Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung in einem Statusfeststellungsverfahren
Kriterien für die Streitwertbemessung
Nichtabhilfe der Beschwerde durch das Ausgangsgericht
Gründe
I.
Mit seiner am 20. Dezember 2011 (S 5 KR 1237/11) erhobenen Klage begehrte der Beschwerdeführer zu 1) als Inhaber der Firma P________________ die Aufhebung des Statusfeststellungsbescheides
der Beschwerdegegnerin vom 19. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2011, mit dem diese nach
einer Betriebsprüfung gemäß §
28 p Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) festgestellt hatte, dass die Beschwerdeführerin zu 2) ab 1. März 2007 als Altenpflegerin sowie drei weitere Personen sozialversicherungspflichtig
beim Beschwerdeführer zu 1) beschäftigt seien.
Vor der Klageerhebung hatte die Beklagte bereits erstmals mit Bescheid vom 8. April 2011 Gesamtsozialversicherungsbeiträge
für die Beschwerdeführerin zu 2) für die Zeit ab 18. Juni 2007 sowie für die weiteren Personen in Höhe von insgesamt 42.441,82
EUR einschließlich Säumniszuschläge nach §
24 Abs.
1 SGB IV in Höhe von 8.208,00 EUR nachgefordert, wobei auf die Beschwerdeführerin zu 2) Beitragsforderungen in Höhe von 10.916,59
EUR und Säumniszuschläge in Höhe von 2.616,00 EUR für die Zeit vom 18. Juni 2007 bis 31. März 2008 entfielen. Diesen Bescheid
hatte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2011 nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich der Höhe der Feststellung zurückgenommen und nunmehr eine Nachforderung von insgesamt 49.956,63 EUR geltend
gemacht. Danach entfielen auf die Beschwerdeführerin zu 2) für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 28. Februar 2008 Beitragsforderungen
in Höhe von 10.196,64 EUR und Säumniszuschläge in Höhe von 2.436,00 EUR.
Mit Beschluss vom 1. Februar 2012 hat das Sozialgericht die Verfahren betreffend die weiteren Personen abgetrennt und unter
den Aktenzeichen S 5 KR 86/12, S 5 KR 87/12 und S 5 KR 88/12 jeweils gesondert fortgeführt. Mit Urteil vom 15. Januar 2015 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar
2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2011 insoweit aufgehoben, als die Beschwerdegegnerin für den Zeitraum
vom 5. Januar 2007 bis 17. Juni 2007 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beschwerdeführerin zu
2) beim Beschwerdegegner festgestellt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Zu dessen Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Streitwertfestsetzung beruhe auf §
197a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. den §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Hiernach sei der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen
zu bestimmen. Biete der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, sei ein Streitwert
von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Hier sei der Auffangstreitwert zugrunde zu legen, da Streitgegenstand des Verfahrens die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses und damit kein bestimmter Wert in Euro gewesen sei. Unmittelbar verbunden mit der Statusfeststellung
sei zwar die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen bzw. der dort von der Beschwerdegegnerin geforderte Betrag gewesen.
Hier könne aber nicht die von der Beschwerdegegnerin im Beitragsbescheid vom 17. Mai 2011 für die Beschwerdeführerin geltend
gemachte Nachforderung der Berechnung des Streitwerts zugrunde gelegt werden, da der Zeitraum im Feststellungsbescheid nicht
mit dem Zeitraum im Nachforderungsbescheid übereinstimme und diesbezüglich eine neue Berechnung der Beklagten zu erfolgen
habe.
Gegen die Streitwertfestsetzung in dem ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. März 2015 zugestellten Urteil wendet sich die
Beschwerdeführerin zu 2) mit ihrer am 11. Juni 2015 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Beschwerde, mit der sie zunächst
geltend gemacht hat, der Streitwert sei auf 49.956,63 EUR festzusetzen, weil dies die Höhe der Gesamtbeitragsnachforderung
des Leistungsbescheides sei. Vorliegend handele es sich nicht um eine abstrakte Statusfeststellung, so dass für die Festsetzung
des Auffangstreitwertes kein Raum sei. Aufgrund des bezifferten Leistungsbescheides gebe es genügend Anhaltspunkte für eine
anderweitige Festsetzung. Hier komme auch keine Stückelung des Streitwertes wegen der vom Sozialgericht vorgenommenen Trennung
der von der Feststellung betroffenen Personen in Betracht. Andernfalls hätte selbst der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR
lediglich in anteiliger Höhe für jeden Beteiligten einzeln festgesetzt werden müssen.
