Tatbestand:
Im Streit steht die Aufnahme des Klägers in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der 1941 geborene Kläger war zunächst bei der Beigeladenen erst gesetzlich und dann freiwillig krankenversichert. Seit dem
1. Januar 1982 ist er bei der C. Krankenversicherung a.G. privat krankenversichert. Vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2005
war er arbeitslos und stand dabei bis 30. Dezember 2005 Bezug von Arbeitslosengeld. Seit dem 1. Januar 2006 steht der Kläger
im Bezug von Altersrente. Nach dem Tod seiner Ehefrau stellte der Kläger am 22. März 2010 bei der Deutschen Rentenversicherung
Bund (DRV Bund) einen Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und zugleich einen
Antrag auf Aufnahme in die KVdR, welcher von der DRV Bund an die Beklagte weiter geleitet wurde.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2010 lehnte die Beklagte die Aufnahme des Klägers in die KVdR ab, da er bislang privat krankenversichert
gewesen sei, das 55. Lebensjahr bereits vollendet habe, in den letzten fünf Jahren nicht gesetzlich versichert und in dieser
Zeit überwiegend hauptberuflich selbstständig tätig gewesen sei. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30. Mai 2010
Widerspruch ein. Aufgrund des Todes seiner Ehefrau erhalte er eine Witwerrente. Seine Ehefrau sei mehr als 50 Jahre gesetzlich
bei der Beigeladenen versichert gewesen. Dieser Versicherungsschutz sei ebenso wie der Anspruch auf Rente auf ihn übergangen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Voraussetzung für die
Aufnahme in die KVdR sei nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V), dass seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten
Hälfte des Zeitraums eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Familienversicherung für den Betreffenden
bestanden habe. Bei Empfängern von Hinterbliebenenrente seien diese Voraussetzungen für die KVdR grundsätzlich als erfüllt
anzusehen, wenn der Verstorbene bereits eine Rente bezogen habe und in der KVdR versichert gewesen sei. Aufgrund der Anrechnung
der Vorversicherungszeit seiner verstorbenen Ehefrau und aufgrund des Umstandes, dass diese bereits in der KVdR versichert
gewesen sei, erfülle der Kläger im Ausgangspunkt die Voraussetzungen für die Aufnahme in die KVdR. Gleichwohl könne er gemäß
§
6 Abs.
3a SGB V nicht in die KVdR aufgenommen werden. Durch diese Regelung werde Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig
werden, der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung versperrt, wenn sie unmittelbar zuvor keinen ausreichenden Bezug zur
gesetzlichen Krankenversicherung nachweisen könnten. Nach der Gesetzesbegründung diene diese Vorschrift einer klaren Abgrenzung
zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Versicherungsfrei seien Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung
in der privaten Krankenversicherung entschieden hätten. Diese sollten auch im Alter diesem System und nicht der gesetzlichen
Krankensicherung angehören. Versicherungsfreiheit nach §
6 Abs.
3a SGB V trete ein, wenn in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Versicherungspflicht, wie im Fall des Klägers, kein gesetzlicher
Krankenversicherungsschutz bestanden habe. Der Kläger sei in den letzten fünf Jahren ausschließlich bei einer privaten Krankenversicherung
versichert gewesen. Weitere Voraussetzung sei, dass der Kläger mindestens in der Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von
der Versicherungspflicht befreit oder nach §
5 Abs.
5 SGB V nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Auch diese Voraussetzung liege bei dem Kläger vor. Der Kläger sei zunächst als
Beamter versicherungsfrei und im Anschluss von der Versicherungspflicht befreit gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht
daraus, dass die Ehefrau des Klägers in der KVdR versichert gewesen sei. Für Hinterbliebene, die seit Jahren privat versichert
