Entscheidung bezüglich Unterhaltsrente über einen freiwillig gezahlten Betrag hinaus
Tatbestand:
Die am 06. Januar 1948 geborene Klägerin und der am 03. September 1937 geborene Beklagte haben am 12. Mai 1967 geheiratet,
leben seit Juni 1982 getrennt und sind seit dem 14. Juni 1984 geschieden. Bis einschließlich März 1992 hat der Beklagte an
die Klägerin monatlich 900,00 DM Unterhalt gezahlt, von April 1992 bis Dezember 1993 seine Zahlungen auf monatlich 797,50
DM ermäßigt und für die Zeit von Januar bis April 19914 im März 1994 eine Einmalzahlung in Höhe von 1.640,00 DM erbracht.
Die Klägerin leidet an einem organischen Anfallsleiden mit erheblicher Gehbehinderung. Der Grad der Behinderung beträgt 100
%. Sie hat keinen Beruf erlernt und ist während der gesamten Ehezeit nicht erwerbstätig gewesen. Bis zu ihrem Umzug in eine
eigene Wohnung in ... am 01. März 1994 hat sie bei ihrer Mutter in ... gewohnt und keine Sozialhilfe bezogen, weil die Mutter
eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat. Seit dem 01. März 1994 bezieht sie Hilfe zum Lebensunterhalt von der Stadt ...
.
Der Beklagte war ca. 30 Jahre Bauschlosser bei ..., zuletzt bei der Firma ... und ist seit dem 01. Januar 1994 arbeitslos.
Das Versorgungsamt hat durch Bescheide vom O8. März 1991 und vom 26. März 1993 den Grad seiner Behinderung auf 40 % festgesetzt
wegen Hals- und Lendenwirbelsyndrons, Bandscheibenschaden, Sehbehinderung, Kniegelenkarthrose beidseits, Kreislaufdysrequlation,
Schultergelenksentzündung, Leberzellschadens, Fettstoffwechselstörung und Übergewichts. Im Februar 1991 hat er die am 25.
Januar 1966 geborene ... aus der ... geheiratet, die zwei minderjährige Kinder in die Ehe mitgebracht hat und nicht erwerbstätig
ist.
Mit Urteil vom 28. Oktober 1993 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Essen-Borbeck den Beklagten antragsgemäß gemäß §
1572
BGB (Krankheit) verurteilt, an die Klägerin als Unterhaltsrückstand für die Zeit von September 1991 bis Juli 1992 insgesamt 3.991,05
DM und als laufenden Unterhalt ab August 1992 über freiwillig gezahlte 797,50 DM hinaus weitere 428,05 DM, "insgesamt 1.225,55
DM monatlich", zu zahlen.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten gemäß §
543
ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er in der Berufungsbegründung vom 26. Januar 1994 die
Verurteilung bis Dezember 1993 einschließlich hinnimmt und die Abweisung der Klage erstrebt, soweit er ab 01. Januar 1994
zur Zahlung von mehr als monatlich 410,00 DM verurteilt worden ist. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25. März 1994 klargestellt,
er habe in Berufungsantrag und Berufungsbegründung nicht zwischen freiwillig gezahltem Betrag und Spitzenbetrag differenziert,
weil laut Tenor des angefochtenen Urteils "insgesamt 1.225,55 DM" ausgeurteilt worden seien. Der Senat hat dem Beklagten mit
Beschluss vom 10. März 1995 nur eingeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt, nämlich für den Antrag, die Klage abzuweisen,
soweit er zur Zahlung von Unterhalt für die Zeit vom 01. Januar 1994 bis 31. Dezember 1994 von mehr als monatlich 730,00 DM
und und für die Zeit ab 01. Januar 1995 von mehr als monatlich 480,00 DM verurteilt worden ist. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für den Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 24. März 1995 aufgehoben, weil der Beklagte verschwiegen hatte, dass er
bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei der Firma ...-GmbH eine Abfindung in Höhe von 34.305,00 DM bekommen hat.
