Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2014 und in diesem Zusammenhang
über die Berücksichtigung der Kosten verstorbener Versicherter.
Seit 1994 findet zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen jährlich ein
Risikostrukturausgleich (RSA) statt. Er zielt darauf ab, die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung
der Versicherten auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versichertengruppen und Morbiditätsgruppen zwischen den Krankenkassen
auszugleichen.
Die gesetzlichen Regelungen der §§
266 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) sehen seit dem 1.1.2009 vor, die Versichertengruppen und die Gewichtungsfaktoren nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden,
die zugleich die Morbidität der Versicherten unmittelbar berücksichtigen (so genannter Morbi-RSA). Die zur Bestimmung der
Einzelheiten ergangene Regelung des § 31 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) macht dazu in Abs. 1 nähere Vorgaben für
das Versichertenklassifikationsmodell (u.a. Begrenzung auf 50-80 Krankheiten) und regelt in Abs. 2 und 3 die Berufung eines
Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt (BVA), der Vorschläge für die Anpassung eines Klassifikationsmodells
an die GKV und dessen Weiterentwicklung erarbeiten soll. Gemäß Abs. 4 legt das hierzu ermächtigte BVA auf der Grundlage dieser
Empfehlung die zu berücksichtigenden Krankheiten, die aufgrund dieser Krankheiten zugrundezulegenden Morbiditätsgruppen, den
Algorithmus für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren
und das Berechnungsverfahren zu Ermittlung der Risikostrukturzuschläge nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen
fest und gibt diese Festlegungen in geeigneter Weise bekannt. Das Festlegungsverfahren ist dokumentiert auf der Homepage des
BVA unter "Risikostrukturausgleich" - "Festlegungen".
Die dem Risikostrukturausgleich dienenden Zuschläge für alle Risikogruppen werden dabei durch ein für den Morbi-RSA in § 34
Abs. 1 Satz 1 RSAV vorgeschriebenes Regressionsverfahren ermittelt. Mittels dieses statistischen Verfahrens wird der quantitative
Zusammenhang zwischen einer oder mehreren unabhängigen Variablen und einer abhängigen Variablen ermittelt. Die Ausgaben je
Versichertem bilden die abhängige Variable, während die Zuordnung der Versicherten zu den Risikogruppen die unabhängige Variable
bildet. Die sich ergebenden Regressionskoeffizienten sind als Anteile an den Ausgaben eines Versicherten zu interpretieren,
die der jeweiligen Risikogruppe zugerechnet werden können. Sie werden als Jahreswerte ermittelt; da aber Zuweisungen taggenau
(je Versichertentag) zugewiesen werden, werden die ermittelten Regressionskoeffizienten durch 365 geteilt. Da im Regressionsverfahren
jeder Versicherte unabhängig von der Dauer der Versicherung gleichwertig berücksichtigt wird, also die Ausgaben für einen
Versicherten, der nur einen Tag versichert war, ebenso in die "Durchschnittsbildung" eingehen wie die Ausgaben für einen ganzjährig
Versicherten, wird in der internationalen Gesundheitsökonomie empfohlen, zur Vermeidung einer Unterschätzung der Ausgaben
die Ausgaben von Versicheren mit unvollständigen Versichertenepisoden vor Durchführung der Regression auf das Gesamtjahr hochzurechnen
(annualisieren) und im Gegenzug bei der Durchführung des Regressionsverfahrens mit dem Kehrwert des Hochrechnungsfaktors der
Annualisierung zu gewichten.
Das BVA hat in den Festlegungen vom 03.07.2008 für das Ausgleichsjahr 2009 dieses Verfahren zwar grundsätzlich angewandt,
jedoch nicht im Falle der im Ausgleichsjahr Verstorbenen. Deren Ausgaben werden nicht annualisiert und gehen auch nicht gewichtet
in die Regression ein. Vielmehr erhalten diese Ausgaben das Gewicht 1, werden also so behandelt, als seien sie im Gesamtjahr
angefallen. Auf diese Weise gehen die Ausgaben der im Ausgleichsjahr Verstorbenen nur zur Hälfte in die Berechnung der Zuschläge
für die jeweilige Risikogruppe ein (da solche Versicherte statistisch gesehen im Durchschnitt in der Jahresmitte verstorben
sind), so dass die Summe der Zuweisungen nicht mehr der Summe der Ausgaben entspricht (fehlende Erwartungstreue der Schätzung).
Zum Ausgleich werden über einen Korrekturfaktor die Zuschläge aller Risikogruppen proportional angehoben.
Zur Begründung hatte das BVA in den Erläuterungen zum Entwurf, der zur Anhörung gestellt worden war, ausgeführt, hinsichtlich
der Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden seien verschiedene Varianten im Hinblick auf die Prognosegüte
des Modells verglichen worden. Dabei sei man zu dem Ergebnis gelangt, die Ausgaben der unterjährig Versicherten mit Ausnahme
der Verstorbenen auf das Jahr hochzurechnen und die Versicherten in der Regression durch ein Gewicht, das dem Kehrwert des
Annualisierungsfaktors entspreche, zu gewichten. Die Ausgaben Verstorbener würden nicht annualisiert, da es ansonsten zu einer
Überschätzung der Ausgaben käme. Keine der sich äußernden Kassen und keiner ihrer Verbände widersprachen in der Anhörung diesem
Vorgehen.
In den Folgejahren hielt das BVA an dem Berechnungsverfahren fest, obwohl ein Teil der Kassen die Annualisierung auch der
Ausgaben der Verstorbenen gefordert und sich auch der Wissenschaftliche Beirat für eine entsprechende Änderung des Verfahrens
ausgesprochen hatte. Das BVA wies zuletzt im Zusammenhang mit den Festlegungen für 2012 darauf hin, im Hinblick auf die in
Auftrag gegebene Evaluation des Jahresausgleichs 2009 solle diese Frage im größeren Kontext der Weiterentwicklung des RSA
diskutiert werden.
In dem "Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich" von Drösler et. al. (Evaluationsbericht) vom
22.06.2011 wird festgestellt, dass es infolge der fehlenden Annualisierung zu einer systematischen Überdeckung jüngerer Altersgruppen
und Unterdeckung älterer Altersgruppen komme, ebenso zu Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität und Überdeckungen
bei Krankheiten mit höherer Mortalität. Eine Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener beseitige diese Über- und Unterdeckungen
und führe auch auf Kassenebene zu zielgenaueren Zuweisungen.
Im Verfahren der Festlegungen für 2013 forderte der Wissenschaftlichen Beirat unter dem 24.06.2012 das BVA auf, das Regressionsverfahren
zur Berechnung der Gewichtungsfaktoren umzustellen und künftig als abhängige Variable für alle Versicherten die Leistungsausgaben
je Kalendertag zu verwenden. Zu diesem Zweck seien für alle Versicherten die tatsächlichen Leistungsausgaben durch die Versichertentage
zu dividieren. Eine gesonderte Behandlung von Versicherten mit unvollständigen Versichertenzeiten sei in diesem Verfahren
nicht länger erforderlich. In der Regression sei für alle Versicherten eine Gewichtung vorzunehmen, bei der die Versichertentage
durch 365 dividiert würden. Der Wissenschaftliche Beirat führte dazu aus, das gegenwärtig durchgeführte Regressionsverfahren
sei fehlerhaft, das Evaluationsgutachten habe gezeigt, dass das Vorgehen zu erheblichen Fehlzuweisungen für bestimmte Versichertengruppen
führe. Daher solle das BVA ein Regressionsverfahren verwenden, bei dem eine gesonderte Behandlung von Versicherten mit unvollständigen
Versichertenzeiten nicht mehr erforderlich sei. Das vorgeschlagene Verfahren sei funktional äquivalent zu einem dem internationalen
Standard der Gesundheitsökonomie entsprechenden Hochrechnungsverfahren der Leistungsausgaben von Versicherten mit unvollständigen
Versicherungszeiten, das der Wissenschaftliche Beirat ebenfalls für geeignet erachte. Das BVA führte dazu aus, bislang habe
man eine Änderung des Verfahrens aufgrund der anhaltenden Sachverhaltsermittlung und Diskussionen nicht vorgenommen. Der Evaluationsbericht
zeige auf, dass das gegenwärtige Vorgehen zu signifikanten Verzerrungen führe. Der RSA schaffe es in der derzeitigen Gestaltung
nicht mehr, die auf dem Faktor Alter beruhenden Ausgabenunterschiede vollständig auszugleichen, es komme vielmehr zu systematischen
Über- und Unterdeckungen. Es sei beabsichtigt, der Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats zu folgen. Das vorgeschlagene
Vorgehen sei sachgerecht. Der Vorschlag des Beirats führe rechnerisch zu denselben Ergebnissen wie eine Annualisierung der
Ausgaben Verstorbener. Dieses Vorgehen mache deutlich, dass es keineswegs um die Schaffung eines "fiktiven Behandlungsbedarfs"
gehe, wie die Kritiker des Vorgehens argumentierten, sondern vielmehr um die richtige Zurechnung von Ausgaben zu den Risikogruppen.
Bislang würden die Gewichtungsfaktoren als Jahreswerte ermittelt. Die Umrechnung auf Zu- und Abschläge je Tag erfolgten durch
eine Division mit der Zahl der Kalendertage im Jahr. Diese Division sei aber nur richtig, wenn sich die Größe im Zähler auch
auf ein volles Jahr bezöge. Daher bestehe die sachliche Notwendigkeit einer Annualisierung der Ausgaben. Würden die Gewichtungsfaktoren
auf der Basis von Pro-Tag-Werten ermittelt, entfalle die Notwendigkeit einer Annualisierung. Alle Versicherten mit unvollständigen
Versichertenepisoden gingen im Nenner mit ihren tatsächlichen Versichertentagen und im Zähler mit ihren tatsächlichen Ausgaben
ein. Das BVA halte die Umsetzung der Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats "angesichts der sich verdichtenden Faktenlage"
für sachlich und rechtlich geboten.
