Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung.
Der 1971 geborene Kläger bezog vom beklagten Grundsicherungsträger zusammen mit seiner Ehefrau H.C. sowie seinen 1999 und
2004 geborenen Töchtern C. und M.W. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Antrag vom 2. April 2009 hatte der Kläger angegeben, dass er selbst ein Girokonto bei der P. (Konto-Nr.) besitze und
über eine Kapitallebensversicherung bei der „n.“ mit einem Rückkaufswert von 15.176 Euro bei nach eigenen Angaben eingezahlten
23.136 Euro verfüge. Seine Ehefrau besitze ebenfalls ein Girokonto bei der P. (Konto-Nr.) sowie ein Sparbuch (Nr.), auf dem
sich 667,39 Euro befänden.
Mit Leistungsbescheid vom 25. Juni 2009 bewilligte der Beklagte daraufhin Leistungen für die Zeit vom 2. April 2009 bis zum
30. September 2009, dabei für die Zeit vom 2. April 2009 bis zum 30. April 2009 in einer Gesamthöhe von 1.202,45 Euro, wobei
auf den Kläger 232,91 Euro Regelleistung und 178,22 Euro für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) entfielen, für die
Zeit vom 1. Mai 2009 bis zum 30. Juni 2009 von 1.463,43 Euro monatlich, wobei auf den Kläger 316 Euro Regelleistung und 184,35
Euro KdU entfielen, sowie von 1.521,43 Euro für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. September 2009, wobei auf den Kläger
323 Euro Regelleistung und 184,35 Euro KdU entfielen.
Mit Leistungsbescheid vom 6. Januar 2010 bewilligte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März
2010, dabei für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Dezember 2009 in einer Gesamthöhe von monatlich 1.521,43 Euro, wobei
auf den Kläger 323 Euro Regelleistung und 184,36 Euro KdU entfielen, und für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März
2010 von 1.481,43 Euro monatlich, wobei auf den Kläger 323 Euro Regelleistung und 184,35 Euro KdU entfielen.
Durch einen automatisierten Datenabgleich erfuhr der Beklagte, dass der Kläger und seine Tochter C.W. im Jahr 2008 Zinseinkünfte
durch Geldanlagen bei der H., der S. und der V. gehabt hatten.
Der Beklagte forderte daraufhin den Kläger mit fünf separaten Schreiben vom 4. Januar 2010 dazu auf, jeweils das den Kapitalerträgen
zugrunde liegende Einkommen bzw. Vermögen lückenlos zu belegen und Unterlagen über die bei den Geldinstituten jeweils vorhandenen
Vermögensanlagen vorzulegen.
Am 6. Mai 2010 sprach der Kläger persönlich beim Beklagten vor, nachdem zuvor ein Weiterbewilligungsantrag für die Familie
ab 1. April 2010 gestellt worden war. Einem in der Verwaltungsakte enthaltenen Gesprächsvermerk zufolge erklärte er, dass
es sich bei den auf einem Girokonto seiner Tochter C.W. befindlichen knapp 43.000 Euro, die zuvor von seinem Sparkonto eingezahlt
worden seien, zum Teil um angespartes Geld und zum Teil um Darlehen und Zuwendungen der Familie (Onkel und Tanten) handele.
Das Geld sei für die Eröffnung eines Ladens gedacht, da er sich wieder selbständig machen wolle. Die Vermittlung des Beklagten
sei darüber informiert. Die Einzahlung auf das Konto der Tochter sei erfolgt, weil die Familie darauf achte, dass das Geld
auf sämtliche Familienmitglieder verteilt werde. Auch mit den Zuwendungen durch Onkel und Tanten werde so verfahren, dies
sei so üblich.
Aus den dann vom Kläger vorgelegten Bankunterlagen ergab sich, dass auf den Namen der Tochter C.W. zwei Konten bei der S.
bestanden, auf denen sich Guthaben von 35.177,13 Euro (Konto-Nr.) bzw. 7.339,01 Euro (Konto-Nr.) befanden, sowie ein Sparbuch
(Nr.) mit einem Guthaben von 561,61 Euro, insgesamt also 43.077,75 Euro. Auf den Namen der der anderen Tochter M.W. bestand
ebenfalls ein Sparbuch (Nr.) mit einem Guthaben von 561,61 Euro. Außerdem war auf dem o. g. Girokonto des Klägers ein Guthaben
von 4.559,06 Euro (Stand: 02.03.2010) sowie auf seinem Sparbuch (Nr.) ein Guthaben von 3.575,09 Euro vorhanden. Auf dem o.
g. Girokonto der Ehefrau des Klägers befanden sich 402,93 Euro (Stand: 17.03.2010). Das Konto des Klägers () bei der S. wurde
zum 14. Januar 2010 aufgelöst.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Freibeträge der Familienmitglieder ermittelte der Beklagte einen Betrag von 37.253,22 Euro
als anzurechnendes Gesamtvermögen der Bedarfsgemeinschaft.
