Anspruch auf Verletztengeld in der gesetzlichen Unfallversicherung
Keine Berücksichtigung eines möglichen Anspruchs auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum bei der Berechnung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Überprüfungsverfahren die Gewährung eines höheren Verletztengeldes für einen von der
Beklagten anerkannten Arbeitsunfall.
Der Kläger war seit dem 8. Juni 2009 für die in D-Stadt ansässige Firma D. GmbH beschäftigt. Am 25. August 2009 war er als
Einschaler auf der Großbaustelle E. in E Stadt tätig, als er am Nachmittag von einer einstürzenden Decke verletzt wurde. Die
Beklagte erkannte dieses Ereignis mit Bescheid vom 22. November 2010 als Arbeitsunfall an. Die KKH-Allianz teilte dem Kläger
mit Schreiben vom 20. November 2009 mit, dass sie im Auftrag der Beklagten Verletztengeld in Höhe von kalendertäglich 24,64
Euro abzüglich Beitragsanteilen zur Rentenversicherung, zur Arbeitslosenversicherung und zur Pflegeversicherung in Höhe von
insgesamt 2,85 Euro zahle, so dass sich ein Auszahlungsbetrag von kalendertäglich 21,79 Euro ergebe. Die KKH-Allianz legte
der Berechnung des Verletztengeldes die von dem Kläger vorgelegte Verdienstabrechnung für den Monat Juli 2009 zu Grunde, aus
der sich ein Arbeitslohn in Höhe von brutto 1.012,00 Euro bzw. netto 793,38 Euro bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 20
Stunden, insgesamt 92 Stunden, ergab.
Am 1. Dezember 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Überprüfung der Höhe des ausgezahlten Verletztengeldes, da
er in Vollzeit beschäftigt gewesen sei. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie keine
Unregelmäßigkeiten habe feststellen können. Maßgeblich für die festgelegte Höhe des Verletztengeldes seit der im Juli 2009
erzielte Verdienst. Die hier eingereichte Bescheinigung weise für diesen Monat einen Arbeitslohn von 1.012,00 Euro nach. Sollte
diese Entlohnung nicht der tatsächlich von dem Kläger geleisteten Arbeitsleistung entsprechen, wären weitere Forderungen ggf.
privatrechtlich geltend zu machen. Sollte sich dann auf diesem Weg ein höheres Einkommen für Juli 2009 ergeben, würde dies
auch zu einer Erhöhung des Verletztengeldes führen.
Mit Schreiben vom 27. September 2012, bei der Beklagten eingegangen am 8. Oktober 2012, beanstandeten die früheren Bevollmächtigten
die Höhe des Verletztengeldes. Bei der Berechnung sei von einer Arbeitsleistung von 20 Wochenstunden ausgegangen worden, tatsächlich
habe der Kläger aber Vollzeit gearbeitet. Der Kläger legte einen von dem Arbeitgeber und ihm unterschriebenen Arbeitsvertrag
über 40 Wochenarbeitsstunden vom 5. Juni 2009 vor und wies darauf hin, dass ein zweiter Arbeitsvertrag vom 5. Juni 2009 über
20 Wochenarbeitsstunden von ihm nicht unterschrieben worden sei, weil die Stundenangaben nicht gestimmt hätten.
Mit Bescheid vom 26. August 2013 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 14. Dezember 2009 ab. Verletztengeld
sei von der KKH-Allianz in Höhe von kalendertäglich 24,64 Euro an den Kläger ausgezahlt worden. Das Verletztengeld sei aufgrund
der von dem Kläger eingereichten Verdienstbescheinigung für den Monat Juli 2009 berechnet worden, die ein Arbeitsentgelt in
Höhe von 1.012,00 Euro brutto und 793,38 Euro netto nachweise, welches in 92 Arbeitsstunden erzielt worden sei. Unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass der Monat Juli 2009 23 Arbeitstage gehabt habe, ergäbe sich eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden,
was einer 20-Stunden-Woche entspreche. Aus den von dem Kläger eingereichten Kopien eines Arbeitsvertrages vom 5. Juni 2009
zwischen ihm und dem Unfallbetrieb, der Firma D. GmbH, D-Stadt, hätten sich widersprüchliche Angaben zur regelmäßigen Arbeitszeit
ergeben. Aus der einen Kopie seien 20 Stunden pro Woche ersichtlich, aus der anderen 40 Stunden pro Woche. Da bei der Berechnung
des Verletztengeldes die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich seien und Grundlage hierfür die letzten Entgeltabrechnungszeiträume
vor dem Unfall seien, sei beweisend für das tatsächlich erzielte Entgelt und die in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitsstunden
die Verdienstbescheinigung für den Monat Juli 2009. Andere Belege über das erzielte Entgelt lägen nicht vor. Den dagegen erhobenen
Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2013 zurück.