sind, gelte §
6 Abs.
3a SGB V auch dann, wenn sie bei Beantragung einer Hinterbliebenenrente Mitglied in der KVdR werden könnten, weil die KVdR-Vorversicherungszeit
über den Verstorbenen erfüllt sei.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2015 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach dem Stand des Widerspruchsverfahrens. Bei
Durchsicht seiner Akten habe er festgestellt, dass ihm in Bezug auf seinen Widerspruch vom 30. Mai 2010 noch keine Entscheidung
bekannt gegeben worden sei. Er sei vor zwei Jahren von D-Stadt nach A-Stadt umgezogen und habe einen Nachlieferungsantrag
gestellt. Ein Widerspruchsbescheid sei ihm bislang nicht zugestellt worden. Sofern ohne sein Wissen entschieden worden sein
sollte, bitte er um förmliche Zustellung. Daraufhin übersandte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 3. Juli 2015 den
Widerspruchsbescheid mit dem Hinweis, dieser sei am 16. Dezember 2010 zur Post aufgegeben worden. Unabhängig davon, dass der
Widerspruchsbescheid bestandskräftig sei, sei eine Abhilfe auch deshalb nicht möglich, weil die gesetzlichen Voraussetzungen
für die KVdR nicht vorlägen.
Gegen den Bescheid vom 12. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2010 hat der Kläger am 9. Juli
2015 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Er habe sich erst mit Schreiben vom 29. Mai 2015 an die Beklagte
gewandt und sich erkundigt, weshalb bislang noch kein Widerspruchsbescheid erteilt worden sei, weil er in der Zwischenzeit
eine Vielzahl von persönlichen Angelegenheiten vorrangig habe bearbeiten müssen. Seine Ehefrau sei am 16. März 2010 überraschend
verstorben. Es habe sich eine intensive Trauerbewältigung angeschlossen, die immer noch nicht abgeschlossen sei. Aufgrund
eines Zwangsverwaltungsverfahrens habe im Übrigen seine Eigentumswohnung aufgelöst und ein Umzug organisiert werden müssen.
Außerdem habe er sich in einem langwierigen Rechtsstreit mit dem Käufer seiner Steuerberatungskanzlei befunden und weitere
persönliche Angelegenheiten regeln müssen. Aus den genannten Gründen sei ihm das bei der Beklagten anhängige Widerspruchsverfahren
zunächst in Vergessenheit geraten. Im Jahr 2015 habe er diverse Vorgänge und Akten bearbeitet und hierbei festgestellt, dass
über den Widerspruch noch nicht entschieden worden sei, da er sich an den Erhalt eines Widerspruchsbescheides nicht habe erinnern
können. Er sei aufgrund einer eigenen Rente in die KVdR aufzunehmen, da er in den letzten fünf Jahren weder versicherungsfrei,
noch von der Versicherungspflicht befreit, noch hauptberuflich selbstständig, sondern als Rentner lediglich wegen Nichterfüllung
der KVdR-Vorversicherungszeit nicht versicherungspflichtig gewesen sei.
Vom Kläger ist ein Versicherungsverlauf der DRV Bund vorgelegt worden, aus dem sich Pflichtbeiträge ergeben für den Zeitraum
vom 1. Oktober 2002 bis 31. Dezember 2004 und aufgrund von der Arbeitsagentur gemeldeter Zeiten für den Zeitraum vom 1. Januar
2005 bis zum 30. Dezember 2005.
Mit Urteil vom 23. November 2017 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.
Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2010 verurteilt, dem Kläger ab dem 1. März 2010 in der
KVdR zu versichern. Die Klage sei zulässig, insbesondere sei die Klagefrist gewahrt. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid
sei dem Kläger erst mit Schreiben vom 3. Juli 2015 übersandt worden. Die Klageerhebung am 9. Juli 2015 sei daher fristwahrend
erfolgt. Ein früherer Zugang des Widerspruchsbescheides lasse sich demgegenüber nicht feststellen. Der von der Beklagten behauptete
frühere Zugang sei von dem Kläger glaubhaft bestritten worden, so dass die Zugangsfiktion gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch 10. Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) nicht eingreife. Angesichts der vom Kläger geschilderten Umstände sei es nachvollziehbar, dass der Kläger das Widerspruchsverfahren
über längere Zeit aus den Augen verloren habe und erst bei späterer Aktendurchsicht hierauf wieder aufmerksam geworden sei.
Es liege auch kein Fall der Verwirkung vor, da insoweit der bloße Zeitablauf nicht genüge. In der Sache sei die Klage ganz
überwiegend begründet. Der Kläger habe einen Anspruch darauf, von der Beklagten seit dem 22. März 2010 in der KVdR aufgenommen
zu werden. Er sei seit dem 22. März 2010 in der KVdR gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
11 i.V.m. Abs.
