Tatbestand
Streitig ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung von (GdB) von 50 auf 30 und die Entziehung des Merkzeichens G.
Der 1963 geborene Kläger ist von Beruf Postzusteller. Er betrieb in der Vergangenheit Freizeitsport insbesondere in Form von
Laufen und Fußball. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit erlitt er am 17.08. und 01.10.2012 Arbeitsunfälle, bei denen er
sich eine Knieverwindung links (ohne nachfolgende Arbeitsunfähigkeit - 1. Unfall) bzw. ein Überstreckungstrauma des linken
Kniegelenks mit Verdacht auf Innenmeniskusläsion (mit nachfolgender Arbeitsunfähigkeit - 2. Unfall) zuzog. Am 23.10.2012 wurde
eine diagnostische Arthroskopie links mit Innenmeniskusteilresektion durchgeführt. Nach sukzessivem Belastungsaufbau nahm
der Kläger seine Berufstätigkeit im Januar 2013 wieder auf.
In der Folgezeit traten bei ihm zunehmend Beschwerden im rechten oberen Sprunggelenk (OSG) auf, wegen denen er sich zwischen
Februar und Juli 2013 in Behandlung verschiedener Ärzte und medizinischer Einrichtungen begab. In einem Bericht des Orthopäden
Dr. L vom 17.04.2013 wurde der Verdacht auf eine Talusnekrose geäußert. In der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E diagnostizierte
man am 22.05.2013 eine Belastungsinsuffizienz des rechten Sprunggelenks bei posttraumatischer Sprunggelenksarthrose. Bildmorphologisch
zeigte sich ein tendenziell rückläufiges Talusödem bei fortgeschrittener Arthrose am rechten OSG. Man empfahl dem Kläger eine
gelenkerhaltende Operation mit anschließender Schuhversorgung, die er dort am 08.07.2013 auch durchführen ließ.
Bereits am 17.06.2013 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Feststellung eines GdB, weiterer gesundheitlicher
Merkmale und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises.
Der Beklagte stellte darauf bei dem Kläger für die Zeit ab Antragstellung einen GdB von 50 sowie die Voraussetzungen des Merkzeichens
G fest (Bescheid vom 31.07.2013). Dabei ging er von einer Bewegungsminderung des OSG rechts bei Verschleiß und Überlastung
nach operiertem Kniegelenkschaden links sowie einem Fersensporn beidseits aus. Weiter wurde unter dem Punkt "Ausweis" ausgeführt,
der Schwerbehindertenausweis werde bis zum 31.07.2014 befristet, da dann überprüft werde, ob sich die maßgeblichen Voraussetzungen
geändert haben.
Der Einschätzung des Beklagten lagen von ihm eingeholte Befundberichte des Dr. L vom 02.07.2013 und des Facharztes für Allgemeinmedizin
Dr. T vom 01.07.2013 zu Grunde, wobei dem Bericht des Dr. L diverse weitere Befundberichte und medizinische Unterlagen beigefügt
waren. Daraus ergab sich, dass der Kläger nach zwei Arbeitsunfällen unter Einschränkungen am linken Knie und am rechten OSG
litt (Komplexer Innenmeniskushornschaden, sowie Knorpelaufbrüche medial Femurkondylose nach Hyperextension, Trauma sowie Zerrung
und Einblutung vorderes Kreuzband linkes Knie bei Zustand nach Kniengelenkdistorision links mit Arthroskopie linkes Kniegelenk;
Belastungsinsuffizienz rechte untere Extremität bei Knochenmarködem rechter Talus und Arthrose rechtes OSG, Arthrose Tarsometatarsalgelenk
des zweiten Strahls, plantarer Fersensporn rechts).
Aus den Unterlagen und den auf dem Antragsformular vermerkten Angaben des Klägers ging ferner hervor, dass er sich in der
Zeit von März 2013 bis Juli 2013 aufgrund starker Schmerzen, einer Arthrose und einer Osteonekrose im OSG ausschließlich an
Gehstützen fortbewegen konnte sowie eine konsequente Hochlagerung und Entlastung des rechten Fußes erforderlich war.
