Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung
Anforderungen an das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Unternehmens
Umsetzung einer Bodenbewirtschaftung auch beim Liegenlassen von Schnittgut
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung als landwirtschaftlicher
Unternehmer und über die Rechtmäßigkeit erhobener Beiträge.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der im Jahre 1928 geborene Kläger mit, dass er Eigentümer einer 0,71 ha großen Weide sei,
die durch Lohnunternehmer von Disteln befreit werde. Daraufhin nahm die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 10. Februar 2006
in die landwirtschaftliche Unfallversicherung auf und forderte für das Jahr 2005 einen Beitrag von 56,75 EUR. Diesen Betrag
und die geforderten Beiträge in den Folgejahren zahlte der Kläger. Mit Bescheid vom 5. Februar 2010 wurde der Beitrag für
das Jahr 2009 auf 61,09 EUR festgesetzt. Dieser Betrag wurde mit Schreiben vom 24. März 2010 angemahnt. Dagegen legte der
Kläger mit Schreiben vom 20. am 21. Mai 2010 Widerspruch ein. Das Schreiben wertete die Beklagte als Antrag auf Überprüfung
der Versicherungspflicht gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), und lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 8. Juni 2010 ab mit der Begründung, der Kläger betreibe ein landwirtschaftliches
Unternehmen, denn er führe Pflegemaßnahmen auf seinem Grundstück durch, um die Grünfläche nicht verunkrauten zu lassen. Den
dagegen am 14. Juni 2010 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 zurück. Zur Begründung
führte sie aus, sie sei als Berufsgenossenschaft zuständig für das landwirtschaftliche Unternehmen des Klägers. Daher seien
der erste Bescheid vom 10. Februar 2006 und der mit dem verspäteten Widerspruch angegriffene Bescheid vom 5. Februar 2010
rechtmäßig und könnten in Überprüfungsverfahren nicht aufgehoben werden.
Der Kläger hat am 27. Juli 2010 Klage erhoben und vorgetragen, dass eine Bewirtschaftung oder eine landwirtschaftliche Nutzung
seiner Fläche nicht erfolge. Das Grundstück werde lediglich ein- bis zweimal jährlich gemäht. Seit Mitte 2011 habe er das
Mähen jedoch eingestellt. Seither erfolgten keine pflegerischen Maßnahmen mehr, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die
Versicherungspflicht nicht mehr gegeben sei.
Der Kläger hat beantragt,
"1.
den Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 aufzuheben,
2.
festzustellen, dass der Kläger nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung ist."
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden bezogen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (S 9 U 36/10 ER) den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides vom 5. Februar 2010 abgelehnt.
Es hat mit Urteil vom 27. Juni 2012 die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei als landwirtschaftlicher Unternehmer
beitragspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung und die Beklagte ziehe ihn daher zu Recht zu Beitragszahlungen in
der gesetzlichen Unfallversicherung heran. Durch das Mähenlassen der Grünfläche habe der Kläger ein Unternehmen im Sinne der
gesetzlichen Unfallversicherung begründet. Das Abmähen der auf seiner Grünfläche wachsenden Pflanzen sei eine den Boden bewirtschaftende
Tätigkeit; diese Tätigkeit sei landwirtschaftlicher Natur. Soweit der Kläger die Feststellung begehre, dass er nicht versicherungspflichtig
in der gesetzlichen Unfallversicherung sei, sei die Klage unzulässig. Die Berufung hat das Sozialgericht nicht zugelassen.
Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. September 2012 zugestellt worden.
Auf den Antrag des Klägers vom 18. Oktober 2012 hat der Senat mit Beschluss vom 28. Februar 2013 das Urteil des Sozialgerichts
vom 27. Juni 2012 geändert und die Berufung zugelassen (L 8 U 253/12 NZB).
