Tatbestand:
Umstritten ist eine Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Opfer für Gewalttaten (
OEG).
Die am ... 2002 geborene Klägerin beantragte am 6. Juni 2007 durch ihre Mutter bei dem Beklagten die Gewährung einer Beschädigtenversorgung
nach dem
OEG. Als Schädigung benannte sie eine Traumatisierung, dissoziale Störungen, schwere Anpassungsstörungen, Kindergartenuntauglichkeit
und spastische Deplegie infolge sexuellen Missbrauchs und Psychoterror durch den leiblichen Vater J. B. Die Übergriffe hätten
im Zeitraum von 2002 bis 2004 stattgefunden. Die Kindesmutter habe den sexuellen Missbrauch im Februar 2004 direkt nach Vollzug
festgestellt, als sie den Kindesvater nackt neben der Klägerin angetroffen habe. Die Windelhose und der Body der Klägerin
seien geöffnet gewesen; das Kind habe zwei wunde Stellen aufgewiesen. Tatort sei die Wohnung in Sch., Sachsen-Anhalt, gewesen,
vermutlich seien Übergriffe aber auch in A., Schweiz, vorgekommen. Tatanlass sei das Machtverhalten des Erzeugers gegenüber
Mutter und Kind gewesen. Dieser habe auch schon als Jugendlicher seine Schwester mehrfach sexuell missbraucht. Er sei von
der Kindesmutter im Februar 2004 unmittelbar nach dem Missbrauch auf die Tat angesprochen worden, habe aber darauf nicht ja,
nicht nein gesagt, sondern nur provozierend gelächelt.
Der Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Magdeburg (Aktenzeichen 526 Js 6208/06) bei. Daraus ist ersichtlich, dass die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 15. Februar 2006 bei der Staatsanwaltschaft
Magdeburg Strafanzeige gegen J. B. gestellt und den Vorfall im Februar 2004 in Sch. nach wörtlichem Zitat aus den Unterlagen
der Mutter der Klägerin wie folgt wiedergegeben hatte:
"Sie sei wie erstarrt in der Wohnung gestanden und wusste, dass etwas los ist, sie habe gespürt, dass etwas Schlimmes passiert
sei. Sie habe I. in die Arme genommen und gesehen, dass die Windel einseitig offen war und ebenfalls der Body. Es sei offensichtlich
gewesen, dass die Windel offen war, denn sie selbst habe die Kleine gewickelt und die Windel ordentlich zugemacht. I. schrie,
hatte ein rotes Köpfchen und Ängste. Ich stellte fest, dass I. zwei rote Stellen an der Scheide hatte. Ich stellte den Kindesvater
zur Rede. Dieser reagierte nicht, sagte nicht ja, nicht nein, grinste, holte sich Essen aus der Küche und sah fern. Er ließ
mich stehen."
Nach diesen Geschehnissen sei es zum endgültigen Bruch der Eheleute gekommen. Die Kindesmutter habe in Deutschland die Scheidung
eingereicht und einstweilige Verfügungen zur Aufenthaltsbestimmung für die Klägerin und deren Gesundheitsfürsorge erwirkt.
Diese Verfügungen seien anschließend in der Schweiz für ungültig erklärt bzw. in einer späteren Entscheidung vom Amtsgericht
Naumburg nicht berücksichtigt worden. Der Kindesvater habe von der Schweiz aus am 5. Mai 2004 beim Amtsgericht Naumburg einen
Antrag auf Rückführung der Klägerin nach dem Haager Übereinkommen und gleichzeitig ein Schutzgesuch gestellt. Durch Beschluss
vom 24. Juni 2004 habe das Amtsgericht Naumburg entschieden, die Klägerin und damit auch die Kindesmutter müssten mit sofortiger
Wirkung in die Schweiz zurückgeführt werden. Dem seien sie nachgekommen und hätten bis zum 18. Oktober 2005 in einer kleinen
Wohnung in B. gelebt. Während dieser Zeit habe durch eine weitere Anordnung des Schweizer Gerichts W. für die Klägerin ein
Ausreiseverbot bestanden, das am 18. Oktober 2005 durch eine weitere Entscheidung dieses Gerichtes aufgehoben worden sei.
Sofort im Anschluss daran sei die Kindesmutter mit der Klägerin nach Deutschland zurückgekehrt.
