Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Sterilisation als Sachleistung.
Der im Jahr 1969 geborene Kläger ist mehrfach transplantiert. Aus diesem Grund hat er zahlreiche Immunsupressiva zu sich zu
nehmen. Diese Medikation ist auch in Zukunft immer erforderlich, um eine Abstoßungsreaktion des Körpers zu verhindern.
Im März 2009 beantragte der Kläger unter Vorlage des Attestes des Universitätsklinikums G. die Kostenübernahme für eine Sterilisation
bei der Beklagten. Aufgrund der Medikation könne sich die Erbinformation in den Spermien verändern, sodass es zu Fehlbildungen
bei einem möglichen Kind des Klägers kommen könne. Die Beklagte holte die sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 6. Mai 2009 (erstellt durch Dr. H.) ein. Diese führte aus, dass die Sterilisation
keine kurative Maßnahme darstelle, sondern eine prophylaktische Maßnahme bei möglicher Veränderung der Spermiogenese. Der
Gesundheitszustand des Versicherten selber werde durch die Sterilisation nicht beeinflusst. Es handele sich daher nicht um
eine zwingend erforderliche medizinische Indikation für eine Sterilisation.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 14. Mai 2009 ab. Mit dem Widerspruch reichte der Kläger
ein weiteres Schreiben des Universitätsklinikums G. (UKE) vom 24. Juni 2009 ein. Die Beklagte holte daraufhin die weitere
sozialmedizinische Stellungnahme des MDK vom 20. Juli 2009 ein (erstellt durch Dr. H.). Die Gutachterin führte darin erneut
aus, dass die Sterilisation des Klägers keine kurative Maßnahme sei und hierdurch der Gesundheitszustand des Versicherten
nicht positiv beeinflusst werden könne. Ebenfalls sei keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten, wenn die
Sterilisation nicht durchgeführt werde. Eine zwingende medizinische Indikation für die Sterilisation des Versicherten könne
somit nicht gestellt werden. Es handele sich um eine prophylaktische Maßnahme bei möglicher Veränderung der Spermiogenese.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 24.November 2009). Zur Begründung führte sie
aus, dass die Sterilisation nach §
24b Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) dann eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle, wenn sie wegen einer Krankheit erforderlich werde. Dies
würde bedeuten, dass ohne die Sterilisation, also durch eine eventuell ungewollte Schwangerschaft, gravierende gesundheitliche
Beeinträchtigungen resultieren würden. Nach den Ausführungen des MDK solle die Sterilisation des Klägers nicht wegen einer
Krankheit durchgeführt werden. Grundsätzlich kämen konventionelle Maßnahmen/Methoden zur Verhütung in Betracht. Des Weiteren
handele es sich bei der Sterilisation beim Kläger um eine vorbeugende und nicht um eine heilende Maßnahme.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die am 14. Dezember 2009 beim Sozialgericht (SG) Stade eingegangen ist. Zur Begründung hat er weiterhin ausgeführt, dass die Begründung der Beklagten nicht nachvollziehbar
sei. Der Vorschlag für die Sterilisation sei vom UKE selbst entwickelt worden. Das SG hat den Befundbericht des Ambulanzzentrums des UKE (Bereich Lebertransplantation/Hepatologie, Fachärztin für Innere Medizin
Dr. I.) eingeholt. Darin führt die behandelnde Ärztin aus, dass der Kläger bei bestehender angeborener Gallengangsdysplasie
und nachfolgender zweimaliger Leber- und einmaliger Nierentransplantation Sorge habe, dass er die Erkrankung vererben könne.
Mit Urteil vom 10. Februar 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Behandlung habe.
Als Anspruchsgrundlage komme §
24b Abs.
1 Satz 1
SGB V in Betracht. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift hätten Versicherte Anspruch auf Leistung bei einer durch Krankheit erforderlichen
Sterilisation. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt. Die vom Kläger begehrte Sterilisation sei nicht wegen Erkrankung
erforderlich. Das Merkmal "durch Krankheit erforderlich" sei seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz mit Wirkung zum 1.
Januar 2004 in §
24b Abs.
1 Satz 1
SGB V implementiert worden. Zuvor habe die Vorschrift auf die Rechtswidrigkeit einer Sterilisation abgestellt. Der Gesetzgeber
habe, wie sich aus der Bundestags-Drucksache 15/1525, Seite 82, ergebe, Leistungen der Sterilisation in erster Linie der persönlichen
Lebensplanung der Versicherten zugeordnet. Es habe lediglich der Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen
Sterilisation als Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten bleiben sollen. Zwar sei dem Kläger
zuzustimmen, dass aufgrund der Spermiogenese vom Kläger gezeugte Kinder Behinderungen haben könnten. Die Zeugung eines behinderten
Kindes könne jedoch nicht als Krankheit angesehen werden. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Februar 1975, Az.: 3 RKa 68/73, sei der aus einer Empfängnis folgende Zustand der Schwangerschaft keine Krankheit, sodass Maßnahmen, die auf die Verhütung
einer Empfängnis oder auf deren Abbruch gerichtet seien, grundsätzlich nicht zu den Leistungen der präventiven oder kurativen
Krankenhilfe gehören würden. Dies gelte auch, wenn nach Eintritt einer Schwangerschaft oder für den Fall ihres Eintritts mit
der Geburt einer kranken Kindes gerechnet werden müsse. Aus dem Befundbericht des UKE vom 8. November 2010 ergebe sich, dass
der Kläger in der Lage sei, physisch andere Verhütungsmethoden anzuwenden. Angesichts der gesetzlich postulierten Eigenverantwortlichkeit
in Bezug auf die Verhütung stehe dies ebenfalls einem Anspruch des Klägers entgegen. Das Merkmal "durch Krankheit erforderlich"
im Sinne des §
24b Abs.
