitung
gegeben, und zwar im 2-wöchigen Rhythmus. Die Entscheidungen hätten letztlich bei der IT oder der Fachbereichsleitung gelegen.
Diese hätten auch jeweils über die Abnahme von Arbeitsergebnissen entschieden. In der letzten Phase seiner Tätigkeit sei die
Projekttätigkeit weitgehend ausgelaufen, das heißt, er habe sein Hauptziel da schon erreicht gehabt. Er sei dann gebeten worden,
bei der Koordination der IT-Infrastruktur zu helfen, weil der dort zuständige IT-Fachbereichsleiter längerfristig erkrankt
gewesen sei. Es habe sich dabei nicht um ein Projektteam gehandelt, sondern um eine Liniengruppe. Sie habe aus etwa zehn bis
fünfzehn Kollegen bestanden und er sei dafür zuständig gewesen, die tägliche fachliche Steuerung zu übernehmen. Dabei sei
es darum gegangen, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollten oder wer gerade was tun sollte. Er habe zu keiner Zeit disziplinarische
Verantwortung gehabt. IT-Zugang habe er während der gesamten Zeit nur zu den normalen O.-Dokumenten gehabt. Er habe natürlich
Zugang zu dem Ordner des Projektes gehabt, aber zum Beispiel nie auf das Rechenzentrum oder Personalangelegenheiten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, denn der Beigeladene hat seine Tätigkeit für die Klägerin
nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und war daher auch nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Nach §
7a Abs.
1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach §
7a Abs.
1 S. 3
SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger
hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte
entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§
7a Abs.
2 SGB IV). Die Beklagte war für die von dem Beigeladenen beantragte Feststellung zuständig, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung
kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht
(§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen
einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 S. 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Arbeitgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 3/17 R; BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R; beide Juris) setzt danach eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei
einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und
er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Eine Dienstleistung
kann auch dann fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet
wird, wie es bei Diensten höherer Art vielfach der Fall ist. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in
solchen Fällen "zur funktionsgerecht, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" und ergibt sich aus der hieraus folgenden Eingliederung
in den Betrieb (BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 - Juris, m.w.N.). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein
einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig Beschäftigter oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche
Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das gesamte Bild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen
Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag, soweit sie im Rahmen des rechtlich zulässigen ausgeübt werden. Wenn aber Divergenzen
zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung bestehen, geht die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich
vor (BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R - Juris). Dieser Rechtsprechung folgt der Senat in ebenfalls ständiger Rechtsprechung.
Gemessen an diesen Vorgaben ergibt sich im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung das Bild einer selbständigen Tätigkeit des
Beigeladenen. Zwar gibt es auch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, nach der gebotenen Abwägung
überwiegen jedoch die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände.
Bei der Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit ist zunächst vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen auszugehen (BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 - Juris). Diese lassen vorliegend ganz überwiegend den Schluss auf die Vereinbarung
einer selbständigen Leistungserbringung des Beigeladenen zu. Es wurde kein "Arbeitsvertrag" geschlossen, sondern der Beigeladene
unterbreitete der Klägerin ein schriftliches Angebot, gemäß dem die Beauftragung sowie die Annahme des Auftrages erfolgte.
Arbeitnehmertypische Regelungen wie Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsregelungen sind in den Vereinbarungen
nicht enthalten. Die Vergütung wurde nach Stundensätzen vereinbart, als "Honorar" bezeichnet und vom Beigeladenen monatlich
nachträglich zuzüglich der Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Entgegen der im Widerspruchsbescheid dargelegten Auffassung
der Beklagten spricht es gerade nicht gegen eine selbständige Tätigkeit, dass die vertraglichen Vereinbarungen keine präzise
Aufgabenstellung, sondern im Wesentlichen nur den groben Rahmen der zu erbringenden Leistung enthielten. Eine Befugnis der
Klägerin, dem Beigeladenen jeweils konkret die Arbeitsinhalte vorzugeben, lässt sich hieraus und auch aus den sonstigen Regelungen
nicht entnehmen. Vielmehr spricht gerade diese Vertragsgestaltung dafür, dass dem Beigeladenen umfängliche Freiheiten bei
der Ausgestaltung seiner Tätigkeit eingeräumt werden sollten.