Aufgrund der eherechtlichen Probleme hätten die damaligen Anwälte der Kindesmutter davon abgeraten, Anzeige wegen des Verdachts
des sexuellen Missbrauchs zu erstatten. Erst am 20. Januar 2005 habe sie, dabei vertreten von ihrem damaligen Schweizer Anwalt
H., Strafanzeige bei der Kantonspolizei B.gestellt. Das erste Verhör der Kindesmutter zum sexuellen Missbrauch der Tochter
habe am 22. Februar 2005 in B. bei der Staatsanwaltschaft von 10 bis 19:00 Uhr stattgefunden. In einem zweiten Verhör bezüglich
sonstiger Straftaten (Tätlichkeiten an der Kindesmutter bei Besuchsterminen, Telefonterror, Beschattungen, Internetstraftaten)
sei J. B. vernommen worden. Die Kindesmutter habe nunmehr telefonisch mitgeteilt, dass die Klägerin am 18. Januar 2006 und
2. Februar 2006 begonnen habe, über den sexuellen Missbrauch durch den Kindesvater zu berichten.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg zog ihrerseits den Beschluss der Staatsanwaltschaft B.l-Stadt vom 30. Mai 2006 über die Einstellung
des Strafverfahrens gegen J. B. bei. Das dortige Verfahren war wegen sexueller Handlungen mit einem Kind, Pornographie, Drohung,
Nötigung und unbefugte Datenbeschaffung, eventuelle Datenbeschädigung und Tätlichkeiten geführt, aber mangels Beweises des
Tatbestandes eingestellt worden. Zur Begründung hatte die Staatsanwaltschaft B.-Stadt angegeben, es habe sich der von der
Anzeigestellerin (Kindesmutter) geäußerte Verdacht auf sexuelle Handlungen des Angeschuldigten mit seiner Tochter in keiner
Weise erhärtet. Weder die umfangreichen über das Kind erstellten Berichte und forensischen Untersuchungen noch die vorhandenen
Entscheide in Sachen des Ehepaars B. hätten einen Anhaltspunkt für stattgefundenen sexuellen Missbrauch enthalten. Dem Angeschuldigten
könne auch nicht nachgewiesen werden, im Besitz von Kinderpornographie gewesen zu sein. So habe insbesondere auch die durchgeführte
Hausdurchsuchung keine derartigen Erzeugnisse zu Tage gefördert. Die Behauptung der Kindesmutter, wonach der Angeschuldigte
sie von Februar 2004 bis Januar 2005 im Rahmen eines richtig gehenden "Stalkings" von Drittpersonen habe beschatten lassen,
um sie zu ängstigen und unter Druck zu setzen, sei ebenfalls nicht nachgewiesen. Der Angeschuldigte habe sämtliche Vorwürfe
bestritten. Die durchgeführten Ermittlungen hätten keinen Hinweis auf das Gegenteil erbracht. Es sei davon auszugehen, dass
es sich bei den Personen, die die Kindesmutter subjektiv als "Agenten" ihres Ehemannes wahrgenommen habe, um zufällig anwesende
Passanten gehandelt habe. Desgleichen könne dem Angeschuldigten nicht nachgewiesen werden, sich unbefugten Zugang zu Daten
der Kindesmutter beschafft oder solche vernichtet zu haben. Aus den vorhandenen Unterlagen ergebe sich, dass es sich bei den
"Manipulationen" an Datenhardware zumindest teilweise um technische und produktbezogene Mängel oder Virenbefall, wie er täglich
auftreten könne, gehandelt habe. Was die angeblich vom Angeschuldigten oder seinen "Hintermännern" geöffnete Post der Kindesmutter
angehe, so hätten die Untersuchungen der Schweizerischen Post ergeben, dass die festgestellten Beschädigungen eindeutig durch
Sortieranlagen und Transport verursacht worden sind. Die Kindesmutter habe ferner angegeben, am 5. Januar 2005 vom Angeschuldigten
auf die Schulter geschlagen und ans Bein getreten worden zu sein. Dieser habe dies bestritten und im Gegenteil geltend gemacht,
die Kindesmutter habe ihn angerempelt. Mangels objektiver Beweise oder Zeugenaussagen müsse bei dieser Ausgangslage im Zweifel
von der Version des Angeschuldigten ausgegangen werden.