Im Anhörungsverfahren erfolgten kontroverse Stellungnahmen von Krankenkassen und -verbänden zu der beabsichtigten Änderung
der Regressionsberechnung. Dabei wurde u.a. geltend gemacht, in dem Evaluationsbericht würden noch weitere Unschärfen des
RSA benannt; angesichts des mit der Änderung verbundenen Umverteilungsvolumens von mehreren 100 Millionen Euro sei die isolierte
Neuregelung abzulehnen und solle erst im Zuge einer breit angelegten Revision der Schwachstellen des derzeitigen RSA erfolgen.
Der GKV-Spitzenverband hielt die Änderung rechtlich nicht für notwendig. In der Sache werde der vom Wissenschaftlichen Beirat
identifizierte Korrekturbedarf in Übereinstimmung mit der weit übereinstimmenden Mehrheit seiner Mitglieder grundsätzlich
anerkannt. Es bestünden allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, wie mit diesem Korrekturbedarf umgegangen werden
solle. Einerseits werde gefordert, "offenkundige Fehler" umgehend zu beseitigen, andererseits werde eine Veränderung nur im
Gesamtpaket als sinnvoll angesehen. Da jede Veränderung Gewinner und Verlierer zur Folge habe, müsse sich der GKV-Spitzenverband
zu dieser Frage wettbewerbsneutral verhalten.
Mit Schreiben vom 31.08.2012 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf der Grundlage des §
94 Abs.
2 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) das BVA angewiesen, das Berechnungsverfahren zum Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden für das Ausgleichsjahr
2013 nicht zu ändern. Das BVA hat daher in den Festlegungen vom 28.09.2012 an dem bisherigen Berechnungsverfahren festgehalten
und verzichtet allein bei unterjährig Verstorbenen auf die ansonsten durchgeführte Annualisierung bei unvollständigen Versichertenepisoden.
Der Senat hat in sechs Verfahren zur Ermittlung der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, darunter auch in zwei Musterverfahren
zum Ausgleichsjahr 2013, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.07.2013 Professor Dr. K. X., Universität E.-F., als Sachverständigen
gehört. Der Sachverständige hat u.a. ausgeführt: Der Evaluationsbericht habe ergeben, dass zwar gegenüber dem Alt-RSA Fortschritte
gemacht worden seien. Die Berechnungen des Beirats mit einer Annualisierung hätten aber gezeigt, dass sich dadurch noch Verbesserungen
ergäben. Es habe sicher schon vor dem Evaluationsbericht Indizien für die Unrichtigkeit der Berechnung des BVA gegeben, durch
die systematische Aufbereitung der Daten und deren Untersuchung im Evaluationsbericht sei aber eine noch sicherere Datenbasis
für die Beurteilung geschaffen worden. Im Evaluationsbericht seien erstmals Echtdaten aus dem Jahre 2009 mit dem Modell verglichen
worden. Es handele sich im Gegensatz zu früheren Berechnungen um die erstmalige Überprüfung anhand der realen Daten, hinsichtlich
der Evidenz biete der Evaluationsbericht eine Kategorie mehr. Er kenne die der ursprünglichen Entscheidung gegen eine Annualisierung
zugrunde liegende Berechnung des BVA nicht, wolle aber nicht ausschließen, dass dessen Berechnung damals für die Kennziffer
R2 ein schlechteres Ergebnis erbracht habe. Insoweit gebe es bei statistischen Berechnungsmethoden häufig Zielkonflikte, bei
denen es nicht um "schwarz" oder "weiß" gehe. Vielmehr müsse man sich dann entscheiden, welchen Wert man für bedeutender halte.
Hinsichtlich der Annualisierung gelte das nicht mehr für den Zeitpunkt nach Vorlage des Evaluationsberichts. Nach dem Evaluationsbericht
hätten sich alle statistischen Kennziffern bei einer Annualisierung verbessert, so dass er es jetzt für eindeutig halte, dass
entsprechend zu verfahren sei. Der Fehler durch die unterbliebene Annualisierung könne - anders als andere vom Evaluationsbericht
aufgezeigte Defizite des RSA etwa beim Krankengeld - durch eine Änderung der Berechnungsformel beseitigt werden.
In zwei Musterverfahren für das Ausgleichsjahr 2013 hat der Senat mit Urteilen vom 04.07.2013 (L 16 KR 800/12 KL, Revisionsverfahren anhängig unter B 1 KR 8/14 R und L 16 KR 774/12 KL, Revisionsverfahren anhängig unter B 1 KR 10/14 R) die Beklagte verpflichtet, die vorläufige Höhe der Zuweisungen für das Jahr 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu ermitteln, da es das BVA fehlerhaft unterlassen habe, im Rahmen des Berechnungsverfahrens auch die Ausgaben
der im Ausgleichsjahr verstorbenen Versicherten zu annualisieren.
Das BMG hat im Zuge der Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2014 mit Schreiben vom 28.05.2013 und 17.07.2013 das BVA angewiesen,
den Entwurf der Festlegungen im Sinne der "unveränderten Haltung der Bundesregierung" zu begründen; die Weisung vom 31.08.2012
habe unverändert Bestand auch für das Ausgleichsjahr 2014. Das BVA hat - die Rechtsprechung des erkennenden Senats in Bezug
nehmend - im Anhörungsverfahren u.a. darauf hingewiesen, dass wie in den Vorjahren zur Frage des Umgangs mit unvollständigen
Versichertenepisoden unterschiedliche Vorschläge vorlägen. Während einerseits eine Abschaffung der Sonderregelung zur Ermittlung
der für Verstorbene im Regressionsverfahren berücksichtigten Leistungsausgaben vorgeschlagen werde, solle aus Sicht anderer
eine Änderung nur im Rahmen eines Gesamtkonzeptes erfolgen; eine Änderung des Berechnungsverfahrens spiegele nicht die Versorgung
wider und führe zu weiteren großen Verzerrungen zwischen den Wettbewerbern. Gegenüber dem Vorjahr hätten sich aus dem Vorschlagsverfahren
keine neuen Aspekte bzw. Argumente ergeben. Das LSG Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) habe zwar am 04.07.2013 auf Klage von zwei
Krankenkassen für das Ausgleichsjahr 2013 entschieden, dass das Berechnungsverfahren zum Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden
zu ändern sei. Die Urteile seien jedoch bisher nicht rechtskräftig. Die Bundesregierung halte vor diesem Hintergrund unverändert
an ihrer bekannten Position fest. Das BVA beabsichtige, an der bestehenden Regelung festzuhalten und keine Änderung beim Umgang
mit unvollständigen Versichertenepisoden vorzunehmen.
Die Klägerin führte im Anhörungsverfahren für die Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2014 durch ihren Bundesverband mit Stellungnahme
vom 30.08.2013 unter Verweis auf die Ausführungen des BVA im Entwurf zur Festlegung für das Ausgleichsjahr 2013 aus, es könne
nicht nachvollzogen werden, warum trotz eindeutiger Fakten und den erheblichen rechtlichen Problemen der Unterlassung eine
Korrektur, eine Änderung des Berechnungsverfahrens - wie für das Jahr 2013 - nicht erfolge. Das BVA wurde aufgefordert, den
Berechnungsfehler für das Klassifikationsmodell zu beseitigen und die Leistungsausgaben Verstorbener im Rahmen des Regressionsverfahrens
ebenfalls zu annualisieren oder die Berechnung wie vorgeschlagen auf Pro-Tag-Werte umzustellen, wobei auf eine Annualisierung
gänzlich verzichtet werden könne.
Der Wissenschaftliche Beirat wiederholte die Empfehlung vom 24.06.2012, das Regressionsverfahren zur Berechnung der Gewichtungsfaktoren
umzustellen und künftig als abhängige Variable für alle Versicherten die Leistungsausgaben je Kalendertag (Pro-Tag-Werte)
zu verwenden, in seiner Sitzung am 23.07.2013.
In den Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV vom 30.09.2013 für das Ausgleichsjahr 2014 hielt das BVA an dem bisherigen Berechnungsverfahren
fest.
Mit Bescheid vom 15.11.2013 erließ die Beklagte zur Feststellung der kassenindividuellen Werte für die monatlichen Zuweisungen
aus dem Gesundheitsfonds den Grundlagenbescheid I/2014. Hinsichtlich der Berechnung der Zuweisungen wird in dem Bescheid auf
die Verfahrensbeschreibung in der Anlage 4 zur Festlegung verwiesen.
Die Klägerin hat am 26.11.2013 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, der Verzicht auf eine Annualisierung der Kosten unterjährig
verstorbener Versicherter verstoße gegen §
266 Absatz
1 Satz 2, §
268 Absatz
1 Satz 1 Nr.
3 SGB V i.V.m. §
31 RSAV. Diese Festlegungen verfehlten das von diesen Vorschriften formulierte zentrale Gesetzesziel, bei der Ausgestaltung
des nach §
266 Absatz
1 Satz 2
SGB V durchzuführenden Risikostrukturausgleichs zwischen den gesetzlichen Krankenkassen Anreize zur Auswahl ihrer Versicherten
nach Morbidität zu verringern. Der finanzielle Nachteil auf Seiten der Klägerin durch die Anwendung der Berechnungsweise der
Beklagten werde im Jahre 2014 mit ca. 70 Millionen Euro geschätzt.
Der Grundlagenbescheid verstoße gegen § 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Dem Grundlagenbescheid könne nur mittelbar entnommen werden, dass die Kosten unterjährig Verstorbener, wie in der Vergangenheit,
nicht "annualisiert" worden seien. Der Grundlagenbescheid begründe dies nicht. Aus diesem Grunde sei er formell rechtswidrig.
In den Festlegungen vom 30.09.2013 finde sich keine Bemerkung zur Annualisierung.
Das Begründungserfordernis gemäß § 35 SGB X bestehe zum einen gegenüber der Klägerin als von der Festlegung benachteiligte Kasse. Das Begründungserfordernis sei aber
auch darüber hinaus von Bedeutung für das System der GKV, da die von der angegriffenen Regelung "begünstigten" Kassen die
Pflicht hätten, Rückstellungen zu bilden, falls es schlussendlich zu entsprechenden Korrekturen komme. Von dem zwingenden
Erfordernis der Begründung dispensiere auch die Weisung aus dem Jahr 2013 seitens des BMG nicht. Die dem Beklagten erteilte Weisung des BMG enthalte ihrerseits keine Begründung. Sie ersetze nicht den Entscheidungsspielraum der Beklagten und auch nicht die Verantwortung
der Beklagten. Auch liege ein Tatbestand, der nach § 35 Abs. 2 SGB X die Beklagte von der Begründungspflicht entbinde, offensichtlich nicht vor.