Mit Schreiben vom 13. September 2010 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Rückforderung von Leistungen für
den Zeitraum vom 2. April 2009 bis zum 31. März 2010 an. Er habe in diesem Zeitraum Leistungen in Höhe von 17.802,18 Euro
zu Unrecht bezogen, da er über verwertbares Vermögen verfüge bzw. verfügt habe, das die Vermögensfreibeträge seiner Bedarfsgemeinschaft
in Höhe von 17.000 Euro übersteige. Er sei daher nicht hilfebedürftig gewesen und habe keinen Anspruch auf Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes gehabt. Er habe die Überzahlung auch verursacht, da er unvollständige Angaben gemacht habe.
Eine Reaktion der Bedarfsgemeinschaft erfolgte darauf nicht.
Im Verwaltungsvorgang des Beklagten befinden sich vier Bescheide vom 25. August 2011, jeweils mit dem Betreff „Rücknahmebescheid“.
Zwei Bescheide waren an den Kläger adressiert, zwei weitere gleichlautende Bescheide an seine Ehefrau. Im ersten Bescheid
lautete der Verfügungssatz, nach persönlicher Anrede des Klägers bzw. seiner Ehefrau:
„[D]ie Entscheidung vom 25. Juni 2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird vom 2. April 2009 bis 30. September 2009 für Sie und die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen
ganz zurückgenommen (§ 40 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X, §
330 Abs.
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch –
SGB III).“ Der Verfügungssatz des zweiten Bescheides war gleichlautend, bezog sich aber auf „die Entscheidung vom 06. Januar 2010“
und einen Zeitraum „vom 01. Oktober 2009 bis 31. März 2010". Zur Begründung hieß es in allen vier Bescheiden: „Sie verfügten
über Vermögenswerte in Höhe von 51614,83 Euro. Mit den nachgewiesenen Vermögensverhältnissen waren Sie und die mit Ihnen in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht bestand. Die fehlerhafte Bewilligung ist erfolgt,
weil Sie in Ihrem Antrag vom 2. April 2009 zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht haben (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X).“ Auf den Bescheiden, die in der Verwaltungsakte als Durchschrift gekennzeichnet waren, befand sich neben dem Datum jeweils
der handschriftliche Vermerk „ab / K.“.
Am 16. November 2011 erließ der Beklagte vier Erstattungsbescheide, adressiert an den Kläger, seine Ehefrau und jeweils seine
Töchter. Im an den Kläger adressierten Bescheid vom 16. November.2011 hieß es:
„Sehr geehrter Herr W.,
mit Bescheid vom 25. August 2011 habe ich die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
ab 2. April 2009 ganz aufgehoben. Die unten genannten Beträge sind deshalb von Ihnen zu erstatten (§ 50 SGB II).
Leistungen für J.W. – geb. am xxxxx 1971
Erstattungszeitraum: 2. April 2009 – 31. März 2010
Regelleistung 3.771,91 Euro
Kosten für Unterkunft und Heizung 2.206,09 Euro
Summe Zeitraum: 5.978,00 Euro
Es ergibt sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 5.978,00 Euro.
Dieser Betrag ist von Ihnen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X) (…).“
Mit Fax vom 13. Dezember 2011 zeigten die zu diesem Zeitpunkt vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte ihre Vollmacht für alle
vier Familienmitglieder gegenüber dem Beklagten an und legten Widerspruch gegen die Erstattungsbescheide ein. Zugleich beantragten
sie Akteneinsicht und die vorläufige Aussetzung der Vollziehung. Der Beklagte gab diesen Anträgen statt und bot Akteneinsicht
an, die die Bevollmächtigten trotz mehrfacher Nachfrage nicht wahrnahmen.
