Krankenversicherung
Ablehnung einer kieferorthopädischen Behandlung
Fehlende Stellungnahme des MDK
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides, mit dem eine kieferorthopädische Behandlung
abgelehnt wurde. Mit dem am 29.05.2012 von Dr. med. dent. W. ausgestellten KFO-Behandlungsplan beantragte der im Jahr 2004
geborene Kläger eine kieferorthopädische Behandlung als Frühbehandlung bei einer KIG-Einstufung von K4. Nach Anforderung eines
Gutachtens der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern (KZVB) und Erstellung durch den Kieferorthopäden Dr.H., N., lehnte
die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 25.06.2012 ab. Ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK)
wurde nicht eingeholt. Den mit Schreiben vom 17.07.2012 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
18.10.2012 zurück. Derzeit liege keine KIG-Einstufung mit dem Grad 3 oder größer vor. Daher sei derzeit die kieferorthopädische
Behandlung medizinisch nicht notwendig. Es bestünde aber durchaus die Möglichkeit, dass sich mit dem Durchbruch weiterer bleibender
Zähne eine geänderte KIG-Einstufung ergeben könne. Hiergegen hat sich die am 19.11.2012 zum Sozialgericht Würzburg erhobene
Klage gerichtet mit dem Begehren der Übernahme der Kosten für die beantragte kieferorthopädische Behandlung. Nach Einholung
eines Befundberichts von Dr. med. dent. W. hat der Kläger bei der Beklagten einen neuen (vom ursprünglichen Behandlungsplan
abweichenden) KFO-Behandlungsplan vom 22.05.2013 eingereicht. Erneut hat die Beklagte kein Gutachten des MDK eingeholt. Diesem
Behandlungsplan hat die Beklagte mit Bescheid vom 31.07.2013 nach Einholung eines Gutachtens des einvernehmlich bestellten
Gutachters Dr.D., N., mit Einschränkungen zugestimmt. Hierin hat sie jedoch kein Anerkenntnis, sondern eine Entscheidung infolge
des Neuantrages aufgrund aktueller Kieferverhältnisse gesehen. Zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung hätten die Leistungsvoraussetzungen
nicht vorgelegen. Daraufhin hat der Kläger im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage beantragt festzustellen, dass die mit
Bescheid vom 25.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2012 durch die Beklagte vorgenommene Ablehnung
der kieferorthopädischen Behandlung des Klägers nach dem KFO-Behandlungsplan des Dr. med. dent. W. vom 29.05.2012 rechtswidrig
war. Der Kläger habe wegen der mehr als einjährigen Verzögerung erhebliche Schmerzen erlitten, was zu massiven Beeinträchtigungen
z.B. des Schlafes geführt habe. Er habe kaum essen können und sich nicht getraut, den Mund aufzumachen. Neben einem Druckgefühl
und Kopfschmerzen sei eine Zyste dazugekommen, in deren Folge drei Zähne gezogen werden mussten. Daher würden ihm Schadenersatz-
und Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Beklagten zustehen. Er habe zur Vorbereitung eines entsprechenden Prozesses ein
berechtigtes besonderes Interesse an der Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig gewesen sei. Daraufhin hat
das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens auf kieferorthopädischem Fachgebiet. Der gerichtliche Sachverständige
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. F., Direktor der Universitätspoliklinik für Kieferorthopädie der Universität H. ist in seinem
Gutachten nach Aktenlage zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Einstufung des Dr. med. dent. W. mit einem KIG-Grad von K4,
P3 und M4 anhand der vorliegenden Modelle vom 25.05.2012 bestätigen lasse. Zwar habe die zweite Phase des Zahnwechsels noch
nicht begonnen gehabt, jedoch habe ein Ausnahmefall vorgelegen. Die geplante kieferorthopädische Behandlung sei medizinisch
notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich gewesen. Die Beklagte hat das Gutachten als nicht vertretbar bezeichnet. Es handele
sich nicht um einen unabhängigen Sachverständigen. Sie hat hierzu eine Stellungnahme des Dr. H. vom 21.10.2014 vorgelegt.