Der Beklagte hat ... im Senatstermin am 24. März 1995 gemäß §
333
ZPO nicht verhandelt. Durch Versäumnisurteil vom 24. März 1595 hat der Senat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Gegen
dieses Urteil hat der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt.
Der Beklagte trägt vor:
Seit dem 01. Januar 1994 beziehe er nur noch Arbeitslosengeld in Höhe von 441,00 DM wöchentlich, das seien im Monatsdurchschnitt
1.911,00 DM. Abzuziehen seien 31,00 DM Gewerkschaftsbeitrag sowie 20,00 DM Fahrtkosten zum Arbeitsamt und zu Vorstellungen
bei möglichen Arbeitgebern. Der 3/7-Bedarf von dem anrechenbaren Einkommen in Höhe von 1.860,00 DM errechne sich zwar mit
797,14 DM, doch verbleibe nach Abzug des Selbsthehalts, der mit 1.450,00 DM anzusetzen sei, weil er noch nicht dauerhaft erwerbslos
sei, ein Unterhaltsanspruch von 410,00 DM. Fiktive Einkünfte seien ihm nicht zuzurechnen, da er seine Arbeitsstelle durch
eine betriebsbedingte Kündigung verloren habe. Bisher habe er sich vergeblich um eine neue Arbeitsstelle bemüht. Mit der Firma
bestehe keine Abmachung über eine laufende Übergangsbeihilfe im Rahmen einer Vorruhestandsregelung. Für das Jahr 1993 habe
er zwar nach dem Bescheid des Finanzamtes vom 02. März 1994 eine Steuererstattung in Höhe von 3.273,85 DM bekommen sollen,
doch dieser Betrag sei sofort gepfändet worden, so dass er nicht einkommenserhöhend zugerechnet werden könne.
Er bestreite mit Nichtwissen, dass die Klägerin keine eigenen Einkünfte erziele, 150,00 DM für das Wohnen bei ihrer Mutter
habe aufwenden und die Mahlzeiten in der beschützenden Werkstatt A. habe selbst bezahlen müssen.
In der Einspruchsschrift trägt der Beklagte darüber hinaus vor:
Die im Januar 1994 an ihn gezahlte Abfindung in Höhe von 34.305,00 DM sei nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen in der
Weise, dass sie zur Auffüllung bis zur Höhe des vor der Kündigung erzielten Einkommens umgelegt werden könne. Er habe den
Abfindungsbetrag nämlich verbraucht, ohne dass dies unterhaltsrechtlich als schwerwiegendes, vorwerfbares Verhalten gewertet
werden könne. Nach Trennung und Scheidung habe er erheblichen Anschaffungsbedarf für Möbel und sonstige Hausratsgegenstände
gehabt und außerdem erhebliche Anwaltskosten gezahlt. Bei der Zeugin ... habe er Schulden in Höhe von 32.700,00 DM gehabt,
die er mit dem Abfindungsbetrag am 15. Januar 1994 beglichen habe. Die Klägerin müsse sich geldwerte Versorgungsleistungen
analog §
850 h
ZPO anrechnen lassen, weil sie mit dem Zeugen S. seit März 1994 eheähnlich zusammenlebe. Wenn die Mutter der Klägerin nicht dagegen
gewesen wäre, hätten die Klägerin und der Zeuge S. geheiratet.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und nach dem Antrag aus der Berufungsbegründung vom 26. Januar 1994 im Rahmen der durch Senatsbeschluss
vom 10 März 1995 bewilligten Prozesskostenhilfe zu erkennen.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 24. März 1995 aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, dass für die Zeit vom 01. März 1994 bis zur letzten
mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Zahlungen der Unterhaltsleistungen an das Sozialamt der Stadt D. erfolgen sollen.
Die Klägerin trägt vor.