2 SGB V versicherungspflichtig und nicht nach §
6 Abs.
3a SGB V versicherungsfrei. Dies gelte allerdings nicht - wie tenoriert - bereits ab dem 1. März 2010, sondern wegen §
189 Abs.
9 SGB V ab dem 22. März 2010. Nach §
6 Abs.
3a Satz 1
SGB V seien Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den
letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert gewesen sein. Weitere Voraussetzung
sei gemäß §
6 Abs.
3a Satz 2
SGB V, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach
§ 5 Abs. 5 nicht versicherungspflichtig gewesen sind. Eine Versicherungsfreiheit des Klägers nach §
6 Abs.
3a SGB V liege nicht vor, so dass dieser Ausschlusstatbestand nicht zum Tragen komme. Der Kläger sei gemäß §
6 Abs.
3a Satz 1
SGB V nach Vollendung des 55. Lebensjahres, nämlich im Alter von 68 Jahren, gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
11 i.V.m. Abs.
2 SGB V versicherungspflichtig geworden. Bezugspunkt des nach §
6 Abs.
3a Satz 1
SGB V maßgeblichen Fünfjahreszeitraumes, in dem - als Voraussetzung der Versicherungsfreiheit nach dieser Vorschrift - keine gesetzliche
Versicherung bestanden haben dürfe, sei der Eintritt der Versicherungspflicht. Vorliegend sei die Versicherungspflicht mit
der Stellung des Antrags auf Gewährung von Hinterbliebenenrente am 22. März 2010 eingetreten. Dies folge aus §
189 Abs.
9 SGB V, wonach die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner mit dem Tag der Stellung des Rentenantrags beginne. Demnach reiche
der maßgebliche Fünfjahreszeitraum vom 22. März 2005 bis 21. März 2010. In diesem Zeitraum sei der Kläger vom 22. März 2005
bis 31. Dezember 2005 arbeitslos gewesen und ab 1. Januar 2006 Altersrentner. Ein Tatbestand der Versicherungsfreiheit nach
§
6 SGB V sei im maßgeblichen Zeitraum daher nicht erfüllt. Der Kläger sei jedenfalls nicht für einen hinreichend langen Zeitraum im
Sinne des §
6 Abs.
3a Satz 2
SGB V von der Versicherungspflicht befreit gewesen. Zwar bestehe die Möglichkeit, dass der Kläger nach §
8 Abs.
1 Nr.
1a SGB V auf Antrag aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Allerdings könne sich
diese Befreiung nur auf den Zeitraum des Bezugs von Arbeitslosengeld beziehen, so dass nur ein Zeitraum von weniger als zehn
Monaten betroffen wäre. Eine Befreiung nach §
8 Abs.
1 Nr.
4 SGB V komme hingegen von vornherein nicht in Betracht. Denn der Kläger sei durch den Altersrentenantrag nicht gemäß § 5 Abs. 1
Nr. 11 versicherungspflichtig geworden, weil er unstreitig die Voraussetzungen dieser Vorschrift aus eigener Versicherung
nicht erfüllt habe. Die Befreiung nach §
8 SGB V, die sich bei dem Kläger nur auf den Arbeitslosenbezug gemäß §
8 Abs.
1 Nr.
1a SGB V bezogen haben könnte, wirke tatbestandsbezogen (Bezug auf BSG, Urteil vom 25. Mai 2011 - B 12 KR 9/09 R - juris Rn. 17 m.w.N.), so dass eine etwaige Befreiung auf die Zeit des Arbeitslosengeldes beschränkt gewesen wäre und sich
mit dem Ende dieses Bezugs - also nach einer Geltungszeit von weniger als zehn Monaten - gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hätte. Etwas anderes folge auch nicht aus der Regelung des §
6 Abs.
2 Satz 1
SGB V, wonach die nach Absatz
1 oder anderen gesetzlichen Vorschriften mit Ausnahme von Absatz 2 und § 7 versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht
befreiten Personen auch dann versicherungsfrei bleiben, wenn sie eine der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 13 genannten Voraussetzungen
erfüllen. Denn die daraus folgende sogenannte absolute Versicherungsfreiheit gelte stets nur für parallel erfüllte Versicherungspflichttatbestände,
da sie eine bestehende Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung voraussetze. Demnach sei der Kläger im Ergebnis jedenfalls nicht