Die Entscheidung der Beklagten, es bei dem bisherigen Zustand zu belassen, die Kosten unterjährig Verstorbener nicht zu annualisieren,
widerspreche den eindeutigen Erkenntnissen der von der Beklagten gemäß § 31 RSAV in das Entscheidungsverfahren einzubeziehenden
Auffassungen des Wissenschaftlichen Beirates. Seit der letzten Äußerung des Wissenschaftlichen Beirates vom 24.06.2012 und
den Aussagen des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. K. X. in der Verhandlung am 04.07.2013 seien, was die Annualisierung der
Kosten für unterjährig Verstorbener anlange, keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zutage getreten. Es seien auch keine
neuen Probeberechnungen oder Schätzungen vorgenommen worden, die eine neue Betrachtungsweise rechtfertigten. So wie das erkennende
Gericht im Urteil vom 04.07.2013 im Bezug auf die Zuweisungen im Jahr 2013 auf den Evaluationsbericht vom 22.06.2011 abstelle,
sei auch für das Jahr 2014 festzustellen, dass in Risikogruppen mit einem hohen Anteil Verstorbener ein größerer Anteil der
Ausgaben fehle als durch die proportionale Anhebung kompensiert werde. Der Evaluationsbericht habe, wie der Senat ausführe,
eine sichere empirische Grundlage für die Beurteilung der Berechnungsmethode des BVA als fehlerhaft geliefert.
Das Regressionsverfahren setze auch im Jahr 2014 aufgrund der beschriebenen Auswirkungen Anreize zur Risikoselektion, die
der Gesetzgeber gemäß §
268 Absatz
1 Satz 1 Nr.
3 SGB V vermeiden wolle. Dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Aufgabe werde die Beibehaltung der Nichtannualisierung im Jahr 2014
offensichtlich nicht gerecht. Irgendeine Rechtfertigung dafür ergebe sich weder aus den Erläuterungen noch aus den Festlegungen
selbst noch aus dem angefochtenen Bescheid. Auch die weiteren seitens der anderen Kassen eingereichten Stellungnahmen zu den
Festlegungen 2014 enthielten zu diesem Punkt keine neuen Erkenntnisse. Im Gegenteil beschränkten sich die Stellungnahmen der
von der Regelung begünstigten Kassen darauf, dass sie die Entscheidung "begrüßen", bis zur letztinstanzlichen Klärung keine
Änderung vorzunehmen.
Im vorangegangenen Verfahren habe die Beklagte geltend gemacht, es gebe anderweitigen Korrekturbedarf hinsichtlich der Festlegungen,
so dass eine "Gesamtlösung" anzustreben sei. Eine solche Überarbeitung in einem größeren, übergreifenden Kontext sei nicht
erfolgt. Auch sei nicht erkennbar, dass seitens des Gesetzgebers der Methodenfehler einer Korrektur unterzogen werde. Es wäre
auch ungewöhnlich, da nach der gesetzlichen Systematik nicht der Gesetzgeber aufgerufen sei, die Festlegungen vorzunehmen,
sondern die Beklagte. Auch dazu habe der erkennende Senat in seinem Urteil vom 04.07.2013 ausführlich Stellung genommen.
Die Nichtannualisierung der Kosten unterjährig Verstorbener verstoße nicht nur gegen §
268 SGB V unter dem Aspekt der Vermeidung einer Risikoselektion, sondern unterlaufe auch die vom Gesetzgeber angeordnete Chancengleichheit
aller Krankenkassen im Bezug auf die kostendeckende Versorgung ihrer Versicherten. Das Gesetz ermächtige die Beklagte nicht
dazu, eine für einen bestimmten Kreis der versicherten Personen erkannte Unterdeckung auch im Folgejahr fortzuschreiben. Daraus
folge, dass der angefochtene Grundlagenbescheid fehlerhaft sei und die Beklagte verpflichtet sei, die Zuweisungen im Grundlagenbescheid
neu zu errechnen, indem sie die Kosten unterjährig Verstorbener annualisiere.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
1.
den Grundlagenbescheid I/2014 vom 15.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die vorläufige Höhe der Zuweisungen
für das Jahr 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu ermitteln.
2.
die Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV für das Ausgleichsjahr abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, hinsichtlich der
Kosten für Verstorbene das Verfahren der Annualisierung anzuwenden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Antrag zu 2) unzulässig und im Übrigen die Klage unbegründet sei. Die Festlegungen könnten
nicht unmittelbar mit der vorliegenden Verpflichtungsklage angegriffen werden. Bei den Festlegungen gemäß § 31 Abs. 4 RSAV handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X. Zur Rechtsnatur der Festlegungen werde auf die einschlägige Rechtsprechung des LSG NRW, u.a. im Urteil vom 04.07.2013 (L 16 KR 646/12 KL) verwiesen.
Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da der Grundlagenbescheid I/2014 vom 15.11.2013 rechtmäßig sei und die Klägerin nicht
in ihren Rechten verletze. Die Klägerin stütze ihre Klage erneut auf einen behaupteten Methodenfehler, der ihrer Auffassung
nach zur Rechtswidrigkeit der von der Beklagten für das Ausgleichsjahr 2014 gemäß § 31 Abs. 4 RSAV vorgenommenen Festlegung
des Revisionsverfahrens zu Ermittlung der Zuweisungen führe. Eine Verletzung der Rechte der Klägerin liege jedoch nicht vor,
da die durch die Beklagte getroffene Festlegung des Regressionsverfahrens und in der Folge auch die Berechnung der Zuweisungen
rechtmäßig erfolgt sei.
Der mit der Klage angegriffene Grundlagenbescheid I/2014 sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Entgegen der Rechtsauffassung
der Klägerin sei der Bescheid ausreichend im Sinne des § 35 SGB X begründet. Die Beklagte verweise zunächst auf die Rechtsprechung des LSG NRW, ausweislich derer die vom Bundessozialgericht
zum RSA älterer Ausprägung entwickelten Maßstäbe auch für den heutigen RSA Anwendung fänden (LSG NRW, Urteil vom 06.06.2013,
L 16 KR 249/09 KL). Danach seien die Krankenkassen ausreichend über die Rechtsgrundlagen und die für seine Durchführung maßgeblichen Tatsachen
informiert, so dass es einer kassenindividuellen Begründung nicht bedürfe. Darüber hinaus sei zur nach Darstellung der Klägerin
fehlenden Erläuterung der "Annualisierungsproblematik" anzumerken, dass die Behandlung unvollständiger Versichertenepisoden
bekanntlich in den Festlegungen gemäß § 31 Abs. 4 RSAV geregelt sei, für die jährlich ein Anhörungsverfahren durchgeführt
werde. Die Festlegungen würden überdies bei ihrer Bekanntgabe erläutert (LSG NRW, Urteil vom 04.07.2013, L 16 KR 641/12 KL).
Im Übrigen sei die Berechnung der in dem angegriffenen Grundlagenbescheid ausgewiesenen Zuweisungen in rechtmäßiger Weise
und auf der Grundlage von Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV erfolgt. Das BVA habe für sämtliche Ausgleichsjahre seit Einführung
des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs die jeweiligen Festlegungsverfahren rechtskonform und ermessensfehlerfrei
durchgeführt und Festlegungen getroffen, die den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Die den vorliegend streitgegenständlichen
Zuweisungen für das Ausgleichsjahr 2014 zugrunde liegenden Festlegungen verstießen insbesondere nicht, wie von der Klägerin
vorgetragen, gegen §
266 SGB V.
Nach §
266 Abs.
1 i.V.m. Abs.
2 SGB V erhielten die Krankenkassen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, bestehend aus einer Grundpauschale und alters-, geschlechts-
und risikoadjustierten Zu- und Abschlägen, die zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben dienen. Mit den Zuweisungen
werde jährlich ein Risikostrukturausgleich durchgeführt, mit dem die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung
der Versicherten (auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versichertengruppen und Morbiditätsgruppen) zwischen den Krankenkassen
ausgeglichen werden.
Insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Wissenschaftlichen Beirats in dem bereits zitierten Evaluationsbericht
zum Jahresausgleich 2009 sei zunächst festzuhalten, dass die seit 2009 auf Grundlage der Festlegungen nach §
31 Abs.
4 RSAV durchgeführte Versichertenklassifikation die in §
266 Abs.
1 SGB V normierte Forderung nach einem Ausgleich der Unterschiede in der Versichertenstruktur der Krankenkassen auch im Hinblick
auf die Morbidität der Versicherten in hohem Maß und vor allem im Vergleich zum Risikostrukturausgleich alter Ausprägung signifikant
höherem Maß erfülle. Dem Gebot der Chancengleichheit werde im Vergleich zum Altverfahren deutlich besser Rechnung getragen,
wovon Krankenkassen mit überdurchschnittlich vielen alten und kranken Versicherten, wie etwa die Klägerin, grundsätzlich profitierten.
Gemäß §
268 Abs.
1 SGB V seien bei der zur Standardisierung erfolgenden Bildung von Versichertengruppen (§
266 Absatz
1 Satz 2
SGB V) und Gewichtungsfaktoren (§
266 Abs.
2 Satz 2
SGB V) vom 01.01.2009 an abweichend von §
266 SGB V Klassifikationsmerkmale zu verwenden, die die in Satz 1 Nr. 1 bis 5 der Vorschrift genannten Kriterien erfüllen, d.h. wie
die Klägerin zutreffend herausstelle, unter anderem Anreize zur Risikoselektion verringern. Gemäß §
268 Abs.
2 SGB V regele das BMG das Nähere zur Umsetzung der Versichertenklassifikation im Rahmen der Verordnung nach §
266 Abs.
7 SGB V, d.h. der RSAV. In den §§
29 ff. RSAV seien dementsprechend Risikomerkmale zur Versichertengruppenabgrenzung festgelegt. Diese seien nach derzeitiger
Rechtslage Alter und Geschlecht, Morbidität, Erwerbsminderungsstatus, Krankengeldstatus sowie das Vorliegen von Kostenerstattung
und Auslandsversicherung der Versicherten.