Es bestehe unverändert ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 1.225,55 DM. Der Beklagte sei zwar am 31. Dezember 1993 arbeitslos
geworden, jedoch nicht durch eine arbeitgeberseitige Kündigung. Die Vorruhestandsregelung sei so gestaltet, dass er außer
dem laufenden Arbeitslosengeld noch Übergangsgelder erhalte, so dass er weiterhin 90 % seines bisherigen Nettoeinkommens beziehe.
Der Gewerkschaftsbeitrag und Fahrtkosten, würden bestritten. Zudem habe der Beklagte erhebliche Steuererstattungen bekommen.
Die behaupteten Erwerbsbemühungen würden bestritten. Der Selbstbehalt für den nicht erwerbstätigen Beklagten sei mit 1.250,00
DM zu bemessen. Die mit der Einspruchsschrift vom Beklagten eingeräumte Abfindung sei nicht zur Tilgung von Schulden bei seiner
Schwester verwandt worden. Der nicht konkrete, im höchsten Maße unglaubwürdige Vortrag dazu werde bestritten. Dies gelte auch
für die Behauptungen zu den Möbelanschaffungen; denn der Beklagte habe im Jahre 1994 den kompletten Hausstand behalten und
zusätzlich nach dem Tod der Schwiegermutter deren gut erhaltene Möbel geschenkt bekommen. Zudem beruhten die Anschaffungen
auf einer ganz normalen Erneuerung von Hausratsgegenständen, die nur eine begrenzte Lebensdauer hätten. Die Behauptung eines
eheähnlichen Zusammenlebens mit dem Rentner S. sei absurd; Herr S. sei Eigentümer des 6-Familienhauses in ... und ihr Vermieter.
Die Zeugin ... habe mit ihrer Schwiegermutter nicht über angebliche Heiratspläne gesprochen; denn die Zeugin ... und ihre
Schwiegermutter ... seien verfeindet und sprächen schon seit Jahren kein Wort miteinander.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst der überreichten
Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 10. März 1995 gemäß §
377 Abs.
3
ZPO Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des Zeugen ..., der unter dem 20. März 1995 an Eides statt erklärt
hat, dass der Beklagte im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine einmalige
Abfindung in Anlehnung an die §§ 9, 10
KSchG und
3
EStG in Höhe von DM 34.305,00 brutto erhalten habe und mit Zahlung dieser Abfindung alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten
seien.
Der Senat hat die Parteien angehört und die Zeugin ... vernommen. Es haben erklärt:
Der Beklagte:
Mitte Januar 1994 habe er an seine Schwester ... von der Abfindung 32.700,00 DM zur Tilgung von Schulden gezahlt. Der Ehemann
der Schwester sei Bezirksschornsteinfegermeister. Seine Schwester arbeite im Rahmen eines sozialversicherungsfreien Einkommens
bei ihrem Mann. Der Schwager habe ein sehr gutes Einkommen und bewohne ein eigenes Haus. Er wisse nicht, wieviel sein Schwager
verdiene, und auch nicht, ob die geliehenen 32.700 DM seine Schwester allein zur Verfügung gehabt habe oder ob ihr Mann ihr
das Geld gegeben habe, das er, der Beklagte, dann von ihr bekommen habe. In kleineren Beträgen habe er im Laufe der Zeit von
seiner Schwester 10.000 DM bekommen. Diese 10.000 DM seien auch in den Kauf von Hausrat geflossen. Wenn seine Schwester bemerkt
habe, dass er knapp bei Kasse gewesen sei, habe sie ihm mal 50 DM oder 100 DM gegeben. Seine Schwester habe ihm ein Limit
gesetzt. Jetzt habe er schon wieder 8.000 DM Schulden bei seiner Schwester, und zwar bei einem Limit von wieder 10.000 DM.
Ihm fehle das Geld zum Leben, es würden ihm alle vierzehn Tage 168 DM gepfändet. Über die früher geliehenen 10.000 DM gebe
es nichts Schriftliches. Außer den 10.000 DM habe ihm seine Schwester im Juni 1993 den Betrag in Höhe von 22.700 DM geliehen.