In dem Operationsbericht (vom 10.07.2013) zu dem am 08.07.2013 vorgenommenen Eingriff, der dem Beklagten bei seiner Entscheidung
noch nicht bekannt war, wurde mitgeteilt, dass eine diagnostische Arthroskopie des rechten OSG, eine partielle Synovektomie
mit Entfernung der einschlagenden Schleimhautfalten und eine Abtragung der osteophytären Anbauten an der ventralen Tibiakante
durchgeführt wurde. Zur weiteren Linderung der belastungsabhängigen Schmerzen sei eine Schuhversorgung im Sinne von Weichbettungseinlagen
und Abrollhilfen sinnvoll. Bei andauernden Beschwerden und anhaltend eingeschränkter Lebensqualität sei ein Oberflächenersatz
oder eine Versteifung des oberen Sprunggelenks zu erwägen. Im Rahmen der Arbeitstätigkeit solle überprüft werden, inwieweit
sprunggelenkschonende bzw. entlastende Tätigkeiten möglich seien.
In der Folge war der Kläger zunächst weiter arbeitsunfähig. Die berufliche Wiedereingliederung erfolgte ab dem 14.10.2013
bis zum 10.12.2013 mit schrittweiser Erhöhung der Stundenzahl. Seit Januar 2014 arbeitete der Kläger wieder Vollzeit in seinem
zuvor ausgeübten Beruf, wobei ihm hierfür von seinem Arbeitgeber zur Entlastung ein E-Bike zur Verfügung gestellt wurde.
Ebenfalls im Januar 2014 leitete der Beklagte - wie angekündigt - ein Nachprüfungsverfahren ein.
Neben weiteren medizinischen Unterlagen und Berichten (insbesondere des nunmehr den Klägers behandelnden Orthopäden B) zog
er ein Sachverständigengutachten bei, welches der Facharzt für Chirurgie Dr. M am 12.12.2013 (Untersuchung 29.10.2013) in
einem von dem Kläger angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg, S 26 U 289/13, erstattet hatte.
Nach Auswertung dieser Unterlagen durch seinen ärztlichen Dienst teilte der Beklagte dem Kläger unter dem 27.02.2014 mit,
dass beabsichtigt sei, den GdB von 50 auf 20 herabzusetzen und das Merkzeichen G zu entziehen.
Dagegen wandte der Kläger im Anhörungsverfahren ein, der Beklagte habe die Nekrose und die Arthrose 4. Grades im rechten OSG
nicht hinreichend berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 06.03.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 31.07.2013 wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse
teilweise auf (§ 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - [SGB X]) und stellte bei dem Kläger einen GdB von 20 fest. Außerdem stellte er fest, dass die Voraussetzungen des Schwerbehindertenausweismerkzeichens
G nicht mehr vorliegen.
Den am 27.03.2014 gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er weiterhin Schmerzen unter
Belastung habe, Schmerzmittel einnehmen müsse und sich sein Zustand nicht gebessert habe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 14.05.2014 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 12.06.2014 hat der Kläger Klage beim SG Duisburg erhoben. Er hat vorgetragen, die vielfältigen Beschwerden an den unteren
Extremitäten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Insbesondere der Zustand der im Rahmen seiner Berufstätigkeit
beschädigten Kniegelenke sei nicht in die Beurteilung eingegangen. Seine gesundheitlichen Einschränkungen seien weiterhin
mit einem GdB von 50 zu bewerten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 06.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2015 aufzuheben und bei ihm einen
Gesamtgrad der Behinderung von 50 und die Voraussetzungen des Ausweismerkmals G festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat seine Entscheidung weiterhin für zutreffend gehalten.
Das SG Duisburg hat Befund- und Behandlungsberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird
auf die Schreiben des Dr. T vom 10.04.2017 und des Herrn B vom 11.04.2017 verwiesen.