Mit Schreiben vom 1. August 2012 übersandte der Beklagte den Rechtsanwälten des Klägers Kopien aus der Verwaltungsakte, da,
wie es hieß, „eine Akteneinsicht mangels Terminabsprache bislang nicht zustande gekommen“ sei. Zugleich wurde eine Frist für
die Widerspruchsbegründung gesetzt. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks der Bearbeiterin des Beklagten vom 1. August
2012 übersandte sie „Kopien d. Aufhebungsbescheide v. August 2011, d. Erstattungsbescheide v. Nov. 2011 sowie alle Kontoauszüge
auch über Sparkonten, Mitteilungen über Datenabgleich, keine Stellungnahme zur Anhörung, Antrag kopiert sowie ausgefüllten
Vordruck zum Vermögen kopiert.“
Am 31. August 2012 erließ der Beklagte zwei zum einen an den Kläger und zum anderen an seine Ehefrau gerichtete Widerspruchsbescheide,
am 3. September 2012 zwei jeweils an seine Töchter gerichtete Widerspruchsbescheide, die sämtlich den bevollmächtigten Rechtsanwälten
am 5. September 2012 zugestellt wurden. Mit dem an den Kläger gerichteten Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 wies der
Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Bescheid enthalte als Regelung allein die auf § 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu stützende Rückforderung jener Leistungen, die aufgrund der früheren Bewilligungsbescheide gewährt und die bereits mit
den zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheiden für die Zeiträume vom 2. April 2009 bis zum 30. September
2009 und vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 aufgehoben worden seien. Wegen der eingetretenen Bestandskraft der Aufhebungsbescheide
sei deren Rechtmäßigkeit in diesem Widerspruchsverfahren nicht zu prüfen. Dem Widerspruchsbescheid war als Anlage eine Aufstellung
der aus Sicht des Beklagten überzahlten Leistungen für die Zeit vom 2. April 2009 bis zum 31. März 2010 beigefügt.
Der Kläger hat durch seine seinerzeit bevollmächtigten Rechtsanwälte am 3. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben.
Er hat vortragen, dass die Rücknahmebescheide mangels Zustellung nicht wirksam geworden seien. Daraus folge zugleich die Rechtswidrigkeit
des Erstattungsbescheides. Tatsächlich fänden sich diesbezüglich auch keine Belege (z. B. Zustellungsbescheinigungen, Aktenvermerke
oder ähnliches) die bestätigen könnten, dass die Rücknahmebescheide vom 25. August 2011 dem Kläger auch übermittelt worden
seien. Auf den Rücknahmebescheiden (vgl. Blatt 243 der Leistungsakte) befinde sich lediglich ein aufgedruckter Eintrag „Persönliche
Vorsprachen: …“ und der neben das Datum gesetzte Vermerk „ab K.“ (Anm. Kürzel der Sachbearbeiterin). Im Übrigen habe die Familie
aber auch Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zeitraum vom 2. April 2009 bis zum 31. März 2010
gehabt. Vermögen habe nicht zur Verfügung gestanden. Vielmehr seien die ermittelten Vermögenswerte „aufgrund von familiären
Schulden an Dritte verpfändet worden“.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2015 haben die Rechtsanwälte des Klägers dem Gericht mitgeteilt, den Kläger nicht mehr zu vertreten.
Der Kläger hat Anträge auf Überprüfung der Rücknahmebescheide vom 25. August 2011 gestellt. Mit Bescheid vom 13. September
2017 hat der Beklagte den Überprüfungsantrag abgelehnt. Bei Erlass der Bescheide sei das Recht richtig angewandt und von einem
zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass das Geld auf dem Konto der Tochter C. W. für ihr Medizinstudium
gedacht gewesen sei. Die Familie seiner Ehefrau habe der Tochter das Geld zukommen lassen. Geld sei auch von Verwandten gekommen.
Die Tochter des Klägers habe immer sehr gute Noten in der Schule gehabt und sie hätten viele Hoffnungen in sie gesetzt. Auf
Vorhalt des Gerichtes, dass er gegenüber dem Beklagten laut Aktenvermerk geäußert haben soll, es handele sich bei den 43.000
Euro auf dem Sparkonto seiner Tochter C. um eigenes angespartes Geld und zum Teil um Darlehen und Zuwendungen von der Familie,
das für die Eröffnung eines Ladens gedacht gewesen sei, hat er vorgetragen, dass das so nicht richtig sei. Er habe zuletzt
im Jahre 2006/2007 einen Laden gehabt. Das Geld sei für seine Tochter C. gedacht gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. Mai 2019 abgewiesen. Gegenstand der Klage sei allein der Erstattungsbescheid
vom 16. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012. Nicht streitgegenständlich sei hingegen
das Schreiben des Beklagten vom 13. September 2017 bezüglich des Überprüfungsantrags geworden, selbst wenn es sich dabei um
einen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X gehandelt haben sollte. Denn mit diesem Schreiben habe der Beklagte den Erstattungsbescheid weder abgeändert noch ersetzt
i.S.v. §
96 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG).
