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LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.10.2015 - 20 SO 255/12
Streit über die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer Einrichtung der Nichtsesshaftenhilfe Anspruch auf Eingliederungshilfe Merkmale und Ziele der Eingliederungshilfe Eingliederung in eine Heimgemeinschaft als legitimes Ziel der Eingliederungshilfe Bestimmung des zuständigen Leistungsträgers im Hinblick auf einen Anspruch auf Eingliederungshilfe Grundsätze des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses und Nichtigkeit des Heimvertrages wegen Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen Begründung einer beizutretenden Zahlungsverpflichtung des Geschäftsunfähigen gegenüber der stationären Einrichtung anhand der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag
1. Eingliederungshilfe liegt vor, wenn deren Ziele mit der begehrten Maßnahme erreicht werden können; dabei ist ein individueller, personenzentrierter Prüfmaßstab anzulegen.
2. Die Ziele der Eingliederungshilfe bestehen darin, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.
3. Es reicht für eine Qualifizierung als Eingliederungshilfe aus, dass die Leistung den Berechtigten in die Lage versetzt, in der Gemeinschaft gerade der jeweiligen Einrichtung zu leben und deren Regeln zu befolgen. Eingliederungshilfe muss nicht notwendig auf die Eingliederung in die Gesamtgesellschaft gerichtet sein.
4. Unschädlich für die Qualifizierung als Eingliederungshilfe ist, wenn die Betreuungsleistungen nicht (mehr) auf eine Verbesserung gerichtet sind, sondern nur mehr auf eine Erhaltung des bestehenden Zustandes. Denn eine "Milderung" der Folgen einer Behinderung i.S.v. § 53 Abs. 3 SGB XII kann auch in der Gewährleistung einer "zustandserhaltenden Beheimatung" (als Leistung der Eingliederungshilfe) bestehen.
5. Für die Erfassung der erbrachten Leistungen als Eingliederungshilfe ist ohne Bedeutung, dass sie in der Vergangenheit durchgehend als "Hilfe zum Lebensunterhalt" bezeichnet und vom Leistungsträger auch so abgerechnet wurden. Maßgebend ist nicht die (fehlerhafte) Bezeichnung, sondern allein der tatsächliche Inhalt der erbrachten Betreuungsleistungen.
6. Zwar sind die Regelungen zur GoA nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach der Risikozuordnung der §§ 75 ff. SGB XII im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis (grundsätzlich) nicht anwendbar. In Fällen, in denen eine wirksame zivilrechtliche Vereinbarung zwischen Leistungserbringer und Hilfeempfänger gerade fehlt, ist die Anwendbarkeit der Grundsätze der GoA jedoch nicht ausgeschlossen.
Normenkette:
SGB XII § 19 Abs. 3
,
SGB XII § 53 Abs. 1 S. 1
,
SGB XII § 54 Abs. 1 S. 1
,
SGB XII § 90
,
SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1-2
,
SGB IX § 55 Abs. 1
,
SGB IX § 55 Abs. 2
,
SGB XII § 2
, ,
SGB XII § 13 Abs. 2
,
BSHG § 97 Abs. 4
,
SGB XII § 98 Abs. 2 S. 1
,
SGB XII § 75
,
BGB § 104
,
BGB § 105 Abs. 1
,
BGB § 683
,
BGB § 677
,
BGB § 194
,
BGB § 195
,
BGB § 242
Vorinstanzen: SG Münster 07.03.2012 S 8 SO 65/08
Tenor
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1 wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.03.2012 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2005 verurteilt, dem Kläger Eingliederungshilfe für den Monat November 2005 in Höhe von 902,95 EUR und für den Monat Januar 2006 in Höhe von 934,95 EUR zu leisten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird zugelassen.

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