Das Gericht hat darüber, welche Gesundheits- und Funktionsstörungen bei dem Kläger vorliegen, welcher GdB dadurch hervorgerufen
wird, inwieweit bei ihm eine erhebliche Gehbehinderung vorliegt und inwieweit sich die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers
seit Erlass des Bescheides vom 31.07.2013 bis zum Mai 2014 geändert haben, Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen
Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie und Rheumatologie Dr. E1 nach Aktenlage. Der Sachverständige hat
in seinem Gutachten vom 31.10.2018 festgestellt, dass im Mai 2014 noch folgenden Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet
vorlagen:
1. Belastungsbeschwerden des linken Kniegelenks und wiederkehrender Kapselreizzustand bei arthroskopisch nachgewiesenen Knorpel-
und Meniskusschäden, freien Gelenkkörpern mit Knorpeleinbruch. Belastungsbeschwerden und Bewegungseinschränkung im rechten
OSG bei arthroskopisch nachgewiesenen Knorpelschäden und kernspintomographisch nachgewiesenen knöchernen Durchblutungsstörungen
mit Formveränderung: GdB 30
2. Wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden mit leichtgradiger Funktionseinschränkung: GdB 10
Den zusammenfassenden Einzel-GdB der Beine schätzte der Gutachter zum Zeitpunkt Mai 2014 mit 30 ein, den Einzel-GdB der Wirbelsäule
mit 10.
Gegenüber dem Bescheid vom 31.07.2013 sei eine Besserung eingetreten, nachdem zwischenzeitlich eine Belastungsinsuffizienz
mit Notwendigkeit längerer Gehstockentlastung bestanden habe. Das unfallchirurgische Gutachten des Dr. M vom 12.12.2013 zeige
eine Besserung gegenüber der vorbestehenden Belastungsinsuffizienz der Beine.
Wegen der genauen Einzelheiten der Beurteilung des Dr. E1 wird auf Blatt 126 ff der Gerichtsakte verwiesen.
Den erstinstanzlich unterbreiteten Vergleichsvorschlag des Beklagten, für die Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten
einen GdB von 30 ab Mai 2014 festzustellen, hat der Kläger abgelehnt.
Mit Urteil vom 06.02.2020 hat das SG den Bescheid vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2015 insoweit aufgehoben, als der GdB mit
weniger als 30 festgestellt worden ist. lm Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
der Kläger habe für die Zeit ab 06.03.2014 Anspruch auf Feststellung eines GdB von lediglich 30.
Wenn, wie hier, bereits in einem früheren bestandskräftig gewordenen Bescheid ein GdB festgestellt worden sei, komme eine
Neufeststellung nur dann und insoweit in Betracht, als sich die bei Erlass des Bescheides vorliegenden rechtlichen oder tatsächlichen
Verhältnisse nachträglich wesentlich geändert hätten. Hiervon ausgehend sei der von dem Beklagten in dem Bescheid vom 31.07.2013
festgestellte GdB auf 30 herabzusetzen.
Hinsichtlich der im Bescheid von Juli 2013 berücksichtigten Funktionsstörungen im Bereich des rechten OSG sei schon seit Ende
Oktober 2013 eine wesentliche Besserung eingetreten.
Im Juli 2013 sei das rechte OSG endgradig schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Es hätten in diesem Bereich belastungsabhängige
Schmerzen bestanden. Eine Vollbelastung sei nur unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmgehstützen möglich gewesen (Bericht der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E vom 10.07.2013). Außerdem seien im Bereich dieses Sprunggelenkes wiederholt Schwellungen
aufgetreten (Befundbericht des Orthopäden B vom 05.02.2014). In dem zuvor genannten Krankenhausbericht vom 10.07.2013 werde
zudem eine Arthrose und Chondropathie 4. Grades beschrieben.
Bei der Untersuchung durch den Chirurgen Dr. M habe noch eine endgradige Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk
vorgelegen. Ansonsten sei das Gelenk unauffällig gewesen, eine Vollbelastung sei ohne Hilfsmittel möglich gewesen und der
Kläger habe nicht über subjektiven Beschwerden geklagt.
