Krankenkassenzusatzbeitrag
Substantiierung eines Verfahrensmangels
Unspezifizierter Vortrag zu Verfahrensfehlern
Gerichtliche Aufklärungspflicht ohne konkrete Anhaltspunkte
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen den von der beklagten Krankenkasse
erhobenen Zusatzbeitrag.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer LSG vom 26.11.2013 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels trotz seines umfänglichen Vorbringens entgegen
§
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 4.2.2014 auf die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels und der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
1. Ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2,
81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52
SGG). Nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 S 1
SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu §
162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung
darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens
wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden
Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene
Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
a) Der Kläger trägt vor (S 1 ff der Beschwerdebegründung), er habe mehrfach gegenüber dem LSG beantragt, Beweis zu erheben
über seine Behauptung, bei der Erhebung des Zusatzbeitrags der Beklagten betrage der "Zahlungsausfall" bzw das "Vollzugsdefizit
nahe 100 %". Mit Schriftsatz vom 18.2.2012 habe er beantragt, es sei Beweis zu erheben, 1. "wie hoch die Vollzugsdefizite
beim Zusatzbeitrag in den Jahren 2010 und 2011 bei der Beklagten waren, durch (ggf. schriftliche) Auskunft des Vorstandes
der Beklagten" und 2. "welche konkrete Maßnahmen die Beklagte zur Verminderung des Vollzugsdefizit beim Zusatzbeitrag unternahm".
Dieser Antrag sei nochmal vertieft worden im Schriftsatz vom 15.11.2012. Dort habe er ausgeführt: "Es ist daher geboten, über
die Höhe des Vollzugsdefizits Beweis zu erheben, indem die komplette Buchführung der Beklagten für den Streitzeitraum in der
mündlichen Verhandlung durch das Gericht im Beisein des Klägers gesichtet wird. Zudem sind sämtliche andere Krankenkassen,
die den Zusatzbeitrag erhoben haben, bezüglich ihrer Zahlungsausfälle zu untersuchen, z.B., indem diese zunächst vom Gericht
angeschrieben werden und ggf. anschließend in der mündlichen Verhandlung ihre eigene Buchführung für den Streitzeitraum vorzulegen
haben." Diesen Beweisantrag habe er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten, indem er ausweislich
der Sitzungsniederschrift beantragt habe: "Die Beklagte soll konkret über den Einnahmeausfall (Soll/Ist) Auskunft erteilen,
diese Auskunft notfalls durch Vorlage der Buchführung oder entsprechender Unterlagen, wo diese Zahlen ersichtlich sind, belegen."
Zu Unrecht sei das LSG diesem Antrag nicht nachgekommen. Insbesondere handele es sich nicht um einen Ausforschungsbeweisantrag.
Da die Beweisaufnahme seine Behauptung eines "Zahlungsausfalls" bzw "Vollzugsdefizits nahe 100 %" belegt hätte, hätte er in
der Sache auch Erfolg gehabt.
Der Kläger hat damit eine unzureichende Sachaufklärung durch das LSG mit Blick auf §
160 Abs
1 Nr
3 Halbs 2 iVm §
103 SGG nicht in einer Weise dargestellt, dass sich der Verfahrensmangel bei Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdebegründung
allein aus dieser schlüssig ergibt. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht
ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses
der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen
können (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN).
Der Senat kann offenlassen, in welchem Umfang der Beschwerdevortrag des Klägers die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt.
Für einen schlüssigen Vortrag zum Vorliegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht fehlt es jedenfalls an der Darlegung,
dass sich das LSG zu einer Beweiserhebung über die Behauptung des Klägers, dass bei der Erhebung des Zusatzbeitrags der Beklagten
das "Vollzugsdefizit" bzw der "Zahlungsausfall" "nahe 100 %" liege, von seinem rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen
müssen. Denn der Kläger legt nicht dar, auf welche konkreten Erkenntnisquellen er diese Behauptung stützt. Das aber hätte
der Kläger in seiner Beschwerdebegründung aufzeigen müssen. Denn stellt ein Beteiligter für das Vorliegen eines bestimmten
Sachverhalts lediglich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" auf, brauchen die Tatsacheninstanzen solchen
Beweisantritten nicht nachzugehen. Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte besteht aber auch unter verfassungsrechtlichen
Erwägungen keine Verpflichtung (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03 - Juris RdNr 19; BSG Beschluss vom 5.2.2009 - B 13 RS 85/08 B - Juris RdNr 18).