1 Satz 1
SGB V werde auch nicht dadurch erfüllt, dass der Kläger evtl. Spermien mit teratogenem Effekt produziere. Die Produktion von Spermien
sei grundsätzlich für den Kläger selbst ungefährlich und beeinträchtige diesen im täglichen Leben nicht. Aus diesem Grund
liegt bereits das Tatbestandsmerkmal "durch Krankheit erforderlich" nicht vor. Im Übrigen diene die Sterilisation nicht der
Behandlung zur Reduzierung der Spermiogenese und zur Verbesserung der Spermienqualität, sondern unterbinde die Spermienproduktion
an sich.
Gegen das am 26. April 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, die am 28. April 2011 beim Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. In seiner Berufungsbegründung hat der Kläger ausgeführt, dass die Ansicht des SG, wonach die Schwangerschaft selbst keine Krankheit darstelle und das kranke Kind, welches dann geboren würde, ein Anspruch
auf Krankenhilfeleistungen habe, nicht mehr dem gesellschaftlichen Kontext entspreche. Es erscheine geradezu widersinnig,
dass mit gewichtigen Argumenten gefordert werde, dass die Präimplantationsdiagnostik zuzulassen sei, um zu vermeiden, dass
ein nicht lebensfähiges oder schwer geschädigtes Kind geboren werde und daraus schwerwiegende Beeinträchtigungen sowie Konfliktsituationen
für die Eltern resultierten. In Anbetracht dieser Diskussion könne dem Kläger eine Sterilisation nicht vorenthalten werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Sterilisation
als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten gem. §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zum Erlass eines Beschlusses im schriftlichen Verfahren angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen,
die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Der Senat kann gem. §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Urteil des SG Stade vom 10. Februar 2011 ist zutreffend. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Sterilisation
als Sachleistung durch die Beklagte gem. §
24b Abs.
1 Satz 1
SGB V.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses
Bezug.
Ergänzend zum SG ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaftsabbrüchen
oder Sterilisation nur dann in Betracht kommen können, wenn durch die Schwangerschaft eine schwerwiegende Erkrankung der Mutter
ausgelöst werden könnte (s. etwa: BSG, Urt. v. 13.02.1975, aaO.; BSG, Urt. v. 24.01.1990, 3 RK 18/88; ebenso: Wagner in Krauskopf, Kommentar zur gKV, §
27 SGB V, Rn. 17 m.w.N.). Dafür sind im vorl. Fall des Klägers keine Anhaltspunkte erkennbar.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren einen Wertewandel in der Gesellschaft geltend macht und auf die Diskussion zur Präimplantationsdiagnostik
hinweist, kann diese Argumentation einen Anspruch des Klägers gem. §
24b Abs.
1 Satz 1
SGB V nicht begründen. Das Merkmal "durch Krankheit erforderlich" ist eine rein medizinische Fragestellung. Sowohl die behandelnde
Ärztin im UKE als auch die Gutachterin des MDK haben klargestellt, dass die Sterilisation beim Kläger nicht zur Beseitigung
einer Krankheit oder deren Linderung führt. Damit ist die vom Kläger begehrte Behandlung nicht "durch Krankheit erforderlich"
im Sinne von §
24b Abs.
1 Satz 1
SGB V.
Die Argumentation des Klägers zur Präimplantationsdiagnostik ist für den Senat einleuchtend und nachvollziehbar, kann aber
nicht dazu führen, dass das Tatbestandsmerkmal "durch Krankheit erforderlich" in einen anderen Kontext gesetzt wird. Wie sich
aus dem Urteil des BSG vom 28. September 2010, Az.: B 1 KR 26/09 R, (in SozR 4-2500, § 27a Nr. 12) ergibt, geht das BSG nicht von einem Wertewandel, wie vom Kläger behauptet, aus. In der dortigen Entscheidung des BSG ging es um die Frage der Kryo-Konservierung und Lagerung von Samenzellen, die vor einer kombinierten Chemo- und Bestrahlungstherapie
wegen Rektumkarzinoms entnommen wurden. Das BSG hat diesbezüglich den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung weiter eingeschränkt. Das BSG vermochte in seiner Entscheidung zur Kryo-Konservierung von Spermien keinen Verstoß gegen das
Grundgesetz zu erkennen. Die Entnahme und Kryo-Konservierung von Eierstockgewebe zur späteren Reimplantation bei Frauen gehöre dann zur
ärztlichen Krankenbehandlung, wenn sie die natürliche Empfängnisfähigkeit wieder herstellen soll. Im Gegensatz dazu, ermögliche
die Kryo-Konservierung von Samen oder Eizellen dagegen erst eine künftige künstliche Befruchtung. Damit bringt das BSG zum Ausdruck, dass auch die Kryo-Konservierung von Samen und Eizellen allein nicht der Behandlung der Krankheit diene, wie
dies bei der Entnahme und Kryo-Konservierung von Eierstockgewebe der Fall ist. Mithin ist bei dem Anspruch des Klägers nach
§
24b Abs.
1 Satz 1
SGB V nach wie vor das Tatbestandsmerkmal "durch Krankheit erforderlich" eng auszulegen. Ein Wertewandel, wie vom Kläger vorgetragen,
kann daher in der Rechtsprechung nicht festgestellt werden. Mithin ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).