Ein Vergleich dieser Befunde zeige, dass die Funktionsstörungen im Bereich des rechten OSG sich nach Erlass des Bescheides
vom 31.07.2013 schon Ende Oktober 2013 wesentlich gebessert hätten. Anhaltspunkte dafür, dass es bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides
vom 14.05.2014 erneut zu einer Verschlechterung in der Funktion dieses Gelenkes gekommen sei, seien nicht ersichtlich.
Da der Beklagte von Amts wegen eine Herabsetzung des GdB vorgenommen habe, komme es für die Prüfung der Rechtsmäßigkeit des
angefochtenen Bescheides ausschließlich darauf an, ob er zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig gewesen sei. Das bedeute,
dass nach Erlass des Widerspruchsbescheides von Mai 2014 eingetretene mögliche Verschlechterungen des Gesundheitszustandes
des Klägers in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen seien.
Hinsichtlich der im Bescheid vom 31.07.2013 berücksichtigten Funktionsstörungen im Bereich des linken Kniegelenkes sei zwischen
Erlass dieses Bescheides und des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014 keine wesentliche Änderung eingetreten.
Der in dem Verfahren SG Duisburg, S 26 U 289/13 gehörte Sachverständige Dr. M habe überzeugend ausgeführt, dass hinsichtlich der Knorpel- und Meniskusschäden im Bereich
des linken Kniegelenkes bei Voruntersuchungen schon im Jahre 2012 und auch bei seiner Untersuchung im Oktober 2013 gleichartige
Befunde festgestellt worden seien. Aus dem Bericht des behandelnden Orthopäden B vom 05.02.2014 ergebe sich, dass schon vor
Erlass des Bescheides vom 31.07.2013 und auch Anfang 2014 nur noch eine leichtgradige Beeinträchtigung der Beugefähigkeit
vorgelegen und belastungsabhängige Beschwerden beim Gehen bestanden hätten. Schwellungen, Ergüsse oder Überwärmungen im Bereich
des linken Kniegelenkes würden weder von dem behandelnden Orthopäden noch in dem genannten Gutachten des Dr. M festgestellt.
Das Gericht habe keine Bedenken, der Beurteilung des Sachverständigen Dr. E1 zu folgen, dass die Funktionsstörungen im Bereich
des linken Kniegelenkes und des rechten OSG mit einem GdB von 30 zu bewerten seien. Unter Berücksichtigung der in dem Gutachten
des Dr. M festgestellten Befunde liege dieser GdB ab Oktober 2013 vor. Sonstige Funktionsstörungen, die zu einem höheren Gesamt-GdB
führen könnten, seien weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag des Klägers ersichtlich.
Da der Beklagte den GdB zu Recht herabgesetzt habe und damit eine Schwerbehinderung nicht mehr vorliege, komme auch die weitere
Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens G nicht in Betracht.
In Ausführung des Urteils des SG hat der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2013 ab dem 06.03.2014 einen GdB von 30 festgestellt.
Gegen das am 03.03.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.03.2020 Berufung eingelegt.
Er trägt nunmehr vor, dass in seinen gesundheitlichen Verhältnissen seit Erlass des Bescheides vom 31.07.2013 keine wesentliche
Änderung eingetreten sei. Schon bei Erlass dieses Bescheides sei er nicht schwerbehindert gewesen und es hätten auch nicht
die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G vorgelegen. Zum damaligen Zeitpunkt habe im Hinblick auf das Sprunggelenk
keine Behinderung bestanden, sondern lediglich ein typisches sog. Behandlungsleiden. Es habe sich um einen akuten Zustand
gehandelt, der nicht voraussichtlich für mindestens sechs Monate unverändert bleiben würde. Es sei bei Bescheiderlass abzusehen
gewesen, dass bei fortgesetzter Behandlung keine Schwerbehinderung anzunehmen sein würde. Die streitgegenständlichen Bescheide
seien mangels Änderung der Verhältnisse auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt worden. Es habe nicht § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X angewandt werden müssen, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Da inzwischen die Frist abgelaufen sei, könne der Bescheid
nicht mehr korrigiert werden. Es komme allenfalls ein Abschmelzen gemäß § 48 Abs. 3 SGB X in Betracht.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 20.05.2021 im Sinne eines Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 06.03.2014
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014 dahingehend abgeändert, dass der GdB von 50 und das Merkzeichen G
erst ab dem 10.03.2014 entzogen sein sollen. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.02.2020 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 06.03.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014 sowie des Bescheides vom 12.03.2020 und der Erklärung vom heutigen Tage aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG in der Sache für zutreffend.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Akten
(Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Prozessakten des SG Duisburg, S 1 U 289/13 und S 1 U 288/13) der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
A) Die mangels Vorliegen einer Berufungsbeschränkung aus §
144 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nach §
143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausgehend von dem angefochtenen Urteil und dem darin zutreffend erfassten Begehren
des Klägers zunächst der Bescheid vom 06.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014. Hinzu kommen die Regelungen,
die der Beklagte in dem Bescheid vom 12.03.2020 und in dem angenommenen Teilanerkenntnis vom 20.05.2021 getroffen hat. Diese
sind nach §
96 SGG Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahren geworden. Inhaltlich ist damit die Frage zu beurteilen, ob der Beklagte zu
Recht den GdB von 50 auf 30 herabgesetzt und das Merkzeichen G entzogen hat.