Der Umstand, dass der Beigeladene zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet war, dürfte zwar grundsätzlich eher arbeitnehmertypisch
sein. Gerade bei Beraterleistungen, bei denen es auf die spezielle Expertise des Beraters ankommt, ist dies allerdings nicht
ungewöhnlich, ohne dass eine selbständige Tätigkeit hierdurch von vornherein ausgeschlossen würde. Auch die vereinbarte Verpflichtung
des Beigeladenen, ab April 2014 einen hundertprozentigen Einsatz für die Klägerin zu erbringen, spricht für sich genommen
eher für eine abhängige Beschäftigung. In ihrer Gesamtheit lassen die vertraglichen Regelungen jedoch den Willen der Vertragsparteien
erkennen, eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu vereinbaren. Diese Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen entspricht
auch dem von der Klägerin und dem Beigeladenen übereinstimmend vorgebrachten Umstand, dass der Beigeladene ausdrücklich wünschte,
selbständig tätig zu sein. Ein weiteres Indiz ist in diesem Zusammenhang, dass der Beigeladene insbesondere über seine Website
laufend werbend am Markt aufgetreten ist und dies bis heute tut. Es entspricht also offensichtlich seinem Geschäftsmodell,
selbständige Beratungsleistungen im Rahmen von IT-Projekten für Unternehmen der Energiewirtschaft anzubieten und zu erbringen.
Der vertraglich dokumentierte Wille ist jedoch nur dann ein auf Selbständigkeit hindeutendes Indiz, wenn er den sonstigen
tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen
Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - Juris). Vorliegend spricht jedoch auch die tatsächliche Vertragsdurchführung ganz überwiegend für das Vorliegen einer selbständigen
Tätigkeit.
Aus dem schriftlichen und mündlichen Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen im gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren
ergibt sich, dass der Beigeladene während des ganz überwiegenden Zeitraums von März 2014 bis Dezember 2015 als Berater und
Teilprojektleiter in einem Projekt der Klägerin tätig war, dessen wesentlicher Inhalt das Herauslösen der IT-Landschaft aus
dem V.-Konzern und der Aufbau einer IT-Organisation bei der Klägerin gewesen ist.
Zur Überzeugung des erkennenden Senats war der Beigeladene hierbei keinen inhaltlichen Weisungen der Klägerin unterworfen.
Vielmehr war es gerade seine Aufgabe, eigenständig Ideen und Strategien zu entwickeln, die er sodann der IT- bzw. Geschäftsleitung
präsentierte. Dies folgt sowohl aus den glaubhaften und übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Beigeladenen als auch
aus den vertraglichen Vereinbarungen, in denen die Tätigkeit des Beigeladenen nur grob umrissen wird, ohne konkrete Einzelaufgaben
festzulegen. Auch eine Weisungsgebundenheit im Hinblick auf Ort und Zeit der Arbeitsleistung lässt sich nicht erkennen. Nach
Ziffer 7. des Vertrages konnte der Beigeladene seine Tätigkeit sowohl an den Standorten der Klägerin als auch anderswo, z.B.
in seinem eigenen Büro oder auf Reisen verrichten. Ein Bestimmungsrecht der Klägerin ergibt sich weder hieraus noch aus anderen
Umständen. Ein Weisungsrecht in zeitlicher Hinsicht bestand ebenfalls nicht. Zwar war - abgesehen von einer kurzen Übergangszeit
zu Beginn der Tätigkeit - vertraglich ein hundertprozentiger Einsatz des Beigeladenen vereinbart, die jeweilige Stundenzahl
wurde jedoch nur ungefähr angegeben und der Beigeladene war in der Lage und Verteilung der Arbeitszeit weitgehend frei. Die
Abrechnung erfolgte nach den tatsächlich geleisteten Stunden.
Werden - wie vorliegend - Dienste höherer Art geschuldet, ist jedoch die Weisungsgebundenheit typischerweise weitgehend eingeschränkt,
ohne dass dieser Umstand einen zwingenden Schluss auf eine selbständige Tätigkeit zulassen würde. Maßgeblich ist in derartigen
Fällen vielmehr, ob der Betreffende in die Betriebsorganisation eines Arbeitgebers eingegliedert ist, d.h. ob er in eine vorgegebene
und von ihm nicht oder nur geringfügig zu beeinflussende Arbeitsstruktur eingebunden ist oder ob er seinen Tätigkeitsrahmen
im Wesentlichen frei gestalten kann.