Der Kläger hat am 20. November 2013 beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe
mit seinem Arbeitgeber eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbart. Tatsächlich habe er jedoch weitaus mehr auf der Baustelle
gearbeitet.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen F. und ferner Verlesung zweier Aussagen des vorgenannten
Zeugen vor der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main in Auszügen.
Sodann hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige
Klage sei nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes unter Berücksichtigung einer Wochenarbeitszeit
von mehr als 20 Stunden.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Lägen diese
Voraussetzungen vor, habe der Betroffene insoweit einen Anspruch gegen den Träger auf Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung
für die Vergangenheit. Sei ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, würden Sozialleistungen
nach § 44 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht.
Nach §
47 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) hätten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hätten, Anspruch auf Verletztengeld entsprechend §
47 Abs.
1 und
2 des
Fünften Buches mit der Maßgabe, dass
1. das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu
einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen sei,
2. das Verletztengeld 80 vom Hundert des Regelentgelts betrage und das bei Anwendung des §
47 Abs.
1 und
2 des
Fünften Buches berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteige.
Nach §
47 Abs.
1 Satz 2
SGB VII sei Arbeitseinkommen bei der Ermittlung des Regelentgelts mit dem 360. Teil des im Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit
[ ...} erzielten Arbeitseinkommens zugrunde zu legen. Nach Abs. 4 sei das Verletztengeld nach billigem Ermessen festzustellen,
wenn die nach Absatz 3 berechnete Höhe des Regelentgelts nicht der Ersatzfunktion des Verletztengeldes und der Stellung der
Versicherten im Erwerbsleben entspreche. Dabei würden insbesondere die Fähigkeiten, die Ausbildung, die Lebensstellung und
die Tätigkeit der Versicherten vor und nach dem Zeitpunkt des Versicherungsfalles berücksichtigt. Der Begriff des Arbeitseinkommens
werde in §
15 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) grundsätzlich definiert: es sei der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte
Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Nach §
15 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sei Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten sei. §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV bestimme, dass Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung seien, gleichgültig, ob ein
Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet würden und ob sie unmittelbar
aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt würden. §
14 Abs.
1 Satz 3
SGB IV lege fest, dass steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in §
3 Nummer 26 und 26a des
Einkommensteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen nicht als Arbeitsentgelt gelten.
Bei Anwendung dieser Grundsätze sei die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Denn soweit der Kläger ein höheres
Einkommen erzielt haben sollte, sei dieses Einkommen zum einen nicht nachgewiesen. Zum anderen stehe zur Überzeugung der Kammer
fest, dass der Kläger zwar tatsächlich mehr als 20 Wochenarbeitsstunden gearbeitet habe. Die darüber hinausgehende Arbeitszeit
sei jedoch nicht im Rahmen eines ordnungsgemäßen Beschäftigungsverhältnisses, für das Sozialversicherungsbeiträge abgeführt
wurden, verrichtet worden. Die Kammer sei der Überzeugung, dass der Arbeitgeber des Klägers im Einverständnis mit dem Kläger
lediglich eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden sozialversicherungspflichtig angemeldet habe und zwischen beiden Einverständnis
dahingehend bestanden habe, dass die darüber hinausgehende Arbeitszeit des Klägers "schwarz" als so genannte Schwarzarbeit
ohne Versicherungsbeiträge habe erbracht werden sollen. Die Kammer stütze ihre Überzeugung auf die Aussagen des Zeugen F.
bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und die von dem Kläger zu den Akten gereichten Dokumente und seine persönliche
Anhörung. Der Zeuge F. habe sich gegenüber der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main dahingehend eingelassen, dass es auf der
Baustelle ein "Lohnsplitting" gegeben habe. Dabei sei den Arbeitnehmern ein Teil des Lohnes als offiziell angemeldete Tätigkeit
ausgezahlt worden. Der übrige Teil des Lohnes sei inoffiziell in bar ausgezahlt worden. Diese Angaben könnten die Existenz
von zwei Arbeitsverträgen erklären. im Übrigen gehe die Kammer davon aus, dass die auf der gesamten Baustelle übliche Praxis
dem Kläger nicht verborgen geblieben sei, sondern dieser vielmehr selbstbewusst daran partizipiert habe. Dies ergebe sich
für die Kammer nicht zuletzt aus dem Umstand, dass das Geld an den Kläger bar ausgezahlt worden und er im Besitz zweier Arbeitsverträge
gewesen sei. Die Erklärung des Klägers, er habe den einen Arbeitsvertrag nicht unterschreiben wollen, erscheine hier insoweit
als Schutzbehauptung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es der Kläger gewesen sei, der zuerst den Arbeitsvertrag über eine
Wochenarbeitszeit von 20 Arbeitsstunden an die Beklagte weitergereicht habe. Ferner spreche der Umstand, dass die aus den
Abrechnungen ersichtlichen Zahlungen nicht mit der von dem Kläger genannten Wochenarbeitszeit übereinstimmten, dafür, dass
dem Kläger das Procedere auf der Baustelle bekannt gewesen sei und er so habe verfahren wollen. Die nicht übereinstimmenden
Beträge ergäben sich insoweit aus der von dem Zeugen F. beschriebenen Zahlungspraxis. Soweit der Kläger weitere Arbeitsstunden
in Schwarzarbeit verrichtet habe, könne dies nicht dazu führen, dass diese Arbeitszeit bei der Berechnung des Jahresarbeitslohnes
berücksichtigt werde. Dies folge aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Nichtigkeit von Schwarzarbeitsverträgen
(grundlegend BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - Vll ZR 336/89 -). Demnach sei der "Schwarzarbeitsvertrag" nach §
134 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) nichtig. Dem vorleistenden Schwarzarbeiter könne zwar unter Umständen ein Anspruch auf Wertersatz nach §§
812,
818 Abs.
2 BGB zustehen. Hierbei handele es sich dann aber nicht um Einkommen im Sinne des §
15 SGB IV, sondern eben nur um einen Wertersatz, der für die Berechnung des Verletztengeldes nicht zu berücksichtigen sei. Diese Wertung
entspreche auch dem Willen des Sozialgesetzgebers. Würde man diese Arbeitszeit berücksichtigen, schüfe dies einen Anreiz für
Arbeitnehmer, in Zukunft nur einen Teil ihrer Arbeitszeit als versicherungspflichtige Arbeit zu verrichten, um in den Genuss
der Rechte und Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu kommen. Nachteile müsste ein Arbeitnehmer hier aufgrund
der Schwarzarbeit bei Eintritt eines Versicherungsfalles nicht befürchten. Aus der Systematik des
SGB VII ergebe sich jedoch der eindeutige Wille des Gesetzgebers, gerade keinen Anreiz für Schwarzarbeit zu setzen. Vielmehr zeige
die Regelung des §
110 SGB VII eindeutig, dass es bei grobem Verschulden nicht mehr gerechtfertigt erscheine, einen Schädiger der gesetzlichen Unfallversicherung
auf Kosten der Beitragszahler zu privilegieren. Der der Berechnung zugrunde gelegte Jahresarbeitsverdienst sei mithin nicht
in erheblichem Maße unbillig.
