Anforderungen an die Darlegung eines Rehabilitationsinteresses zur Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Leistungsanspruches des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Kläger war bis zum 20.07.2016 pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Ab dem 21.07.2016 führte die Beklagte
eine sog. obligatorische Anschlussversicherung für den Kläger durch und erhob Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen
Pflegeversicherung auf Grundlage der Mindestbemessungsgrundlage. Die Feststellung der freiwilligen Mitgliedschaft und die
Festsetzung und Berechnung der Beiträge sind Gegenstand eines weiteren sozialgerichtlichen Verfahrens. Seit dem 1.07.2018
ist der Kläger Altersrentner und Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner. Mit Bescheid vom 14.07.2016
versagte das Jobcenter dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.
Mit Bescheid vom 21.12.2016 stellte die Beklagte einen Beitragsrückstand des Klägers von 755,71 EUR fest und drohte gleichzeitig
das Ruhen des Leistungsanspruches an, falls der Kläger den ausstehenden Betrag nicht bis zum 7.01.2017 zahle.
Mit weiterem Bescheid vom 10.01.2017 stellte sie dann auf Grund fehlenden Zahlungseinganges das Ruhen des Leistungsanspruches
fest.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 13.01.2017. Zur Begründung führte er zusammengefasst aus, dass er
hilfebedürftig sei und das Ruhen des Leistungsanspruches daher schon kraft Gesetzes nicht eintrete.
Daraufhin übersandte die Beklagte dem Kläger einen Antrag auf Zahlungsbefreiung und Fragebogen und bat um Übersendung aller
Kontoauszüge und Bescheide über den Leistungsbezug nach dem SGB II. Der Kläger beantwortete dies mit Übersendung von Umsatzanzeigen seines Online-Banking-Accounts, die er mittels des Editors
bearbeitet hatte und eines Schreibens seiner Mutter, worin diese erklärte, dem Kläger nur wegen der rechtswidrigen Leistungsablehnung
des Jobcenters ein Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährt zu haben. Im Übrigen würde er über keinerlei Einkünfte
verfügen.
Mit Zwischennachricht vom 15.02.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie dem Widerspruch nicht abhelfen könne, da
der Kläger nicht hilfebedürftig sei und sie dies nicht zu prüfen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte zur Begründung aus,
dass kraft Gesetzes bei Versicherten, die mit mehr als zwei Beitragsanteilen säumig seien und die die Krankenkassen gemahnt
und auf die Rechtsfolge hingewiesen haben, der Leistungsanspruch ruhe. Dieses Ruhen trete dann nicht ein, wenn die Versicherten
hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder XII seien. Das Ruhen ende, wenn alle rückständigen Beitragsanteile gezahlt seien. Der Kläger habe die Beiträge für die
Zeit vom 21.07.2016 bis einschließlich 30.11.2016 bewusst nicht entrichtet. Die Beklagte sei als gesetzliche Krankenkasse
nicht verpflichtet, den Vorliegen der Hilfebedürftigkeit zu überprüfen. Dies falle in die Zuständigkeit der Träger der Leistungen
nach dem SGB II oder XII. Im Übrigen habe das Jobcenter festgestellt, dass der Kläger nicht hilfebedürftig i. S. d. SGB II sei, da er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 30.10.2017 Klage erhoben. Die ihm vom Jobcenter auferlegten Mitwirkungspflichten seien rechtswidrig.
Tatsächlich sei er hilfebedürftig und bestreite seinen Lebensunterhalt von einem Darlehen seiner Mutter. Im Übrigen komme
es – anders als die Beklagte meint – nicht auf den tatsächlichen Leistungsbezug nach dem SGB II oder XII an, sondern nur auf das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit i. S. dieser Gesetze. Dies hätten auch die Krankenkassen
im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu prüfen.
Mit Hinweis vom 14.03.2018 hat das Sozialgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass der Kläger in sämtlichen dem Gericht
bekannten Verfahren die Offenlegung seiner Einkommenssituation verweigere und daher eine Überprüfung der Hilfebedürftigkeit
von Amts wegen nicht möglich sei. Insoweit wurde ergänzend auf den gerichtlichen Hinweis vom 20.06.2017 zum Verfahren S 46 KR 967/17 ER Bezug genommen. Gleichzeitig hat das Sozialgericht dem Kläger unter Fristsetzung die nicht genutzte Möglichkeit gegeben,
seine Einkommensverhältnisse darzulegen.