mindestens die Hälfte des maßgeblichen Fünfjahreszeitraums gemäß §
6 Abs.
3a Satz 2
SGB V versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach §
5 Abs.
5 nicht versicherungspflichtig gewesen und folglich der Ausschlusstatbestand des §
6 Abs.
3a SGB V nicht erfüllt. Dieses Ergebnis entspreche auch dem Zweck der Regelung des Fünfjahreszeitraums in §
6 Abs.
3a SGB V. Denn mit dem Fünfjahreszeitraum sollte gerade auch sichergestellt werden, dass wegen §
6 Abs.
3a SGB V Rentner nicht von der KVdR ausgeschlossen werden (Bezug auf KassKomm/Peters
SGB V §
6 Rn. 59 unter Verweis auf BT Drs. 14/2145).
Gegen das ihr am 14. März 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. April 2018 Berufung erhoben.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe mit Eintritt der Versicherungspflicht bzw. im Zusammenhang mit der KVdR-Meldung
nicht von seinen Kassenwahlrecht ihr gegenüber Gebrauch gemacht. Folglich sei die Beigeladene als letzte gesetzliche Krankenkasse
gemäß §
175 Abs.
3 SGB V für die Durchführung der Versicherung zuständig. Im Übrigen widerspreche die vom Sozialgericht dargelegte Rechtsansicht zur
gesetzlichen Regelung des §
6 Abs.
3a SGB V dem Willen des Gesetzgebers.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, er habe von seinem Kassenwahlrecht durch Antragstellung bei der Beklagten Gebrauch gemacht. Hierfür sei
es unbeachtlich, dass er zunächst bei der Beigeladenen vorstellig geworden sei und von dieser auf die Zuständigkeit der Beklagten
verwiesen worden sei. Bei der Stellung des Antrags auf Hinterbliebenenrente habe er sich damit einverstanden erklärt, dass
der Antrag auf Aufnahme in die KVdR an die Beklagte weitergeleitet worden sei. Hierdurch habe er sein Wahlrecht im Hinblick
auf die Beklagte ausgeübt. Im Übrigen sei es rechtsmissbräuchlich, von der Beklagten nach 8 jähriger Verfahrenslaufzeit erstmals
im Berufungsverfahren auf die ihrer Ansicht nach mangelnde Zuständigkeit hingewiesen zu werden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Ansicht, der Kläger habe zugleich mit dem Antrag auf Hinterbliebenenrente
sowie dem Antrag auf Aufnahme in die KVdR von seinem Wahlrecht bezüglich der Beklagten Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2017 ist im Hinblick auf den grundsätzlichen
Anspruch des Klägers auf Durchführung der Krankenversicherung in der KVdR im Wesentlichen zutreffend und war insoweit lediglich
in dem Umfang zu korrigieren, der vom Sozialgericht in den Entscheidungsgründen bereits selbst aufgezeigt worden ist. Der
Kläger ist danach erst ab dem 22. März 2010 in der KVdR zu versichern. Soweit die Beklagte im Tenor des Urteils verurteilt
wurde, den Kläger bereits ab dem 1. März 2010 in der KVdR zu versichern, wurde vom Sozialgericht in den Gründen der Entscheidung
zutreffend darauf hingewiesen, dass der maßgebliche Beginn der Versicherungspflicht entgegen dem Tenor des Urteils erst zum
22. März 2010 eingetreten ist.
Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil auch zutreffend dargelegt, dass die Klage zulässig noch am 9. Juli 2015
erhoben werden konnte, da von dem Kläger substantiiert vorgetragen worden ist, dass der Widerspruchsbescheid der Beklagten
vom 14. Dezember 2010 ihm erstmals am 3. Juli 2015 übersandt worden ist. Eine vorherige Bekanntgabe bzw. Zustellung des Widerspruchsbescheides
vermochte die Beklagte nicht nachzuweisen. Von der Beklagten wird dies im Berufungsverfahren auch nicht mehr geltend gemacht.