Statthafte Klageart sei die (isolierte) Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1, 1. Alt.
SGG, da die Klägerin allein die Aufhebung eines sie belastenden Verwaltungsaktes begehre. Der Bescheid des Beklagten vom 16.
November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2012 sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die erforderliche Anhörung habe stattgefunden.
Das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs. 1 SGB X als materielle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung verlange zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem
Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen
Empfängers in die Lage versetzen müsse, sein Verhalten daran auszurichten. Zum anderen müsse der Verwaltungsakt eine geeignete
Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bieten. Insoweit bestünden vorliegend keine Bedenken. Aus dem Erstattungsbescheid
ergebe sich deutlich, dass ein Gesamtbetrag in Höhe von 5.978 Euro vom Kläger zurückgefordert werde. Es werde damit, wie von
§ 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X gefordert, die „zu erstattende Leistung“ festgesetzt. Der Bescheid nenne darüber hinaus den maßgeblichen Zeitraum, für den
Leistungen zurückgefordert würden (2. April 2009 bis 31. März 2010) und differenziere überdies zwischen der bewilligten Regelleistung
(3.771,91 Euro) und den Kosten für Unterkunft und Heizung (2.206,09 Euro), so dass dahinstehen könne, ob diese Differenzierungen
im Erstattungsbescheid überhaupt erforderlich seien.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 Abs. 1 SGB X lägen vor. Mit den Bescheiden vom 25. August 2011, von denen jeweils zwei an den Kläger und zwei weitere an seine Ehefrau
gerichtet gewesen seien, seien die der Leistungsgewährung im Zeitraum vom 2. April 2009 bis zum 31. März 2010 zugrundeliegenden
Bewilligungsbescheide vom 25. Juni 2009 und 6. Januar 2010 aufgehoben worden, so dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
in dem genannten Zeitraum in Bezug auf den Kläger ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der
Aufhebungsbescheide habe in diesem Verfahren nicht zu erfolgen. Denn die Bescheide vom 25. August 2011 seien mangels Anfechtung
bestandskräftig geworden, so dass die in ihnen enthaltene Regelung auch für das erkennende Gericht verbindlich sei. Zweifel
am Zugang der Bescheide vom 25. August 2011 seien im Ergebnis nicht berechtigt. Der Kläger habe im Klageverfahren (erstmals)
den Zugang dieser Bescheide bestritten. Die sog. Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 3 SGB X helfe dem Beklagten im Fall des bestrittenen Zugangs zwar nicht weiter. Der Beklagte, der insoweit materiell beweisbelastet
sei, könne die Bekanntgabe nicht nachweisen. Selbst wenn man den Vermerk „ab / K.“ als Bestätigung der Absendung bzw. der
Aufgabe der Bescheide zur Post sehen wollte, folge daraus nicht zugleich, dass die Bescheide dem Kläger auch zugegangen seien.
Der Beklagte habe aber, ausweislich des handschriftlichen Vermerks vom 1. August 2012 und wie von der Bearbeiterin des Beklagten
im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt, im später anhängigen Widerspruchsverfahren den seinerzeit bevollmächtigten
Rechtsanwälten des Klägers Kopien der Aufhebungsbescheide vom 25. August 2011 übersandt. Dass auch diese Post nicht zugegangen
sei, habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet. Es gebe auch sonst keinen Anlass für die Annahme, dass diese Schriftstücke
die Rechtsanwälte nicht erreicht hätten.