In Umsetzung der Vorgaben des §
268 Abs.
2 SGB V habe der (verordnende) Parlamentsgesetzgeber darüber hinaus in §
31 Abs. 4 RSAV dem BVA die Festlegungskompetenz hinsichtlich der Krankheitsauswahl und des Versichertenklassifikationsmodells
übertragen. Diese Aufgabenübertragung sei auch deswegen naheliegend und sachgerecht gewesen, weil die Festlegungen eine Vielzahl
komplexer Rechen- und Zuordnungsmodelle beinhalte, deren Anpassung und Weiterentwicklung inhaltlich eng mit dem Zuständigkeitsbereich
des BVA als Durchführungsbehörde des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs verbunden seien.
Der Festlegungsprozess sei sowohl für die Krankheitsauswahl als auch bezüglich der weiteren, in der Verordnungsbegründung
sog. technischen Festlegungen ausdrücklich als ein konsensorientiertes Zusammenwirken mehrerer Beteiligter konzipiert. Davon
zeuge die Einbindung des Wissenschaftlichen Beirats gemäß § 31 Abs. 2, 3 und 4 RSAV, die intensiv und mehrstufig durchzuführende
Anhörung des GKV-Spitzenverbandes (§ 29 i.V.m. § 31 RSAV) sowie zum Teil das Erfordernis des Einvernehmens (siehe § 31 Abs.
4 Satz 11 RSAV). Dabei sei jedoch zu beachten, dass die RSAV unterschiedliche Vorgaben bezüglich der Festlegungen des Versichertenklassifikationsmodells
und der sog. technischen Festlegungen mache, da die beiden Festlegungsbestandteile inhaltlich voneinander abzugrenzen seien.
Ein Versichertenklassifikationsmodell diene zur Klassifizierung, also zur systematischen Einteilung in Risikogruppen von Versicherten
anhand feststehender, spezifischer Kriterien, die in enger Beziehung zum individuellen "Schadensrisiko" eines Versicherten
stehen (Risikomerkmale). Vor dem Hintergrund des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs umfasse der Begriff somit
die Abgrenzung der einzelnen (alters-, geschlechts- und morbiditätsbezogenen) Risikogruppen sowie den Algorithmus, anhand
dessen die einzelnen Versicherten der GKV diesen Risikogruppen zuzuordnen seien. Die Ermittlung der Gewichtungsfaktoren sowie
die Berechnung der Höhe der Zu- und Abschläge erfolgten jedoch nicht innerhalb des Klassifikationsmodells, sondern im Rahmen
eines sich an die Klassifikation anschließenden Regressions- und des Berechnungsverfahrens.
Auch wenn bei den Festlegungen des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Risikozuschläge der jeweilige Stand der Wissenschaft
zu berücksichtigen sei und sie insofern der beratenden Mitgestaltung durch den Wissenschaftlichen Beirat zugänglich seien,
erfolgten sie ausdrücklich nicht auf Vorschlag oder Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats. Zwar sei den Festlegungen dem
Wortlaut des § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV nach die "Empfehlung nach Abs. 2 Nr. 2 und 3" zugrunde zu legen. Nach § 31 Abs. 2 Satz
1 Nr. 2 und 3 RSAV habe der Wissenschaftliche Beirat bis zum 31.10.2007 ein Gutachten zur Krankheitsauswahl entsprechend der
Vorgaben des § 31 Absatz 1 Satz 2 bis 4 RSAV zu erstatten sowie diese Krankheitsauswahl in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.
Bei den im Rahmen der Festlegungen zwingend zu berücksichtigenden Empfehlungen handele es sich somit ersichtlich um solche
zur Krankheitsauswahl, die damit, der dargestellten inhaltlichen Differenzierung entsprechend, nur hinsichtlich des Versichertenklassifikationsmodells
einschlägig sein könnten. Eine automatische Umsetzung von Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats z.B. zum vorliegend
streitigen Berechnungsverfahren, wie sie neben anderen Empfehlungen im Ende 2011 veröffentlichten Evaluationsbericht erfolgt
sei, sehe die RSAV hingegen nicht vor.
Sie bestreite nicht die grundsätzliche gerichtliche Überprüfbarkeit der Festlegungen. Hinsichtlich des Umfangs und der Maßgaben
der gerichtlichen Kontrolle sei jedoch darauf hinzuweisen, dass es kein Regelungsvorbild für die Festlegungen nach § 31 Abs.
4 RSAV gebe, so dass weder die Bestimmung der Rechtsnatur nach den herkömmlichen Typisierungskriterien noch das Heranziehen
obergerichtlicher Rechtsprechung zu mehr oder weniger vergleichbaren Fragestellungen im Zusammenhang mit Rechtssetzungsakten
der Verwaltung hier zielführend seien.
Allerdings verkenne die Klägerin wie auch das LSG NRW in seinen von der Klägerin angeführten und eingangs bereits genannten
Entscheidungen zum Ausgleichsjahr 2013, dass dem BVA angesichts der innersystematischen Besonderheiten des Festlegungsverfahrens
nach § 31 Abs. 4 RSAV insbesondere bei den vorliegend streitgegenständlichen technischen Festlegungen ein Konkretisierungs-
bzw. Entscheidungsspielraum eigener Art zukomme, der sich nicht ohne Weiteres in die herkömmlichen Kategorien der Ermessensverwaltung
einordnen lasse.
Aus Gründen der Sachnähe zur Durchführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs obliege dem BVA die Aufgabe
der Implementierung und Weiterentwicklung eines an die Verhältnisse der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland angepassten
Verfahrens, wobei es gleichermaßen die dargestellten (unter-) gesetzlichen Vorgaben, die Erkenntnisse aus Wissenschaft und
Forschung sowie das Ergebnis des vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens einzubeziehen habe.
Gesetz- und Verordnungsgeber hätten darüber hinaus die vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Risikostrukturausgleich
alter Ausprägung konstatierte, sich aktualisierende Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht (BVerfGE 113, 167, 234) in §§ 29 und 31 RSAV gleichsam institutionalisiert; in jedem Festlegungsprozess werde das bis dahin praktizierte Verfahren
auf den Prüfstand gestellt. Entscheidungsgrundlage sei insofern die jeweilige (wissenschaftliche) Erkenntnislage zum Zeitpunkt
der Festlegung.
Sie sehe sich ab dem Festlegungsverfahren für das Ausgleichsjahr 2013 zwar einem anderen wissenschaftlichen Erkenntnisstand
als noch in den Vorjahren gegenüber. Allerdings führe dies nicht dazu, dass die Klägerin und andere Krankenkassen einen Anspruch
ihr gegenüber auf Änderung der Festlegungen bzw. auf Festlegungen hinsichtlich der Behandlung unvollständiger Versichertenperioden
in der erwünschten Art hätten. Gesetzliche Vorschriften dazu, ob, wann oder in welchem Umfang wissenschaftliche Vorschläge
vom BVA zwingend zu berücksichtigen seien, bestünden nicht. Auch nach Veröffentlichung des Gutachtens des Wissenschaftlichen
Beirats zur Evaluation des Risikostrukturausgleichs Ende 2011 sei keine (Rechts-)Lage eingetreten, in der eine Änderung der
Festlegungen automatisch zu erfolgen habe.
Das BVA habe von seinem bestehenden Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum auch im Festlegungsverfahren für das Ausgleichsjahr
2014 rechtmäßig Gebrauch gemacht. Wie bereits dargestellt, sei dieser Spielraum in den Festlegungsverfahren für die Ausgleichsjahre
2013 und 2014 jeweils durch nach §
94 Abs.
2 SGB IV zulässige fachaufsichtliche Einzelweisung durch das BMG ausgefüllt worden.
Indem sich die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen für die Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV hinsichtlich des
Berechnungsverfahrens zum Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden nicht verändert hätten und insbesondere die von
der Klägerin zitierten Urteile des LSG NRW zum Ausgleichsjahr 2013 nicht rechtskräftig geworden seien, gälten die im Rahmen
der Festlegungen für 2013 maßgeblichen Erwägungen auch für die Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2014. Die streitgegenständlichen
Regelungen seien vor dem Hintergrund der sich im Herbst 2013 darstellenden, unveränderten Aktenlage von § 31 Abs. 4 RSAV gedeckt.
Das in § 31 Abs. 4 RSAV vorgegebene Anhörungsverfahren sei im Vorfeld der Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2014 ordnungsgemäß
durchgeführt worden und lasse nach wie vor einen kontroversen Meinungsstand erkennen.
Zwar sei dem LSG NRW in seiner in den oben genannten Urteilen vom 04.07.2013 dargelegten Auffassung zuzustimmen, dass weder
Gesetz noch Verordnung für die Änderung der Festlegungen einen Konsens aller in den RSA einbezogenen Krankenkassen verlange.
Das BVA sei jedoch gleichwohl grundsätzlich gehalten, die Stellungnahmen der Anhörungspartner im Festlegungsverfahren mit
dem größtmöglichen Maß an Objektivität zu prüfen, da die Festlegungen unmittelbare Auswirkungen auf die Zuweisungshöhe der
Krankenkassen hätten und da nicht auszuschließen sei, dass die Stellungnahmen in erster Linie einen monetären Hintergrund
hätten und von den wirtschaftlichen Individualinteressen einer Kasse bzw. Kassenart determiniert seien.
Das BVA habe sich mit den Stellungnahmen der Anhörungspartner zum Entwurf der Festlegungen vom 31.07.2013 intensiv auseinandergesetzt.
Der Umstand, dass der GKV-Spitzenverband sich entgegen seiner Verpflichtung erneut nicht positioniert, eine Änderung des Berechnungsverfahrens
zum Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden dabei für rechtlich nicht zwingend gehalten habe, sei, anders, als seitens
des Gerichts dargestellt, ein Aspekt, dem das BVA bei seiner Abwägungsentscheidung sehr wohl Rechnung zu tragen gehabt habe.