Soweit der Kläger einen "Sachaufklärungsmangel wegen Nichtermittlung des Finanzbedarfs der Beklagten" geltend macht (S 9 der
Beschwerdebegründung), hat er bereits keinen bis zuletzt beim LSG aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS
des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG bezeichnet (zu diesem Erfordernis allgemein zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9).
b) Weiter macht der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) geltend. Eine solche Verletzung liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten
zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfGE 25, 137, 140) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können
(vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen
oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende
gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung
mehrerer vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f; 98, 218, 263; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 18 mwN). Andererseits liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn die Problematik bereits Gegenstand
von Äußerungen der Beteiligten des streitigen Verfahrens war (vgl zB BVerfG [Kammer] Beschluss vom 12.7.2006 - BVerfGK 8,
376; vgl auch BSG Beschluss vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - Juris RdNr 9) oder selbst in das Verfahren eingeführt wurde.
Der Kläger rügt (S 7 ff der Beschwerdebegründung), "ein Dialog" über den von ihm behaupteten Zahlungsausfall habe in der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG nicht stattgefunden. Auch sei das LSG überhaupt nicht darauf eingegangen, dass und warum es keine
Amtsermittlungspflicht hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Vollzugsdefizits gesehen habe. Vor der Entscheidung sei
er vom Berufungsgericht nicht darauf hingewiesen worden, dass es seinen "Beweisantrag bezüglich der Zahlungsausfälle bzw.
Vollzugsdefizite" als unzulässigen Beweisausforschungsantrag ansehe. Zudem habe das LSG sich nicht mit seinem Vorbringen beschäftigt,
dass die Nichtheranziehung des Arbeitgebers zum Zusatzbeitrag ein "Verstoß gegen die Halbteilung von Sozialversicherungsbeiträgen"
darstelle.
Damit hat der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) und auch die zugleich gerügte Verletzung der richterlichen Hinweispflichten, die sich für das sozialgerichtliche Verfahren
aus §
106 Abs
1 bzw §
112 Abs
2 S 2
SGG ergeben, nicht substantiiert dargetan. Denn zum einen ist schon nach seinem eigenen Vortrag die von ihm aufgeworfene Problematik
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, und zum anderen gebietet Art
103 Abs
1 GG die vom Kläger gewünschten Hinweise über die Rechtsauffassung des Gerichts noch vor der Entscheidung grundsätzlich nicht
(stRspr, vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - Juris RdNr 26; BVerfG [Senat] Beschluss vom 5.11.1986 - 1 BvR 706/85 - BVerfGE 74, 1, 6; BSG Beschluss vom 23.4.2009 - B 13 R 15/09 B - Juris RdNr 7; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 590). Dass insofern eine besondere Situation
vorgelegen hätte, die zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung ausnahmsweise einen vorherigen Hinweis des Gerichts auf
seine Rechtsauffassung geboten hätte, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Der Kläger trägt keine Umstände vor,
aufgrund derer er davon hätte überzeugt sein dürfen, dass das LSG von einem verfassungswidrigen Vollzugsdefizit ausgehen würde.
Dass sich das Berufungsgericht nicht seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Rechts- bzw Verfassungswidrigkeit des von der
Beklagten erhobenen Zusatzbeitrags angeschlossen hat, begründet keine Überraschungsentscheidung. Der Kläger verkennt, dass
das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör nur gebietet, dass das Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis
nimmt und in Erwägung zieht. Es verpflichtet das Gericht aber nicht zur ausdrücklichen und ausführlichen Bescheidung eines
jeden Vorbringens der Beteiligten in den Urteilsgründen (BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.3.2010
- 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN) und gibt einem Beteiligten auch keinen Anspruch darauf, mit seinem Vorbringen auch in der Sache Erfolg
zu haben, letztlich also "erhört" zu werden (vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).
c) Wenn der Kläger beanstandet, der Tatbestand des angegriffenen Urteils sei unvollständig (S 9 f der Beschwerdebegründung),
übersieht er, dass Unrichtigkeiten des Tatbestandes mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Verfahrensfehler geltend gemacht
werden können (stRspr, zB BSG Beschluss vom 2.9.2014 - B 9 V 17/14 B - Juris RdNr 7 mwN).