Dieser spätere tatsächliche Zugang der Bescheide genüge, um eine zuvor fehlgeschlagene Bekanntgabe zu heilen. Die Übersendung
sei auch mit dem auf Seiten des Beklagten erforderlichen Bekanntgabewillen erfolgt. Zwar sei die Übersendung der Durchschriften
der Aufhebungsbescheide nicht etwa deshalb erfolgt, weil bereits im Widerspruchsverfahren der Zugang dieser Bescheide bestritten
worden wäre, sondern weil die Akteneinsicht nicht habe stattfinden können. Für den Bekanntgabewillen genüge es allerdings,
dass die Behörde willentlich dem Adressaten vom Inhalt des Verwaltungsaktes Kenntnis verschaffe. Der Erklärungsinhalt des
Verwaltungsaktes müsse mit Wissen und Wollen in Richtung auf den Adressaten in den Verkehr gelangt sein. Die Übersendung sei
willentlich und zielgerichtet durch den Beklagten erfolgt und sei auch noch vom bereits zuvor gebildeten Bekanntgabewillen
gedeckt gewesen. Letztlich könne die Bekanntgabe auch durch Übersendung einer Bescheidkopie erfolgen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 17.09.2008 – B 6 KA 28/07 R). Der Umstand, dass damit die Bekanntgabe der Aufhebungsbescheide zeitlich nach Erlass der Erstattungsbescheide stattgefunden
habe, habe keine Auswirkungen auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 Abs. 1 SGB X. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei bei der hier vorliegenden reinen Anfechtungsklage
grds. der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Jedenfalls im
Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung sei die erforderliche Aufhebung verfügt worden.
Die Bescheide vom 25. August 2011 seien auch nicht nichtig. Wären die Aufhebungsbescheide nichtig, wären bereits aus diesem
Grunde die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht erfüllt. Denn dann fehle es an der für die Erstattung erforderlichen Aufhebung der Leistungsbescheide. Im Grundsatz
gelte: Fehlten die oben aufgezeigten Anforderungen an die Bestimmtheit des Verfügungssatzes, sei also der Wille der Behörde
aus dem Verwaltungsakt nicht zu erkennen, so sei dieser grds. zu unbestimmt und deshalb rechtswidrig Dies werde daraus gefolgert,
dass nur die Nichterkennbarkeit der erlassenden Behörde zu den in § 40 Abs. 2 SGB X ausdrücklich aufgeführten absoluten Nichtigkeitsgründen gehöre (Nr. 1), die Unbestimmtheit im Übrigen jedoch nicht. Damit sei ein unbestimmter Verwaltungsakt nur unter den Voraussetzungen des
§ 40 Abs. 1 SGB X, also bei einem besonders schwerwiegenden Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich
sei, nichtig. Ein offensichtlich schwerwiegender Fehler liege vor, wenn der unbestimmte Verwaltungsakt keinen sinnvollen Regelungsgehalt
habe, wenn er also zum Beispiel im Unklaren lasse, ob überhaupt eine hoheitliche Regelung getroffen werden solle, im Unklaren
lasse, wer durch die Regelung betroffen sein solle, in sich widersprüchlich sei oder im Widerspruch zu anderen, zwischen den
Beteiligten bindenden Verwaltungsakten stehe oder keine befolgbare Rechtsfolge setze, zum Beispiel wegen Unverständlichkeit.
Nur in diesen Fällen sei Nichtigkeit (§ 40 Abs. 1 SGB X) und damit Unwirksamkeit (§ 39 Abs. 3 SGB X) des Verwaltungsakts die Folge der Unbestimmtheit. Von einem solch schweren Fehler könne vorliegend nicht ausgegangen werden.
Selbst wenn Zweifel an der Bestimmtheit der Aufhebungsbescheide deshalb begründbar seien, weil weder die einzelnen Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft genannt würden noch eine „Gesamtforderung“ und auch nicht die auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
entfallenden Teilbeträge, so bestehe doch nach dem objektiven Empfängerhorizont hinreichende Klarheit für den Kläger, dass
für den genannten Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. März 2010 die gegenüber allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft
ergangenen Leistungsbewilligungen vollständig aufgehoben („ganz zurückgenommen“) werden sollten. Es würden auch konkrete Bewilligungsbescheide,
die den genannten Zeitraum regelten, mit Datum genannt. Ausreichende Klarheit über den Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes
könne im Übrigen auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf
früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden
müsse (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.10.2017 – B 14 AS 9/17 R). Insoweit könne auch der später ergangene Erstattungsbescheid herangezogen werden, weil er im Zeitpunkt der hier jedenfalls
gegenüber den Rechtsanwälten erfolgten Bekanntgabe der Aufhebungsbescheide schon vorgelegen habe. Bei einer Gesamtbetrachtung
der Umstände bestünden keine durchgreifenden Zweifel an der Bestimmtheit der Aufhebungsbescheide. Jedenfalls wäre ein Mangel
der Bestimmtheit hier nicht derart schwerwiegend, dass deshalb das Verdikt der Nichtigkeit gerechtfertigt erscheine. Eine
bloße Rechtswidrigkeit der Aufhebungsbescheide wäre aber wegen ihrer hier eingetretenen Bestandskraft unerheblich.