In Auswertung dieser Unterlagen hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg zunächst mit Beschluss vom 24. August 2006 das Verfahren
gegen den Beschuldigten gemäß §
170 Abs.
2 Strafprozessordnung eingestellt, weil ihm eine strafbare Handlung mit der für die Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nicht nachgewiesen
werden könne. Der Tatvorwurf sei nicht zu begründen. Es dürfte sich letztlich wohl eher um Vermutungen der Kindesmutter handeln,
die sich im Rahmen der Ermittlungen nicht erhärtet hätten. Auf die Beschwerde der Kindesmutter hat die Staatsanwaltschaft
das Ermittlungsverfahren fortgesetzt und mehrere Zeugen, darunter auch die Kindesmutter I. B., vernommen. Diese hat angegeben:
"Zu dem Zeitpunkt Februar 2004 sind mein Mann und ich regelmäßig zwischen Sch. und der Schweiz hin- und her gependelt. Wir
hatten in Sch. eine kleine Wohnung (...). Zu dem Tatzeitpunkt Februar 2004 haben wir noch nicht über Trennung gesprochen,
aber ich hatte so das Gefühl, dass sich mein Mann schon von uns getrennt hatte. Er schlief nicht mehr im Ehebett. Wir hatten
auch kaum noch sexuellen Kontakt miteinander. Wenn ich vom Tattag rede, dann meine ich den Februar 2004. Es war abends, ich
meine es war so zwischen 17:30 Uhr/18:00 Uhr, genau kann ich mich da aber nicht mehr festlegen. Als ich die I. für das Bett
fertig gemacht habe, ich habe sie auch gewickelt, in das Bett gelegt. I. hat auch bereits geschlafen. Als ich zu meinem Mann,
welcher in der Stube vor dem Fernseher saß, gegangen bin, um ihm zu sagen, dass ich zu meiner Mutter hochgehe, meine Mutter
hat eine Etage über uns gewohnt. Ich hatte meinen Mann noch gefragt, ob er mitkommt, dies hat er jedoch verneint. Zu dem Zeitpunkt,
als ich die Wohnung verlassen hatte, saß mein Mann vor dem Fernseher, er war bekleidet. Ich habe mich ca. 10-20 min bei meiner
Mutter aufgehalten, als ich dann einen lauten Schrei meiner Tochter gehört habe. Dies war Anlass, sofort in die Wohnung herunter
zu rennen. Den Anblick der sich mir dann geboten hat, werde ich wohl nie wieder vergessen. Mein Mann war nackt im Schlafzimmer
bei der I. Er hat so halb auf dem Bett gesessen. Die I. hat im Bett gelegen, total verschwitzt, mit hochrotem Kopf und hat
ganz laut geschrien. Er ist auch sofort hoch gesprungen, als ob er sich ertappt gefühlt hat. Ich habe dann sofort meine Tochter
genommen und festgestellt, dass der Body unten offen war. Die Windel war auf der einen Seite offen, auf der anderen Seite
war der Verschluss zu, jedoch sehr unordentlich. Er war so zu, wie ich ihn eigentlich in der Regel nicht zu gemacht habe.
Es machte den Eindruck, als ob er schnell zu gemacht wurde. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich I. beruhigt hatte. Dann bin
ich mit ihr in das Bad gegangen und habe sie auf den Wickeltisch gelegt. Als ich mit dem Öl den Scheidenbereich der I. gesäubert
habe, habe ich plötzlich zwei stecknadelkopfgroße rote Unterblutungen, eine an der Klitoris und eine links an der Schamlippe
festgestellt. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass diese Verletzungen vorher nicht da waren. Denn so zufällig wie
ich sie beim Säubern gesehen habe, hätte ich sicher auch bereits vorher feststellen müssen, als ich die I. für den Abend fertig
gemacht habe. Diese Verletzungen haben einige Tage angedauert. Ich bin mir aber so ziemlich sicher, dass sie noch da waren,
als wir in der Schweiz mit der I. bei der Kinderärztin waren. Wir sind nämlich am 12. Februar in die Schweiz zurückgefahren.
Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte I. Fieber, mein Mann wollte aber nicht, dass ich mit ihr in Sch. zu einem Arzt gehe. Er
wollte auch zunächst nicht, dass ich in der Schweiz mit ihr einen Arzt besuche. Wir sind dann aber gemeinsam, dies hat mich
auch gewundert, denn mein Mann ist zuvor nie mit zum Kinderarzt gekommen, zu Frau Dr. H. in I. gefahren. Dort hat sich mein
Mann auch sehr eigenartig verhalten. Er hat die Frau H. so in ein Gespräch verwickelt, dass ich letztlich noch fragen musste,
ob die I. denn noch untersucht wird. Da sich I. von mir nicht ausziehen lassen wollte, hat mein Mann sie dann noch entkleidet.
Ich weiß nur noch, dass die Frau H. später in einem Attest reingeschrieben hat, dass es noch zu einem Zerwürfnis der Eltern
gekommen sei. Letztlich hat die Frau Dr. H. diese Verletzungen jedoch nicht gesehen. Ich wollte noch irgendwie darauf aufmerksam
machen, dazu ist es jedoch nicht gekommen."
Den von der Kindesmutter im Zusammenhang mit ärztlichen Behandlungen der Klägerin vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen,
dass die Klägerin von 2002 bis 2004 von Dr. H., Spezialärztin FMH für Kinder und Jugendliche, I., behandelt worden sei und
seit 24. Februar 2004 "mit Unterbrechung CH" von der Kinderärztin Dr. L., M. Mit ärztlichem Bericht vom 6. Mai 2004 an Dr.
L. hatte Dr. H. u.a. wörtlich folgendes mitgeteilt:
"Erstmals wurde I. in meiner Praxis im März 2003 im Alter von dreieinhalb Monaten gesehen wegen einmal wöchentlich auftretenden,
stundenlangen Nabelkoliken (...) Am 21.10.2003 im Alter von elf Monaten Konsultationen wegen Ausschlag im Gesicht. Diagnose
einer oberen Atemwegsinfektion, schwierigen Dentition und papulösen Dermatitis im Gesicht. Behandlungen mit Kochsalz-Nasentropfen,
Premandol-Creme und Fenistil-Tropfen. Am 11.12.2003 Husten, Fieber und Rhinitis. Diagnose: Bracheobronchitis (...) Am 22.12.2003
Nachkontrolle. Diagnose: Windeldermatitis, die mit Zinksalbe und Gentianaviolett behandelt wurde. Am 29.01.04 Konsultation
wegen Ausschlag im Windelbereich seit zwei Wochen. Behandlung: Mycolog-Crème sowie Nystatin-Suspension. Am 16.02.04 Konsultation
im Alter von 15 Monaten wegen Fieber bis 40° seit fünf Tagen, unruhigem Schlaf (nach Deutschlandaufenthalt), wässrigem Durchfall,
Halsweh und belegter Zunge, Erbrechen. Diagnose einer Gastroenteritis mit leicht reduziertem AZ und ca. 5 % Dehydratation.
(...) Am 18.02.04 Kontrollkonsultation, gutes Trinkverhalten, hat seit dem Vortage nicht mehr erbrochen, der Stuhl ist immer
noch flüssig. Klinisch zeigt sie einen guten Allgemein- und Ernährungszustand bei guter Hydratation. Auf eine Hospitalisation
wird deshalb verzichtet. (...) Leider ist es zwischen den Ehepartnern zu einem schweren Zerwürfnis gekommen."
Nach Vernehmung von weiteren fünf Zeugen teilte der Generalstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft N. der Mutter der Klägerin
am 14. Mai 2009 zum eingestellten Ermittlungsverfahren mit, nach Prüfung des Sachverhaltes keine Veranlassung gefunden zu
haben, in Abänderung des angefochtenen Bescheides weitere Ermittlungen, die Erhebung der öffentlichen Klage oder eine sonstige
Maßnahme anzuordnen. Die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft in M. entspreche der Sach- und Rechtslage,
weil dem Beschuldigten die vorgeworfenen Handlungen nicht nachgewiesen werden könnten. Im vorliegenden Fall seien die entscheidungserheblichen
Beweismittel zahlenmäßig überschaubar und ihre Beweiskraft in Bezug auf den Tatnachweis wenig ergiebig: Von den vernommenen
Zeugen habe niemand als Augenzeuge einen sexuellen Missbrauch des Kindes beobachtet; der Beschuldigte habe den Tatvorwurf
qualifiziert bestritten. Sexuell auffälliges Verhalten von Kindern könne, müsse aber nicht Hinweis auf eine an dem Kind verübte
Straftat sein, sofern von sexuell auffälligen Verhaltensweisen bei einem derart jungen Kind überhaupt gesprochen werden könne.