Da habe er schon gewusst, dass er einen größeren Geldbetrag mit seinem Ausscheiden bei ... bekommen werde, so dass für ihn
und seine Schwester klar gewesen sei, dass dieses Geld ihm nur für etwa ein halbes Jahr geliehen werde. Benötigt habe er die
22.700 DM für seinen Freund ..., der inzwischen verstorben sei, sei ein Junggeselle mit ziemlich viel Geld gewesen. Er sei
sein Freund und Arbeitskollege gewesen, mit dem er seit 1982, obwohl er selbst nur Schulden gehabt habe, immer wieder Urlaubsreisen,
und zwar Fernreisen gemacht habe. Für die Urlaubsreisen habe ... ihm Beträge von jeweils 2.000 DM bis 6.000 DM geliehen. Es
habe zwei Blätter Papier gegeben, auf denen die geliehenen Beträge verzeichnet gewesen seien, und zwar jeweils mit seiner
Quittung. Nachdem er die Schuld bei ... beglichen gehabt habe, hätten ... und er diese beiden Blätter zerrissen, da ja alles
erledigt gewesen sei. Auf den beiden Blättern habe er durch seine Unterschrift die Einzelbeträge quittiert gehabt. B. sei
57 Jahre alt gewesen und habe im Vorruhestand gelebt. Er habe die 22.700 DM auf einmal zurückhaben wollen, da er in der Dominikanischen
Republik eine Frau kennen gelernt habe, sich dort auf Dauer habe niederlassen und ein Haus habe bauen wollen. ... sei in der
... verstorben. Zu dieser Zeit sei er selbst auch dort gewesen und habe bei seiner Schwiegermutter gewohnt. Seine jetzige
Ehefrau habe er 1990 im Urlaub in der ... kennen gelernt. Er lebe nicht über seine Verhältnisse. Er habe einen vierzehn Jahre
alten Opel Kadett, der erst 66.000 km gelaufen habe, weil er wenig fahre. Seine Ausgaben für Hausrat und Möbel habe er zusammengestellt
und die Zusammenstellung nebst Belegen mit Schriftsatz vom 28. März 1995 überreicht. Die Matratzen habe er ersetzen müssen,
weil seine geschiedene Frau eingenässt habe, da sie angeblich krank sei. Seine Schwester habe ihm Geld für den Hausrat gegeben
und zum Begleichen der Rechtsanwaltsrechnungen. Aus den laufenden Einkünften könne er das alles nicht bezahlen und habe schon
wieder mehr als 8.000 DM Schulden bei seiner Schwester machen müssen.
An der Schelle der Klägerin habe in ... "1 x und ... 2 x" gestanden. Der Zeuge ..., der heute anwesend sei, sei nicht der
gemeinte Zeuge. Zum letzten Termin sei der richtige Mann mit der Klägerin gekommen, aber wie der heiße, wisse er nicht. Auch
seine Behauptung zur beabsichtigten Heirat der Klägerin beziehe sich auf den Mann, der im letzten Verhandlungstermin mit ihr
gekommen sei.
Die Klägerin:
Bei ihrer Trennung habe ihr Mann den Hausrat behalten. Sie selbst habe nur die Bettwäsche bekommen.
Seit dem 01. März 1994 wohne sie in ..., in einem Sechs-Familienhaus. Der Zeuge ... sei ihr Vermieter, den sie zuvor nicht
gekannt habe. Sie habe keine persönlichen Beziehungen zu dem Zeugen ... und duze ihn auch nicht. An die Wohnung sei sie durch
eine Zeitungsanzeige gekommen. Die Mietzahlungen erfolgten durch das Sozialamt. Sie erbringe für den Zeugen ... keine Dienstleistungen
und wüsste auch nicht, aus welchem Grunde sie das machen sollte. Den Zeugen ... grüße sie und gehe ihre Wege. Die Schellenbeschriftung
sei früher so gewesen, aber der Zeuge ... habe das wegen der Verhandlung vor Gericht ändern lassen. Schon bei ihrem Einzug
sei die Schelle so beschriftet worden, wie ihr geschiedener Mann behaupte. Das habe technische Gründe, da es wohl nur eine
Schellenleitung gebe; denn sie wohne im Hinterhaus und der Zeuge ... im Vorderhaus. Sie hätten einen gemeinsamen Flur, aber
jeder eine eigene Wohnungstür. Es könne sein, dass Vorder- und Hinterhaus früher mal als eine Wohneinheit genutzt worden seien.
