Krankengeld
Einstweiliger Rechtsschutz
Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit und Folgefeststellungen
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zahlung von Krankengeld über
den 7. November 2016 hinaus.
Der 1956 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragsteller erkrankte während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses
als Geschäftsführer am 7. Juni 2016 arbeitsunfähig. Nach Ende der Entgeltfortzahlung am 21. Juni 2016 erhielt er von der Antragsgegnerin
Krankengeld in Höhe von täglich netto 86,99 EUR. Das Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers endete am 21. Juni 2016 durch
seine Kündigung. Mit Schreiben vom 5. August 2016 wies ihn die Antragsgegnerin darauf hin, dass für die Zahlung des Krankengeldes
die Arbeitsunfähigkeit nahtlos nachgewiesen werden müsse. Der behandelnde Arzt müsse spätestens am nächsten Werktag, der auf
das Ende des zuletzt bestätigten Zeitraums folge, das weitere Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit bescheinigen
Mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14. Oktober 2016 bescheinigte der Allgemeinarzt W die weitere Arbeitsunfähigkeit
bis voraussichtlich 6. November 2016. Die nächste Arbeitsunfähigkeit bescheinigte er am 9. November 2016, einem Mittwoch,
bis zum 22. November 2016 und danach fortlaufend.
Mit Bescheid vom 17. November 2016 bestimmte die Antragsgegnerin das Ende der Krankengeldzahlung auf den 6. November 2016
mit der Begründung, dass die aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Versicherungspflicht aufgrund des laufenden Krankengeldbezuges
bis zum zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit am 6. November 2016 fortbestanden habe. Mit dem bescheinigten Ende
der Arbeitsunfähigkeit am 6. November 2016 sei damit auch die Versicherung mit Krankengeldanspruch beendet worden. Die jetzt
vorgelegte ärztliche Bescheinigung sei erst am 9. November 2016 ausgestellt worden und damit außerhalb des zuvor bescheinigten
Bewilligungszeitraums. Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Antragsteller damit, dass er am 7. November 2016
in der Praxis seines Hausarztes W gewesen, er von diesem aber bereits am Tresen abgefangen worden sei mit dem Hinweis, dass
die Praxis am 7. und 8. November wegen technischer Probleme geschlossen bleibe und er am 9. November 2016 wiederkommen solle.
Dies bestätigte sein Hausarzt W unter dem 6. Dezember 2016 und wies in einer ergänzenden Bescheinigung vom 12. Dezember 2016
darauf hin, dass die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen bestanden habe. Die Antragsgegnerin blieb bei ihrer ablehnenden Auffassung.
Daraufhin hat der Antragsteller am 14. Dezember 2016 beim Sozialgericht Schleswig die Weiterzahlung des Krankengeldes im Wege
des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat er inhaltlich sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt
und eine weitere Bescheinigung seines Hausarztes W vorgelegt, in der dieser seine bisherigen Äußerungen wiederholt und ergänzend
ausführt, dass aus dem Gespräch in den Praxisräumen am 7. November 2016 zweifelsfrei hervorgegangen sei, dass zu diesem Zeitpunkt
sich keine Veränderung der Erkrankung eingestellt habe. Eine körperliche Untersuchung sei aufgrund der Art der Erkrankung
nicht zielführend und somit nicht erforderlich zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gewesen. Auf eine handschriftliche
Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er verzichtet, weil er zu diesem Zeitpunkt keinen Zugriff auf die in
der EDV dokumentierte Krankenakte gehabt habe. Die Gefahr, falsche Daten auf der Bescheinigung einzutragen, wäre auch in diesem
Fall gegeben gewesen. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wäre ihm zu diesem Zeitpunkt nicht erinnerlich gewesen. Er habe daher
den Antragsteller zur formalen Dokumentation der Arbeitsunfähigkeit zum 9. November 2016 wieder einbestellt.