Das sprachliche Ausdrucksvermögen sowie der Entwicklungsstand eines kleinstkindlichen Zeugen seien nämlich derart unausgeprägt,
dass verwertbare und insbesondere unbeeinflusste Erinnerungen an den Februar 2004 nicht zu erwarten seien. Den Angaben der
Kindesmutter zufolge habe die Ärztin Dr. H. Verletzungen im Genitalbereich "nicht gesehen"; darüber hinaus habe der Beschuldigte
"so richtig lange Fingernägel eigentlich nicht gehabt". Der anlässlich des Eheschutzverfahrens beteiligte Kinder- und Jugendpsychiatrische
Dienst in der Schweiz habe während der "Spielbeobachtung Kindesvater - I." keine Auffälligkeiten, ängstliche Verhaltensweisen
pp. festgestellt, die auf einen durch den Beschuldigten verübten sexuellen Missbrauch hindeuten könnten. Die Frage nach Anzeichen,
dass das Kind I. psychisch oder physisch misshandelt oder sexuell missbraucht worden sei, habe der Gutachter ausdrücklich
verneint. Bei dieser Beweislage sei ein Freispruch am Ende einer Hauptverhandlung deutlich wahrscheinlicher als die Prognose,
ein Gericht werde auf Antrag der Staatsanwaltschaft die tatverdächtige Person verurteilen, so dass die Ermittlungen keinen
genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage böten. Der erste Strafsenat des OLG Naumburg verwarf mit Beschluss vom
8. Januar 2010 (Aktenzeichen 1 Ws [Zs] 369/09) den Antrag der Kindesmutter, entgegen dem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft
N. die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen, als unzulässig.
Der Beklagte zog die Schwerbehindertenakte der Klägerin bei, wonach dieser seit 29. November 2005 wegen einer psychischen
Gesundheitsstörung und spastischen Lähmung der Beine ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt ist. Mit Bescheid vom
3. Februar 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab, da sich nach dem Ergebnis der Sachaufklärung
und Prüfung und der Beiziehung der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten kein Schädigungssachverhalt
im Sinne des §
1 Abs.
1 OEG nachweisen lasse. Weder die Kindesmutter noch die weiteren vernommenen Zeugen seien unmittelbare Tatzeugen des von der Kindesmutter
geltend gemachten Tatgeschehens gewesen. Auch durch die detailliert vor der Staatsanwaltschaft geschilderten Ereignisse, insbesondere
zu der Situation im Februar 2004, habe Herrn J. B. die Tat nicht nachgewiesen werden können. Aus den Darlegungen der anderen
vernommenen Zeugen habe lediglich ein zum Teil verändertes Verhalten der Klägerin festgestellt werden können, es habe sich
aber kein Nachweis ergeben, um dem Beschuldigten die angezeigte Tat nachzuweisen.
Hiergegen hat die Klägerin, dabei anwaltlich vertreten, mit ihrem am 5. März 2010 eingelegten Widerspruch geltend gemacht,
es treffe zwar zu, dass es für die jeweiligen Tathandlungen keine Zeugen außer dem Täter und dem Opfer gebe. Allerdings sprächen
die Situationen und auch die Verhaltensweisen des Vaters und der Tochter, sowie auch der von behandelnden Ärzten und Einrichtungen
mehrfach geäußerte Verdacht auf einen stattgehabten sexuellen Missbrauch, unmissverständlich für eine Tatbegehung. Mit Widerspruchsbescheid
vom 11. Oktober 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Ein sexueller Missbrauch an I. sei nach wie
vor nicht nachgewiesen. Es handele sich hier lediglich um einen Verdacht der Mutter, der aber nicht erwiesen sei. Die Staatsanwaltschaft
habe das in diesem Zusammenhang eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten mit Bescheid vom 25. Februar 2009
eingestellt. Die Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung sei von der Generalstaatsanwaltschaft N. ablehnend beschieden
und die daraufhin beantragte gerichtliche Entscheidung über die Erhebung der Klage vom Oberlandesgericht N. verworfen worden.
