Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem SGB VI; Verfahrensgegenstand im sozialgerichtlichen Verfahren bei einem neuen Rentenantrag während eines anhängigen Streitverfahrens
Tatbestand:
Der am ... 1963 geborene Kläger hat nach Abschluss der 10. Klasse im Jahr 1982 die Lehre zum Agrotechniker/Mechanisator absolviert.
Nach Erlangung des Facharbeiterabschlusses war er in diesem Beruf auch tätig. Anschließend arbeitete er bis 1991 als Schlosser
sowie Anlagenschlosser. Von 1991 bis 2006 war er als Autobauer/Karosseriebauer/Produktionsmitarbeiter bei VW W. tätig. Der
Kläger hat angegeben, diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben zu haben. Seitdem ist er arbeitslos und bezieht
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).
Mit Bescheid vom 5. Januar 2011 des Landesverwaltungsamts - Versorgungsamt -, wurde beim Kläger ab dem 26. März 2010 ein Grad
der Behinderung von 50 festgestellt. Als maßgebende Funktionsbeeinträchtigungen werden die Bewegungseinschränkung beider Ellenbogen-
und Handgelenke, eine Funktionsminderung beider Hüftgelenke, der Wirbelsäule und eine psychische Störung benannt.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 4. Oktober 2007 die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete diesen
Antrag mit seinen körperlichen und psychischen Problemen. Er habe im September 2006 aus gesundheitlichen Gründen aufgehört,
zu arbeiten. Der Beklagten lag das Gutachten der Medizinaldirektorin (MD) Dr. W. vom 26. März 2007 nach Untersuchung des Klägers
vor, welches für die Bundesagentur für Arbeit M. erstellt worden war. Sie schätzte eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit
des Klägers insbesondere aufgrund der angeborenen Veränderungen im Bereich beider Ellenbogengelenke ein. Der Kläger sei für
ständig leichte körperliche Arbeiten noch vollschichtig leistungsfähig. Auszuschließen seien insbesondere Zeitdruck, anhaltende
Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie häufiges Bücken oder Heben und Tragen ohne mechanische Mittel. Die Beklagte holte den
Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Medizinalrat (MR) Dr. B. vom 9. Oktober 2007 ein, aus dem sich eine stetige Verschlechterung
in den letzten zwölf Monaten ergab. Dr. B. teilte als Diagnosen multiple kartilaginäre Exostosen, ein chronisch-rezidivierendes
lumbales Pseudoradikulärsyndrom, eine beginnende Gonarthrose sowie eine Sprunggelenksarthrose mit.
Die Beklagte holte das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 4. April 2008 nach Untersuchung des Klägers am 3.
April 2008 ein. Dr. F. stellte folgende Diagnosen:
Multiple Osteochondrome.
Arthrose beider Ellenbogengelenke.
Lumbalsyndrom.
Periarthritis humeroscapularis beidseits.
Aufgrund der multiplen Osteochondrome sei es zu Wachstumsstörungen im Bereich der Knie-, Sprung-, Hüft-, Schulter- sowie der
Handgelenke gekommen. Die Belastbarkeit des Klägers sei deutlich eingeschränkt. Es bestünde nur noch eine Eignung für leichte
Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen. Die Tätigkeit als Karosseriebauer sei vollschichtig nicht mehr zumutbar.
Der Beklagten lag zudem das nach Untersuchung des Klägers für den MDK Sachsen-Anhalt e.V. erstellte sozialmedizinische Gutachten
der MR Dipl.-Med. R. vom 29. Januar 2008 vor. Sie stellte fest, dass es sich beim Kläger um eine fortschreitende angeborene
Osteochondrodysplasie mit vorwiegenden Funktionsstörungen und Deformierungen im Bereich der oberen Extremitäten und auch sichtbar
im Knie- und Sprunggelenksbereich handele. Außerdem leide der Kläger unter einem chronisch-rezidivierenden Lumbalsyndrom.
Sie empfahl Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Beklagte zog die arbeitsmedizinische Stellungnahme zur Abklärung der
beruflichen Eignung vom Facharzt für Orthopädie Dr. R. vom Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt vom 10. Juli 2008 hinzu. Dieser
schätzte ein, dass aus prognostischer Sicht künftig leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung vollschichtig
ausführbar seien. Auszuschließen seien schweres Heben und Tragen sowie Arbeiten mit Absturzgefahr. Tätigkeiten in gebückter,
kniender und gehockter Haltung sowie Überkopfarbeiten seien eingeschränkt möglich. Dr. R. befürwortete ebenfalls eine berufliche
Bildungsmaßnahme für eine leidensgerechte Tätigkeit zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Der Beklagten lag des Weiteren
das nach Untersuchung des Klägers für den MDK Sachsen-Anhalt e.V. erstellte sozialmedizinische Gutachten der Dipl.-Med. N.
vom 18. August 2008 vor. Diese erkannte darüber hinaus eine Somatisierungsstörung beim Kläger. Krankheitsbegründend sei zum
Zeitpunkt der Begutachtung die psychische Situation des Klägers. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien erst nach Stabilisierung
und Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes möglich. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik
D. H. GmbH & Co. KG, Abteilung Psychosomatik, vom 28. April 2009 anlässlich der von der Beklagten bewilligten und vom 4. März
2009 bis zum 8. April 2009 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme ergab sich ein Leistungsvermögen des Klägers
im Umfang von sechs Stunden und mehr für mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen. Im Entlassungsbericht
wurden folgende Diagnosen genannt:
Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und anankastischen Anteilen und unterdurchschnittlicher Intelligenz.
Vegetative Symptomatik bei Agoraphobie mit psychosomatischer Beschwerdeverstärkung bei Stresserleben.
Sekundäre Anpassungsstörung mit leichter depressiver Beschwerdesymptomatik.
Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen.
Lokales cervicobrachiales vertebragenes Schmerzsyndrom bei muskulären Dysbalancen.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien zwar indiziert, würden vom Kläger jedoch aufgrund des im Vordergrund stehenden
Rentenbegehrens nicht gewünscht. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mittelschwere
körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne ständiges Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten
in Zwangshaltung, Zeit- und Leistungsdruck sowie Arbeiten im Akkord einsetzbar. Arbeiten mit Publikumsverkehr sollten aus
psychotherapeutischer Sicht wegen der Persönlichkeitsbesonderheiten vermieden werden. Ebenso sei das Umstellungs- und Anpassungsvermögen
eingeschränkt.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab, da der Kläger noch mindestens
sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.