Ausflüge oder Urlaubsfahrten habe sie zusammen mit dem Zeugen ... nicht gemacht. Heute zum Verhandlungstermin seien sie zusammen
mit dem Zug gekommen, eine weitere Person sei nicht mitgekommen.
Die Zeugin:
Eine Beziehung zu einem Mann habe die Klägerin schon. Ob diese aber eheähnlich sei, dazu könne sie nichts sagen. Den Mann
habe sie mal kennen gelernt. Sie meine, das sei vor Jahren gewesen am zweiten Weihnachtstag bei ihrer Schwiegermutter, der
Mutter der Klägerin. Bei dieser Gelegenheit habe die Klägerin einen Mann vorgestellt. Der Beklagte habe ihr gesagt, er habe
sich in ... informiert, ob die Klägerin mit einem Freund zusammenwohne. Sie habe von ihrer Tochter und deren Mann so etwas
gehört, aber selbst habe sie wenig Kontakt mit der Klägerin und könne aus persönlicher Kenntnisnahme nichts dazu sagen. Die
Klägerin habe sie erbost angerufen, weshalb sie etwas zu ihren Lebensverhältnissen sagen könne. Bei dieser Gelegenheit habe
die Klägerin ihr gesagt, der Vermieter ... sei nicht der Bekannte, sondern ein ganz anderer Mann. Ihre, der Zeugin, Schwiegermutter
habe den Beklagten "alle", nämlich fertig gemacht. Das habe diese ihr anlässlich der Scheidung gesagt. Sie wisse das noch
ganz genau, weil sie das so betroffen gemacht habe. Die Schwiegermutter habe ihr auch die Sache mit dem Geld am Muttertag
1994 erzählt. Der Freund der ... (der Klägerin) sei an das Sparbuch der Schwiegermutter gegangen; es hätten 10.000 oder 15.000
DM gefehlt. Von diesem Freund solle sich die Klägerin aber getrennt haben. Die ganze Sache habe wohl auch im Zusammenhang
mit dem Umzug der Klägerin gestanden. Der Beklagte habe Schwierigkeiten mit der Schwiegermutter gehabt. Er habe zu ihr mal
"Hexe" gesagt, da habe er nicht mehr zu ihr gedurft. Die Schwiegermutter habe ihr mal gesagt, ihre Tochter (die Klägerin)
solle den Beklagten nicht heiraten, der sei ja schon geschieden. Sie, die Zeugin, habe dem Beklagten ihre Hilfe angeboten,
aber der habe abgelehnt, weil er sie nicht dazwischen haben wollte. Sie, die Zeugin, sei zu dieser Zeit schon verheiratet
gewesen. ..., die Klägerin, sei damals schon immer krank gewesen. Die Planung der Schwiegermutter sei so gewesen: ... sollte
durch die Ehe versorgt sein, aber wenn sie, die Schwiegermutter, Rentnerin und hilfsbedürftig würde, sollte ... wieder bei
ihr sein. Zusammenfassend könne sie zum Beweisthema nur sagen, sie wisse konkret nicht, ob die Klägerin jetzt mit einem anderen
Mann, zusammenlebe. Mit der geschilderten Vorgeschichte habe sie nur deutlich machen wollen, dass sie selbst den Eindruck
habe, dass der Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Mann in der "Planung" der Schwiegermutter schon eine Rolle gespielt
habe.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, wie durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 07. Dezember 1994 - XII ZB 112/94 - fest steht. In Abweichung zu der, in den früheren Beschlüssen dieses Verfahrens geäußerten Ansicht geht der Senat davon
aus, dass durch das angefochtene Urteil auch der freiwillig gezahlte Sockelbetrag tituliert ist. Der Bundesgerichtshof hat
nämlich unter II 2 b des genannten Beschlusses unter anderem ausgeführt: "Im vorliegenden Fall muss ... davon ausgegangen
werden, dass sich der Beklagte gegen den gesamten Spitzenbeitrag von 428,05 DM monatlich wendet. Er hat in dem angefochtenen