Auch ein von der Staatsanwaltschaft in Basel diesbezüglich eingeleitetes Ermittlungsverfahren sei wegen mangelnder Beweise
eingestellt worden. Für eine Anwendung der Beweiserleichterung im Sinne des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), wonach die Glaubhaftmachung von Tatsachen möglich ist, wenn nach den gegebenen Umständen die Überzeugung der Behörde zu
gewinnen sei, dass die Angaben des Antragstellers den Tatsachen entsprechen, bleibe hier kein Raum. Denn aufgrund des Alters
von I. zum Zeitpunkt der angeschuldigten Missbrauchsereignisse könne sie keine verwertbare Aussage machen.
Mit ihrer am 18. November 2010 vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und von ihrer Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, es
sei fehlerhaft, die Glaubhaftmachung der Tatsachen allein deswegen auszuschließen, weil das betroffene Kind zum Zeitpunkt
des Missbrauchs noch nicht in einem aussagefähigen Alter gewesen sei. Bereits im Alter von 3 bis 4 Jahren habe die Klägerin
Handlungen des Kindsvaters beschrieben. Das tue sie auch heute noch ganz plötzlich und unerwartet, wenn zum Beispiel in der
Schule über die Familie gesprochen werde oder der Vater gemalt werden solle. So erzähle die Klägerin, dass der "Papa" ihr
wehgetan habe und zeige dabei auf ihr Geschlecht. Ebenso habe sie nach wie vor riesengroße Angst vor Herrn B. Regelmäßig äußere
sie Befürchtungen, zum Vater reisen zu müssen. Es sei zu fragen, warum ein so kleines Mädchen so detaillierte Aussagen über
das Geschehen mit ihrem Vater mache, wenn es nicht der Wahrheit entspreche. Außerdem zeige die Klägerin zahlreiche Verhaltensweisen,
die eindeutig auf einen sexuellen Missbrauch hinwiesen. Ende Dezember 2004 sei die Klägerin der Physiotherapeutin G. zugewiesen
worden, die mehrere außergewöhnliche Verhaltensauffälligkeiten in einem Bericht festgehalten habe. So werde bei der Klägerin
durch eine bloße Berührung Angst ausgelöst, ebenso bei schnellen Annäherungen. Ein Kontrollverlust während des Spielens sei
ebenfalls mit großer Angst verbunden. Besonders ausgeprägt sei die Angst bei einem Verlust ihrer Kontaktperson, der Mutter.
Im Vergleich zu anderen Kindern sei die Intensität der Angst bei der Klägerin außergewöhnlich. So reagiere sie ohne Vorwarnung
sehr stark, fast panikartig mit Weinen und Nein-Rufen. Auch habe die Klägerin plötzlich ihren Schlüpfer nicht mehr tragen
wollen und ihn ausgezogen, was in Übrigen auch noch Jahre später vorgekommen sei. Da die Physiotherapeutin festgestellt habe,
dass die Ängste der Klägerin nicht aus ihrer motorischen oder kognitiven Entwicklung hervorgegangen seien, sei für diese (die
Physiotherapeutin) klar gewesen, dass die Klägerin eine Form von Gewalt am eigenen Körper erlebt haben musste. Zu diesem Zeitpunkt
war sie zwei Jahre alt. Es sei zu fragen, warum ein Kind in diesem Alter über derartige Verhaltensauffälligkeiten verfüge,
wenn es nicht im Vorfeld den behaupteten Missbrauch erlitten habe. Ein Kind in diesem Fall Alter verstehe noch nichts von
sexuellen Handlungen, sondern reagiere nur auf erlittene Schmerzen und Erlebnisse. Auch äußere die Klägerin immer wieder von
sich aus, oft aus dem Zusammenhang gerissen, dass ihr Papa ihr wehgetan habe. Dabei zeige sie zwischen ihre Beine. Solche
Äußerungen habe sie auf Geschäftsessen mit der Mutter oder auf Kindergeburtstagen gemacht. Nach einem Schulwechsel habe sie
bereits in den ersten Tagen des Kennenlernens ihren Mitschülern von den Missbrauchserlebnissen mit ihrem Vater erzählt. Nicht
nur die Mitschüler und die Lehrer seien über die Erzählungen entsetzt gewesen, auch der Schulleiter habe unmittelbar danach
das Gespräch mit der Kindesmutter gesucht. Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Schulleiter, der sodann die Lehrer und
Mitschüler mit diesem Thema konfrontiert habe, habe der normale Schulalltag für die Klägerin eintreten können. Nach wie vor,
viele Jahre später, könne sich die Klägerin an die Handlungen des Kindsvaters erinnern und müsse diese durch Kundtun nach
außen für sich verarbeiten. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass ein erlittener Missbrauch im jüngsten Kindesalter zu dramatischen
Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten des Kindes führen könne. Genau diese Entwicklungsstörungen, insbesondere
Ängste, Wutausbrüche und wechselhaftes Verhalten habe die Klägerin im Laufe ihrer Entwicklung gezeigt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30. Mai 2013 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Nach §