Am 15. Juni 2009 legte der Kläger bei der Beklagten Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Mai 2009 ein. Er führte aus, dass
seine behandelnden Ärzte ihn aufgrund seines Krankheitsbildes als nicht vermittelbar einschätzten. Das Urteil der behandelnden
Ärzte der Rehabilitationseinrichtung könne nicht maßgebend sein, da in dieser Rehabilitationsklinik aus seiner Sicht kein
Interesse am Patienten bestanden habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009 als unbegründet zurück. Der Kläger sei weder
teilweise noch voll erwerbsgemindert. Es bestehe bei ihm ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr täglich für leichte
bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, häufigen Publikumsverkehr,
besondere Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Bücken,
Hocken und Knien sowie häufige Zwangshaltungen oder Überkopfarbeiten seien ebenso ausgeschlossen wie Arbeiten mit einer erhöhten
Unfall- oder Absturzgefahr. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Die Voraussetzungen des §
240 Abs.
1 SGB VI lägen nicht vor, da der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren sei.
Der Kläger hat am 5. Oktober 2009 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben. Aus der Akte ergebe sich bereits, dass er
nicht mehr leistungsfähig sei. Außerdem hat der Kläger Bescheinigungen des Dipl.-Psych. K. vom 9. Juni 2011, des Facharztes
für Orthopädie Dr. W. vom 10. Juni 2011 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. S. vom 17. Juni 2011,
jeweils erstellt zur Vorlage beim Jobcenter B., eingereicht. Dipl.-Psych. K. hat ausgeführt, dass aufgrund der chronischen
Leistungseinschränkungen und des "ungeklärten Sozialstatus im laufenden EU-Rentenverfahren" eine Arbeitsvermittlung des Klägers
nur wenig sinnvoll erscheine. Dr. W. hat dem Kläger aufgrund von Schäden an mehreren Gelenken, der Wirbelsäule und der Somatisierungsstörung
ein unter zweistündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen attestiert. Dipl.-Med. S. hat mitgeteilt, dass es zu einer Chronifizierung
der psychiatrischen Symptomatik gekommen sei. Bei der vorliegenden Persönlichkeitsstörung seien die Anpassungsstörungen wohl
nicht mehr korrigierbar. Eine Arbeitsvermittlung sei daher nicht erfolgversprechend.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. In seinem Befundbericht vom 12. Juni 2012
hat MR Dr. B. ausgeführt, dass orthopädischerseits keine klinischen Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden haben.
Als Diagnosen lägen multiple partilaginäre Exostosen, ein chronisch-rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom, ein Zustand nach
Abrissfraktur des Olecranon rechts, ein chronisch-rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom sowie eine initiale Gon-
und Sprunggelenksarthrose beidseits vor. Die vom ihm erhobenen Befunde hätten sich erheblich verschlechtert. Der Kläger sei
überhaupt nicht mehr in der Lage, leichte, mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Der Facharzt für
Allgemeinmedizin L. hat in seinem Befundbericht vom 14. Juni 2012 ausgeführt, der Kläger leide unter einer Anpassungsstörung,
einer Persönlichkeitsstörung, einer depressiven Störung und einer Somatisierungsstörung. Die von ihm erhobenen Befunde hätten
sich weder verschlechtert noch verbessert; eine Veränderung im Gesundheitszustand sei nicht eingetreten. Er hat eingeschätzt,
dass maximal leichte Tätigkeiten in Betracht kämen, wobei er den zeitlichen Umfang nicht beurteilen könne. Dipl.-Med. S. hat
in ihrem Befundbericht vom 31. August 2012 ebenfalls mitgeteilt, dass keine Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers
eingetreten seien. Die erhobenen Befunde hätten sich weder verschlechtert noch verbessert noch seien neue hinzugekommen. Nach
ihrer Einschätzung könne der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten verrichten. Hinsichtlich der Konzentrations- und Merkfähigkeit,
Ausdauer, Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit seien jedoch erhebliche Einschränkungen festzustellen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 23. April 2013 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Sein Leistungsvermögen betrage für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch wenigstens sechs Stunden täglich.
Dies ergebe sich aus den ärztlichen Unterlagen, insbesondere aus dem Gutachten für die Agentur für Arbeit vom 26. März 2007,
dem orthopädischen Gutachten vom 4. April 2008 und dem psychiatrisch fundierten Entlassungsbericht vom 28. April 2009. Der
orthopädische Befundbericht vom 12. Juni 2012 habe keine wesentlich abweichenden neuen Befunde geschildert. Einzelheiten zu
einer etwaigen Verschlechterung der bereits vorliegenden Befunde seien nicht dargelegt gewesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 7. Mai 2013 zugestellte Urteil am 29. Mai 2013 beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt
Berufung eingelegt. Er führt aus, er leide vor allem unter Krankheiten bzw. Behinderungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet. In den Knie- und Sprunggelenken habe er Knochenwucherungen. Seine Unterarme seien verwachsen. Es gäbe Bewegungseinschränkungen
beider Ellenbogen und der Handgelenke. Beide Hüftgelenke und die Wirbelsäule seien funktionsgemindert. Außerdem habe er erhebliche
Schmerzen in allen Körperregionen. Der ihn behandelnde Orthopäde MR Dr. B. habe ausgeführt, dass ihm - dem Kläger - eine Arbeitsleistung
nicht mehr zugemutet werden könne. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei ebenfalls keine Leistungsfähigkeit mehr
gegeben. Er traue sich praktisch nicht mehr unter Leute und habe den Kontakt zur Familie und zu früheren Freunden komplett
abgebrochen. Es bestehe eine ausgeprägte Vermeidenshaltung, die sich in den letzten vier Jahren deutlich verstärkt habe. Das
Gericht könne sich deshalb auch nicht auf den vier Jahre alten Rehabilitationsentlassungsbericht stützen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. April 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2007 Rente
wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für zutreffend.