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1
SGG) gegen die Herabsetzung des GdB und Entziehung des Merkzeichens G ist unbegründet. Der Kläger ist insofern nicht beschwert
im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG.
1. Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
2. Die erforderlichen formellen Voraussetzungen der Aufhebung hat der insoweit örtlich und sachlich zuständige Beklagte erfüllt,
indem er den Kläger vorab ordnungsgemäß schriftlich angehört und seinen Bescheid ausreichend begründet hat (§ 24 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 SGB X).
3. Auch die materiellen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lagen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids als letzter maßgeblicher Verwaltungsentscheidung (vgl.
Keller in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 13. Auflage 2020, §
54 Rn. 33 m.w.N.) vor.
a) Bei der Feststellung des GdB von 50 und des Merkzeichens G im Bescheid vom 31.07.2013 handelt es sich um einen Verwaltungsakt
mit Dauerwirkung i.S.v. § 48 SGB X. Aus dem insofern maßgeblichen Verfügungssatz ergibt sich die Feststellung eines GdB von 50 und die Erfüllung der Voraussetzungen
des Merkzeichens G ab dem 17.06.2013. Eine weitere Regelung bezüglich der Geltungsdauer hat der Beklagte nicht verfügt.
Soweit er auf Seite 2 des Bescheides darauf hingewiesen hat, dass der Schwerbehindertenausweis befristet bis zum 31.07.2014
ausgestellt werde, ist hierin keine Befristung der Feststellung zu sehen. Dass die Gültigkeit des auszustellenden Ausweises
befristet wurde, ist unerheblich, da die Ausstellung des Ausweises bzw. dessen Gültigkeit rechtlich und damit auch gedanklich
von der Zuerkennung des Schwerbehinderteneigenschaft und des Merkzeichens G zu trennen ist (dazu ausführlich, Urteil des erkennenden
Senats vom 20.05.2021, L 6 SB 242/20).
b) Die tatsächlichen Umstände, die Grundlage für die Feststellung des GdB von 50 und des Merkzeichens G gewesen sind, haben
sich geändert. Im Vergleich der Verhältnisse am 31.07.2013 und 14.05.2014 ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine
wesentliche Änderung liegt im Schwerbehindertenrecht vor, wenn geänderte gesundheitliche Verhältnisse einen um 10 höheren
oder niedrigeren GdB begründen (vgl. Teil A Nr. 7a Satz 1 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung [VMG] und etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris Rn. 26; BSG, Urteil vom 11.11.2004, B 9 SB 1/03 R Rn. 12 m.w.N.).
Nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand
abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festgestellt, §
69 Abs.
1 Satz 1 und Satz 4
SGB IX a.F. Nach §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX a.F. gelten für diese Feststellung die Maßstäbe der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung (VMG vom 10.12.2008) und insbesondere ihrer Anlage 2 entsprechend. Die Bemessung des (Gesamt-)GdB
ist dabei in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSG, Beschluss vom 09.12.2010, B 9 SB 35/10 B, juris Rn. 5 m.w.N.). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden
Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß §
2 Abs.
1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den
VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der
Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen
Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 30.09.2009, B 9 SB 4/08 R, juris Rn. 18 m.w.N.). Außerdem sind nach Teil A Nr. 3b VMG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen,
für die in der Tabelle der VMG feste GdB-Werte angegeben sind (BSG, Urteil vom 02.12.2010, B 9 SB 4/10 R, juris Rn. 25; vgl. zum Ganzen auch Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2012, L 13 SB 127/11, juris Rn. 42 ff. und daran anschließend BSG, Beschluss vom 17.04.2013, B 9 SB 69/12 B, juris Rn. 8 ff.).
aa) Die Entscheidung des Beklagten, mit Bescheid vom 31.07.2013 einen GdB von 50 und das Merkzeichen G festzustellen, war
nach dieser Maßgabe jedenfalls vertretbar und damit anfänglich rechtmäßig. Denn sie hielt sich im Rahmen der VMG. Für einen
(von dem Kläger überdies erst im Berufungsverfahren geltend gemachten) Rückgriff auf § 45 SGB X ist demnach hier kein Raum.
Die vorliegenden Gesundheitsstörungen führten sowohl nach Angaben des Klägers in seinem Antrag als auch nach den vorliegenden
medizinischen Unterlagen dazu, dass er sich nur an zwei Gehstützen fortbewegen konnte. Die Einschränkungen resultieren im
Wesentlichen aus einer Arthrose und einer Osteonekrose im OSG. Aus dem Entlassungsbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik
E vom 10.07.2013 geht hervor, dass der Kläger nach dem Eingriff (lediglich) auf Unterarmgehstützen mobilisiert werden konnte.
Aufgrund der dargestellten Diagnose und Funktionseinschränkungen ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des
Beklagten im Rahmen der VMG unzutreffend war. Denn die Erkrankung hat dazu geführt, dass das Sprunggelenk nahezu komplett
entlastet werden musste, hinzu kamen erhebliche Schmerzen. Vergleichbar sind die Einschränkungen daher etwa mit der Notwendigkeit
der Entlastung eines Unterschenkels, die in der VMG (Teil B 18.14) mit einem GdB von 50 bewertet wird, und nicht mit Bewegungseinschränkungen
im OSG, die im Übrigen nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nur endgradig vorlagen.
Damit konnten gleichzeitig auch die Voraussetzungen des Merkzeichens G als erfüllt angesehen werden (vgl. Teil D Ziff. 1.,
d) VMG).
Der Einwand des Klägers (mit Blick auf Teil A Ziff. 2., f) VMG), es sei bereits bei Erlass des Bescheides vom 31.07.2013 absehbar
gewesen, dass die Einschränkungen in dem Ausmaß nicht länger als sechs Monate bestehen würden ("klassisches Behandlungsleiden")
greift nicht durch. Denn insbesondere wegen des durchaus als schwerwiegend zu bezeichnenden Krankheitsverlaufes Anfang und
im Frühjahr 2013 mit einer Vielzahl von Behandlungen und diagnostischen Maßnahmen, war der Erfolg des Eingriffs am 08.07.2013
zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses keinesfalls sicher abschätzbar. Dies gilt umso mehr als in die Beurteilung nicht nur die
akute Beeinträchtigung des Klägers an seinem rechten OSG, sondern auch die Vorschäden am linken Kniegelenk durch die Arbeitsunfälle
in die Beurteilung einzubeziehen waren. Ferner kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Entlassungsbericht zu dem Eingriff
vom 08.07.2013 dem Beklagten bis zur Bescheidung am 31.07.2013 noch gar nicht vorlag. Unabhängig davon ist selbst in diesem
Bericht (vom 10.07.2013) noch die Rede davon, dass bei andauernden Beschwerden und anhaltend eingeschränkter Lebensqualität
ein Oberflächenersatz oder eine Versteifung des OSG zu erfolgen habe. Damit stand (jedenfalls unmittelbar) nach der Operation
und damit im maßgebenden Entscheidungszeitpunkt des Beklagten auch eine nochmalige Verschlechterung durchaus im Raum.