Der Kläger trägt weiterhin vor, durch das Abmähen seiner Wiese sei er nicht landwirtschaftlicher Unternehmer. Im Übrigen habe
er seit Juni 2011 das Mähen der Wiese dauerhaft eingestellt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 27. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juni
2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 zu verpflichten, den Aufnahmebescheid vom 10. Februar 2006 und
den Beitragsbescheid vom 5. Februar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 aufzuheben und festzustellen,
dass er - der Kläger - nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe des angegriffenen Urteils. Darüber hinaus führt sie aus, dass die Einstellung des Abmähens
der Wiese den Kläger nicht von der Beitragspflicht befreie. Erst wenn eine Fläche nachweislich Brachland sei, liege keine
landwirtschaftliche, unternehmerische Tätigkeit mehr vor.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihren Bescheid vom 25. Februar 2013 eingereicht, mit dem der Kläger für das Jahr 2012
zu einem Beitrag zur Berufsgenossenschaft in Höhe von 85,56 EUR herangezogen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat in dem angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass der Feststellungsantrag unzulässig sei, denn
der Kläger könne vorrangig seine Rechte im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen. Hinsichtlich der Frage,
ob er aufgrund der Einstellung der pflegerischen Maßnahmen seit Mitte 2011 noch der gesetzlichen Unfallversicherungspflicht
unterliege, sei jedoch kein Vorverfahren durchgeführt worden. Die Feststellungsklage sei aber subsidiär. Zwecks Vermeidung
von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen gemäß §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.
Auch im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied
der Beklagten sei und Mitgliedsbeiträge zu zahlen habe. Der Bescheid vom 8. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 15. Juli 2010 verletze ihn daher nicht in seinen Rechten, denn die früheren Beitragsbescheide seien nicht aufzuheben.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen.
Im Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 ist ausgeführt, dass die Beklagte die zuständige Berufsgenossenschaft für das landwirtschaftliche
Unternehmen des Klägers sei und der Beitragsbescheid vom 5. Februar 2010 rechtmäßig sei. Gegenstand des Überprüfungsverfahrens
nach § 44 SGB X sind daher der erstmalige Bescheid vom 10. Februar 2006 und der Beitragsbescheid vom 5. Februar 2010. Diese Bescheide sind
nicht zu beanstanden, denn der Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied bei der Beklagten.
Das folgt aus §
136 Abs.
1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (
SGB VII), wonach der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer
feststellt und diesen zu Beiträgen heranzieht.
Der Kläger ist mit seiner Wiese, die mehrmals im Jahr gemäht wird, als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten
und unterliegt der Beitragspflicht.
Gemäß §
2 Abs.
1 Nr.
5a SGB VII sind kraft Gesetzes unfallversichert Personen, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind, wenn für das
Unternehmen eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist. Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens
wird in §
123 Abs.
1 Nr.
1 bis 8
SGB VII angeführt, der die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft im Einzelnen regelt. Diese ist gemäß §
123 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII u. a. zuständig für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues. Der Begriff des Unternehmens
wird selbst nicht in §
123 SGB VII definiert; er wird vom Gesetz vorausgesetzt und von der Rechtsprechung ausgefüllt.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist von einem weiten unfallversicherungsrechtlichen Begriff des "landwirtschaftlichen Unternehmens" auszugehen. So hat das
BSG in seinem Urteil vom 18. Januar 2011 (B 2 U 16/10 R, [...] Rn. 15) - noch auf der Grundlage der Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) - festgestellt, dass ein "landwirtschaftliches Unternehmen" nicht nur dann vorliege, wenn der Unternehmer einen landwirtschaftlichen
Betrieb oder eine landwirtschaftliche Einrichtung führe. Landwirtschaftlicher Unternehmer sei vielmehr auch, wer als Besitzer
von Grundstücken (Eigentümer, Pächter, Nießbraucher oder sonstiger Nutzer) auf eigene Rechnung Tätigkeiten verrichte oder
verrichten lasse, durch die mit dem Boden in irgendeiner Weise gewirtschaftet werde (so auch bereits BSG, Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 42/99 R -, [...] Rn. 16 m.w.N.).