Mit Schriftsatz vom 26. September 2013 hat die Beklagte mitgeteilt, der Kläger habe am 7. Mai 2013 einen neuen Antrag auf
Bewilligung von Erwerbsminderungsrente nach §
43 SGB VI gestellt. Zur Begründung dieses Neuantrages habe er vorgetragen, unter sehr starken Konzentrationsschwächen zu leiden und
bei jeder kleinen Anforderung mit Kopfschmerzen bzw. Magen- und Darmproblemen zu reagieren. Er habe sich total zurückgezogen
und kaum noch Kontakt zu seiner Verwandtschaft, sei sehr leicht reizbar und reagiere oft aufbrausend. Gleichzeitig sei er
total antriebslos, habe ein ständiges Herzrasen und ständige starke Schmerzen im Hüft- und Rückenbereich, in den Knie-, Arm-
und Ellenbogengelenken, der Schulter und im Nackenbereich. Die Beklagte hat die ihr vorliegenden Befundberichte eingereicht.
Dr. W. und MR Dr. B. haben darin die Krankheitsvorgeschichte als aus orthopädischer Sicht unauffällig bezeichnet. Der Kläger
sei mit Krankengymnastik, Einlagen, Ibuprofen, Fango und nicht steroidalen Antirheumatika behandelt worden. Von der Norm abweichende
Untersuchungsbefunde seien nicht bekannt. Es bestehe auch weder derzeit noch in den letzten zwei Jahren eine Arbeitsunfähigkeit.
Die Befunde verschlechterten sich jedoch laufend. Dipl.-Med. S. beschrieb in ihrem Befundbericht zum Rentenantrag, dass der
Kläger nur wenig belastbar und schnell gereizt sei, sich über alles aufrege, weder über Ausdauer noch über Konzentrationsvermögen
verfüge und über Rücken- und Gelenkschmerzen klage. Dennoch sei er psychisch bewusstseinsklar, in allen Ebenen orientiert,
mit herabgeminderter Stimmungslage. Die Befunde hätten sich in den letzten zwölf Monaten nicht verändert. Die Beklagte hat
den Antrag mit Bescheid vom 22. November 2013 abgelehnt. Auf den Widerspruch des Klägers vom 10. Dezember 2013 wurde das Widerspruchsverfahren
ruhend gestellt.
Der Senat hat durch Einholung von Befund- und Behandlungsberichten ermittelt. Dipl.-Psych. K. hat in seinem Befundbericht
vom 13. Januar 2014 mitgeteilt, dass ein letzter Kurzkontakt am 26. September 2013 stattgefunden habe. Der Kläger habe im
Jahr 2008 mit einer Kurzzeitbehandlung begonnen, die jedoch aufgrund des - im Vordergrund stehenden - laufenden Rentenverfahrens
unterbrochen worden sei. Bei dem Kläger lägen eine langjährige Angst- und Somatisierungsstörung, ein Schmerzsyndrom, eine
kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine sekundäre Anpassungsstörung mit leichter depressiver Verstimmung und eine leichte
Intelligenzminderung vor. Eine Befundverbesserung habe nicht erzielt werden können; vielmehr seien die Beschwerden chronifiziert.
Aufgrund zusätzlicher Belastungen, wie dem zunehmend schlechteren Gesundheitszustand der Ehefrau seit 2012 und der massiven
finanziellen Schwierigkeiten seit 2013, sei eine weitere Verschlechterung der Befunde eingetreten. MR Dr. B. hat in seinem
Befundbericht vom 13. Januar 2014 mitgeteilt, dass der Kläger hauptsächlich unter Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich leide,
welche in den Schultergürtel und in beide Arme mit Herabsetzung der groben Kraft ausstrahle. Außerdem beklage er Lendenwirbelsäulenbeschwerden,
die teilweise in die Beine einstrahlten. Es habe eine kontinuierliche Verschlechterung der Beschwerden als auch der klinischen
Symptomatik stattgefunden. Dipl.-Med. S. hat in ihrem Befundbericht vom 19. Januar 2014 mitgeteilt, dass die letzte Behandlung
des Klägers ihrerseits am 8. März 2012 stattgefunden habe. Die von ihr erhobenen Befunde hätten sich bis zum letzten Beobachtungszeitpunkt
weder gebessert noch verschlechtert. Der Facharzt für Allgemeinmedizin L. hat in seinem Befundbericht vom 30. Januar 2014
mitgeteilt, dass der Kläger seit Februar 2013 nicht mehr bei ihm in Behandlung gewesen sei. Insofern könne die Frage, ob sich
die Befunde verschlechtert hätten, nicht beantwortet werden.
Der Senat hat das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ha. vom 8. Oktober 2014 nach Untersuchung
des Klägers am 21. August 2014 eingeholt. Die Begutachtung sei zunächst in Anwesenheit der Lebensgefährtin durchgeführt worden.
Im weiteren Verlauf sei es dann auch möglich gewesen, die Testdiagnostik und die Untersuchung allein mit dem Kläger durchzuführen.
Zu seinem Tagesablauf habe der Kläger berichtet, dass er nach dem Frühstück Reha-Sport betreibe und dorthin mit dem Fahrrad
fahre oder zu Fuß gehe. Die Fische im Teich und im Aquarium füttere er. Er benutze auch einen Computer, sei jedoch ungeduldig
und würde schnell ausrasten, wenn etwas nicht gelinge. Er gehe gelegentlich angeln und schaue im Fernsehen viele Berichte
über den Krieg. Die Gutachterin hat bei dem Kläger folgende Erkrankungen festgestellt:
Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit impulsiven, paranoiden und anankastischen Anteilen.
Leichte Somatisierungsstörung.
Angststörung mit ausgeprägtem Vermeidungsverhalten und sekundärem Krankheitsgewinn.
Darüber hinaus lägen Diagnosen anderer Fachgebiete vor:
Multiple partilaginäre Exostosen.
Chronisch-rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom.
Zustand nach Abrissfraktur des Olecranon (Zustand nach Operation) rechts.
Chronisch-rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom.
Initiale Gon- und SPG-Arthrose beidseits.