Bezüglich der vorliegend einschlägigen rechtlichen Regelungen zur Bestimmung der Klagefrist sowie deren tatbestandlichen Voraussetzungen
wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil
Bezug genommen und von der nochmaligen Darlegung abgesehen (§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Gleiches gilt für die vom Sozialgericht zutreffend dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht des Klägers
in der KVdR, die im Urteil zu Recht bejaht worden sind. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der so genannten Neun/Zehntel-Belegung
aufgrund der Ableitung seines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente seiner verstorbenen Ehefrau gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
11 i.V.m. Abs.
2 S. 2
SGB V wurde von der Beklagten bereits im Verwaltungsverfahren anerkannt und steht auch für den Senat außer Zweifel.
Das Sozialgericht hat weiterhin zutreffend dargelegt, dass der Kläger nicht nach §
6 Abs.
3a SGB V versicherungsfrei war. Versicherungsfrei sind danach Personen, die
- nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden,
- in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren und
- mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 nicht versicherungspflichtig
waren.
Dabei ist das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen, dass hinsichtlich des insoweit maßgeblichen Zeitraumes der letzten
5 Jahre vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht auf den Bezug der Altersrente des Klägers ab dem 1. Januar 2006, sondern
vielmehr auf das Datum des Antrags auf Gewährung von Hinterbliebenenrente, d.h. den 22. März 2010 abzustellen ist. Dies folgt
aus der Regelung des §
189 Abs.
2 S. 1
SGB V (im Urteil des Sozialgerichts wohl irrtümlich: §
189 Abs.
9 SGB V), wonach die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner mit dem Tag der Stellung des Rentenantrags beginnt. Eine Mitgliedschaft
in der KVdR wurde von dem Kläger nicht anknüpfend an seine Altersrente, sondern ausschließlich in Verbindung mit dem Antrag
auf Gewährung der Hinterbliebenenrente nach dem Tod seiner Ehefrau beantragt. Aufgrund dessen reicht der maßgebliche Fünfjahreszeitraum
vom 22. März 2005 bis zum 21. März 2010, wie vom Sozialgericht ebenfalls zutreffend dargelegt worden ist. In diesem Zeitraum
war der Kläger zunächst bis 31. Dezember 2005 arbeitslos (mit Bezug von Arbeitslosengeld bis 30. Dezember 2005) und stand
dann seit dem 1. Januar 2006 im Bezug von Altersrente. Der Kläger war folglich zumindest nicht in der Hälfte des maßgeblichen
5-Jahres-Zeitraums versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach §
5 Abs.
5 SGB V nicht versicherungspflichtig, da insoweit alleine die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag während des Bezugs
von Arbeitslosengeld in Betracht käme, welche nach den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nicht nachgewiesen ist
und zudem allenfalls weniger als die Hälfte dieses Zeitraums umfassen könnte. Für die Annahme der Versicherungspflicht während
des Bezugs von Altersrente ist es demgegenüber schon ausreichend, wenn eine Formal-Mitgliedschaft als Rentenantragsteller
besteht (KassKomm/Peters, 105. EL August 2019,
SGB V §
6 Rn. 59), wie dies vorliegend der Fall ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dies auch nicht mit dem Willen des Gesetzgebers zur gesetzlichen Regelung des §
6 Abs.
3a SGB V in Widerspruch. Nach den Gesetzesmaterialien zur Neuregelung des §
6 Abs.
3a SGB V dient diese Regelung zwar der klaren Abgrenzung zwischen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung und dem Schutz
der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten und folgt dabei dem Grundsatz, dass versicherungsfreie Personen, die sich
frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden haben, diesem System auch im Alter angehören
sollen (BT.- Drs. 14/1245 S. 59). Allerdings sollte dabei durch das Kriterium der überwiegenden Versicherungsfreiheit in den
letzten 5 Jahren vor Beginn der Versicherungspflicht sichergestellt werden, dass die Versicherungspflicht von Rentnern und
Rentenantragsteller, welche die Voraussetzungen der Vorversicherungszeit nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V erfüllen, grundsätzlich unberührt bleibt (BT- Drs. 14/1245 S. 60). Dies trifft auch auf den Kläger zu, da bei ihm die Voraussetzungen
der Vorversicherungszeit nach den vorstehenden Ausführungen erfüllt sind, wobei es in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung
ist, dass er die Voraussetzungen der Vorversicherungszeit allein unter Ableitung seines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente
seiner verstorbenen Ehefrau gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
11 i.V.m. Abs.