In der o. a. Entscheidung vom 18. Januar 2011, in der die Mitgliedschaft des dortigen Klägers in der landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaft im Hinblick auf das zweimal jährliche Abmähen seines 0,4163 ha großen Wiesengrundstücks bejaht worden
ist, hat das BSG dazu insbesondere ausgeführt, das Abmähen der auf einem Grundstück gewachsenen Pflanzen sei (wie deren Anbau und die Bearbeitung
des Bodens zwecks Pflanzenanbaus) eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Zur Bodenbewirtschaftung zähle nicht nur die
Bestellung des Bodens durch Säen oder Pflanzen und seine Bearbeitung durch z. B. Pflügen, Düngen oder Bewässern. Sie umfasse
vielmehr sämtliche Tätigkeiten, die dem Abschneiden von Bodengewächsen oder der Gewinnung von Bodenerzeugnissen dienten. Unerheblich
sei, ob die Bodenerzeugnisse auf einer Aufzucht beruhten und zu welchem Zweck sie gewonnen würden. Auch das Mähen von Gras
zur Heugewinnung ohne weitere Verwendung des Heus gehöre damit zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1971 - 7/2 RU 124/67 - BSGE 32, 211, 212 = SozR Nr. 1 zu § 815
RVO; Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 16/10 R -, [...] Rn. 16). Im Einklang damit hatte bereits das Bayerische Landessozialgericht durch Urteil vom 21. Februar 2006 (L 17 U 253/04, [...] Rn. 31) entschieden, dass Land bewirtschaftet werde, wenn eine Wiesenfläche ein- bis zweimal im Jahr gemäht und das
gemähte Gut liegengelassen würden.
Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18. Januar 2011 weiter herausgestellt hat, macht der bloße Besitz eines
Grundstücks mit Pflanzenbewuchs also den Eigentümer, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten noch nicht zum landwirtschaftlichen
Unternehmer. Die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung werde, soweit kein Betrieb, keine Einrichtung
und keine Verwaltung geführt werde, erst durch die Verrichtung einer bodenbewirtschaftenden Tätigkeit begründet, die ihrer
Art nach eine unfallversicherte Tätigkeit sein könne (BSG, a.a.O. Rn. 16).
Eine solche bodenbewirtschaftende Tätigkeit ist hier - ausgehend von den eigenen Angaben des Klägers - zu bejahen. Die 0,71
ha große Grasfläche des Klägers wird nach seinen eigenen, wiederholten Angaben mehrmals im Jahr gemäht.
Der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens knüpft nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer
organisatorischen Einheit an und setzt weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit
voraus (BSG, Urteile vom 5. August 1976 - 2 RU 189/74 -; vom 28. September 1999 - B 2 U 40/98 R -, vom 18. Januar 2011 - B 2 U 16/10 R -, jeweils bei [...]). Anders als nach § 1 Abs. 3 des bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Gesetzes über eine Altershilfe
für Landwirte (GAL) kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch nicht darauf an, dass das Unternehmen nach
seiner Art und Größe eine Existenzgrundlage bilden kann. Vielmehr sei in der gesetzlichen Unfallversicherung jede Tätigkeit
geeignet, ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen. Dieser weite unfallversicherungsrechtliche
Begriff des Unternehmens gelte auch für die landwirtschaftliche Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 16/10 R -, [...] Rn. 13).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Danach ist Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt,
das die Mindestgröße erreicht (Abs. 2 Satz 1). Zur erforderlichen Bodenbewirtschaftung gehören diejenigen wirtschaftlichen
Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen
ausübt (Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1). Die vorgenannten Regelungen im ALG sind bei der Feststellung eines landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung aber nicht
anwendbar. Das ALG ist mit Wirkung zum 1. Januar 1995 eingeführt worden (Agrarsozialreformgesetz 1995 vom 29. Juli 1994, BGBl. I, 1890). Eine
§ 1 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 ALG entsprechende Regelung sah das GAL nicht vor. Obwohl durch Art. 8 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 zugleich auch das Dritte Buch der
RVO über die gesetzliche Unfallversicherung geändert worden ist, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, ausdrücklich oder durch
Verweisung auf das ALG jene Definition des Begriffs der Bodenbewirtschaftung in das Unfallversicherungsrecht des
Dritten Buches der
RVO zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 16/10 R -, [...] Rn. 17 und 18).
Die vorstehenden Überlegungen, die der Senat für sachgerecht, in sich widerspruchsfrei und überzeugend hält, und denen er
vollumfänglich folgt, finden auch Anwendung auf die Regelungen nach dem hier maßgeblichen
SGB VII; denn an die Stelle der bis zum Jahre 1996 geltenden §§ 792 i.V.m. 658 Abs. 2 Nr. 1, § 776 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 778
RVO sind zum 1. Januar 1997 die inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 121 Abs. 1, 123 Abs. 1 Nr.
1 und Abs.
2 sowie §
136 Abs.
3 Nr.
1 SGB VII getreten (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 18 Januar 2011 - B 2 U 16/10 R -, [...] Rn. 24).