Aus den vorliegenden Gesundheitsstörungen ergäben sich Funktionseinschränkungen wie eine reduzierte Konflikt- und Teamfähigkeit,
Stresstoleranz sowie psychische Belastbarkeit, und aufgrund der körperlich bedingten Schmerzsymptomatik auch eine reduzierte
körperliche Belastbarkeit. Aufgrund der Erkrankungen könne der Kläger arbeitstäglich sechs Stunden und mehr nur noch körperlich
leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen sowie überwiegend im Sitzen verrichten. Arbeiten mit einseitigen
körperlichen Belastungen oder in Zwangshaltungen könne der Kläger maximal gelegentlich ausüben. Er könne im Freien unter Witterungsschutz
und in geschlossenen Räumen arbeiten, wobei starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe zu vermeiden seien. Die volle
Gebrauchsfähigkeit der Hände sei gegeben. Seh- und Hörvermögen seien nicht beeinträchtigt und genügten durchschnittlichen
Anforderungen. Geistig sei der Kläger einfachen bis mittelschwierigen Anforderungen gewachsen. Hinsichtlich Reaktionsfähigkeit,
Übersicht und Aufmerksamkeit sei er nur geringen Anforderungen gewachsen, ebenso in Bezug auf Verantwortungsbewusstsein und
Zuverlässigkeit. Er sei psychisch wenig belastbar, leicht störbar und gefährdet, impulsiv zu reagieren. Der Kläger könne in
Wechselschicht arbeiten, nicht jedoch in Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck oder mit häufigem Publikumsverkehr. Körperliche
Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder
Zusammensetzen von Teilen seien dem Kläger möglich. Die durch die Symptomatik der Persönlichkeitsstörung begründeten inhaltlichen
Leistungseinschränkungen seien von der Arbeitszeit unabhängig. Die Schmerzsymptomatik erreiche kein solches Ausmaß, dass sie
den Tagesablauf des Klägers dominieren würde und berechtige damit bei Beachtung der ihm zumutbaren Arbeiten nicht zu einer
zeitlichen Leistungslimitierung. Zusätzliche Pausen oder abweichende Bedingungen seien nicht erforderlich. Ebenso könne er
Fußwege von mehr als 500 m viermal täglich in 20 Minuten zurücklegen und auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen bzw. ein
Kraftfahrzeug führen. Die Gutachterin hat den Kläger als leicht reizbar beschrieben. Dieser fühle sich schnell angegriffen
und ungerecht behandelt. Auch könne er sich nur eingeschränkt in das Gegenüber oder den Konfliktpartner hineinversetzen. Die
paranoiden Persönlichkeitsstörungsanteile erreichten jedoch kein psychotisches oder psychosenahes Ausmaß. Eine Angstsymptomatik
habe die Gutachterin nicht wahrnehmen können. Nachvollziehbar und verständlich sei jedoch, dass der Kläger unter Existenz-
und Verlustängsten, insbesondere in Bezug auf seine Lebensgefährtin, leide. Dr. Ha. hat eingeschätzt, dass es dem Kläger,
der in den letzten Jahren den Fokus auf das Erkämpfen der Rente gelegt habe, aufgrund seiner Persönlichkeitsstörungsanteile
schwer fallen werde, eine Ablehnung zu akzeptieren. Dies begründe jedoch aus gutachterlicher Sicht nicht die Gewährung einer
Erwerbsminderungsrente.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß §
109 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie H. vom 8. März 2015 nach Untersuchung des Klägers am 7. März
2015 eingeholt. Während der gesamten Untersuchung war seine seit dem 15. Januar 2015 mit ihm verheiratete langjährige Partnerin
anwesend. Herr H. hat folgende Diagnosen benannt:
Posttraumatische Belastungsstörung.
Schwere rezidivierende depressive Störungen.
Lumbales Pseudoradikulärsyndrom.
Zervikobrachialsyndrom.
Migräne.
Arterielle Hypertonie.
Hyperlipidämie.
Osteoporose.
Initiale Gonarthrose.
Sprunggelenksarthrose beidseits.
Multiple kartilaginäre Exostosen.
Rezidivierende Metatarsalgie.
Dysplasie beider Unterarme mit distalen Ulnadefekten.
Diese Diagnosen würden zu Ängsten, Stimmungslabilität, Kopf-, Rücken- und Schulterarmschmerzen sowie solchen im gesamten Stützapparat
führen. Es ergäben sich hieraus eine Vielzahl von Funktionseinschränkungen, wie Fehlsteuerungen im Gedächtnis mit Konzentrationsstörungen,
eingeengtem Denken mit Beschwerdefixierung, fehlender Stresstoleranz sowie körperlicher Schwäche mit subjektivem Krankheitsgefühl
und zahlreichen weiteren Einschränkungen, die der Gutachter im Einzelnen unter der Frage 2 auf den Seiten 50 und 51 seines
Gutachtens ausgeführt hat. Er hat eingeschätzt, dass die posttraumatische Belastungsstörung zu einer andauernden Persönlichkeitsstörung
führe, die eine massive Beeinträchtigung im täglichen Leben des Klägers darstelle. Es handele sich auch weder um Zustände
der Aggravation noch der Simulation. Die Störung sei von erheblichem Krankheitswert, chronifiziert und therapieresistent.
Aufgrund der Vielzahl der psycho-physischen Beeinträchtigungen sei eine regelmäßige Erwerbstätigkeit voll ausgeschlossen.