Mit Beschluss vom 6. Januar 2017 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt, weil ein Anspruch auf Fortzahlung des Krankengeldes
über den 6. November 2016 unwahrscheinlich sei. Im Einzelnen hat das Sozialgericht hierzu ausgeführt:
"Grundsätzlich endet die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter gemäß §
190 Abs.
2 SGB V mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet. Die Mitgliedschaft bleibt nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V jedoch erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen
Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Pflegeunterstützungsgeld bezogen
wird. Das Entstehen (und Fortbestehen) des Krankengeldanspruchs regelt §
46 SGB V. Nach dessen Satz 1 entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an (Nr. 1), im Übrigen von dem Tag der
ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Nr. 2). Nach Satz 2 der Vorschrift bleibt der Anspruch auf Krankengeld
jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird,
wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit
erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.
Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigtenversicherung ist es deshalb erforderlich, aber auch
ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird
(vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 19/14 R -, Rn. 13). Hieran fehlt es. Vorliegend endete der letzte Bewilligungsabschnitt am 6. November 2016. Die ärztliche Feststellung
der weiteren Arbeitsunfähigkeit hätte danach spätestens am 7. November 2016, einem Montag, erfolgen müssen. Dies ist jedoch
nicht geschehen. Zwar wurde der Antragsteller am 7. November 2016 bei seinem Arzt vorstellig, anders als es die ärztliche
Bescheinigung vom 12. Dezember 2016 vermuten ließ, konnte an diesem Tag jedoch nicht nur die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
aufgrund von Softwareproblem nicht ausgestellt werden, sondern es erfolgte bereits keine Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit.
Diese wurde erst am 9. November 2016 - und damit verspätet - nachgeholt.
Die von dem Antragsteller diesbezüglich vorgebrachten Gründe sind nicht geeignet, eine Ausnahme von der erforderlichen nahtlosen
ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit anzunehmen.
Eine solche ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die beschließende Kammer folgt, nur in eng begrenzten
Fallgruppen angenommen worden (vgl. zu den in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallenden Hinderungsgründen, insbesondere
bei ärztlicher Fehlbeurteilung der Arbeitsfähigkeit durch den behandelnden Arzt BSG, Urteil vom. 8. November 2005 - B 1 KR 30/04 R -, Rn. 18 ff., zur Verhinderung wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit BSG, Urteil vom 22. Juni 1966 - B 3 RK 14/64 -, zur Falschberatung durch die Krankenkasse BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R -, Rn. 25 ff.). Ein entsprechender Hinderungsgrund wurde von dem Antragsteller hingegen nicht glaubhaft gemacht. Er kann
sich insbesondere nicht auf sein Vertrauen in die unzutreffende Annahme des behandelnden Arztes berufen, die rückwirkende
Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit am 9. November 2016 sei zur Erhaltung des Anspruchs auf Krankengeld ausreichend (vgl.
BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 19/14 R -, Rn. 16)."
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, eingegangen beim Sozialgericht Schleswig am 17. Januar
2017. Zur Begründung trägt er vor, nach der Rechtsprechung des BSG dürfe es sich nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken, wenn die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein
aus Gründen unterbleibe, die den Verantwortungsbereich des Vertragsarztes beträfen. Außerdem sei nach den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien
eine Rückdatierung hinsichtlich des Beginns der Arbeitsunfähigkeit zulässig. Die Antragsgegnerin hält die Beschwerde für unbegründet
und verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und den angefochtenen Beschluss.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht den Antrag
auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur sofortigen Weiterbewilligung von Krankengeld abgelehnt.
Die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung werden in dem angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf die dafür maßgebende
Vorschrift des §
86b Abs.
2 SGG aufgeführt und mit zutreffender Begründung wegen des Fehlens der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Insoweit
nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Begründung in dem angefochtenen Beschluss (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG). Im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers, insbesondere in der Beschwerde, weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Als der Antragsteller am 9. November 2016, einem Mittwoch, erneut seinen Hausarzt W aufsuchte, war er nicht mehr mit Anspruch
auf Krankengeld versichert. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung der Rechtsänderung in §
46 SGB V, dass der Antragsteller seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Montag, den 7. November hätte erneut ärztlich feststellen lassen
müssen, um seine Mitgliedschaft als Pflichtmitglied und damit den Anspruch auf Krankengeld zu erhalten. Zwar haben gemäß §
44 Abs.
1 SGB V Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig
macht. Nach §
46 Satz 1
SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld aber erst 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabili-
tationseinrichtung, 2. (und hier maßgebend) im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an,
wobei nach Satz 2 der Vorschrift der Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen bleibt, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit
wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Tag nach dem
zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.