1 Abs.
1 OEG erhalte derjenige wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung
der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines rechtswidrigen,
vorsätzlichen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche
Schädigung erlitten hat. Das Gericht habe sich nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vom
Vorliegen eines rechtswidrigen vorsätzlichen Angriffs auf die Klägerin überzeugen können. Aufgrund der unterschiedlichen Aussagen
der Eltern der Klägerin sei ein tätlicher Angriff nicht nachgewiesen. Einen Angriff habe zwar die Kindesmutter bekundet, dies
basiere jedoch nur auf Vermutungen, weil die Mutter bei den mutmaßlichen Tathandlungen nicht zugegen gewesen sei. Von den
im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen habe niemand als Augenzeuge einen sexuellen Missbrauch
der Klägerin beobachtet. Bei der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem
OEG liege die objektive Beweislast für den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen, darunter auch das Vorliegen eines rechtswidrigen
vorsätzlichen tätlichen Angriffs bei dem, der den Anspruch geltend macht, das sei hier die Klägerin. Die Vermutungen der Mutter
ließen sich nicht beweisen. Die umfangreichen über die Klägerin erstellten Berichte enthielten keinen Beweis für einen stattgehabten
Missbrauch. Verletzungen im Genitalbereich seien nicht festgestellt worden. Das Vorbringen der Mutter werde weder durch medizinische
Befunde bewiesen noch glaubhaft gemacht. Der anlässlich des Eheschutzverfahrensbeteiligte Kinder- und Jugendpsychiatrische
Dienst in der Schweiz habe keine Anzeichen dafür festgestellt, dass die Klägerin psychisch und physisch misshandelt oder sexuell
missbraucht worden sei. Nach dem Bericht der Uniklinik L. vom 24. April 2008 seien die beschriebenen Symptome Ausdruck einer
tiefen Verunsicherung des Kindes als Folge eines schwerwiegenden, lang anhaltenden Familienkonflikts. Es handele sich dabei
um eine emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindes sowie eine beginnende Störung des Sozialverhaltens mit starken Wutanfällen.
Da Ursache der Erkrankung der Klägerin nicht ein Missbrauch sein muss, sondern ebenso der lang anhaltende Familienkonflikt
Auslöser der Erkrankungen sein könne, sei ein Nachweis eines Angriffs mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit
nicht erbracht. Die Klägerin könne den behaupteten tätlichen Angriff auch nicht gemäß § 15 KOVVfG glaubhaft machen, denn sie könne keine Angaben aus eigenem Wissen machen. Eine Aussagekompetenz für den Zeitpunkt im Februar
2004 sei bei der Klägerin zu verneinen, wie der Diplom-Psychologe Dr. T. in seiner aussagepsychologischen Stellungnahme vom
2. Mai 2008 im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren angegeben habe. Zum Zeitpunkt der möglichen Tat sei die Klägerin
ein Jahr und drei Monate alt gewesen. Die von der Mutter behaupteten Erinnerungen der Klägerin an den Missbrauch seien aufgrund
der Untergrenze des autobiografischen Gedächtnisses von etwa 3 bis 4 Jahren auf fremdinduzierte Scheinerinnerungen zurückzuführen.