Das Leistungsvermögen des Klägers sei aufgehoben. Er könne keiner Arbeit mehr nachgehen, auch nicht einer Tätigkeit in Heimarbeit,
sodass sich die Frage nach der Gehfähigkeit des Klägers erübrige. Eine Prüfung der Gehfähigkeit habe Herr H. aus ethischen
Gründen unterlassen. Nach Angabe des Klägers könne dieser maximal 50 m bewältigen, so dass Herr H. die Gehfähigkeit als aufgehoben
eingeschätzt hat. Öffentliche Verkehrsmittel könne der Kläger wegen seiner Phobie nur in Begleitung benutzen. Ob der Kläger
aus medizinischen Gründen bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges eingeschränkt sei, hat Herr H. offen gelassen. Die Minderung
der Leistungsfähigkeit bestehe nach seiner Einschätzung seit 2002, als der Kläger seine akut erkrankte Mutter in einer akuten
Schlaganfallssituation aufgefunden habe. Damals sei der Kläger noch bemüht gewesen, seinen Arbeitsvertrag bei VW in W. zu
erfüllen. Zu einer deutlichen Verschlechterung seines Befindens sei es mit dem Tod der Mutter im Jahr 2005 gekommen. Im Jahr
2006 habe er sein Arbeitsverhältnis kündigen müssen. Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2007 sei das Leistungsvermögen
des Klägers jedenfalls derart stark herabgesunken, dass von einer Leistungsfähigkeit nicht mehr gesprochen werden könne. Festgestellte
Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bestünden auch auf Dauer. Sein - des Klägers - Leistungsvermögen sei erloschen. Die
Vorgutachterin Dr. Ha. irre sich bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers ebenso wie auch die Ärzte der Rehabilitationsklinik.
Dies liege jedoch auch daran, dass erst durch ihn - Herrn H. - habe diagnostiziert werden können, dass der Kläger an einer
posttraumatischen Belastungsstörung leide. Darüber hinaus lege Dr. Ha. das Konzept des sekundären Krankheitsgewinns aus der
psychoanalytischen Lehre von Siegmund Freud falsch aus, so dass es zu einer Fehlentscheidung gekommen sei. Einen sekundären
Krankheitsgewinn gebe es nach seiner - Herrn H.s - Ansicht bei dem Kläger nicht.
Dr. Ha. hat in ihrer Stellungnahme vom 8. Mai 2015 zum Gutachten des Herrn H. ausgeführt, dass durch das Auffinden seiner
akut erkrankten Mutter in einer akuten Schlaganfallsituation und ihren späteren Tod kein psychisches Trauma im Sinne einer
Traumatisierung beim Kläger entstanden sei, so dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht erkannt werden könne. Eine
posttraumatische Belastungsstörung, bei welcher der Betroffene das Trauma nicht selbst benennen könne, sondern es ausschließlich
von einem Gutachter 13 Jahre später ermittelt worden sei, gebe es nicht. Sie hat nochmals bekräftigt, dass beim Kläger sehr
wohl ein sekundärer Krankheitsgewinn zu erkennen gewesen sei. Der sekundäre Krankheitsgewinn sei zu definieren als "die äußeren
Vorteile, die der kranke Mensch aus bestehenden Symptomen ziehen kann" (Lexikon Online für Psychologie und Pädagogik). Der
Krankheitsgewinn beim Kläger sei z. B. dadurch begründet, dass er seine behandelnden Ärzte dazu veranlasst habe, Bescheinigungen
zu schreiben, er sei zu den gutachterlichen Gesprächen nur in Begleitung seiner Ehefrau in der Lage, obwohl sich während der
Begutachtung gezeigt habe, dass beim Kläger keinesfalls ein krankheitsbedingtes Unvermögen zur Gesprächsführung ohne seine
Ehefrau vorliege und er sehr gut in der Lage sei, mit seiner Krankheit zu argumentieren sowie Vorteile daraus zu erlangen.
Außerdem sei widersprüchlich, dass der Kläger bei Herrn H. angegeben habe, jahrelang nicht mehr zu angeln, währenddessen er
bei ihr dies noch angegeben habe. Ebenso könne der Kläger auch noch Auto fahren und tue dies auch. Die psychische Symptomatik
des Klägers habe die von Herrn H. geschilderte Dramatik nicht.
In seiner Stellungnahme vom 1. Juli 2015 hat Herr H. eingeschätzt, dass Dr. Ha. seinen neurologischen Ausführungen hinsichtlich
der Dissoziationsvorgänge im Gehirn des Erkrankten nicht wirklich habe folgen können. Sie irre sich mit ihrer Diagnose einer
leichten Somatisierungsstörung. Ebenso falsch sei die Beurteilung einer paranoiden Persönlichkeitsstörung. Der Kläger habe
einen primären Krankheitsgewinn im Sinne eines subjektiven Vorteils, der im Kranksein und in der Patientenrolle selbst liege,
da er hierdurch Beachtung und Pflege erhalte. Seiner Beurteilung nach habe Dr. Ha. mit ihrem Gutachten gezeigt, dass sie sich
weder auf dem Gebiet der posttraumatischen Belastungsstörung noch im Sprachgebrauch der Psychoanalyse bzw. der Tiefenpsychologie
ausreichend auskenne. Sie verdränge den massiven Mutterkomplex des Klägers. Das Trauma sei in seinem Gedächtnis dissoziiert
gespeichert worden und bleibe für ihn als persönliche Geschichte nicht reproduzierbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten, die sämtlich Gegenstand der
Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der
Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG). Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Streitgegenstand ist die - unbefristete - Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung ausgehend vom Rentenantrag des Klägers
vom 4. Oktober 2007. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Senat nochmals klargestellt. Das Ziel der Bewilligung
dieser Rente hat der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß §
54 Abs.
4 SGG verfolgt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist die letzte mündliche Verhandlung der Tatsacheninstanz,
wenn Verwaltungsakte mit Dauerwirkung im Streit sind, die laufende Leistungen betreffen und somit auch bei Bescheiderteilung
in der Zukunft liegende Bewilligungszeiträume erfassen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 2005 - B 13 RJ 31/04 R, Rn. 29 - juris). In Rechtsstreitigkeiten, die nicht mit dem Ziel einer Rentengewährung geführt werden, wird angenommen,
dass ein neuer Antrag eine Zäsur darstellt und den streitgegenständlichen Zeitraum dahingehend begrenzt, dass nur noch der
Zeitraum bis zum Folgeantrag zu berücksichtigen ist. Der angefochtene und streitbefangene Vorbescheid habe sich für den vom
Neuantrag erfassten Zeitraum gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) auf andere Weise erledigt; denn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innegewohnt habe, sei nachträglich entfallen
(vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12. Juli 2012 - L 15 AS 184/10 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2013 - L 6 VS 1920/09 -; vgl. zum Begriff der Erledigung: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5/08 -, jeweils juris). Dies wird vom 1. Senat des LSG Sachsen-Anhalt auch für Rechtsstreitigkeiten mit dem Ziel einer - dauerhaften
- Rentengewährung so gesehen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Mai 2015 - L 1 R 79/13 B - juris; Urteil vom 4. Juni 2015 - L 1 R 136/13 - nicht veröffentlicht; Urteil vom 2. Juli 2015 - L 1 R 59/13 - juris). Diese Beurteilung teilt der erkennende Senat nicht (ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2015 - L 13 R 923/13 - juris, Rn. 40, wonach für einen neuen Rentenantrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt). Zwar ist der auf den Folgeantrag erlassene