2 S. 2
SGB V erfüllt. Aufgrund der gesetzlichen Regelung des §
5 Abs.
2 SGB V ergibt sich zweifelsfrei die Wertung des Gesetzgebers, auch bei der durch Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente abgeleiteten
Mitgliedschaft von einem ausreichendem Bezug zur Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten auszugehen. Demgegenüber
bezweckt die Bestimmung des §
6 Abs.
3a Satz 2
SGB V nach den vorstehenden Ausführungen gerade nicht, die über §
5 Abs.
1 Nr.
11 i.V.m. Abs.
2 S. 2
SGB V begründete Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann wieder aufzuheben, soweit nicht die dort
ausdrücklich genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Für eine Auslegung der Bestimmung des §
6 Abs.
3a Satz 2
SGB V über den eindeutigen Wortlaut hinaus ergibt sich aus den vorgenannten Gesetzesmaterialien jedenfalls keine Veranlassung.
Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken, dass von dem Kläger im Zusammenhang mit der KVdR-Meldung wirksam von seinem
Kassenwahlrecht gegenüber der Beklagten Gebrauch gemacht worden ist.
Gemäß §
173 Abs.
1 SGB V (in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997, BGBl I 594) sind Versicherungspflichtige
und Versicherungsberechtigte Mitglieder der von ihnen gewählten Krankenkasse, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei
Eintritt der Versicherungspflicht hat der Betroffene grundsätzlich ein Wahlrecht, jedenfalls dann, wenn innerhalb der letzten
18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer anderen
Krankenkasse nicht bestand (vgl. §
175 Abs.
2 S. 2
SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der Kassenwahlrechte vom 27. Juli 2001, BGBl I 1946; vgl. auch BSG SozR 4-2500 §
175 Nr. 2 RdNr. 20). Nach §
175 Abs.
1 S. 1
SGB V (in der seit 1. Januar 1996 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) ist die Ausübung des Wahlrechts gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären, die
nach §
175 Abs.
2 SGB V nach Ausübung des Wahlrechts - auch bei Eintritt einer Versicherungspflicht (§
175 Abs.
2 S 3
SGB V, eingefügt durch das Gesetz vom 27. Juli 2001) - unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen hat. Der Versicherungspflichtige
hat der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen (§
175 Abs.
3 S. 1
SGB V i.d.F. vom 27. Juli 2001). Das bei Eintritt der Pflichtversicherung bestehende Krankenkassenwahlrecht nach §
175 SGB V ist spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht auszuüben. Dies ergibt sich seit der Änderung des §
175 Abs.
3 S. 1
SGB V vom 27. Juli 2001 zwar nicht mehr ausdrücklich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift; §
175 Abs.
3 S. 2
SGB V regelt jedoch für Versicherungspflichtige mittelbar, dass die Wahl bis spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht
erfolgen muss, weil innerhalb dieser Frist eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen ist. Nach Ablauf der zweiwöchigen Frist
kann die Wahl nicht mehr wirksam ausgeübt werden, wie der Auslegung der Regelung des §
175 Abs.
3 S. 2
SGB V unter Berücksichtigung der Systematik und dem in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommenden Zweck der Vorschriften
des Kassenwahlrechts zu entnehmen ist (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - B 12 KR 21/10 R -, SozR 4-2500 § 175 Nr. 3, juris Rn. 26 m.w.N.). Wird diese Bescheinigung nicht spätestens zwei Wochen nach Eintritt der
Versicherungspflicht vorgelegt, so hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht
bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherungspflicht bestand.
Die Wahlrechtserklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige und rechtsgestaltende Willenserklärung, die dem öffentlichen
Recht zuzuordnen ist. Auf die Erklärung finden grundsätzlich die §§
104 ff.
BGB entsprechende Anwendung. Ob eine Wahlrechtserklärung abgegeben wurde, ist ggf. durch Auslegung der Willenserklärung zu ermitteln.