Auch nach diesen Grundsätzen ist die Nutzung des Grundstücks durch den Kläger als landwirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren
und er als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten.
Selbst wenn das Schnittgut nicht abgetragen, sondern zu Ballen gepresst und liegengelassen wird, reicht das nach den oben
genannten vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätzen als Form der Bodenbewirtschaftung aus.
Zu Gunsten des Klägers greift auch nicht die Ausnahmeregelung des §
123 Abs.
2 SGB VII ein. Danach sind von den landwirtschaftlichen Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ausgenommen Haus- und Ziergärten (Nr. 1)
und andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes, es sei denn, sie werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet oder ihre Erzeugnisse
dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt.
Eine Rückausnahme im Sinne des alternativ gefassten letzten Halbsatzes der vorstehenden Regelung ist bei der hier vorliegenden
Konstellation nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Klägers nicht gegeben.
Das Grundstück des Klägers ist nicht als Haus- und Ziergarten im Sinne von §
123 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII einzuordnen.
Hier ist die für die Haus- und Ziergärten regelmäßig anzunehmende Obergrenze von 2.500 qm nicht nur geringfügig, sondern deutlich
überschritten (s. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. November 2011 - L 3 U 138/10 -, [...], das im Einzelfall bei einer Überschreitung der Fläche von 2.500 qm um 65 bis maximal 100 qm noch einen Haus- und
Ziergarten im Sinne von §
123 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII bejaht hat).
Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist der Begriff des versicherungsfreien Haus- und Ziergartens gemäß §
123 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII im Zusammenhang mit der Regelung des §
5 SGB VII zu sehen, wonach Unternehmer landwirtschaftlicher Unternehmen im Sinne des §
123 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII - für den hier relevanten Zeitraum - bis zu einer Größe von 0,25 ha auf Antrag von der Versicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
5 SGB VII unwiderruflich befreit werden. Durch diese Regelung hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass mit zunehmender
Größe der bewirtschafteten Fläche auch das Unfallrisiko ansteige und bei einer Flächengröße von über 2.500 qm generell von
einem so hohen Unfallrisiko auszugehen ist, dass es des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung bedarf. Dieser Schutzgedanke
ist auch auf Flächen zu übertragen, die vom Flächeninhaber selbst an sich nur als Haus- und Ziergarten genutzt werden sollen.
Dieses gilt insbesondere, da einzelne in einem Haus- und Ziergarten anfallende Tätigkeiten wie etwa das Abmähen einer Fläche
oder auch das Abernten von Ernteerzeugnissen sich nicht von Tätigkeiten unterscheiden, die auf einer landwirtschaftlichen
Nutzfläche verrichtet werden (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. Juli 2007 - L 18 B 191/07 U ER -, [...] Rn. 20).
Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr.
2 des §
123 Abs.
2 SGB VII liegen offensichtlich ebenfalls nicht vor; denn es handelt sich hier nicht um einen Kleingarten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG). Ein Kleingarten soll gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BKleingG, der gemäß Absatz 3 dieser Norm entsprechend für Eigentümergärten gilt, nicht größer als 400 qm sein. Diese Grenze wird durch das vom Kläger
genutzte Grundstück um ein Vielfaches überschritten.
Der Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens kann auch nicht entgegengehalten werden, dass lediglich ein geringfügiger
Arbeitsaufwand für die Bodenbewirtschaftung anfiele.
Selbst unter Geltung der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) sprach die Systematik der gesetzlichen Regelungen für die Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens in der landwirtschaftlichen
Unfallversicherung dafür, dass das Gesetz hinsichtlich aller anderen landwirtschaftlichen Unternehmen auch Zwergbetriebe bzw.
Kleinstunternehmen in die Zwangsversicherung endgültig einbezogen hat (BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 51/02 R -, [...] Rn. 21). Jedenfalls für die Zeit ab Inkrafttreten des
SGB VII zum 1. Januar 1997 besteht aber kein Bedarf mehr für eine so genannte Geringfügigkeitsgrenze, wenn also der Umfang der Bodenbewirtschaftung
nur eines geringfügigen Arbeitsaufwandes bedarf (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juli 2005 - L 17 U 1/05 -, [...] Rn. 25). Aufgrund der Herausnahme von Haus- und Ziergärten bzw. Kleingärten aus landwirtschaftlichen Unternehmen