Verwaltungsakt nicht gemäß §
96 Abs.
1 SGG in das laufende Verfahren einzubeziehen. Diese Norm setzt voraus, dass der neue Verwaltungsakt den angefochtenen Verwaltungsakt
abändert oder ersetzt. Der ursprüngliche, ablehnende Verwaltungsakt kann jedoch mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert
noch ersetzt werden (Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Januar 2014 - L 3 R 347/13 B - juris, Rn. 7; Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2015, a.a.O.). Denn die Ablehnung der Leistung ist kein Verwaltungsakt
mit Dauerwirkung. Gegen den auf einen weiteren Rentenantrag ergehenden ablehnenden Folgebescheid kann abermals Widerspruch
und Klage mit dem Ziel einer Rentengewährung erhoben werden. Eine Begrenzungswirkung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten
(a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Mai 2015 - L 1 R 79/13 B - juris). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Zum einen ist bei einem Neuantrag auf Rente der vom Bescheid erfasste
Zeitraum abhängig davon, ob eine Dauerrente oder eine Zeitrente begehrt bzw. bewilligt wird. Zum anderen zielt ein Rentenantrag
auf die Bewilligung einer gleichbleibenden monatlichen Rentenzahlung ab. Diese stellt einen Dauerverwaltungsakt dar, der sich
von Dauerverwaltungsakten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) bzw. dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) unterscheidet. Hier (im SGB XII und im SGB II) erfolgt eine Bewilligung für einen vorher bestimmten und begrenzten Zeitraum, jeweils u.a. abhängig von den monatlich zur
Verfügung stehenden Mitteln. Es handelt sich damit um monatliche Bewilligungen, die aus Praktikabilitätsgründen in einem Verwaltungsakt
zusammengefasst werden. Eine Rente hingegen wird als Dauerrente bis zum Beginn der Altersrente bzw. für einen befristeten
Zeitraum bewilligt. Maßgebend hierfür ist der Eintritt des Leistungsfalls bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, wird eine Rente bewilligt, die kraft Gesetzes monatlich in gleicher Höhe - unter
Berücksichtigung der Anpassungen - für einen bestimmten Zeitraum ausgezahlt wird. Eine Begrenzung ergibt sich nur bei einer
Rentengewährung auf den Folgeantrag, da insoweit der Anspruch erfüllt ist und Erledigung des Streitgegenstands eintritt. Dies
ist hier jedoch nicht der Fall, da auch der Folgeantrag abgelehnt worden ist.
Gemäß §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI haben Versicherte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen
der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung
die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§
43 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1
SGB VI). Nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach
§
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert
ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist für den streitgegenständlichen Zeitraum von folgendem Leistungsbild auszugehen: Der Kläger
ist noch in der Lage, arbeitstäglich sechs Stunden und mehr körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen
sowie überwiegend im Sitzen zu verrichten. Arbeiten mit einseitigen körperlichen Belastungen oder in Zwangshaltungen können
maximal gelegentlich ausgeübt werden. Er kann im Freien unter Witterungsschutz und in geschlossenen Räumen arbeiten, wobei
starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe zu vermeiden sind. Die Hände sind voll gebrauchsfähig. An das Seh- und Hörvermögen
können durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Geistig kann der Kläger Arbeiten mit einfachen bis mittelschwierigen
Anforderungen erledigen. Bezüglich Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit
ist er geringen Anforderungen gewachsen.
Diese Einschätzung wird im Wesentlichen auf die Feststellungen in den Gutachten von Dr. F. vom 4. April 2008 und von Dr. Ha.
vom 4. Oktober 2014 einschließlich ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 8. Mai 2015, in dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik
D. H. vom 28. April 2009 sowie in den eingeholten Befundberichten gestützt.
Der Kläger leidet unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit impulsiven, paranoiden und anankastischen Anteilen,
einer leichten Somatisierungsstörung, einer Angststörung mit ausgeprägtem Vermeidungsverhalten und sekundärem Krankheitsgewinn,
multiplen partilaginären Exostosen, einem chronisch-rezidivierenden Cervicobrachialsyndrom, einem Zustand nach Abrissfraktur
des Olecranon (Zustand nach Operation) rechts, einem chronisch-rezidivierenden lumbalen Pseudoradikulärsyndrom, einer Arthrose
beider Ellenbogengelenke sowie einer initialen Gon- und Sprunggelenksarthrose beidseits. Diese Erkrankungen führen zu den
oben genannten qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Eine darüber hinausgehende quantitative Leistungseinschränkung
kann jedoch nicht erkannt werden. Dr. F. berichtet in seinem Gutachten von multiplen Osteochondromen, die zu Wachstumsstörungen
im Bereich mehrerer Gelenke geführt haben. Hieraus ergibt sich seiner Einschätzung nach, der der Senat folgt, keine quantitative
Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Soweit MR Dr. B. in seinen Befundberichten vom 12. Juni 2012 und vom 13. Januar 2014
mitteilt, dass nach seiner Beobachtung eine kontinuierliche Verschlechterung der Beschwerden und der klinischen Symptomatik
zu verzeichnen sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Beweglichkeit der Gelenke der oberen Extremitäten beschreibt
er lediglich als endgradig eingeschränkt. Darüber hinaus ist eine ständige Betreuung des Klägers durch den Orthopäden, den
er in einem Zeitraum von mehr als vier Monaten (bis zum Befundbericht vom 13. Januar 2014) nicht konsultiert hatte, nicht
ersichtlich. In der zuvor am 2. September 2013 innerhalb des neuen Rentenverwaltungsverfahrens abgegebenen Einschätzung des
Orthopäden hat er zur Krankheitsvorgeschichte des Klägers der letzten zwei Jahre ausgeführt, sie sei "orthopädischerseits
unauffällig" und von der Norm abweichende Befunde seien "nicht bekannt".