Dabei steht angesichts des Untersuchungs- und Betreuungsgrundsatzes nach §§
13,
14,
15 und
16 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (
SGB I) die primäre Orientierung am wirklichen Willen des Versicherten im Vordergrund. Erst nachrangig ist auf die Sicht eines vernünftigen
Durchschnittsempfängers in der konkreten Situation abzustellen. Das Wahlrecht kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden.
Eine konkludente Erklärung ist z. B. anzunehmen, wenn ein Antragsteller in seinem Leistungsantrag gegenüber der Arbeitsagentur
eine bestimmte Krankenkasse als die von ihm gewählte Krankenkasse benennt (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.
November 2006 - L 1 KR 308/04 -, juris Rn. 19; Sonnhoff in: Hauck/Noftz, SGB, 03/18, §
175 SGB V, Rn. 13 f.). Gleiches ist auch denkbar, wenn in einem Fragebogen zur Statusfeststellung gegenüber der Rentenversicherung
eine bestimmte Krankenkasse als für den Fall der Feststellung von Sozialversicherungspflicht gewählte Kasse eingetragen wird
(Sonnhoff in: Hauck/Noftz, a.a.O, Rn. 12). Demgegenüber kann allein in der Anmeldung durch die nach §§
198 ff.
SGB V meldepflichtige Stelle - vorliegend gemäß §
201 SGB V die DRV Bund - keine Wahlerklärung des Versicherten gesehen werden. Der Anmeldung kann ohne das Hinzutreten weiterer Umstände
nicht zusätzlich ein Erklärungsinhalt über eine zukunftsbezogene Krankenkassenwahl eines Versicherten entnommen werden (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - B 12 KR 21/10 R -, juris Rn. 24 bezüglich der Anmeldung durch ein Jobcenter als meldepflichtige Stelle). Unter Beachtung dieser Grundsätze
kann die Wahlrechtserklärung im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung folglich dadurch wirksam ausgeübt werden, dass der
Versicherte gegenüber dem Mitarbeiter der Rentenantragstelle ausdrücklich erklärt, zukünftig bei einer bestimmten Krankenkasse
versichert sein zu wollen. Die nachfolgende Anmeldung des Versicherten bei der gewählten Krankenkasse auf der Grundlage dieser
Willenserklärung vermag dann wirksam das Versicherungsverhältnis zu begründen.
Vorliegend bestehen für den Senat keine Zweifel, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Stellung seines Rentenantrages gegenüber
der DRV Bund seinen Willen geäußert hat, zukünftig bei der Beklagten im Rahmen der KVdR versichert sein zu wollen und er damit
wirksam von seinem Kassenwahlrecht gegenüber der Beklagten Gebrauch gemacht hat. Die Ausübung des Kassenwahlrechtes in Form
einer ausdrücklichen Willenserklärung des Klägers gegenüber der Beklagten lässt sich zwar unmittelbar weder der vorliegenden
Verwaltungsakte der Beklagten noch der beigezogenen Verwaltungsakte der DRV Bund entnehmen. Aufgrund der glaubhaften Angaben
des im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2019 angehörten Klägers ergeben sich allerdings keine Zweifel für
den Senat, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Stellung seines Antrags auf Hinterbliebenenrente bei der Rentenantragstelle
der Stadt D Stadt dieser gegenüber den Wunsch geäußert hat, zukünftig bei der Beklagten krankenversichert sein zu wollen.
Die Anmeldung des Klägers zur KVdR bei der Beklagten durch die DRV Bund erfolgte mit dessen Kenntnis und Billigung. Letztendlich
lässt sich auch nur so die zweifelsfrei erfolgte Weiterleitung des KVdR-Anmeldedatensatzes durch die DRV Bund an die Beklagte
erklären. Demgegenüber sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, wonach die Anmeldung des Klägers zur KVdR bei der Beklagten durch
eine eigenmächtige, nicht mit dem erklärten Willen des Klägers übereinstimmende Amtshandlung des betreffenden Mitarbeiters
der Rentenantragstelle der Stadt D-Stadt erfolgt sein könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Aufgrund des weit überwiegenden Obsiegens des Klägers bestand für eine Quotierung der Kosten zu Gunsten der Beklagten keine
Veranlassung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.