Sodann hat das Sozialgericht die Klage nach entsprechender Anhörung durch Gerichtsbescheid vom 26.10.2018 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für das Ruhen
des Leistungsanspruches sei §
16 Abs.
3a S. 2 und 3 und S. 1
SGB V. Dessen Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Der Kläger habe mindestens für die Zeit vom 21.07.2016 bis einschließlich
30.11.2016 keine Beträge zu der zu diesem Zeitpunkt bestehenden freiwilligen Mitgliedschaft gezahlt. Nach dem letzten Kenntnisstand
des Gerichtes seien für diese Mitgliedschaft Beitragsschulden von mind. 1.333,68 EUR aufgelaufen. Die Antragsgegnerin habe
den Antragsteller auch gemahnt und auf das drohende Ruhen hingewiesen. Eine Ratenzahlungsvereinbarung sei nicht abgeschlossen
worden. Das Gericht habe im Rahmen der dem Gericht obliegenden Amtsermittlung nicht feststellen können, dass der Kläger in
der Vergangenheit oder zum gegenwärtigen Zeitpunkt hilfebedürftig i. S. d. SGB II oder XII sei. Richtig sei, dass die Krankenkassen im Verwaltungsverfahren und die Sozialgerichte im gerichtlichen Verfahren
die Hilfebedürftigkeit grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen habe. Auf Anfrage des Sozialgerichts habe das Bezirksamt mitgeteilt,
dass nicht eindeutig beantwortet werden könne, ob der Kläger hilfebedürftig sei. Über seinen Leistungsantrag habe noch nicht
entschieden werden können, da der Antragssteller noch nicht alle für die Bearbeitung erforderlichen Unterlagen eingereicht
habe. Wegen der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II werde auf die ablehnende Entscheidung des Jobcenters vom 14.07.2016 verweisen. Unter Berücksichtigung aller vorliegender
Unterlagen sei eine Hilfebedürftigkeit i. S. d. SGB XII nicht feststellbar, da der Kläger lediglich anonymisierte Kontoumsätze seines Onlinebanking-Accounts eingereicht habe. Dies
sei jedoch nicht ausreichend, denn sie seien wenig aussagekräftig. So gingen daraus beispielsweise Zahlungen von über 3.000
EUR eines Versicherungsunternehmens hervor, die aus der Kündigung eines sog. Riestervertrages herrührten. Außerdem erhalte
der Kläger Zahlungen von Privatpersonen, wobei anhand der vorgelegten Unterlagen nicht ermittelt werden könne, auf welcher
Rechtsgrundlage dies beruhe, sodass auch nicht geklärt werden könne, ob diese Zahlungen als anzurechnendes Einkommen zu berücksichtigen
seien und ob trotz der Zahlungen Hilfebedürftigkeit vorliege. Rechtsfolge des §
16 Abs.
3a S. 2 und 3 und S. 1
SGB V sei das kraft Gesetzes eintretende Ruhen des Leistungsanspruches. Ein Ermessen der beklagten Krankenkasse bestehe nicht.
Der Kläger hat gegen den ihn am 01.11.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der er am 12.11.2018 Berufung eingelegt. Er begründet
diese im Wesentlichen damit, dass das Ruhen des Krankenversicherungsanspruchs letztlich Resultat der aus seiner Sicht rechtswidrigen
Verweigerung von Leistungen nach dem SGB II sei. Denn dadurch sei er – ebenfalls zu Unrecht – nicht mehr in der Gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert gewesen
und die Beklagte habe ihn ohne seine Zustimmung freiwillig krankenversichert und dafür Beiträge festgesetzt, die er nicht
gezahlt habe, da ein solches Vorgehen nach seiner Ansicht ebenfalls rechtswidrig sei.