Es bestehe zwischen Dr. med. dent. W. und Prof. Dr. med. Dr. med. dent. F. eine wirtschaftliche Abhängigkeit. So halte der
Sachverständige gelegentlich Kurse bei der u.a. von Dr. med. dent. W. geführten "XY-IG". Prof. F. hat hierzu Stellung genommen
und die Vorwürfe zurückgewiesen. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 23.01.2015 antragsgemäß entschieden und seine Entscheidung
im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. F. gestützt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht geltend,
dass das Gutachten von Prof. F. fehlerhaft sei. Man hätte ein Obergutachten auf das Gutachten von Dr. H. beantragen müssen
bei KZV bzw KZBV. Dies sei nicht erfolgt. Der Senat hat die Beklagte um Stellungnahme gebeten, auf welcher Rechtsgrundlage
Dr. H. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt worden sei. Hierauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 02.06.2017 geantwortet,
dass nicht Dr. H. sondern Prof. F. beauftragt worden sei. In der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 hat der Klägerbevollmächtigte
erklärt, dass vor dem Landgericht B-Stadt unter dem Aktenzeichen Y. eine Schadensersatzklage anhängig sei, mit welcher der
Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro geltend mache. Diese sei derzeit ausgesetzt im Hinblick auf das hier geführte
Berufungsverfahren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.01.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zur
Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§
151,
143 SGG) ist nicht erfolgreich. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2012 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2012, mit dem die Beklagte die kieferorthopädische Behandlung des Klägers nach
dem KFO-Behandlungsplan des Dr. med. dent. W. vom 29.05.2012 abgelehnt hat, rechtswidrig war und den Kläger in seinen Leistungsansprüchen
verletzt hat. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß §
131 Abs.
1 S. 3
SGG statthaft und zulässig. Der Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass sich der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2012 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2012 mit der Genehmigung des neuen (vom ursprünglichen Behandlungsplan abweichenden)
KFO-Behandlungsplanes vom 22.05.2013 während des Klageverfahrens auf andere Weise erledigt hat. Das in diesem Fall für die
Zulässigkeit geforderte (Fortsetzungs-) Feststellungsinteresse im Sinne des §
131 Abs.
1 S. 3
SGG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R, welches wohl nur ein "berechtigtes Interesse" im Sinne des §
55 SGG fordert) liegt mit der Vorgreiflichkeit zur Geltendmachung eines Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruches vor. Die diesbezügliche
Klage vor dem Landgericht B-Stadt (Az: Y.) ist ausgesetzt im Hinblick auf dieses Berufungsverfahren.
Gem. §
29 Abs.1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine
Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen
droht. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach §
92 Abs.1
SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in §
29 Abs.
1 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen. In den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische
Behandlung (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 226 vom 03. Dezember 2003, in Kraft getreten am 01. Januar 2004) wird in
Abschnitt B 2. festgelegt: Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gem. §
29 Abs.1
SGB V i.V.m. Abs.
4 gehört die gesamte kieferorthopädische Behandlung, wenn bei ihrem Beginn ein Behandlungsbedarf anhand der befundbezogenen
kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) - Anlage 1 zu den Richtlinien - festgestellt wird. Eine Einstufung mindestens
in den Behandlungsbedarfsgrad 3 der Indikationsgruppen ist dafür erforderlich. Beim Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt
ein Behandlungsbedarfsgrad KIG 4 vorgelegen (s.u.).
Die Beklagte hat die zunächst beantragte kieferorthopädische Behandlung zu Unrecht abgelehnt. Sie hat im Verwaltungsverfahren
unter Verstoß gegen §
275 Abs.
1 SGB V nicht den MDK mit der Begutachtung beauftragt. Stattdessen hatte sie sich am 05.06.2012 an die KZVB gewandt, die Herrn Dr.
H. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Feststellung der Leistungspflicht beauftragt hat. Es steht der Beklagten als gesetzlicher
Krankenkasse nicht frei, sich einen Gutachterdienst oder gar einen Gutachter persönlich auszuwählen, wenn es um die Prüfung
von Leistungspflichten im Bereich der Zahnmedizin geht. Denn seit der Errichtung des MDK mit dem Gesundheitsreform-Gesetz
(vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477 und S. 2606 m.W.v. 1. Januar 1989) ist diese Aufgabe per legem ausschließlich dem MDK zugewiesen.