Vorliegend hat der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts dargelegt, dass zunächst in einer längeren
"Anlaufphase" der grobe Rahmen des Projektes festgelegt worden sei. Dabei sei der Rahmen für sein Teilprojekt im Wesentlichen
von ihm erarbeitet worden. Diese Angaben stimmen überein mit dem unter Ziffer 6. des ersten Angebots vom 4. März 2014 festgelegten
Leistungsumfang, nach dem im Zeitraum vom 4. März bis 30. Juni 2014 zunächst die Konzeption und Umsetzungsplanung des Projekts
erfolgen sollte. Der Beigeladene hat des Weiteren in Übereinstimmung mit dem Vertreter der Klägerin erklärt, dass die Teilprojektteams
relativ autark gearbeitet hätten. Sie hätten selbst keine Entscheidungskompetenz gehabt, sondern jeweils Pläne erarbeitet
und der Leitungsebene vorgeschlagen, welche dann die Entscheidungen darüber getroffen habe, was davon umgesetzt wurde. Hieraus
ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der Beigeladene gerade nicht in eine vorgegebene Struktur eingebunden war. Er
hat diese Struktur vielmehr in der Anfangsphase seiner Tätigkeit selbst erarbeitet und festgelegt und sodann sein Teilprojekt
in diesem im Wesentlichen selbst gestalteten Rahmen durchgeführt. Dem steht nicht entgegen, dass die Entscheidungskompetenz
allein bei der Geschäfts- bzw. Fachbereichsleitung lag, denn jeder Auftraggeber einer Beratungsleistung entscheidet letztendlich
darüber, ob er das Ergebnis einer Beratung umsetzt oder nicht. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand,
dass die Gesamtprojektleitung ein "Handbuch" herausgegeben hatte, denn dieses enthielt nach den Angaben des Beigeladenen keine
fachlichen Vorgaben, sondern letztlich nur Arbeitshilfen wie zum Beispiel Formatvorlagen für W. und E. oder für Statusberichte.
Das Gleiche gilt für den Umstand, dass die Klägerin dem Beigeladenen einen Laptop zur Verfügung gestellt hat, denn der Beigeladene
hat dargelegt, dass er damit keinen unbeschränkten Serverzugriff hatte, sondern lediglich auf die Ordner des Projekts und
die üblichen O.-Dokumente zugreifen konnte, die er für seine Tätigkeit benötigte. Der Senat hat an der Glaubhaftigkeit der
Angaben des Beigeladenen keine Zweifel, die im Übrigen auch nicht bestritten worden sind.
Soweit der Beigeladene regelmäßig an Telefonkonferenzen und Meetings teilgenommen hat, rechtfertigt dies für sich genommen
nicht schon die Annahme einer arbeitnehmertypischen Eingebundenheit in die betriebliche Organisation der Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - Juris). Vielmehr hatte der Beigeladene, wie ausgeführt, den Rahmen seines Teilprojekts zu Beginn der Tätigkeit im Wesentlichen
selbst festgelegt und füllte diesen in der Folgezeit durch die Entwicklung von Plänen und Vorschlägen an die Geschäftsleitung
aus. Die Kommunikation mit anderen Teilnehmern des Gesamtprojekts oder mit der Geschäftsleitung diente dabei dem Austausch
von für die Arbeit notwendigen Informationen und Ideen bzw. der Vorstellung seiner Arbeitsergebnisse. Er war damit zwar sachlich
geboten für den Erfolg des Projekts, nicht aber Ausfluss einer vorgegebenen, von ihm selbst nicht zu beeinflussenden Betriebsstruktur.
Lag damit bereits eine weisungsabhängige Tätigkeit des Beigeladenen und dessen Eingliederung in die Arbeitsorganisation der
Klägerin nicht vor, kann anderen Abgrenzungskriterien keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen (ebenso: LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 10.06.2016 - L 4 R 3072/15 - Juris). Soweit der Beigeladene kein wesentliches Unternehmerrisiko gehabt und keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt haben
dürfte, führt dies daher in der Gesamtabwägung nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Bei reinen Dienstleistungen,
die - wie vorliegend - im Wesentlichen nur Know-how sowie Zeit- und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist unternehmerisches Tätigwerden
nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen
ist damit bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen unternehmerisches
Tätigwerden (BSG, Urteil vom 31.03.2017 - B 12 R 7/15 R - Juris).
Für den Zeitraum der letzten Tätigkeitsphase von Januar bis März 2016 ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Aus den übereinstimmenden
Darlegungen des Beigeladenen und des Vertreters der Klägerin ergibt sich, dass der Beigeladene gebeten worden ist, vorübergehend
die Infrastruktur in dem Team eines längerfristig erkrankten Kollegen zu koordinieren, weil er hierfür die fachliche Expertise
hatte. Seine Aufgabe bestand darin, die tägliche fachliche Steuerung zu übernehmen, d.h. im Wesentlichen festzulegen, welche
Schwerpunkte gesetzt werden sollten oder wer gerade welche Aufgabe übernehmen sollte. Es handelte sich dabei offenbar um die
Auslaufphase seiner eigentlichen Projekttätigkeit, die sich zu diesem Zeitpunkt ihrem Ende zuneigte. Der Beigeladene hatte
auch in dieser Tätigkeit keine disziplinarische Verantwortung und eine Eingliederung in die Betriebsorganisation ist auch
insoweit nicht zu erkennen.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.
Der Streitwert war gemäß §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
63 Abs.
2 S. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz in Höhe des Auffangstreitwertes von 5.000 EUR festzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 20.02.2017 - B 12 KR 95/16 B - Juris).