Auch der Beschwerdeführer zu 1) wendet sich mit seiner am 24. August 2015 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht
eingegangenen Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Januar 2015, das seinem
Prozessbevollmächtigten am 17. März 2015 zugestellt worden ist. Er schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin zu
2) insoweit an, dass bei der Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG abzustellen sei. Es sei problemlos möglich, die Gesamtnachforderungssumme aus dem Ursprungsbeitragsbescheid von insgesamt
49.956,63 EUR auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wie es die Beschwerdegegnerin schließlich auch in Ausführung des Urteils
des Sozialgerichts mit Bescheid vom 1. Juli 2015, der den Beitragsbescheid vom 17. Mai 2011 ändere, praktiziert habe. Eine
andere Sichtweise werde dem legitimen Gebühreninteresse des Rechtsanwalts nicht gerecht und spalte die Beitragsnacherhebung
als notwendige Folge der Feststellung und damit einen einheitlichen Lebenssachverhalt künstlich auf, obwohl der spätere Beitragsbescheid
auf dem Feststellungsbescheid basiere.
Die Beschwerdegegnerin hat zunächst beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in den Urteilen vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R und B 12 KR 27/07 R - und diverse Entscheidungen von Landessozialgerichten ausgeführt, dass in Statusfeststellungsverfahren im Rahmen einer Betriebsprüfung,
bei der Beitragsforderungen gegenüber dem vermeintlichen Arbeitgeber noch nicht geltend gemacht worden seien, regelmäßig keine
ausreichenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwertes vorhanden seien, so dass nach §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,00 EUR festzusetzen sei.
Nach entsprechendem Hinweis des Senats vertritt die Beschwerdegegnerin nunmehr die Auffassung, dass ein Streitwert von 12.632,64
EUR entsprechend dem auf die Beschwerdeführerin zu 2) entfallenden Nachforderungsbetrag, der mit Bescheid vom 17. Mai 2011
geltend gemacht worden sei, festzusetzen sei. Mit diesem Betrag sei der Beschwerdeführer zu 1) am 20. Dezember 2011 in seiner
Hauptsache bezüglich der Beschwerdeführerin zu 2) ins Klageverfahren gegangen.
Die Beschwerdeführerin zu 2) begehrt, den Streitwert auf 13.532,59 EUR entsprechend der sie betreffenden Beitragsnachforderung
gemäß Bescheid vom 8. April 2011 festzusetzen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Vermerk vom 3. August 2015) und sie dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht
zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil des Sozialgerichts vom 15. Januar 2015
mit drei Berufsrichtern, weil die Voraussetzungen der Vorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG, wonach das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem
Einzelrichter getroffen worden ist, nicht vorliegen. Bei der angefochtenen Entscheidung haben die ehrenamtlichen Richter mitgewirkt.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig. Nach §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes - wie hier - 200,00 EUR übersteigt. Der Senat konnte über
die Beschwerde entscheiden, obwohl die Kammervorsitzende des Sozialgerichts nicht mit Beschluss über die Nichtabhilfe entschieden
hat. Das in § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG vorgeschriebene Abhilfeverfahren ist nach seinem Sinn und Zweck darauf beschränkt, dem Ausgangsgericht gegebenenfalls die
Korrektur seiner Entscheidung zu ermöglichen, im Übrigen aber die Entscheidung der nächsthöheren Instanz herbeizuführen. Insoweit
ist im Falle der Nichtabhilfe ausreichend, wenn die Kammervorsitzende des Sozialgerichts durch ihren handschriftlichen Vermerk
dokumentiert hat, dass sie mit Sache befasst war und der Beschwerde nicht abgeholfen hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss
vom 17. Juli 2014 - L 11 R 2546/14 B -, [...]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts vom 15. Januar 2015 ist rechtswidrig und
verletzt die Beschwerdeführer in ihren Rechten, weil das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass für die Streitwertfestsetzung
nicht auf die mit Bescheid vom 17. Mai 2011 geltend gemachte Nachforderung einschließlich Säumniszuschläge zurückgegriffen
werden darf.
Nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Streitsache.
Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens. Die angefochtene Statusfeststellung
ist hier im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV erfolgt und diente vorrangig dazu, die Beitragsentrichtung für die einzelnen Zweige der Sozialversicherung für den in der
Vergangenheit liegenden Prüfzeitraum zu sichern. Demzufolge lag das wirtschaftliche Interesse, das der Beschwerdeführer zu
1) mit seiner Anfechtungsklage verfolgte, in der Abwehr der bereits durch Beitragsbescheid erfolgten Beitragsnacherhebung,
für die als rechtliche Vorfrage der sozialversicherungsrechtliche Status gerichtlich zu klären war. Der Beitragsbescheid vom
17. Mai 2011, der den Bescheid vom 8. April 2011 änderte, und für den erkennenden Senat daher hier als Grundlage der Streitwertbestimmung
dient, war noch vor der Klageerhebung am 20. Dezember 2011 ergangen und somit während des gesamten Klageverfahrens maßgebend
für die Beurteilung des wirtschaftlichen Interesses, das der Beschwerdeführer zu 1) mit der von ihm erhobenen Anfechtungsklage
zumindest verfolgte. Bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens sind weitere Änderungsbescheide offensichtlich nicht
erlassen worden. Diese sind erst nach der angefochtenen Streitwertfestsetzung in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts
ergangen.
In Statusfeststellungsverfahren ist es wegen der auf Gesetz beruhenden Verzahnung von Statusklärung und Beitragspflicht durchaus
gerechtfertigt, bei der Streitwertbestimmung nach § 52 Abs. 1 GKG an die dem Statusfeststellungsverfahren nachgelagerte Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen anzuknüpfen, wenn
bis zur Beendigung des Gerichtsverfahrens genügend Anhaltspunkte für die Höhe der zu erwartenden Beitragserhebung vorliegen
(vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. März 2015 - L 16 R 1229/13 B -, [...]). Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn es sich - wie hier - nicht um ein Anfrageverfahren
nach §
7a SGB IV, sondern um eine Statusfeststellung im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV handelt und bei Klageerhebung bereits ein Beitragsbescheid vorliegt, aus dem die genau bezifferte Beitragsnachforderung zweifelsfrei
entnommen werden kann. Eine abweichende Auffassung des BSG kann der von der Beschwerdegegnerin zitierten Rechtsprechung nicht entnommen werden. Auch das BSG stellt darauf ab, ob genügende Anhaltspunkte für die Wertbestimmung in dem konkreten Statusfeststellungsverfahren vorliegen
oder fehlen (vgl. Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - Streitwert 6.500,- EUR; Urteil vom 4. Juni 2009 - B 12 R 6/08 - Auffangwert 5.000,- EUR, beide Entscheidungen veröffentlicht in [...]).
Werden Klageanträge abgetrennt und in einem anderen Verfahren fortgeführt, errechnet sich der Gegenstandswert für das Ausgangsverfahren
bis zum Zeitpunkt der Abrechnung im Hinblick auf bereits angefallene Gebühren aus dem höheren Gegenstandswert (Hessisches
Landessozialgericht, Beschluss vom 1. August 2014 - 1 Ta 188/14 -, [...]). Gebühren, die im verbliebenen Verfahren erst nach der Abtrennung ausgelöst werden, errechnen sich gemäß § 36 Abs. 1 GKG auf der Basis des Wertes der im Verfahren verbliebenen Ansprüche.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist im Hinblick auf den Trennungsbeschluss vom 1. Februar 2012 der Streitwert für das Verfahren
bis zum 31. Januar 2012 auf 49.956,63 EUR und ab 1. Februar 2012 auf 12.632,64 EUR festzusetzen.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts beinhaltete der Zeitraum im angefochtenen Feststellungsbescheid vom 19. Januar
2011 auch die Zeiträume, für die mit Beitragsbescheid vom 17. Mai 2011 Beitragsnachforderungen für die Beschwerdeführerin
zu 2) erhoben wurden, denn die Statusfeststellung ging von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis "ab
1. März 2007" aus.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 68 Abs. 3 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, §
177 SGG).