Von einer Änderung des Berechnungsverfahrens zum Zeitpunkt der Festlegung für das Ausgleichsjahr 2014 sei nach Abschluss des
Anhörungsverfahrens im Ergebnis abzusehen gewesen. Ausschlaggebend hierfür sei weiterhin gewesen, dass im Interesse der erforderlichen
Akzeptanz der unstreitig immer noch kontrovers diskutierten Änderung bei den am RSA teilnehmenden Krankenkassen eine Überarbeitung
in einem größeren, übergreifenden Kontext vorzunehmen sei, da einseitige Verfahrenskorrekturen zu finanziellen Verschiebungen
führten, die Einfluss auf den Wettbewerb hätten. Eine Änderung der Festlegungen hinsichtlich der Behandlung unvollständiger
Versichertenepisoden müsse daher auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Auswirkungen im Zusammenspiel mit anderen Parametern im
rechtlichen Gesamtgefüge des morbiditätsorientierten RSA betrachtet werden. So enthalte der Evaluationsbericht über die Frage
der Behandlung unvollständiger Versichertenepisoden hinaus auch weitere Hinweise des Wissenschaftlichen Beirats auf Ungenauigkeiten
im Berechnungsverfahren. So werde beispielsweise ausgeführt, dass "insgesamt eine erhebliche Überdeckung der Ausgaben für
Auslandsversicherte" bestehe, wobei sich "die Situation bei den Einzelkassen hierbei sehr unterschiedlich" gestalte. Hinsichtlich
des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Krankengeldzuweisungen moniere der Bericht eine geringe Zielgenauigkeit, die
deutlich hinter der des Zuweisungsverfahren für die übrigen Leistungsbereiche zurückbleibe.
Am Beispiel der Kassenart AOK ließen sich die genannten Mängel im Berechnungsverfahren wie folgt quantifizieren: Die fehlende
Annualisierung der Ausgaben Verstorbener bedeute für die Ortskrankenkassen insgesamt Minderzuweisungen in einer Größenordnung
von rund 330 Millionen Euro. Die Berechnungsverfahren in den beiden anderen genannten Bereichen führten hingegen zur Überdeckungen
von insgesamt rund 130 Millionen und 155 Millionen Euro, somit in der Summe knapp 300 Millionen Euro. Wie dieses Beispiel
verdeutliche, könne eine einseitige Verfahrenskorrektur mit der Gefahr einer (zusätzlichen) Wettbewerbsverzerrung einhergehen.
Die Bundesregierung habe daher in verschiedenen Stellungnahmen im Laufe des Jahres 2012 auch mit Blick auf weitere vom Wissenschaftlichen
Beirat in seinen Evaluationsbericht aufgeführten Bereiche, in denen Überarbeitungsbedarf festgestellt worden sei, ihre Auffassung,
auf Einzelbereiche beschränkte Änderungen des RSA aktuell nicht vorzunehmen, zum Ausdruck gebracht. Ausschlaggebend sei hierfür
neben dem bereits dargestellten Gesamtzusammenhang aller Regelungsbereiche auch eine nach Auffassung der Bundesregierung wünschenswerte
breitere Datenbasis, die der Diskussion über vorzunehmende Änderungen des RSA zu Grunde zulegen sei, gewesen. Dies betreffe
neben der vorliegend streitigen Festlegungsproblematik die Zuweisungen für Auslandskrankenversicherte sowie den bereits genannten
Bereich des Krankengeldes.
Die Entscheidung, von einer Änderung der Festlegungen hinsichtlich der Behandlung unvollständiger Versichertenepisoden vorerst
abzusehen, müsse daher in einem fachlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang mit Blick auf die grundsätzliche Weiterentwicklung
des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs gesehen werden.
Es stehe für sie außer Frage, dass bei der Vornahme der Festlegungen auch Überlegungen der Bundesregierung zur grundsätzlichen
Weiterentwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs im Interesse der Funktionsfähigkeit des GKV-Systems
als Ganzes Berücksichtigung finden könnten. Dem Aspekt der Akzeptanz einer Änderung des Ausgleichsverfahrens durch alle beteiligten
Krankenkassen komme dabei erhebliche Bedeutung zu, da der RSA eine unverzichtbare Voraussetzung für das Funktionieren des
gesetzlich gewollten Wettbewerbs zwischen den Krankenkassen darstelle und damit auch eine befriedigende Funktion für das Verhältnis
der Krankenkassen untereinander habe (Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteile vom 24.01.2003, B 12 KR 19/01 R und B 12 KR 6/00 R).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Gegenstand der Beratung
gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten konnte der Senat gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Gegenstand des Verfahrens ist der Grundlagenbescheid I/2014, den die Klägerin mit ihrer Klage angegriffen hat. Die kassenindividuellen
Zuweisungsgrundlagen werden in sogenannten Grundlagenbescheiden festgestellt; auf diesen kassenindividuellen Werten basieren
die monatlichen Zuweisungsbescheide, mit denen - angepasst an die aktuellsten Versichertenzahlen - die monatlichen Zuweisungen
festgesetzt werden (siehe dazu eingehend Sichert/Göpffarth, SGb 2010, 394, 395 ff.).
Die monatlichen Zuweisungsbescheide der Beklagten für das Ausgleichsjahr 2014 sind lediglich akzessorische Umsetzungen des
genannten Grundlagenbescheids und hängen in ihrem rechtlichen Bestand vollständig davon ab. Die Beklagte hat diesem Umstand
durch ihre Erklärung Rechnung getragen, im Fall einer Änderung eines angefochtenen Grundlagenbescheids auch die darauf aufbauenden
Zuweisungsbescheide aufzuheben. Sie brauchten deshalb nicht zum Verfahrensgegenstand gemacht werden.
Die Klage ist hinsichtlich des Antrages zu 2) unzulässig. Die Festlegungen können nicht unmittelbar mit der vorliegenden Verpflichtungsklage
angegriffen werden. Die Festlegungen gemäß § 31 Abs. 4 RSAV stellen keinen Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X dar. Bei den Festlegungen des BVA handelt es sich um außenverbindliche Rechtssätze, die in ihrer Funktion einer zwischengeschalteten
Regelungsebene (vgl. Gerhard, NJW 1989, S. 2233, 2236) zwischen Gesetz bzw. Verordnung und Verwaltungsakt weitgehend den im Umweltrecht anerkannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften
entsprechen (vgl. im einzelnen Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 72 ff.). Bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grundlagenbescheids ist auch die Rechtmäßigkeit
der ihn tragenden Festlegungen zu prüfen, so dass bereits in diesem Rahmen die von der Klägerin mit ihrem Antrag zu 2) begehrte
Entscheidung erfolgt. Für den gesonderten Antrag fehlt es damit (auch) am Rechtsschutzinteresse.
Hinsichtlich des Antrags zu 1) ist die Klage zulässig. Sie bedurfte gemäß §
78 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGG keines Vorverfahrens und ist bei dem nach §
29 Abs.
3 Nr.
1 SGG funktionell zuständigem Gericht erhoben worden. Die Klägerin durfte ihre mit dem Aufhebungsantrag verbundene und letztlich
auf höhere Zuweisungen für Leistungsausgaben zielende Verpflichtungsklage (vgl. BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 2 Rn. 16 (unter Verweis auf §
54 Abs.
4 SGG)) auf die Verpflichtung zur Neubescheidung beschränken. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat das BVA zwar eine gebundene
Entscheidung getroffen, denn die Höhe der Zuweisungen steht nicht im Ermessen der Beklagten. Der Klägerin ist jedoch eine
Konkretisierung der von ihr beanspruchten Zuweisungshöhe gegenwärtig nicht möglich, weil die Auswirkungen der von ihr angenommenen
Unwirksamkeit der Festlegungen des BVA von ihr nicht zu beziffern sind. Die Klage ist bezüglich Antrages zu 1) auch begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Auffassung der Klägerin, der Grundlagenbescheid
sei bereits formell rechtswidrig, weil er gegen das Begründungserfordernis gemäß § 35 SGB X verstoße, da ihm nur mittelbar entnommen werden könne, dass die Kosten unterjährig Verstorbener, wie in der Vergangenheit,
nicht "annualisiert" worden seien, wird allerdings vom Senat nicht geteilt. Nach den vom Bundessozialgericht zum RSA älterer
Ausprägung entwickelten Maßstäben, die auch für den heutigen RSA Anwendung finden (LSG NRW, Urteil vom 06.06.2013, L 16 KR 249/09 KL), sind die Krankenkassen ausreichend über die Rechtsgrundlagen und die für seine Durchführung maßgeblichen Tatsachen informiert.
Einer kassenindividuellen Begründung bedarf es nicht. Darüber hinaus ist zur nach Darstellung der Klägerin fehlenden Erläuterung
der "Annualisierungsproblematik" anzumerken, dass die Behandlung unvollständiger Versichertenepisoden in den Festlegungen
gemäß § 31 Abs. 4 RSAV geregelt ist, für die jährlich ein Anhörungsverfahren durchgeführt wird (vgl. LSG NRW, Urteil vom 04.07.2013,
L 16 KR 641/12 KL, [...] Rn. 48 ff.).
Der angefochtene Verwaltungsakt ist jedoch materiell rechtswidrig. Die Festlegungen der Beklagten nach § 31 Abs. 4 RSAV für
das Ausgleichsjahr 2014, die diesem Bescheid zu Grunde liegen und von diesem für den Einzelfall der Klägerin umgesetzt werden,
verstoßen wegen ihres Verzichts auf die Annualisierung der Kosten unterjährig verstorbener Versicherter gegen §
266 Abs.
1 Satz 2, §
268 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB V i.V.m. §
31 RSAV. Sie verfehlen insbesondere das von diesen Vorschriften formulierte zentrale Gesetzesziel, bei der Ausgestaltung des
nach §
266 Abs.
1 Satz 2
SGB V durchzuführenden RSA zwischen den gesetzlichen Krankenkassen Anreize zur Auswahl ihrer Versicherten nach Morbidität (Risikoselektion)
zu verringern. Diese Rechtswidrigkeit der Festlegungen teilt der angefochtene Bescheid. Auf einen gerichtlich nicht voll nachprüfbaren
Entscheidungsspielraum eigener Art kann die Beklagte sich insoweit nicht berufen; ebenso wenig durfte aus sonstigen Gründen
von der Änderung des Berechnungsverfahrens abgesehen werden.