Ebenso wie das Sozialgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass diese nach dem Gesetz notwendige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
am 7. November 2016 nicht erfolgte, wenngleich der Antragsteller die Praxis seines Hausarztes an diesem Tag aufgesucht hatte.
Insoweit fehlt es nämlich an dem für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit notwendigen Untersuchung durch den Arzt. In Übereinstimmung
mit dem BSG (Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 25/14 R, Beschluss des Senats vom 30. November 2016 - L 5 KR 100/16) ist der Senat der Auffassung, dass §
46 Satz 1 Nr. 2
SGB V unabdingbar sowohl für die Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit als auch bei nachfolgenden Feststellungen die persönliche
Untersuchung des Versicherten durch einen Arzt voraussetzt. Dies folgt ausdrücklich aus § 31 des Bundesmantelvertrages Ärzte
vom 1. Oktober 2013, wonach die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer sowie die Ausstellung
der Bescheinigung nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen darf. Näheres bestimmen die Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses. In § 4 Abs. 1 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie heißt es ebenfalls, dass die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit
nur aufgrund ärztlicher Untersuchung erfolgen darf. Eine solche notwendige ärztliche Untersuchung fand am 7. November 2016
jedoch nicht statt.
So hat der Antragsteller in seinem Widerspruch selbst darauf hingewiesen, dass ihn an dem Tag der Arzt am Tresen empfangen
und mitgeteilt hatte, dass die Praxis am 7. und 8. November 2016 wegen technischer Probleme geschlossen bleibt. Ebenso lautet
die Widerspruchsbegründung des Antragstellers vom 10. Dezember 2016. Soweit der Hausarzt in seiner Bescheinigung vom 29. Dezember
2016 eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers auch für die Zeit vom 7. bis 9. November 2016 bestätigt, weil
sich zu diesem Zeitpunkt keine Veränderung der Erkrankung eingestellt habe, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar
mag es insbesondere bei neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen wie bei dem Antragsteller sich um Erkrankungen
handeln, bei denen eine körperliche Untersuchung nicht zwingend erforderlich ist. Gleichwohl kann auf eine Untersuchung als
solche nicht verzichtet werden, die dann gegebenenfalls in einem Gespräch zu erfolgen hat. Von einer solchen ist hier jedoch
nicht auszugehen, wie insbesondere aus der Widerspruchsbegründung des Antragstellers zu entnehmen ist. Gleiches folgt aus
der am 9. November 2016 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Hausarztes W , in der er ausdrücklich als Feststellungsdatum
den 9. November 2016 und eben nicht den 7. November 2016 eingetragen hat. Im Übrigen hätte es auch nicht einer Einbestellung
des Antragstellers zwei Tage später bedurft, wenn die Arbeitsunfähigkeit bereits am 7. November 2016 festgestellt worden wäre.
Vor diesem Hintergrund ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht der Auffassung, dass derzeit aufgrund des Akteninhalts
und des Vortrags der Beteiligten am 7. November 2016 eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht erfolgte.
Es liegen auch nicht die Voraussetzungen des sozialgerichtlichen Herstellungsanspruchs mit der Folge vor, den Antragsteller
so zu stellen, als habe er rechtzeitig die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen. So hat die Antragsgegnerin den
Antragsteller in mehreren Schreiben ausdrücklich über die Notwendigkeit einer fortlaufenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungsfeststellung
belehrt. Eine eventuelle Falschberatung durch seinen Hausarzt kann nicht zu einem Anspruch des Antragstellers entgegen seiner
Auffassung auf Fortzahlung des Krankengeldes führen. So hat das BSG mit Urteil vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 19/11 R) ausgeführt, dass von Krankenkassen nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter
zugelassenen Ärzten zwar gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Ärzte, nicht aber Krankengeldansprüche gegen Krankenkassen
auslösen können (so auch der Beschluss des Senats vom 23. September 2013 - L 5 KR 145/13 B ER).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG analog.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).