d) Soweit der Kläger das Fehlen von Entscheidungsgründen rügt, weil das LSG die Gründe für die unterbliebene Sachaufklärung
bezüglich der Zahlungsausfälle/Vollzugsdefizite nicht dargelegt habe (S 9 f der Beschwerdebegründung), hat er einen Verstoß
gegen die aus §
128 Abs
1 S 2 iVm §
136 Abs
1 Nr
6 SGG folgende Begründungspflicht nicht ausreichend bezeichnet. Nach §
128 Abs
1 S 2
SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, dass aus
den Entscheidungsgründen ersichtlich sein muss, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung
beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG SozR 1500
§ 62 Nr 16; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. Dass
das angefochtene Urteil zum vom Kläger geltend gemachten Vollzugsdefizit überhaupt keine Ausführungen enthält, behauptet er
nicht. Eine Entscheidung ist aber nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf
den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können,
behandelt hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen
Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (BSG Beschluss vom 22.1.2008 - B 13 R 144/07 B - Juris RdNr 7 mwN). Wenn der Kläger meinen sollte, eine sachgerechte Entscheidung sei ohne weitere Sachaufklärung über
den Umfang des von ihm behaupteten Vollzugsdefizits nicht möglich gewesen, rügt er aber nicht einen Verstoß gegen die Begründungspflicht
nach §
128 Abs
1 S 2 iVm §
136 Abs
1 Nr
6 SGG, sondern eine fehlende Sachaufklärung des LSG (§
103 SGG). Eine solche Sachaufklärungsrüge hat der Kläger - wie oben ausgeführt - aber nicht in einer der Zulässigkeitsanforderungen
entsprechenden Weise dargetan.
e) Soweit der Kläger die "formale Nichtigkeit des angefochtenen Bescheids vom 18.02.2010 durch Versendung mittels Infopost"
rügt (S 8 f der Beschwerdebegründung), wird damit kein Verfahrensfehler auf dem Weg zur Entscheidung des Berufungsgerichts
geltend gemacht (sog "error in procedendo"). Vielmehr wird hierdurch ein Fehler in der materiellen Rechtsanwendung ("error
in iudicando") gerügt, der als solcher nicht geeignet ist, die Revisionszulassung zu eröffnen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 16a).
f) Die Rüge des Klägers, das LSG habe sich "überhaupt keine Gedanken über die Revisionsgründe" gemacht und dadurch sein rechtliches
Gehör verletzt (S 10 der Beschwerdebegründung), ist nicht nachvollziehbar. Denn er nimmt in seiner Beschwerdebegründung selbst
Bezug auf S 7 des angefochtenen Urteils. Dort aber hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Revision wegen Nichtvorliegens
der Voraussetzungen des §
160 Abs
2 SGG nicht zugelassen werde. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass selbst wenn das LSG - anders als vorliegend erfolgt - einen
Urteilsausspruch über die Zulassung bzw Nichtzulassung der Revision unterlassen hätte, dies kein die Zulassung der Revision
rechtfertigender wesentlicher Verfahrensmangel gewesen wäre (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 52).
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
a) Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 9.3.2004 (2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 = NJW 2004, 1022) vorträgt, es sei "von solch einem verfassungswidrigen strukturellen Vollzugsdefizit bei der Beitragserhebung richtigerweise"
auszugehen (S 11 der Beschwerdebegründung), hat er bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Allein die Darstellung
der eigenen Rechtsansicht reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Grundsatzrüge nicht aus. Soweit der Kläger
sich auf das Urteil des BVerfG vom 9.3.2004 beruft, legt er zudem - anders als erforderlich - nicht dar, ob und inwieweit
diese zum Abgabenrecht ergangene Entscheidung, mit dem die Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren
in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 für verfassungswidrig erklärt wurde, auf das Beitragsrecht zu übertragen sei,
und zeigt im Übrigen auch nicht auf, welchen Voraussetzungen nach dieser Entscheidung des BVerfG im Einzelnen objektiv gegeben
sein müssten, um ein "strukturelles Vollzugsdefizit" annehmen zu können. Aber selbst wenn ein solches Vollzugsdefizit zu bejahen
wäre, müsste in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, dass dieses konkrete Auswirkungen auf die Beitragsforderung gegenüber
dem Kläger hatte. Auch hieran fehlt es. Vielmehr rügt der Kläger mit seiner pauschalen Behauptung, es sei vorliegend - schon
wegen Nichtbestreitens der beklagten Krankenkasse - von einem strukturellen Vollzugsdefizit auszugehen, die - vermeintliche
- inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann aber - wie oben bereits ausgeführt - eine Nichtzulassungsbeschwerde
nicht zulässig gestützt werden.
b) Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob ein per Infopost versandter 'Bescheid', der tatsächlich
dem Adressaten auch zuging, noch einen vollzugsfähigen Verwaltungsakt darstellt, wenn ein Bekanntgabewille diesbezüglich fehlt".
Auch hier hat der Kläger keine Rechtsfrage iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG formuliert. Zudem legt er nicht dar, ob Entsprechendes vom LSG im angegriffenen Urteil überhaupt in der in der Frage unterstellten
Weise festgestellt worden ist, die Fragestellung - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - also klärungsfähig ist. Überdies
hat der Kläger auch die Klärungsbedürftigkeit des von ihm aufgeworfenen Problemkreises nicht ansatzweise aufgezeigt. Er behauptet
nicht einmal, dass sich die Fragestellung nicht bereits aus dem Gesetz oder mit der zu dem hier problematisierten Themenkomplex
des Zustandekommens eines Verwaltungsakts bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG beantworten ließe.
c) Entsprechendes gilt für die vom Kläger formulierte Frage (S 12 der Beschwerdebegründung), "ob eine rückwirkende Satzungsänderung
und erst eine rückwirkende Genehmigung des Bundesversicheramtes eine unzulässige verfassungswidrige Rückwirkung darstellt".