Der Senat hat zu diesen Fragen in seinen Urteilen vom 04.07.2013 (L 16 KR 774/12 KL und L 16 KR 800/12 KL) ausgeführt:
1. a) Bei den Festlegungen des BVA handelt es sich um außenverbindliche Rechtssätze, die in ihrer Funktion einer zwischengeschalteten
Regelungsebene (vgl. Gerhard, NJW 1989, S. 2233, 2236) zwischen Gesetz bzw. Verordnung und Verwaltungsakt weitgehend den im Umweltrecht anerkannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften
entsprechen (vgl. im einzelnen Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 72 ff.). Der Verordnungsgeber hat dem BVA daher beim Erlass dieser Festlegungen in einem begrenzten Umfang
eine Befugnis zur letztverbindlichen Entscheidung (vgl Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig,
GG-Kommentar, Art.
19 Abs.
4 Rn. 180 m.w.N.) eingeräumt. Sie ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Auftrag an die Verwaltung, für den RSA im Ausland vorhandene
Modelle unter Beachtung des Stands der Gesundheitswissenschaft auf deutsche Verhältnisse zu übertragen, zu diesem Zweck Regeln
für einen funktionsfähigen Risikostrukturausgleich aufzustellen und diese jährlich im Sinne eines auf ständige Überprüfung
und Verbesserung angelegten lernenden Systems neu zu justieren (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 74; vgl. BT-Drs. 16/3100, 205 sowie BT-Drs. 14/6432, 15). Der Gesetzgeber hat damit auf außerrechtliche, d.h.
gesundheitsökonomische Vorgaben Bezug genommen, über die anfangs für das deutsche Gesundheitssystem noch kein abgesicherter
Konsens und keine ausreichenden Erfahrungen bestanden. Dadurch hat er das Modell des RSA insoweit als unvollständig sowie
ergänzungsbedürftig angelegt und es so einer Ausgestaltung und Implementierung durch die vollziehende Gewalt geöffnet, die
allerdings nur innerhalb der Bandbreite des wissenschaftlichen Meinungsspektrums erfolgen darf. Denn der Gesetzgeber hat sich
bei den Regelungen des RSA auf das Beispiel gesundheitsökonomischer Modelle aus dem Ausland bezogen und die Berücksichtigung
wissenschaftlichen Sachverstands insbesondere durch den Wissenschaftlichen Beirat beim BVA institutionalisiert (vgl. Senat,
Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 74 sowie BVerfGE 113,167,264).
Das für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidende Verfahren der Regressionsanalyse hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang
sogar nur als untergeordnete technische Festlegung (BT-Drs. 16/3100, 205) angesehen. Sie ist damit den maßgeblichen und in
erheblich höherem Maße wertungsoffenen Entscheidungen des Klassifikationsmodells etwa über die Auswahl der zu berücksichtigenden
Krankheiten (vgl. dazu Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 83) nachgeordnet. Bereits dies engt die Konkretisierungsbefugnis der Verwaltung etwa im Vergleich zum Kern
des Klassifikationsmodells weitgehend ein.
Der genannte gesetzgeberische Optimierungsauftrag und die für die Legitimation normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften
nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte Partizipation einschlägigen Sachverstands (vgl. Senat, Urteil
vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 74) beschränken noch zusätzlich den behördlichen Entscheidungsspielraum. Das Ausgleichsverfahren ist auch für
die Sachgerechtigkeit des Berechnungsverfahrens auf wissenschaftlichen Sachverstand, empirische Forschung und Statistik angewiesen
(Schmehl in:Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 39 Rn. 72). Das BVA darf daher mit seinen Festlegungen weder
die anerkannten Standards der Gesundheitswissenschaft noch die zu ihrer Umsetzung erforderlichen Regeln der Versicherungsmathematik
und der Statistik verletzen. Seine fachlichen Festlegungen müssen vielmehr wissenschaftlichen Anforderungen an eine sachgerechte
Ausgestaltung der direkten Morbiditätsorientierung des RSA entsprechen (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 74) und insoweit stets dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt Rechnung tragen. Dies gilt von
dem Zeitpunkt an, in dem die Festlegungen - wie hier - das von Gesetz und Verordnung vorgesehene, für allgemeine Verwaltungsvorschriften
charakteristische dialogische Verfahren zur Wissenserzeugung ordnungsgemäß durchlaufen haben (vgl. zu dieser zeitlichen Zäsur
Urteile des Senats vom 04.07.2013 - L 16 KR 646/12 KL und L 16 KR 756/12 KL zum Ausgleichsjahr 2012). Das Gericht kann die genannten wissenschaftlichen Standards und Regeln jedenfalls für das vorliegend
streitige Verfahren der Regressionsanalyse mit sachverständiger Hilfe feststellen und ihre korrekte Anwendung beim Erlass
der Feststellungen durch das BVA überprüfen (vgl. BVerwGE 107,338, 341). Deshalb liegt keine Konstellation vor, bei der die
entscheidende Behörde aufgrund persönlichen Eindrucks, besonderer Erfahrung oder nicht ersetzbarer Sachkunde für die Beurteilung
außerrechtlicher Gesichtspunkte vorrangig berufen erscheint, um verbindliche Qualifikationen vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.1977 - 12 RAr 83/76, [...] Rn. 19 m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., §
54 Rn. 31c m.w.N.). Insbesondere eine nur eingeschränkt überprüfbare Fachkompetenz des BVA, die externem Sachverstand durch
ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten nicht zugänglich wäre, etwa wegen besonderer Komplexität der fachlichen
Wertungszusammenhänge, ist nicht ersichtlich (vgl. Gerhard in: Schoch/Schneider/Bier/,
VwGO, §
114 Rn. 60 m.w.N. sowie BVerfG, Beschluss vom 22.10.1991 - 1 BvR 393/85,1 BvR 610/85, [...] Rn. 76 f.).
b) Gemessen an diesen Vorgaben sind die Festlegungen des BVA für den Jahresausgleich 2013 und damit auch die darauf gestützten
Bescheide vom 28.03.2013 und vom 15.04.2013 rechtswidrig. Im Evaluationsbericht vom 22.06.2011 sind die Auswirkungen eines
Verzichts auf die unterlassene Annualisierung untersucht worden (Evaluationsbericht S. 61 und S. 142 ff.). Der Wissenschaftliche
Beirat hat festgestellt, dass in Risikogruppen mit einem hohen Anteil Verstorbener ein größerer Anteil der Ausgaben fehle,
als durch die proportionale Anhebung kompensiert werde. Umgekehrt würden in Risikogruppen mit einem unterdurchschnittlichen
Anteil Verstorbener die wenigen fehlenden Ausgaben durch die proportionale Anhebung überkompensiert. Die Folge seien Überdeckungen
in jungen Altersgruppen und Unterdeckungen in höheren Altersgruppen, Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität
und Unterdeckungen bei Krankheiten mit hoher Mortalität, aber auch übermäßige Überdeckungen bei Kassenwechslern, Überlebenden
oder Kostenerstattern. Bei einer Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener verbesserten sich die Gütemaße zur Messung
der Zielgenauigkeit der Zuweisungen auf der Individualebene; auch auf der Ebene von Gruppen von Versicherten ergäben sich
durchweg Verbesserungen der Zielgenauigkeit. Auf der Ebene der Krankenkassen komme es überwiegend zu einer Verbesserung der
Zielgenauigkeit, allerdings sei das Ergebnis nicht einheitlich. Die im Jahresausgleich 2009 beobachtete Tendenz von mit der
durchschnittlichen Kassenmorbidität zunehmenden Unterdeckungen würde vollständig beseitigt. Dieses Ergebnis hat der Sachverständige
Prof. Dr. X. in der Senatsverhandlung vom 04.07.2013 u.a. zum Ausgleichsjahr 2013 für den Senat überzeugend bestätig; nach
seiner Darstellung widerspricht das vom BVA in den Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2013 praktizierte Regressionsverfahren
eindeutig und nach jeder Betrachtungsweise dem Stand der internationalen Gesundheitswissenschaft, indem es - anders als bei
allen anderen Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden - auf eine Annualisierung der Kosten ausschließlich bei
unterjährig verstorbenen Versicherten verzichtet. Zwar hatte das BVA im Rahmen der Festlegungen für das Jahr 2009 bei seinen
Untersuchungen der Frage, wie die Ausgaben von Versicherten, die nicht im ganzen Ausgleichsjahr versichert waren, im Regressionsverfahren
behandelt werden sollten, auf der Grundlage der Daten aus 2005 für die Variante ohne Annualisierung einen geringfügig besseren
Wert für die Prognosegüte des Modells errechnet. Der Sachverständige hat insoweit eingeräumt, dass der Wert seinerzeit ohne
Annualisierung etwas besser gewesen sein möge, die Berechnungen mit den Daten aus 2009 ergäben aber jetzt mit Annualisierung
bei allen statistischen Kennziffern eindeutig bessere Werte, so dass kein Zielkonflikt mehr bestehe. Der Evaluationsbericht
hat nach der ebenfalls überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen eine sichere empirische Grundlage für die Beurteilung
der Berechnungsmethode des BVA als fehlerhaft geliefert, indem er die verfälschenden Auswirkungen der fehlenden Annualisierung
erstmals anhand realer Daten aus dem deutschen Gesundheitssystem nachgewiesen hat. Das hat das BVA in seinem Entwurf der Festlegungen
auch eingeräumt.
Diese Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie unter anderem hinsichtlich
des von § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV genannten Regressionsverfahrens den Stand der Gesundheitsökonomie widerspiegelt, den die Festlegungen
bei der Ausgestaltung des Klassifikationsmodells zugrundezulegen haben (Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 74).