§
275 Abs.
1 Ziff. 1
SGB V verpflichtet die Krankenkassen, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit
der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von
Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßem Abrechnung, eine gutachtliche
Stellungnahme des MDK einzuholen. Im Falle einer geplanten kieferorthopädischen Maßnahme zeigt bereits die Gesetzeshistorie,
dass hier allein der MDK zur Stellungnahme berechtigt ist. Nach §
275 Abs.
3 Nr.
1 SGB V a.F. konnten die Krankenkassen in geeigneten Fällen die medizinischen Voraussetzungen für die Durchführung einer kieferorthopädischen
Behandlung nach §
29 SGB V vom MDK prüfen lassen. Nachdem diese Regelung zu Auslegungsproblemen geführt hatte, inwieweit §
275 Abs.
1 Ziff. 1
SGB V auch eine gutachterliche Beurteilung der vertragszahnärztlichen Versorgung (§
73 Abs.
2 Nr.
2 SGB V) beinhaltet, wurde daher zur Klarstellung im GKV-Modernisierungsgesetz - GMG vom 14. 11. 2003 (BGBl. I S. 2190) m.W.v. 1. Januar 2004 § 275 Abs. 3 Ziff. 1 gestrichen: § 275 Abs. 1 Ziff. 1 regelt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers
umfassend die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst für die vertragszahnärztliche Versorgung, mithin auch für die kieferorthopädische
Versorgung (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/1525, S. 141).
Die Beklagte kann die Beauftragung eines Gutachters der kassenzahnärztlichen Vereinigung nicht auf den Bundesmantelvertrag
BMV-Z bzw. EKV-Z und das darin geregelte Gutachterwesen stützen. §
87 Abs.
1 SGB V bestimmt, dass im Bundesmantelvertrag auch die Regelungen, die zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung notwendig
sind, zu vereinbaren sind. Eine von §
275 SGB V abweichende Aufgabenzuweisung für die Begutachtung von Leistungsfragen ist hier nicht festgelegt. Vertragliche Vereinbarungen
auf der Grundlage von §
87 Abs.
1 a SGB V betreffen nicht kieferorthopädische Maßnahmen, sondern allein Zahnersatz. §
87 Abs.
1a SGB V legt den Mindestinhalt des Bundesmantelvertrags im zahnärztlichen Bereich im Zusammenhang mit der Umstellung der Zahnersatzversorgung
auf Festzuschüsse fest (Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl. 2016, §
87 SGB V, Rn. 42, 67). §
87 Abs.
1 a S. 5
SGB V bestimmt zwar, dass die Krankenkasse den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen
kann, trifft aber ebenfalls keine von §
275 Abs.
1 SGB V abweichende Regelung. Untergesetzliche Regelungen wie der Bundesmantelvertrag vermögen im Übrigen die in §
275 Abs.
1 SGB V getroffene Aufgabenzuweisung nicht abzuändern, da der Gesetzgeber hierfür keine entsprechende Ermächtigung erteilt hat. Dies
war auch den Vertragsparteien bewusst, denn der Bundesmantelvertrag BMV-Z regelt selbst in §
2 a Abs.
9 S. 2, dass die Bestimmungen der §§
275,
276 SGB V unberührt bleiben.
Die alleinige Zuständigkeit des MDK für die Begutachtung zahnmedizinischer Leistungsfragen folgt auch aus §
275 Abs.
1 i.V.m. Abs.
4 SGB V. Nach §
275 Abs.
4 SGB V sollen die Krankenkassen bei der Erfüllung anderer als der in Abs. 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den MDK
oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung
[ ...]. Daraus folgt, dass die Beauftragung eines anderen Gutachterdienstes in den Fällen der §
275 Abs.
1 bis
3 SGB V rechtlich ausgeschlossen ist. Im Übrigen spricht die Regelung von Gutachterdiensten, zu denen berufsständische Selbstverwaltungskörperschaften
wie die KZVen oder einzelnen Gutachter nicht zählen.
Die Krankenkassen können nach §
197 b SGB V zwar Dritte mit der Erledigung der ihnen obliegenden Aufgaben beauftragen. Die Begutachtung von Leistungsfragen ist aber
keine Aufgabe der Krankenkassen, sondern eine Aufgabe des MDK. Auch deshalb dürfen die Krankenkassen die Aufgabe der Begutachtung
zur Prüfung der Leistungspflicht nicht anderen Gutachterdiensten, berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaften oder gar
einzelnen Gutachtern übertragen.
Die zwingende Zuständigkeit des MDK ergibt sich zudem aus dem Willen des Gesetzgebers, wie auf die kleine Anfrage in BT-Drs.
18/2438 zu der Frage der Rechtmäßigkeit des Einsatzes Externer Hilfsmittelberaterinnen und Hilfsmittelberater in der BT-Drs.
18/2549 ausführlich dargelegt wurde. Der vorliegende Sachverhalt ist insoweit vergleichbar, als auch dort externe Gutachter
anstelle des MDK zum Einsatz kamen.