Die Darstellung der eigenen Rechtsansicht ohne substanzvolle Auseinandersetzung mit einschlägiger, teilweise auch vom LSG
im angefochtenen Urteil zitierter Rechtsprechung des BVerfG zur aufgeworfenen Rückwirkungsproblematik reicht - wie oben bereits
ausgeführt - nicht aus, um die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung aufzuzeigen.
d) Soweit der Kläger vorträgt, das LSG habe die "Wirtschaftlichkeitsprüfung der Beklagten und damit zusammenhängend die Notwendigkeit
eines Zusatzbeitrages nicht geprüft" (S 12 der Beschwerdebegründung), formuliert er - anders als erforderlich - bereits keine
abstrakt-generelle Rechtsfrage.
e) Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit wegen
des Sonderkündigungsrechts trotz §
175 Abs.
4 SGB V vorliegt, weil der die Krankenkasse wechselnde Versicherte kein weiteres Sonderkündigungsrecht mehr besitzt" (S 12 f der
Beschwerdebegründung). Der Kläger verzichtet jedoch auf jegliche Ausführungen sowohl zur Klärungsbedürftigkeit als auch zur
Klärungsfähigkeit der formulierten Frage. Allein die bloße Behauptung, diese sei noch nicht geklärt, entspricht nicht ansatzweise
den oben genannten Darlegungsanforderungen einer Grundsatzrüge.
f) Substantiierte Ausführungen schon zur Klärungsbedürftigkeit fehlen auch bei den weiteren vom Kläger aufgeworfenen Fragestellungen
(S 13 der Beschwerdebegründung), "ob ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 GG vorliegt, wenn nicht alle Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben",
"ob der Zusatzbeitrag einen unzulässigen Sonderbeitrag darstellt",
"ob ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vorliegt, wenn einzelne Krankenkassen, wie die Beklagte, einen Zusatzbeitrag
erhebt, unabhängig vom Einkommen des Beitragspflichtigen".
Unabhängig davon, dass der Kläger auch hier keine hinreichend konkreten Rechtsfragen iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG formuliert hat, versäumt er bei seinen punktuellen Ausführungen zur - vermeintlichen - Verfassungswidrigkeit des von der
Beklagten erhobenen Zusatzbeitrags - anders als erforderlich - unter Einbeziehung und substantiierter Auswertung der einschlägigen
Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, die hierin entwickelten Anforderungen, insbesondere an die von ihm geltend gemachte
Gleichheitsprüfung am Maßstab des Art
3 Abs
1 GG darzustellen und im Wege einer streng hieran orientierten Prüfung konkret aufzuzeigen, woraus sich die Verfassungswidrigkeit
vorliegend ergeben soll (vgl dazu allgemein zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160a RdNr 14e mwN).
g) Schließlich hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob der schlichte Abdruck der Rechtsgrundlage auf der
Rückseite eines Bescheides zwischen vielem Kleingedrucktem dem §
175 Abs.
4 Satz 5 f.
SGB V genügt" (S 14 der Beschwerdebegründung). Damit hat der Kläger abermals bereits keine klärungsfähige Rechtsfrage formuliert.
Denn hierzu hätte er aufzeigen müssen, dass gerade ausgehend von dem für das Revisionsgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt
(§
163 SGG) notwendig über die vom Kläger formulierte Frage zu entscheiden sein wird und an welcher konkreten Stelle dies zu erfolgen
hat. Die Begründung schweigt bereits dazu, ob der von ihm in der Frage unterstellte Inhalt des Bescheids ("zwischen vielem
Kleingedruckten", "floskelartige Hinweise") mit dem vom LSG festgestellten Inhalt identisch ist.
Sofern der Kläger sich auf eine Divergenz in den vom ihm zitierten Entscheidungen der Instanzgerichte beruft (S 14 der Beschwerdebegründung),
bezeichnet er keine Abweichung iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG. Denn diese besteht nur, wenn das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht.
3. Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger entsprechend seiner Bitte um einen richterlichen Hinweis, falls weiterer Sachvortrag
erforderlich sei, vorab auf die Unzulänglichkeit seines Vortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt
in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG. §
106 Abs
1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde
ordnungsgemäß zu begründen (BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - Juris RdNr 10 mwN).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.