Aufgrund der beschriebenen Auswirkungen setzt das Regressionsverfahren in seiner gegenwärtig vom BVA angewendeten Form genau
die Anreize zur Risikoselektion, die der Gesetzgeber unbedingt vermeiden wollte. §
268 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB V definiert es als eines, wenn nicht das maßgebliche Ziel des RSA, Anreize zur Risikoselektion zu verringern (vgl. auch BT-Drs.
16/3100, 204). Die dem BVA übertragene Weiterentwicklung des RSA sollte ein Interesse der Krankenkassen daran, bestimmte Versicherte
nicht in ihre Versichertengemeinschaft aufzunehmen bzw. zu behalten, nach der Vorstellung des Gesetzgebers sogar ganz ausschließen
(vgl. die Gesetzesbegründung zu §
268 SGB V, BT-Drs. 14/6432, 14). Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es für den RSA wichtig sei, wie sich das Berechnungsverfahren
auf ex ante identifizierbare Versichertengruppen auswirkt. Es liegt auf der Hand, dass Selektionsanreize bestehen, wenn bekannt
ist, dass jüngere Altersgruppen Überdeckungen und umgekehrt ältere Altersgruppen Unterdeckungen aufweisen, weil es damit für
die Kassen "lukrativ" ist, gezielt um die Versicherten mit Überdeckungen zu werben. Ebenso leuchtet der Hinweis des Sachverständigen
ein, dass aus gesundheitsökonomischer Sicht speziell für Gruppen mit chronischen Krankheiten eine möglichst 100-prozentige
Deckung erreicht werden solle, damit für die Kassen beim Versorgungsmanagement ein Anreiz bestehe, spezielle Angebote für
diese Versicherten zu machen. Demgegenüber gestaltet das vom BVA praktizierte Verfahren den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen
Krankenkassen anhand des Parameters Morbidität zum Teil in einer Weise, die der erklärten Absicht des Gesetzgebers zuwiderläuft.
Gegen die Annualisierung der Ausgaben Verstorbener spricht auch nicht das Argument, es komme dadurch zu einer Überschätzung
der Ausgaben Verstorbener. Nicht nur hat der Sachverständige diesen Einwand als unbegründet und interessengeleitet bezeichnet,
vor allem zeigen die Berechnungen im Evaluationsbericht, dass es bei einer Annualisierung zu einer Verbesserung der Deckungsquoten
nicht nur bei den Altersgruppen, sondern auch bei Morbiditätsgruppen mit hoher Mortalität kommt (s. Tabelle 54 des Evaluationsberichts).
Selbst wenn daher durch die Hochrechnung höhere Kosten als die durchschnittlichen Kosten der im Dezember eines Jahres Verstorbenen
berücksichtigt würden (s. die Stellungnahme der Siemens BKK im Anhörungsverfahren, S. 3 f), spräche dies nicht gegen die Annualisierung,
da die mit dem Verzicht auf die Hochrechnung verbundene Untererfassung sich - wie dargelegt - negativ auf den RSA auswirkt,
so dass eine mögliche Übererfassung methodisch der Untererfassung vorzuziehen wäre.
Andere Unzulänglichkeiten des RSA wie etwa Unter- bzw. Überdeckungen bei der Gruppe der Auslandsversicherten oder beim Krankengeld
gleichen diese Wettbewerbsverzerrung nicht aus. Denn sie stehen damit, wie der Sachverständige Prof. Dr. X. für den Senat
ebenfalls überzeugend ausgeführt hat und wie auch die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben,
in keinem sachlichen Zusammenhang. Mehr oder minder zufällige summenmäßige Entsprechungen der Vor- und Nachteile durch die
unterschiedlichen Unzulänglichkeiten des RSA ("ausgleichende Ungerechtigkeiten") bei einzelnen, aber längst nicht bei allen
Kassen vermögen daran nichts zu ändern.
Das BVA war daher aufgrund des Evaluationsberichts verpflichtet, das Regressionsverfahren entsprechend dem internationalen
Standard der Gesundheitsökonomie zu ändern. Der Bericht war zum Zeitpunkt des Erlasses der Festlegungen für 2013 seit gut
einem Jahr veröffentlicht, so dass seine Auswertung und die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen durch alle beteiligten
Kreise bis zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen war. Somit hätte dem durch den Bericht erlangten Erkenntnisfortschritt Rechnung
getragen werden müssen. Nach den obigen Ausführungen stand dem BVA in Bezug auf das Regressionsverfahren kein gerichtlich
nicht voll überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu.
2. Das BVA durfte auch nicht aus sonstigen Gründen von einer Änderung des Berechnungsverfahrens absehen.
a) In Bezug auf die Regressionsanalyse lässt sich aus Gesetz und Verordnung keine Befugnis des BVA ableiten, im Interesse
übergeordneter Erwägungen vor allem mit Blick auf eine Gesamtverbesserung der Wirkungsweise des RSA auf die Korrektur eindeutig
identifizierter Fehler des Berechnungsverfahrens zu verzichten, um damit Unzulänglichkeiten an anderer Stelle ganz oder teilweise
zu kompensieren. Weder der Gesetz- noch der Verordnungsgeber haben dem BVA den dafür erforderlichen umfassenden politisch-planerischen
Entscheidungsfreiraum (vgl. dazu allgemein Gerhard in: Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, §
114 Rn. 5 m.w.N.) bei der Gestaltung des Wettbewerbs zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen eingeräumt. Vielmehr hat
sich der Gesetzgeber, wie ausgeführt, von der Vorstellung einer aus Erfahrung gespeisten Optimierung eines wissenschaftlich
fundierten "idealen" Modells des RSA leiten lassen. Anders als bei der für das Klassifikationsmodell erforderlichen Krankheitsauswahl,
die das BVA im Wege der wertenden Abwägung zu treffen und dabei zu entscheiden hat, wie dem Willen des Gesetzgebers am besten
entsprochen werden kann (Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 83), hat dieser der Behörde hinsichtlich des Regressionsverfahrens, die der Gesetzgeber, wie ausgeführt, nur
als eher untergeordnete technische Festlegung einstuft, keine vergleichbare Letztentscheidungsbefugnis eröffnet. Für den von
der Beklagten beanspruchten weiten Entscheidungsspielraum eigener Art vermag der Senat daher insgesamt keine gesetzliche Grundlage
und ebenso wenig eine inhaltliche Rechtfertigung zu erkennen.
Gesetz und Verordnung lässt sich, wie ausgeführt, auch nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber das Ziel, gesetzliche Kassen
möglichst an einer Auswahl ihrer Versicherten nach deren Krankheitsrisiko zu hindern, in Konkurrenz zu anderen von ihm aufgestellten
Zielvorgaben gesehen und damit einer Relativierung durch die Behörde im Sinne einer wertenden Abwägung gegen die Erreichung
anderer Ziele geöffnet hat (vgl. Gerhard, a.a.O., § 114 Rn. 5 m.w.N.). Wie die Klägerin insoweit zutreffend argumentiert,
fällt die Berücksichtigung des Krankengeldes ohnehin nicht in die Kompetenz des BVA, sondern müsste vom Verordnungsgeber geregelt
werden. Zudem existieren nach der Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. X. bisher noch keine überzeugenden Berechnungsmodelle,
um eine wettbewerbsneutrale Berücksichtigung der durch das Krankengeld verursachten Kosten zu erreichen. Schließlich setzt
die derzeitige Berücksichtigung des Krankengeldes anders als die unterbliebene Annualisierung der Kosten verstorbener Versicherter
keine vom Gesetzgeber nicht gewünschten Anreize zur Risikoselektion.
b) Entgegen der Ansicht der Beklagten verlangen weder Gesetz noch Verordnung für eine Änderung der Festlegungen einen Konsens
aller in den RSA einbezogenen gesetzlichen Krankenkassen. Ein solcher Konsens wäre in einem auf Wettbewerb ausgerichteten
System, in dem häufig die Vorteile des einen Wettbewerbers spiegelbildliche Nachteile seiner Konkurrenten mit sich bringen
werden, auch schwerlich zu erreichen. Ebenso ist unerheblich, ob der GKV-Spitzenverband (wozu er an sich verpflichtet wäre,
da er unabhängig von den divergierenden Interessen seiner Mitglieder zu handeln hat), eine eindeutige Position bezogen hat.
Erforderlich und ausreichend ist vielmehr die Durchführung des in § 31 Abs. 4 RSAV vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens.
c) Die dem BVA erteilte Weisung des BMG, eine Annualisierung trotz nunmehr entgegenstehender fachlicher Einschätzung des BVA weiterhin zu unterlassen, vermag den
aufgezeigten Fehler nicht zu heilen. Die Weisung einer übergeordneten Behörde kann eine gesetzlich begrenzte Befugnis der
angewiesenen Behörde in deren Wirkungskreis nicht erweitern. Eine tragfähige inhaltliche Rechtfertigung für die Weisung hat
das BMG schließlich weder gegeben, noch ist sie nach dem oben Gesagten vorstellbar.
Daher ist unerheblich, dass die Bundesregierung nach Vorliegen des Evaluationsberichts keinen Anlass für wesentliche Änderungen
des Morbi-RSA gesehen hat und daher von der Umsetzung von Einzelmaßnahmen mit finanzrelevanten Umverteilungen Abstand nehmen
wollte (vgl. die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Flach vom 10.01.2012 auf die Fragen der Abgeordneten Bas,
BT-Drucks. 17/8322, 9f). Davon abgesehen, dass der Sachverständige Prof. Dr. X. überzeugend einen inhaltlichen Zusammenhang
mit den weiteren im Evaluationsbericht genannten Problemfeldern (insbesondere der Berücksichtigung des Krankengeldes im RSA)
verneint hat, können diese politischen Überlegungen der Bundesregierung das Handeln des BVA nicht steuern. Im Rahmen seiner
Befugnis steht ihm ein solcher Entscheidungsspielraum nicht zu. Es kann offen bleiben, ob dem BMG, wenn es selbst von der Verordnungsermächtigung in §
268 Abs.
2 SGB V auch in Bezug auf die Festlegung des Klassifikationsmodells Gebrauch machen würde, bei den Festlegungen ein weiterer Gestaltungsfreiraum
einzuräumen wäre und ob dieser so weit reichen würde, als geboten erkannte Änderungen des Berechnungsverfahrens bis zur Vornahme
einer "Paketlösung" zurückzustellen. Im Rahmen des §
94 Abs.
2 SGB IV ist dem BMG jedenfalls kein solch weit reichender Freiraum einzuräumen; insoweit kann im Rahmen der Fachaufsicht die Befugnis der Aufsichtsbehörde
nicht weiter reichen als die der nachgeordneten Behörde.