Deshalb sei die Aussage der Klägerin selbst kein taugliches Beweismittel.
Das ihr am 3. Juli 2013 zugestellte Urteil greift die Klägerin mit der am 2. August 2013 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
in Halle erhobenen Berufung an. Sie trägt vor, das SG sei aufgrund einer falschen Beweiswürdigung zur Klageabweisung gelangt. Die Aussage der Kindesmutter, die den Kindesvater
nach der entsprechenden Tat ertappt habe, sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Das Kind habe schreiend, mit hochrotem Kopf
und einer seitlich geöffneten Windel neben dem Kindsvater auf dem Bett gelegen und kleine Wunden an der Scheide aufgewiesen.
Der Kindesvater habe, als er auf den Vorgang angesprochen worden sei, darüber gelächelt und später erklärt, schon einmal seine
Schwester missbraucht zu haben. Ebenso wenig seien die Aussagen der Zeuginnen I. B. und R. S. berücksichtigt worden, die ähnliche
Verletzungen der Klägerin bereits im Oktober 2003 festgestellt hätten. Auch damals habe sich Herr B., wiederum fast nackt,
neben seiner auf dem Bett liegenden weinenden Tochter befunden. Das SG habe ferner nicht das dargestellte kindliche Verhalten nach den Missbräuchen berücksichtigt. Stattdessen sei der Kindesmutter
im Erörterungstermin beim SG vorgeworfen worden, sie habe der Klägerin den Missbrauch eingeredet. Zudem habe das SG zu Unrecht die problematische Entwicklung der Klägerin auf die schwierige Trennung der Eltern zurückgeführt. Dass sich Veränderungen
im Verhalten der Klägerin bereits vorher gezeigt hätten, sei nicht gewürdigt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Mai 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Beschädigtenrente nach
einem Grad der Schädigung von mindestens 30 ab 6. Juni 2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Bescheide für zutreffend und verweist im Übrigen auf die nach seiner Überzeugung zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen
Urteils.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Ferner
lagen in der mündlichen Verhandlung und anschließend Beratung die Schwerbehindertenakte der Klägerin vor. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend verwiesen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsleistungen wegen der
Folgen sexuellen Missbrauchs. Nach der Auffassung des Senats ist ein tätlicher Angriff auf die Klägerin nicht bewiesen.
Ergänzend ist auszuführen: Unter Berücksichtigung des gesamten Sachverhaltes, wie er sich aus den Akten und den von der Mutter
der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt, ist der Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs des Kleinstkindes nicht nur nicht
bewiesen, sondern unglaubhaft. Nicht nachvollziehbar ist die Tatsache, dass die Klägerin die Tat oder die Taten nicht zeitnah
angezeigt hat, spätestens im Februar 2004, sondern erst Anfang 2005, als sie sich noch in der Schweiz befand und vor Gericht
um die Wiedererlangung der Ausreisemöglichkeit mit der Klägerin kämpfte. Aber auch im Falle des Unterlassens einer zeitnahen
Strafanzeige, was mit einer gewissen Rücksichtnahme auf die im Februar vielleicht noch nicht vollständig zerrüttete Ehebeziehung
erklärbar wäre, hätte die Kindesmutter unter Beachtung ihrer Fürsorgepflicht auf eine angemessene medizinische Behandlung
der bei dem Missbrauch im Scheidenbereich angeblich aufgetretenen Verletzungen drängen müssen. Es haben aber keine solchen
Behandlungen stattgefunden, nicht bei Dr. H. und auch nicht bei Dr. L., bei denen sich die Klägerin seit März 2003 (bei Dr.
L. seit 24. Februar 2004) in teils engmaschiger Kontrolle befunden hat. Verletzungen der von der Kindesmutter angegebenen
Art im Scheidenbereich des Kindes sind nicht dokumentiert worden, was durchaus mit der Tatsache korrespondiert, dass es auch
keine unmittelbaren Augenzeugen für sexuellen Missbrauch an dem zur angeblichen Tatzeit 15 Monate alten Kleinstkind gibt.
Aktenkundig sind lediglich eine Windeldermatitis, festgestellt am 22. Dezember 2013 durch Dr. H., und ein am 29. Januar 2004
von derselben Ärztin behandelter "Ausschlag im Windelbereich".