Gegen das dem Kläger am 7. Juni 2017 zugestellte Urteil hat dieser am 28. Juni 2017 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung
eingelegt. Zur Begründung führen die Bevollmächtigten aus, das Sozialgericht sei zwar zutreffend von einer Vollzeittätigkeit
des Klägers ausgegangen, habe aber zu Unrecht angenommen, dass für den Kläger eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit
nur für 20 Stunden pro Woche angemeldet und vergütet worden und der Lohn für weitere 20 Wochenarbeitsstunden im Rahmen einer
Schwarzarbeitertätigkeit in bar ausgezahlt worden sei. Gegen die Annahme einer Schwarzarbeitertätigkeit spreche ganz entscheidend
die von dem Kläger in dem Verfahren 4 Ca 1324/13 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingereichte Vergütungsklage. Die Entgegennahme von Schwarzgeld durch den Kläger
sei auch durch die Aussagen der Zeugen G. und F. in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren 5/24 KLs-7810 Js 231098/09 (3/14) nicht bewiesen worden. Die Zeugen hätten lediglich angegeben, dass auf diversen Baustellen in großem Stil Schwarzgeldzahlungen
erfolgt seien, den Kläger indessen nicht namentlich benannt. Der Kläger habe auch nie Schwarzgeld entgegengenommen. Dass der
Kläger tatsächlich eine Vollzeittätigkeit ausgeübt habe, werde durch den von dem Kläger und seinem Arbeitgeber unterschriebenen
Arbeitsvertrag über 40 Wochenarbeitsstunden belegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Januar 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides
vom 14. Dezember 2009 Verletztengeld für die Zeit vom 25. August 2009 bis 31. Mai 2010 unter Zugrundelegung einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 40 Stunden zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf das Protokoll des Erörterungstermins des Berichterstatters vom 29. Oktober 2018.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Januar 2017 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten
vom 26. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2013 ist rechtmäßig, so dass der Kläger nicht
beschwert ist (vgl. §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG).
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rücknahme des Bescheides vom 14. Dezember 2009 und Gewährung höheren
Verletztengeldes unter Berücksichtigung einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Verletztengeld nach dem
SGB VII sind, da die Entscheidungen über die Gewährung von Verletztengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 25. August
2009 bis zum 31. Mai 2010 im Zeitpunkt der Antragstellung am 8. Oktober 2012 bestandskräftig gewesen sind, § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und §§
45,
47 SGB VII. Auch nach Unanfechtbarkeit ist hiernach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich
im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist,
der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften
der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Zwar erfolgt die Gewährung von Verletztengeld wie die Gewährung von Krankengeld durch Verwaltungsakt (vgl.
für die Gewährung von Krankengeld Höfler in: Kasseler Kommentar, §
44 SGB V, Rn. 27). Soweit vorliegend kein förmlicher Bescheid ergangen ist, liegt in der Auszahlung des Verletztengeldes die schlüssige
Bekanntgabe der Bewilligung durch Verwaltungsakt, der in diesem Fall durch konkludentes Handeln erlassen worden ist (§ 33 Abs. 2 SGB X, vgl. BSG Urteil vom 16. September 1986 - 3 RK 37/85 - SozR 2200 § 182 Nr. 103).
Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme der angefochtenen Leistungsbewilligung sind aber vorliegend nicht gegeben.
Die Gewährung der Verletztenrente war auch der Höhe nach rechtmäßig.
Verletztengeld wird nach §
45 Abs.
1 SGB VII in der Fassung des Gesetzes vom 24. April 2006 (BGBl. I 926) erbracht, wenn Versicherte 1. infolge des Versicherungsfalls
arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und
2. unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld,
Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise
gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt
nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten.
Nach §
47 Abs.
1 Satz 1
SGB VII erhalten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, Verletztengeld entsprechend §
47 Abs.
1 und
2 des
Fünften Buches mit der Maßgabe, dass 1. das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens
zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist, 2.
das Verletztengeld 80 vom Hundert des Regelentgelts beträgt und das bei Anwendung des §
47 Abs.
1 und
2 des
Fünften Buches berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigt.
Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist Arbeitseinkommen bei der Ermittlung des Regelentgelts mit dem 360. Teil des im Kalenderjahr
vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Maßnahmen der Heilbehandlung erzielten Arbeitseinkommens zugrunde zu legen.
Nach §
47 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2477) beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung
unterliegt (Regelentgelt). Nach §
47 Abs.
2 Satz 1
SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten
Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und
um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde.