Nach alledem vermag der Senat nicht zu erkennen, woraus sich eine Befugnis des BVA ergeben sollte, den beschriebenen, eindeutig
identifizierten und erkannten Fehler des Regressionsverfahrens vorläufig weiterhin bestehen zu lassen, nachdem der Evaluationsbericht
des Wissenschaftlichen Beirats diesen Fehler anhand konkreter Berechnungen für das Ausgleichsjahr 2009 eindeutig untermauert
und das von der RSAV vorgesehene dialogische Verfahren über die Ergebnisse dieser Evaluation stattgefunden hat. Übergeordnete
planend-politische Erwägungen, welche die Korrektur dieses Fehlers mit anderen, sachlich damit nicht zusammenhängenden Unzulänglichkeiten
des RSA verknüpfen, sind jedenfalls auf der Ebene des BVA, wie ausgeführt, ohne Belang und rechtfertigen keine weitere Untätigkeit
der Behörde. Sollte der Gesetzgeber zu dem Ergebnis gelangen, dass durch eine nach dem Stand der Gesundheitswissenschaft gebotene
Annualisierung der Kosten Verstorbener das gesamte System des RSA ganz oder teilweise die von ihm angestrebte Wirkung verfehlt,
steht es ihm frei, die vom BVA und vom BMG ins Auge gefasste Gesamtlösung im Rahmen seiner weiten gesetzgeberischen Entscheidungsfreiheit zu suchen und den RSA dementsprechend
neu zu regeln. Bis zu einer solchen möglichen gesetzlichen Neuregelung verpflichten die gesetzlichen Vorschriften und die
RSAV das BVA, den RSA gemäß dem gesetzgeberischen Auftrag im Einklang mit der Evaluierung durch den Wissenschaftlichen Beirat
des BVA zu verbessern.
Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise auch für das Ausgleichsjahr 2014, insoweit haben sich keine wesentlichen Änderungen
ergeben. An seiner Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten fest.
Soweit die Beklagte für das BVA einen "Konkretisierungs- und Entscheidungsspielraum eigener Art" beansprucht, ist zwar einzuräumen,
dass es für die Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV kein unmittelbares Regelungsvorbild gibt. Der Senat hat allerdings schon
auf die Nähe der Festlegungen zu normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im Umweltrecht hingewiesen und daraus in einem
begrenzten Umfang eine Befugnis zur letztverbindlichen Entscheidung hergeleitet (Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, [...] Rn. 72 ff.). Der Hinweis auf die "Einzigartigkeit" der Festlegungen beantwortet vor allem nicht die Frage nach
dem Umfang des eröffneten Gestaltungsfreiraums. Der Senat hat dazu dargelegt, dass gerade in Bezug auf das Regressionsverfahren,
das der Gesetzgeber sogar als eher untergeordnete technische Festlegung einstuft, eine Befugnis des BVA, in Abweichung von
(jetzt gesicherten) wissenschaftlichen Erkenntnissen eine wertende Abwägung vorzunehmen, nicht erkennbar ist.
Dazu verhält sich der Vortrag der Beklagten nicht. Bezeichnenderweise hat das BVA, auf das der (verordnende) Gesetzgeber wegen
dessen fachlicher Kompetenz als Durchführungsbehörde des Morbi-RSA im Bezug auf die mit den Festlegungen verbundenen komplexen
Rechen- und Zuordnungsmodelle die Festlegungen zum Klassifikationsmodell und zum Regressions- und Berechnungsverfahren übertragen
hat, die Änderung des Berechnungsverfahrens im Sinne einer Annualisierung der Kosten Verstorbener für das Ausgleichsjahr 2013
für geboten erachtet. In dem Schreiben vom 17.08.2012 an das BMG weist es im Hinblick auf die im damaligen Anhörungsverfahren geäußerte Kritik an der vorgesehenen Änderung darauf hin, damit
werde eine richtige Abbildung der durch bestimmte Morbiditäten verursachten Folgekosten aller Versicherter (gleich ob überlebend
oder versterbend) erreicht. Dies zeigten eindrücklich die Ergebnisse des Evaluationsberichts. Außerdem wird gegen den Vorwurf,
die Änderung sei methodisch nicht begründbar, auf die Anpassung an unumstrittene wissenschaftliche internationale Standards
hingewiesen. Vor dem Hintergrund dieser fachlichen Erwägungen und der durch das bisherige Berechnungsverfahren gesetzten Selektionsanreize,
die dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, ist nicht ersichtlich, welche gleichgewichtigen Erwägungen gegen
die geforderte Annualisierung ins Feld geführt werden könnten. Auch insoweit gibt der Vortrag der Beklagten nichts her. Die
von ihr angesprochene "Akzeptanz" des Morbi-RSA, die sie bei einer Änderung gefährdet sieht, ist - wie gerade die zahlreichen
Klageverfahren belegen - auch bei Beibehaltung des bisherigen Berechnungsverfahrens nicht gegeben. Ebenso wenig ist von Belang,
ob sich der GKV-Spitzenverband positioniert hat. Davon abgesehen, dass er nur anzuhören ist, hat er in seiner Stellungnahme
den Korrekturbedarf in der Sache anerkannt. Soweit er wegen der divergierenden Auffassungen seiner Mitglieder meint, sich
"wettbewerbsneutral" verhalten zu müssen, ist dies rechtlich unerheblich. Einer Änderung des Berechnungsverfahrens steht dies
nicht entgegen. Die Argumentation der Beklagten würde im Übrigen bedeuten, dass nie eine umstrittene Änderung der Festlegung
erfolgen könnte, solange der GKV-Spitzenverband an seiner (verfehlten) Auffassung festhält, keine "eigene" Position einnehmen
zu dürfen.
Soweit die Beklagte auf politische Überlegungen der Bundesregierung verweist, zum gegenwärtigen Zeitraum keine isolierten
Änderungen im Morbi-RSA vornehmen zu wollen, die in die den Gestaltungsfreiraum des BVA ausfüllende Weisung des BMG eingeflossen seien, hat der Senat bereits dargelegt, dass dem BVA ein solcher politischer Entscheidungsspielraum nicht zusteht
und auch vom BMG im Rahmen seiner Aufsicht nach §
94 Abs.
2 SGB IV nicht in Anspruch genommen werden kann. Schon deshalb kann die Beklagte mit ihrem Hinweis, im Hinblick auf weitere im Evaluationsbericht
genannte Schwachstellen des gegenwärtigen Modells, sollten Änderungen zur Vermeidung weiterer Wettbewerbsverzerrungen nur
gemeinsam angegangen werden, nicht durchdringen. Es trifft zwar zu, dass im Evaluationsbericht weitere Unzulänglichkeiten
des gegenwärtigen Modells bezeichnet werden, insbesondere die Überdeckung der Zuweisungen für Auslandsversicherte (Evaluationsbericht
S. 85 f.) und die Deckungsquoten beim Krankengeld (Evaluationsbericht S. 191 f.). Die Argumentation, eine einseitige Verfahrenskorrektur
berge die Gefahr zusätzlicher Wettbewerbsverzerrungen, trägt aber nicht, wie der Senat ebenfalls in den genannten Urteilen
dargelegt hat, da kein Zusammenhang zwischen den einzelnen Bereichen besteht, es also keine "ausgleichenden Ungerechtigkeiten"
gibt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es bei der streitigen Annualisierung der Ausgaben Verstorbener um die Beseitigung
unerwünschter Selektionsanreize geht, während von den anderen genannten Unzulänglichkeiten keine vergleichbaren Effekte auf
das Wettbewerbsverhalten der Kassen ausgehen. Es liegt aber auf der Hand, dass die mit Selektionsanreizen verbundenen Unzulänglichkeiten
prioritär zu beseitigen sind, zumal es für wissenschaftlich fundierte Änderungen in den anderen Bereichen offenbar derzeit
an einer ausreichenden Datengrundlage fehlt (siehe Evaluationsbericht S. 88 zu den Auslandsversicherten, S. 214 ff. zum Krankengeld).
Dabei kann das BVA entweder im Rahmen des bisherigen Regressionsverfahrens die Kosten für unterjährig Verstorbene wie diejenigen
anderer Versicherter mit unvollständigen Versichertenepisoden auf das gesamte Jahr hochrechnen (Annualisierung) oder eine
der Annualisierung funktional gleichwertige Berechnungsmethode wählen. Soweit die für den Streitfall erheblichen Festlegungen
des BVA für das Jahr 2014 auf eine solche Annualisierung verzichten, sind sie rechtswidrig und damit trotz ihres Charakters
als grundsätzlich verbindliche Außenrechtssätze nichtig, weil sie gegen wissenschaftliche Grundsätze verstoßen, die hier zwingend
zu beachten sind. Der auf den Festlegungen fußende Grundlagenbescheid ist somit mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig.
Mit welcher Berechnungsmethode das BVA den aufgezeigten Fehler beseitigt, indem es die Festlegungen für das Jahr 2014 insoweit
insgesamt korrigiert, und die Klägerin auf dieser Grundlage neu bescheidet, liegt in seinem fachlichen, vom Gericht nicht
zu ersetzenden Ermessen. Auch deshalb hatte der Senat sich auf ein Bescheidungsurteil zu beschränken.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Bei seiner Entscheidung hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage hinsichtlich des Antrages zu 2) unzulässig gewesen
ist.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Gerichtskostengesetz. Die Klägerin beziffert ihre Belastung aufgrund der von ihr angegriffenen Berechnungsmethode auf ca. 70 Millionen Euro im
Jahr 2014.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) für das gesamte System des Risikostrukturausgleichs zuzulassen.