durch §
123 Abs.
2 SGB VII und der nach §
5 SGB VII in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht - Verwaltungsvereinfachungsgesetz -
vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818, 825) eröffneten Möglichkeit, dass Inhaber landwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,12 ha (vom 1. Januar
1997 bis zum 29. März 2005) oder 0,25 ha (seit dem 30. März 2005) die Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
2 Abs.
1 Nr.
5 SGB VII beantragen können, ist für eine von der Rechtsprechung vorgesehene Korrektur des Begriffs des landwirtschaftlichen Unternehmens
durch eine so genannte Geringfügigkeitsgrenze kein Bedarf mehr (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juli 2005 - L 17 U 1/05 -, [...] Rn. 25; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Februar 2006 - L 17 U 253/04 -, [...] Rn. 34 und 35; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Juni 2010 - L 17 U 228/08 -, [...] Rn. 26).
Diese rechtliche Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass das Bundessozialgericht mit seinem Urteil vom 18. Januar 2011
(B 2 U 16/10 R, [...] Rn. 22) die Rechtsprechung aufgegeben hat, nach der es eine Geringfügigkeitsschwelle für ein verwahrlostes Wiesengrundstück
mit einer Fläche von 0,35 ha vorgesehen hatte, die lediglich zur Vermeidung von Samenflug von dem 15-jährigen Enkelsohn des
Klägers gemäht worden war (BSG, Beschluss vom 25. Oktober 1989 - 2 BU 99/89 -, [...]).
Die Unternehmereigenschaft des Klägers entfällt auch nicht aufgrund dessen, dass er sich der Hilfe Dritter bei der Bearbeitung
seines Grundstücks bedient. Unternehmer ist nach §
136 Abs.
3 Nr.
1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Dabei ist es unerheblich, ob einzelne
Arbeiten selbst oder von beauftragten Dritten durchgeführt werden (BSG, Urteil vom 5. Mai 1998 - B 2 U 30/97 R -, [...] Rn. 25). Auch in dem Fall, in dem der beauftragte Dritte (z. B. Lohnunternehmer) selbst gesetzlich unfallversichert
ist, bleibt die Unternehmereigenschaft im unfallrechtlichen Sinne davon unberührt. Um diese entfallen zu lassen, bedürfte
es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Eine solche ist jedoch nicht erfolgt. Auch der Begriff des landwirtschaftlichen
Unternehmens wird im
SGB VII unverändert verwendet (vgl. BT-Drucks. 13/2204 S. 104 zu §
123 Abs. 1). Es ist daher unerheblich, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben die Wiese von Pferdehaltern aus dem Dorf abmähen
lässt.
Dass der Kläger seine Fläche nach seinen Angaben seit 2011 nicht mehr mäht, hat für den hier maßgeblichen Zeitraum, Beitragspflicht
für die Jahre 2005 und 2009, keinerlei Auswirkungen, denn in diesen Zeiträumen wurde die Wiese noch gepflegt. Im Übrigen hat
das Bundessozialgericht in seinen Urteilen vom 23. September 2004 - B 10 LW 13/02 R - ([...] Rn. 18) und vom 5. Mai 1998 - B 2 U 30/97 R - ([...] Rn. 22 und 23) entschieden, dass ein landwirtschaftliches Unternehmen nur dann aus der Mitgliedschaft einer landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaft ausscheide, wenn ein Grundstück länger als fünf Jahre nicht mehr bewirtschaftet werde.
Nach §
150 SGB VII werden die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaft durch Beiträge der Unternehmer, die versichert sind oder Versicherte
beschäftigen, aufgebracht. Gemäß §
150 Abs.
1 Satz 2
SGB VII sind die nach §
2 SGB VII versicherten Unternehmer selbst beitragspflichtig, demzufolge auch der Kläger.
Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der festgesetzten Beiträge für die hier relevanten Umlagejahre 2005 und 2009, rechtlich
zu beanstanden sein könnten, sind weder von dem Kläger benannt worden noch nach dem Akteninhalt zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen weder der Kläger noch der Beklagte des anhängigen Verfahrens zu den in §
183 SGG genannten Privilegierten gehört, werden nach §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§
184 bis
195 SGG finden keine Anwendung; die §§
154 bis
162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Gemäß §
154 Abs.
1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens; in diesem Fall mithin der Kläger.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die hier getroffene Entscheidung folgt ausdrücklich den Grundsätzen,
die durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgestellt worden sind.