Das Ergebnis ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden
zu vervielfachen und durch sieben zu teilen (§
47 Abs.
2 Satz 2
SGB V). Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem gezahlten Arbeitsentgelt
entspricht (§
47 Abs.
2 Satz 5
SGB V).
Zu berücksichtigen ist das "während der letzten abgerechneten vier Wochen erzielte" Arbeitsentgelt. Es gilt das Zuflussprinzip,
nach dem die sogenannte Bezugs- bzw. Referenzmethode zugrunde gelegt wird, die - im Gegensatz zum Lohnausfallprinzip - unberücksichtigt
lässt, wie sich das Arbeitsentgelt außerhalb des Bezugs- bzw. des Bemessungszeitraums, insbesondere nach Eintritt des Leistungsfalles,
entwickelt (Westermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl. 2014, §
47 SGB VII Rn. 41; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 9/06 - SozR 4-2500 § 47 Nr. 6; BSG, Urteil vom 16. Februar 2005 - B 1 KR 19/03 R - SozR 4-2500 § 47 Nr. 2).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist zwar dann zu machen, wenn dem Versicherten für den maßgeblichen Abrechnungszeitraum
zunächst rechtswidrig Arbeitsentgelt vorenthalten wurde, das ihm aber später - etwa nach einem gewonnenen Arbeitsgerichtsprozess
- zugeflossen ist (Westermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl. 2014, §
47 SGB VII, Rn. 42; so für den Fall der Lohnzahlung aus Annahmeverzug BSG, Urteil vom 16. Februar 2005 - B 1 KR 19/03 R - SozR 4-2500 § 47 Nr. 2; Anschluss an BSG, Urteil vom 28. Juni 1995 - 7 RAr 102/94 - BSGE 76, 162 und BSG, Urteil vom 21. März1996 - 11 RAr 101/94 - BSGE 78, 109).
Der Kläger hat nach der von ihm vorgelegten Verdienstabrechnung für Juli 2009 ein Einkommen in Höhe von brutto 1.012,00 Euro
bzw. netto 793,38 Euro bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 20 Stunden, insgesamt 92 Stunden, erzielt. Ein höheres Arbeitsentgelt
für eine Vollzeittätigkeit von insgesamt 40 Wochenarbeitsstunden hat der Kläger nicht, auch nicht nachträglich, "erzielt".
Die Rechtsprechung stellt insoweit darauf ab, ob der Beschäftigte - wenn auch verspätet - das Entgelt von seinem Arbeitgeber
tatsächlich erhalten hat. Das ist schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht der Fall. Seine erst am 22. Februar 2013
beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main erhobene Klage (4 Ca 1324/13) auf Zahlung weiteren Arbeitsentgelts hatte keinen Erfolg. Allein auf einen möglichen Anspruch des Klägers kann bei der Bemessung
der Höhe des Verletztengeldes in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des §
47 Abs.
1 SGB VII ( Arbeitsentgelt erzielt haben ) nicht abgestellt werden.
Der Auffassung des Sozialgerichts, der Kläger habe weiteres Arbeitsentgelt im Wege von Schwarzgeldzahlungen erzielt, vermag
der Senat nicht zu folgen. Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei
als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen
ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - in der Fassung vom 23. Juli 2004, BGBl. I S. 1842). Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main und die Aussagen mehrerer Zeugen lassen zwar
allgemein eine derartige Zahlungspraxis auch auf der hier in Rede stehenden Baustelle erkennen; es fehlt jedoch an konkreten
Hinweisen, dass auch der Kläger an dieser Praxis teilgehabt hat. Nach Auffassung des Senats ist offen, ob der Kläger tatsächlich
Einnahmen aus Schwarzarbeit erzielt hat. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob - wie das Sozialgericht meint - die Erzielung
von Arbeitsentgelt aufgrund von Schwarzarbeit bei der Berechnung der Höhe des Verletztengeldes außer Betracht zu bleiben hat.
Die Beklagte hat dem Kläger daher zu Recht Verletztengeld nach dem von ihm im Juli 2009 erzielten Einkommen in Höhe von brutto
1.012,00 Euro bzw. netto 793,38 Euro bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 20 Stunden, insgesamt 92 Stunden, gewährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.