Urteil eine Titulierung nicht nur dieses Spitzenbetrages, sondern des nach Auffassung des Amtsgerichts insgesamt geschuldeten
Unterhaltsbetrages von 1.225,55 DM monatlich gesehen. Zu dieser Auffassung ist der Beklagte anscheinend aufgrund der Fassung
des Urteilstenors gelangt, die in der Tat Zweifel wecken mag, ob die Angabe des aus freiwilliger Leistung und Mehrbetrag zusammengesetzten
Gesamtbetrages von 1.225,55 DM außer einer rechnerischen Klarstellung nicht auch eine Erstreckung der Titulierung auf diese
Summe bedeutet. Auch wenn das mit dem Oberlandesgericht letztlich zu verneinen und nur der Spitzenbetrag als tituliert anzusehen
ist, so begründet diese Fassung des Tenors doch die Gefahr, von den Parteien oder auch von Vollstreckungsorganen missverstanden
zu werden. Diesem Missverständnis ist auch der Beklagte bei der Abfassung der Berufungsbegründung offensichtlich erlegen.
So legt er in der Begründungsschrift dar, während er an die Klägerin monatlich 900 DM Unterhalt gezahlt habe, habe diese ihn
im August 1991 aufgefordert, ab September 1991 monatlich insgesamt 1.225,55 DM zu zahlen. Das Familiengericht habe der Klage
"in vollem Umfange" stattgegeben. Es habe den Unterhaltsanspruch der Klägerin auf monatlich 1.404,43 DM bemessen und ausgeführt,
"der verlangte Betrag von 1.225,55 DM", liege darunter. ... Hiernach muss die Berufungsbegründungsschrift insgesamt dahin
verstanden werden, dass der Beklagte den Gesamtbetrag von 1.225,25 DM für tituliert gehalten und mit dem Begehren nach Herabsetzung
der Titulierung auf monatlich 410 DM sich gegen die über diesen Betrag hinausgehende Verurteilung gewandt hat ...".
Die Berufung des Beklagten hat in dem zuletzt verfolgten Umfange teilweise Erfolg, wie aus dem Tenor ersichtlich ist, und
führt demgemäß zur Abänderung des angefochtenen Urteils.
Dem Grunde nach steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt gemäß §§
1572,
1578
BGB, da von ihr vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit, nämlich ihres unstreitigen epileptischen Anfallsleidens, eine
Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Klägerin ist trotz des Sozialhilfebezugs ab dem 01. März 1994 und dem damit
verbundenen gesetzlichen Rechtsübergang nach § 91
BSHG n.F. weiterhin aktivlegitimiert. Rechtshängigkeit ist mit Erhebung, nämlich Zustellung der Klage am 4./7. Juni 1993, eingetreten,
so dass der Rechtsübergang nach §
265 Abs.
2 Satz 1
ZPO auf den Prozess keinen Einfluss hat. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 27. Februar 1995 dem Rechtsübergang, der mit Zahlung
der Sozialhilfe durch die Stadt ... den zum Monatsbeginn fälligen Unterhaltsbetrag des jeweils laufenden Monats erfasst, Rechnung
getragen.
Bei der Unterhaltsbemessung ist der Senat unter Differenzierung nach Zeitabschnitten von folgenden zur Beurteilung maßgebenden
Voraussetzungen ausgegangen:
Der Beklagte hat vom Arbeitsamt gemäß Bescheid vom 05. Januar 1994 ab 01. Januar 1994 wöchentlich 441,00 DM Arbeitslosengeld
erhalten und gemäß Bescheid vom 12. Januar 1995 ab 02. Januar 1995 wöchentlich 445,80 DM. Soweit dort Abzweigungen für die
Klägerin als Unterhaltsgläubigerin erfolgt sind, handelt es sich um eine Erfüllung des Unterhaltsanspruchs, die bei der Bedarfsfeststellung
nicht zu berücksichtigen ist.