Der Kläger beantragt,
im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses das Gericht möge erkennen, dass der Sachverhalt nach §
103 SGG nicht vollumfänglich ermittelt wurde, die Belästigung und Nötigung durch Ruhendstellung einer freiwilligen Versicherung –
gerade gegenüber opfern systemischer Gewalt – ist nicht statthaft. Implizit ist zu prüfen, ob ein derartiges Versicherungsverhältnis
überhaupt bestehen kann, zumal für eine freiwillige Versicherung es bereits an einer einfach gesetzlichen Rechtsgrundlage
nach Reform des Krankenversicherungsrechts mangelt. Herr W. war zu keinem Zeitpunkt berechtigt, sich von der gesetzlichen
Versicherungspflicht befreien zu lassen, sodass eine freiwillige Versicherung niemals eintreten konnte, da ein Wegfall der
Versicherungspflicht zu keinem Zeitpunkt eintrat.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Mitgliedschaft des Klägers bei ihr seit dem 01.11.2018 nicht
mehr und ein Beitragsrückstand von 5.675,84 Euro bestehe.
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 02.01.2019 gemäß §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie
den weiteren Inhalt der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Gericht legt den Antrag des Klägers dahingehend aus, dass er im Berufungsverfahren im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage
die Feststellung begehrt, dass der allein streitgegenständliche Bescheid vom 10.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.09.2017 rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde. Allein diese Auslegung ermöglicht
eine statthafte Rechtsverfolgung, da sich der streitige Ruhensbescheid durch das Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten
erledigt hat. Denn ohne ein Versicherungsverhältnis kann es auch kein Ruhen eines solchen geben.
Allerdings fehlt es für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage an dem dafür notwendigen besonderen Feststellungsinteresse.
Anerkannt sind hier die Fälle der Wiederholungsgefahr, der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses und des Rehabilitierungsinteresses.
Keine dieser Fälle liegt hier vor.
Eine Wiederholungsgefahr ist vor dem Hintergrund, dass nicht erkennbar ist, dass der Kläger demnächst bei der Beklagten wieder
beitragspflichtig versichert sein wird, nicht erkennbar.
Ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses liegt ebenfalls nicht vor. Denn das
hier ursprünglich streitige Ruhen des Leistungsanspruches ist lediglich gesetzlich unmittelbar angeordnete Folge der nicht
erfolgten Beitragszahlung. Die eigentliche Amtspflichtverletzung liegt nach Ansicht des Klägers in erster Linie in der Versagung
der Leistungen nach dem SGB II. Die sich im Krankenversicherungsrecht ergebenden Probleme des Klägers sind lediglich Reflexe der sich im SGB II abspielenden Rechtsstreitigkeiten. Hinsichtlich dieser Rechtsstreite sind verschiedene Gerichts- und Verwaltungsverfahren
anhängig, in denen die Fragen zu klären sind. Es besteht daher kein Anlass, dies in dem vorliegenden erledigten Verfahren
zu tun.
Schließlich ist auch kein Rehabilitationsinteresse gegeben. Dies wird bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, wie bei Freiheitsentziehungen
oder Eingriffen in die Privatsphäre angenommen. Dergleichen ist hier nicht ersichtlich. Vielmehr gilt auch hier, dass es sich
bei dem Ruhen des Leistungsanspruchs lediglich um eine gesetzliche angeordnete Rechtsfolge handelt, die nicht im Ermessen
der Beklagten steht.
Der Kläger wird daher die streitigen Fragen des SGB II in den dazu anhängigen Verfahren klären müssen. Auch zu den Beitragsbescheiden der Beklagten wurden bzw. werden Verfahren
geführt; sie sind ebenfalls nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Abschließend sei noch ergänzend und ohne Auswirkung auf diese Entscheidung angemerkt – worauf der Kläger jedoch auch schon
in anderen Verfahren hingewiesen wurde –, dass die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung beim Kläger kraft Gesetzes
als sog. obligatorische Anschlussversicherung eingetreten ist, ohne dass es dafür seiner Zustimmung bedurfte und dass dies
gerade an dem von ihm angesprochenen Umstand liegt, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption kein Bürger ohne Krankenversicherungsschutz
bleiben soll. Für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, setzt sich daher nämlich die Versicherung
mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als
freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse
über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.