An der Bestandskraft der Aufhebungsbescheide vom 25. August 2011 ändere sich auch nichts durch den im anhängigen gerichtlichen
Verfahren vom Kläger gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Dies folge schon daraus, dass die Bestandskraft hier nicht durchbrochen worden sei, weil der Beklagte den Überprüfungsantrag
abgelehnt habe.
Auch in ihrer Rechtsfolge unterliege die vom Beklagten geltend gemachte Erstattung von 5.978 Euro keinen Bedenken. Auch eine
Beschränkung der Erstattungsforderung gem. § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 13.05.2011) scheide aus. Nach dieser Vorschrift seien abweichend von § 50 SGB X 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft
nicht zu erstatten. Dies gelte nach Satz 2 indes nicht in den Fällen des § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X, des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und 4 SGB X sowie in Fällen, in denen die Bewilligung lediglich teilweise aufgehoben werde. Vorliegend sei der Beklagte im Rücknahmebescheid
vom 25. August 2011 von einem Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ausgegangen. Daran sei das Gericht bei der Prüfung des § 50 SGB X gebunden. Denn der Aufhebungsbescheid sei bestandskräftig und damit nach seinem materiellen Gehalt bindend geworden. Die
Erstattungsforderung sei vom Beklagten zutreffend berechnet worden. Die im Anhang zum Widerspruchsbescheid genannten Einzelbeträge
(Regelleistung: 232,91 Euro + 2 x 316 Euro + 9 x 323 Euro = 3.771,91 Euro; KdU: 178,22 Euro + 2 x 184,36 Euro + 9 x 184,35
Euro = 2.206,09 Euro; insgesamt: 5.978 Euro) entsprächen den gegenüber dem Kläger mit Leistungsbescheiden vom 25. Juni 2009
und 6. Januar 2010 erfolgten Bewilligungen.
Der Kläger beantragt sinngemäß nach Aktenlage,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Mai 2019 sowie den Bescheid vom 16. November 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids
vom 3. September 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt nach Aktenlage,
die Berufung zurückzuweisen.
Gegen das ihm am 31. Mai 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Juni 2019 Berufung eingelegt. Die Vermutung des Sozialgerichts,
er habe den Aufhebungsbescheid vom 25. August 2011 über seinen Rechtsanwalt erhalten, sei unzutreffend. Er könne sich an einen
Rücknahmebescheid vom 25. August 2011 nicht erinnern und habe schon mit Schreiben vom 1. Februar 2018 um die Zusendung einer
Zweitschrift gebeten. Der Berater bei der ÖRA Hamburg habe gesagt, dass ausnahmslos das Individualisierungsprinzip beachtet
werden müsse. Aufgrund seiner mangelnden Deutschkenntnisse habe er die in der Verhandlung gestellten Fragen nicht ausreichend
verstehen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die beigezogenen Verwaltungsakten
der der Beklagten sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Mai 2022 verwiesen.
Der Senat konnte auch in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen waren und in der Ladung auf
diese Möglichkeit hingewiesen worden waren.
Der Senat folgt auch den Ausführungen des Sozialgerichts hinsichtlich der ausreichenden Individualisierung sowohl in den Aufhebungsbescheiden
als auch im Erstattungsbescheid. Für den Kläger war klar erkennbar, dass sämtliche hier im streitigen Zeitraum bewilligten
Leistungen aufgehoben worden sind und von ihm zu erstatten sind. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass
die Aufhebungsbescheide bestandskräftig sind und im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Erstattungsbescheide lediglich
eine Nichtigkeit der Aufhebungsbescheide zu beachten wäre. Eine solche liegt nach Auffassung des Senates nicht vor. Im Übrigen
hat der Senat aber auch keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsbescheide. Die widersprüchlichen
Angaben des Klägers, wem das Vermögen – ihm, seiner Tochter oder Dritten – zuzuordnen ist, vermögen keine ernsthaften Zweifel
zu wecken. Entsprechend geht der Senat davon aus, dass gemäß seiner ersten Angaben ihm das Vermögen zuzuordnen und damit der
gesamten Bedarfsgemeinschaft zuzurechnen ist.