Die Abfindung, die der Beklagte mit Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1993 von der Firma ... in ...
in Höhe von 34.305,00 DM erhalten hat, ist als Einmalzuwendung als Lohnersatz und damit als Arbeitseinkommen zu berücksichtigen
(Ziffer 2 Leitlinien zum Unterhaltsrecht der Familiensenate des Oberlandesgerichts Hamm, FamRZ 1992, 520). Der Zeuge ... hat die Abfindung zwar als Bruttobetrag bezeichnet, doch zugleich auf §
3
EStG verwiesen, in dem festgelegt ist, welche Einnahmen steuerfrei sind. Gemäß §
3 Nr. 9
EStG sind Abfindungen für den Beklagten bis zu einem Höchstbetrag von 36.000 DM steuerfrei, da er am 31. Dezember 1993 älter als
55 Jahre gewesen ist und sein Arbeitsverhältnis mehr als 20 Jahre bestanden hat. Den steuerfreien Bezug hat der Beklagte auch
nicht in Zweifel gezogen.
Angesichts des Alters des Beklagten und der Höhe seines Nettoeinkommens bis zur Arbeitslosigkeit ist eine Verteilung des Abfindungsbetrages
auf die Dauer von fünf Jahren, nämlich auf die Zeit vom 01. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1998 gerechtfertigt. Der am 03.
September 1937 geborene Beklagte ist am Endzeitpunkt 61 Jahre alt. Das Amtsgericht ist für den von den Parteien nicht angefochtenen
Zeitraum bis zum 31. Dezember 1993 von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von rund 3.443,00 DM
ausgegangen.
Der Vortrag des Beklagten bei seiner Anhörung hat zur Frage des "Verbrauchs" der Abfindung wenig Überzeugungskraft, zumal
seine Darlegungen auf dem Hintergrund zu würdigen sind, dass er bis zur schriftlichen Zeugenbekundung des Zeugen ... die
Tatsache der Abfindung verschwiegen hat. Entscheidend kommt es darauf jedoch nicht an; denn auch wenn man die Ausführungen
des Beklagten als wahr unterstellt, ist ihm die Abfindungssumme als fiktives Einkommen in dem genannten Zeitrahmen zuzurechnen.
In Zeiten unsicherer Leistungsfähigkeit wie zum Beispiel einer Arbeitslosigkeit darf ein höheres Einmaleinkommen nicht vergeudet
werden. Aber auch in einer Zeit eines ausreichenden Einkommens darf der Unterhaltsschuldner sich nicht mutwillig verschulden,
so dass seine Leistungsfähigkeit irgendwann einbricht. Die Notwendigkeit der Darlehensaufnahme von insgesamt 10.000 DM bei
seiner Schwester in kleineren Beträgen und für eine Hausraterneuerung kann nicht festgestellt werden. Soweit der billige Eigenbedarf
nicht unterschritten wird, hat ein Unterhaltsschuldner in der Situation des Beklagten mit dem erzielten Einkommen auszukommen.
Der Ersatzbedarf an Hausrat ist aus dem laufenden Einkommen zu decken. Die konkrete Begründung für die Ersatzbeschaffung im
Einzelfall hat der Beklagte bis auf den Ersatz der Matratzen nicht dargelegt. Soweit der Beklagte mit 22.700 DM in Erwartung
der Abfindung bei seiner Schwester ein Darlehen aufgenommen und damit eine Schuld bei seinem Freund getilgt hat, hat er in
der Vergangenheit bewusst über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gelebt. Die Kosten für die Fernreisen konnte er
damals der Klägerin nicht entgegenhalten und kann dies mit Erfolg auch nicht für die Zeit ab Januar 1994, indem er sich auf
eine Umschuldung beruft. Da die Abfindung als Lohnersatz zu werten ist, und von dem Einkommen auszugehen ist, dass der Beklagte
hätte, wenn er in Arbeit stünde, gebührt dem Beklagten der Selbstbehalt in Höhe von 1.450,00 DM monatlich wie bei einem Erwerbstätigen.