Eine zeitliche Leistungseinschränkung ergibt sich auch nicht aufgrund der psychiatrischen Gesundheitsstörung. Dr. Ha. hält
aufgrund der Symptomatik der Persönlichkeitsstörung die genannten inhaltlichen Leistungseinschränkungen für erforderlich,
ohne dass gleichzeitig eine Einschränkung bei der Arbeitszeit notwendig wird. Die Schmerzsymptomatik erreicht nach ihrer Einschätzung
kein solches Ausmaß, dass sie den Tagesablauf des Klägers dominiere, und berechtige damit bei Beachtung der ihm zumutbaren
Arbeiten nicht zu einer zeitlichen Leistungslimitierung. Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen folgt der Senat.
Die Gutachterin hat zwar beobachtet, dass der Kläger leicht reizbar sei, sich schnell angegriffen und ungerecht behandelt
fühle und nur eingeschränkt in der Lage sei, sich in das Gegenüber oder den Konfliktpartner hineinzuversetzen. Sie schätzt
darüber hinaus jedoch auch ein, dass die paranoiden Persönlichkeitsstörungsanteile kein psychotisches oder psychosenahes Ausmaß
erreichen. Zwar bestünden verständliche Existenz- und Verlustängste des Klägers, eine Angstsymptomatik sei jedoch nicht wahrzunehmen
gewesen. Dem entspricht auch der von Dr. S. eingeholte Befundbericht vom 31. August 2012, in dem sie einschätzt, dass die
Anpassungsfähigkeit des Klägers erheblich eingeschränkt sei. Insgesamt wird der gesundheitliche Zustand jedoch als unverändert
beschrieben. Ebenso beurteilt Herr L. in seinem Befundbericht vom 14. Juni 2012 den Gesundheitszustand des Klägers. Insbesondere
folgt der Senat den Ausführungen der Gutachterin zum sekundären Krankheitsgewinn, also einem über dem primären Krankheitsgewinn,
der im Kranksein und in der Patientenrolle selbst liegt und zu vermehrter Beachtung und Pflege führen kann, hinausgehenden
Nutzen, den der Kläger aus seiner Krankheit zieht bzw. ziehen möchte. Dr. Ha. führt aus, der Kläger habe in den letzten Jahren
den Fokus auf das Erkämpfen der Rente gelegt. Dies wird auch aus der Verwaltungs- und Gerichtsakte deutlich. Im Entlassungsbericht
der Rehabilitationsklinik vom 28. April 2009 wird berichtet, dass beim Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben indiziert,
vom Kläger jedoch aufgrund des im Vordergrund stehenden Rentenbegehrens nicht gewünscht seien. In seinem Arztbrief vom 22.
Dezember 2010, übersandt an den Hausarzt L., führt Dipl.-Psych. K. aus, die Orientierung des Klägers auf das laufende Rentenverfahren
stünde weiterhin im Vordergrund. Eine indizierte Behandlung sei deshalb abgebrochen worden. In seiner Bescheinigung vom 9.
Juni 2011 zur Vorlage beim Jobcenter führt Dipl.-Psych. K. aus, eine Arbeitsvermittlung erscheine u.a. aufgrund des "ungeklärten
Sozialstatus im laufenden EU-Rentenverfahren" wenig sinnvoll. Dipl.-Psych. K. hat das Rentenbegehren auch in seinem Befundbericht
vom 26. September 2013 erwähnt. Ob diese Schreiben durch die Ehefrau initiiert wurden, wie von dem Prozessbevollmächtigten
des Klägers vorgetragen, spielt dabei keine Rolle. Denn insoweit wird deutlich, dass der Kläger und ggf. auch zusätzlich seine
Ehefrau ihr Augenmerk zumindest seit der Behandlung in der Rehabilitationsklinik auf die Erlangung der Rente gelegt haben.
Dr. Ha. teilt mit, dass die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung mit Ablehnung des Rentenantrags zwar wahrscheinlich
nicht verschwinden werde; es sei jedoch eine Besserung vorstellbar, da die bewussten Anteile einer willkürlichen Steuerung
des Klägers nicht entglitten seien. Dies dürfte dabei insbesondere dann zutreffen, wenn die Ehefrau - wie vom Prozessbevollmächtigten
vorgetragen - das Rentenverfahren vorangetrieben hat.
Der Senat folgt hingegen nicht der hiervon abweichenden Einschätzung des Herrn H. in seinem Gutachten vom 8. März 2015, das
aufgrund seiner Mängel für nicht verwertbar erachtet wird, sowie der ergangenen Stellungnahme vom 1. Juli 2015. Im Gutachten
sind die Anamnese, die Befunderhebung und die Beantwortung der Beweisfragen nicht plausibel. Zunächst ist zu beanstanden,
dass die Ehefrau des Klägers bei der gesamten Untersuchung mit dem Ziel der Erkenntnisgewinnung, in welchem Umfang der Kläger
aus nervenärztlicher Sicht noch erwerbsfähig sei, nicht nur anwesend ist, sondern in die Untersuchungsgespräche einbezogen
wird, ohne dass erkennbar ist, welche Angaben vom Kläger und welche von ihr stammen. Herr H. lässt sich hiervon und von den
Beschwerdeäußerungen des Klägers ohne weitere Konsistenzprüfung leiten. An einer solchen kritischen Zusammenschau von Exploration,
Untersuchungsbefunden, Verhaltensbeobachtung und Aktenlage fehlt es. Herr H. führt nicht aus, ob bzw. welche Einzelbefunde
- bis auf Größe und Gewicht des Klägers - er erhoben hat und welche Untersuchungen durchgeführt wurden. Die Beantwortung der
Beweisfragen erfolgt nicht aus einem neutralen, objektiven Standpunkt, sondern lediglich auf Grundlage der subjektiven Beschwerdeschilderungen
des Klägers und mit dem Ziel, mit seinen - Herrn H.s - Ausführungen dem "berechtigten Anliegen des Klägers nach Anerkennung
seines aufgehobenen Leistungsvermögens" zur Anerkennung zu verhelfen. Herr H. schätzt ein, dass aufgrund der Vielzahl der
psycho-physischen Beeinträchtigungen eine regelmäßige Erwerbstätigkeit voll ausgeschlossen sei. Nach seiner Ansicht führen
die Erkrankungen des Klägers zu Ängsten, Stimmungslabilität, Kopf-, Rücken- und Schulterarmschmerzen sowie solchen im gesamten
Stützapparat sowie zu einer Vielzahl von Funktionseinschränkungen, wie Fehlsteuerungen im Gedächtnis mit Konzentrationsstörungen,
eingeengtem Denken mit Beschwerdefixierung, fehlender Stresstoleranz sowie körperlicher Schwäche mit subjektivem Krankheitsgefühl.