Davon ausgehend spricht hier eine tatsächliche Vermutung (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 10.02.1993, 9/9a RVs 5/91, juris Rn. 15) dafür, dass die Feststellung des GdB von 50 und des Merkzeichens G in dem Bescheid vom 31.07.2013 zutreffend
gewesen ist. Es müssten gravierende Fehler vorliegen, um entgegen dem damaligen Interesse des Klägers und entgegen seiner
Beschwerdeschilderung feststellen zu können, der Beklagte habe seinen Wertungsspielraum überschritten (BSG, Urteil vom 11.10.1994, 9 RvS 9/93, juris Rn. 12).
Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Veränderung i.S.d. § 48 SGB X obliegt zwar dem Beklagten, dieser Nachweis setzt aber regelmäßig keine Auseinandersetzung damit voraus, ob der ursprüngliche
Verwaltungsakt in seiner Wertung richtig war, weil es nur auf die tatsächlichen Verhältnisse aber nicht auf ihre Bewertung
ankommt. Will ein Begünstigter entgegenhalten, dass trotz nachgewiesener Änderung der ursprüngliche Bescheid rechtswidrig
war, obliegt ihm insofern die Beweislast (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 9 RvS 3/89, juris Rn. 17).
bb) Jedenfalls seit dem 10.03.2014 ist davon ausgehend eine wesentliche Änderung eingetreten. Dies geht aus dem Gutachten
des Sachverständigen Dr. E1 zweifelsfrei hervor. Nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen insbesondere des
Gutachtens des Dr. M ist dieser nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der GdB zu diesem Zeitpunkt nur noch 30 betrug
und die Voraussetzung des Merkzeichens G nicht mehr vorlag. Insofern wird auf die Begründung in dem angefochtenen Urteil des
SG Bezug genommen, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt (§
152 Abs.
2 SGG).
Diese Einschätzung wird im Übrigen durch die Tatsache bestätigt, dass der Kläger nach Wiedereingliederung ab Januar 2014 wieder
vollschichtig seine Tätigkeit als Briefzusteller (mit einem Elektro-Fahrrad) ausüben konnte.
c) Unter Berücksichtigung des von dem Beklagten abgegebenen und dem Kläger angenommenen Teilanerkenntnisses (d.h. der daraus
resultierenden Verschiebung des Aufhebungszeitpunktes auf den 10.03.2014) handelt es sich vorliegend nicht um eine Entziehung
des Merkzeichens G und der Schwerbehinderteneigenschaft für die Vergangenheit, die die auf § 48 SGB X gestützte Entscheidung rechtswidrig machen könnte, sondern um eine Entziehung (ausschließlich) für die Zukunft. Denn i.S.v.
§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X beginnt die Zukunft jedenfalls nicht später als am Tag nach Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides (vgl. dazu im Einzelnen
etwa Merten in Hauck/Noftz, SGB, Stand: 08/17, § 48 Rn. 30 m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.08.2017, L 6 Vs 1447/16, juris Rn. 51). Da das genaue Zugangsdatum des Aufhebungsbescheides vom 06.03.2014 nicht bekannt ist, kann mangels anderweitiger
Anhaltspunkte unter Zugrundelegung der Bekanntgabefiktion in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X von einer Bekanntgabe spätestens am 09.03.2014 ausgegangen werden.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG, wobei diese so zu verstehen ist, dass (wegen des insoweit nahezu vollständigen Unterliegens des Klägers) im Berufungsverfahren
keinerlei außergerichtliche Kosten zu erstatten sind und es (wegen des insoweit teilweisen Obsiegens des Klägers) im Übrigen
bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung (Kostentragung von 1/4 durch den Beklagten für das Verfahren erster Instanz)
verbleibt. Das in der Berufungsinstanz abgegebene Teilanerkenntnis des Beklagten betraf nur einen geringfügigen Zeitraum und
rechtfertigt damit keine weitergehende Beteiligung des Beklagten an den außergerichtlichen Kosten des Klägers.
C) Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.