Die Steuererstattung für 1993 in Höhe von 3.273,85 DM erhöht für die Zeit von Januar bis Dezember 1994 monatsanteilig das
Einkommen des Beklagten. Soweit er eine Pfändung dieses Betrages behauptet, fehlen die erforderlichen überzeugenden Belege.
Die zur Pfändung mit Schriftsatz vom März 1995 überreichten Anlagen beziehen sich auf den Unterhalt, so dass bezüglich der
Entscheidung über die Höhe des Unterhalts diese unerheblich sind.
Abzüge für Gewerkschaftsbeiträge oder Fahrtkosten sind von dem Einkommen des Beklagten nicht zu machen. Die geltend gemachten
Beträge sind von dem Beklagten nicht belegt.
Auf der Basis vorstehender Ausführungen errechnet sich der Bedarf der Klägerin wie folgt:
01. Januar bis 31. Dezember 1994:
Arbeitslosengeld 1.916,25 DM
(441,00 DM x 365/7 x 1/12)
+ anteilige Abfindung
34.305,00 DM x 1/60 571,75 DM
ergeben 2.488,00 DM
Steuererstattung 272,82 DM
3.273,85 DM x 1/12
Gesamteinkommen des Beklagten 2.760,82 DM
davon 3/7 als Bedarf der Klägerin 1.183,21 DM
(Leistungsfähigkeit des Beklagten
2.760,82 DM - 1.450,00 DM = 1.310,82 DM).
Zeitraum vom 01. Januar 1995
Arbeitslosengeld 1.937,11 DM
(445,80 DM x 365/7 x 1/12)
anteilige Abfindung 571,75 DM
34.305,00 DM x 1/60
Gesamteinkommen des Beklagten 2.508,86 DM
davon 3/7 als Bedarf der Klägerin 1.075,23 DM
Leistungsfähigkeit des Beklagten aber nur:
2.508,86 DM - 1.450,00 DM = 1.058,86 DM.
Eine Bedarfsdeckung bei der Klägerin durch Zurechnung fiktiven Einkommens entsprechend §
850 h Abs.
2
ZPO ist nicht festzustellen. Die Zeugin hat die in ihr Wissen gestellte Behauptung, die Klägerin lebe mit einem Mann zusammen,
nicht bestätigt. Auf die Vernehmung des erschienenen Zeugen hat der Beklagte verzichtet, da es sich um eine Personenverwechslung
gehandelt hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einem Dritten geldwerte Versorgungsleistungen erbringt, gibt
es nicht. Ebenfalls fehlt es an einem konkreten Tatsachenvortrag hinsichtlich bedarfsmindernder Leistungen seitens der beschützenden
Werkstatt. Soweit die Klägerin von ihrer Mutter insbesondere in der Zeit bis zu ihrem Umzug nach ... Zuwendungen erhalten
haben mag, sind diese nicht erfolgt, um den Beklagten unterhaltsrechtlich zu entlasten.
Soweit Abzweigungen vom Arbeitslosengeld an die Stadt ... ab 02. Januar 1995 in Höhe von wöchentlich 84,42 DM erfolgt sind,
handelt es sich um die Erfüllung des nach § 91
BSHG n.F. übergegangenen Unterhaltsanspruchs; dies ist wie die Pfändung der Steuererstattungsforderung für die Bemessung des Unterhalts
unerheblich. Die Überweisung des Unterhaltsrückstands für die Zeit von Januar bis April 1994 ist im Tenor berücksichtigt.
Die Nebenentscheidungen beruh auf §§
92,
97,
344,
708 Nr. 10
ZPO.