Herr H. diagnostiziert eine chronifizierte und therapieresistente posttraumatische Belastungsstörung, die massive Beeinträchtigungen
im täglichen Leben des Klägers hervorrufe. Eine Überprüfung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit anhand der Anamnese, des
Tagesablaufes und der körperlichen Untersuchungsbefunde findet nicht statt. Zustände der Aggravation und der Simulation habe
er nicht erkannt. Dem widerspricht Dr. Ha. in ihrer ergänzenden Stellungnahme mit Verweis auf ihr Gutachten überzeugend. Die
von Herrn H. beschriebenen und auch von ihr beobachteten Symptome belegen ein erhebliches Ausmaß einer histrionischen Persönlichkeitsstörung,
die jedoch die von Herrn H. geschilderte Dramatik nicht erreicht. Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Auffinden seiner
Mutter in einer akuten Schlaganfallsituation im Jahr 2002 und ihr späterer Tod im Jahr 2005 für den Kläger emotional belastende
Erfahrungen waren. Doch es wird auch festgestellt, dass der Kläger selbst bei Herrn H. erklärt hat: "Was soll das Gespräch
über meine Mutter, schließlich geht es ja wohl um mich und meine Probleme, die ich bei VW hatte, und nicht um meine Mutter!"
Herr H. schließt hieraus, der Kläger wolle nicht über das Trauma reden bzw. könne aufgrund des Dissoziierungsvorgangs im Gedächtnis
nicht darüber reden. Dies ist nach Auffassung Dr. Ha.s, der sich der Senat anschließt, nicht zwingend. Ein belastendes Ereignis
im Sinne einer seelischen Verletzung sei im Auffinden der Mutter nicht zu erkennen. Insbesondere, da der Kläger das Trauma
selbst nicht als solches habe benennen können. Außerdem war der Kläger weiterhin über 2002 hinaus voll erwerbstätig und kündigte
seine Arbeitsstelle erst im Anschluss an eine erlittene Lungenentzündung, die seinen gesundheitlichen Zustand nach eigener
Aussage zu sehr belastet habe. Für den Senat erschließt sich zudem nicht, wieso die erstmals von Herrn H. diagnostizierte
posttraumatische Belastungsstörung von ihm als chronifiziert und therapieresistent eingeschätzt wird, wenn doch bislang eine
Therapie dieser Belastungsstörung mangels der Erkenntnis ihres Vorliegens noch überhaupt nicht versucht wurde. Darüber hinaus
ist für den Senat auch die Einschätzung, dass eine Aggravation ausgeschlossen sein soll, nicht überzeugend. Herr H. verneint
die entsprechende Frage ohne weitere Begründung. Hierzu ist mit Dr. Ha. festzustellen, dass der Kläger widersprechende Angaben
im August 2014 zum Beispiel in Bezug auf das Angeln bei ihr - "Er gehe gelegentlich angeln. In der vorigen Woche sei er einmal
zum Angeln gewesen." - und im März 2015 bei Herrn H. - "Herr M. ist immer noch im Angelerverein ..., obwohl er schon seit
Jahren aus Gründen seiner sozialen Phobie nicht mehr zum Angeln geht." gemacht hat. Eine Aggravation ist damit zumindest nicht
ausgeschlossen.
Bei dem Kläger liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
oder ein Katalog- oder Seltenheitsfall vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit
des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt
einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 - juris; für die neue Rechtslage: BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, juris). Das Leistungsvermögen des Klägers reicht zumindest noch für Tätigkeiten wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren,
Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen. Es sind weder zusätzliche Pausen
noch abweichende Bedingungen erforderlich.
Der Arbeitsmarkt ist für den Kläger auch im Übrigen nicht verschlossen. Der Arbeitsmarkt gilt als verschlossen, wenn einem
Versicherten die sogenannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen
zu können. Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Wegefähigkeit liegt vor, soweit ein Versicherter viermal täglich Wegstrecken
von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche
Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen
kann (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 -, juris). Die Wegefähigkeit des Klägers ist entgegen der Auffassung Herrn H.s gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger
keine Fußwege von mehr als 500 m viermal täglich in 20 Minuten zurücklegen und auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen könnte,
sind nicht mitgeteilt und für den Senat auch sonst nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist der Kläger in der Lage, ein Kraftfahrzeug
zu führen. Herr H. hat die Wegefähigkeit ungeprüft verneint. Auch dieser Aspekt zeigt die Unverwertbarkeit des Gutachtens.
Ein Gutachter hat aufgrund seiner Sachkunde und seiner Erfahrung zu tatsächlichen Sachverhalten Stellung zu nehmen, diese
unparteiisch, unabhängig und objektiv fachlich zu beurteilen oder zu bewerten. Dass Herr H. die Wegefähigkeit des Klägers
aus ethischen Gründen gar nicht erst geprüft hat, sondern die Angabe des Klägers, maximal noch 50 m zurücklegen zu können,
als Antwort genutzt hat, zeigt, dass er nicht die neutrale, sachliche Position eines Gutachters, sondern vielmehr eine parteinahe
Stellung eingenommen hat. Für eine subjektive Grundeinstellung spricht auch, dass Herr H. hofft, dem berechtigten Anliegen
des Klägers hinsichtlich seines aufgehobenen Leistungsvermögens zur Anerkennung verholfen zu haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.