Das Gutachten von Dr. H. ist daher rechtswidrig zustande gekommen, auch unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.
Dies ist auch im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Andernfalls liefe der insbesondere aus Datenschutzgründen
vom Gesetzgeber zwingend vorgeschriebene Weg über den MDK ins Leere.
Der Einwand der Beklagten, man hätte ein Obergutachten auf das Gutachten von Dr. H. beantragen müssen bei der KZV bzw. KZBV
geht aus den dargelegten Gründen an der Rechtslage vorbei. Das Bundessozialgericht hatte mit Urteil vom 18. Mai 1989 (6 RKa 10/88 -, BSGE 65, 94-100, SozR 2200 § 182 Nr. 115) zur Rechtslage vor der Errichtung des MDK sinngemäß entschieden, dass ein Gutachten eines Dritten
nicht Entscheidungsgrundlage einer ablehnenden Leistungsentscheidung sein darf, wenn dieses Gutachten ohne rechtliche Grundlage
eingeholt worden ist. Bis zur Errichtung des MDK war die rechtliche Grundlage für die Begutachtung zahnmedizinischer Leistungsfälle
der BMV-Z bzw. EKV-Z. Die damalige Rechtsprechung des BSG lässt sich übertragen auf die Rechtslage nach Errichtung des MDK mit der Konsequenz, dass seither Gutachten zur Prüfung der
Leistungspflicht, welche nicht der MDK erstellt hat, nicht Grundlage einer ablehnenden Leistungsentscheidung sein dürfen.
Nach dem ausführlichen, 43 Seiten umfassenden, schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. med. Dr. med. dent. F.
vom 15.08.2014 hatte der Kläger einen Anspruch auf die beantragte kieferorthopädische Behandlung. Es bestand bei dem Kläger
zum maßgeblichen Zeitpunkt ein KIG-Grad von K4, P3 und M4. Es lag deshalb ein Ausnahmefall für eine kieferorthopädische Frühbehandlung
vor. Die geplante Behandlung war medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich. Das Gutachten von Prof. F. ist vollständig,
schlüssig und nachvollziehbar. Er hat alle verfügbaren medizinischen Dokumentationen, Zahnmodelle des Klägers zum maßgeblichen
Zeitpunkt wie auch Röntgenaufnahmen und OPGs herangezogen und entsprechend den Leitlinien der der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
ausgewertet. Der Sachverständige hat sich mit den beim Kläger zum Zeitpunkt der Erstellung des Behandlungsplanes von Dr. W.
vom 29.05.2012 vorliegenden Kieferanomalien auseinandergesetzt und dabei zahlreiche pathologische, dysmorphe bzw. dysfunktionelle
Befunde erhoben und anhand dessen in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise die Einstufung nach den kieferorthopädischen
Indikationsgruppen vorgenommen. Hingegen hat Dr. H. lediglich auf einer Seite kurz dargestellt, dass beim Kläger seinerzeit
kein KIG Grad 3 oder höher vorliege. Er hat weder den Sachverhalt vollständig erfasst, noch eine klinische Einstufung entsprechend
den geltenden Leitlinien vorgenommen. Diesem Gutachten ist schon allein deshalb nicht zu folgen.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.11.2014 hat sich der gerichtliche Sachverständige mit den neu vorgebrachten Argumenten
der Beklagten umfassend auseinandergesetzt und nochmals eingehend erläutert, worauf er seine Bewertungen stützt. Der Senat
hat wie zuvor schon das Sozialgericht keinen Zweifel an der Unabhängigkeit des gerichtlichen Sachverständigen, zumal der Vorwurf
einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Dr. W. in keiner Weise nachvollziehbar erscheint vor dem Hintergrund, dass Prof. Dr.
Dr. F. als Universitätsprofessor und Direktor der Universitätspoliklinik für Kieferorthopädie an der Universität H. tätig
ist. Vielmehr lassen die Ausführungen von Dr. H. deutlich erkennen, dass er sich durch die inhaltlich abweichende Beurteilung
des medizinischen Sachverhalts von Prof. F. persönlich verletzt fühlt. Dies ist jedoch nicht geeignet, einen Vorwurf der Befangenheit
zu begründen. Im Übrigen ist dies auch durch die Erklärung von Prof. F. widerlegt.
Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2012, mit dem die Beklagte die
kieferorthopädische Behandlung des Klägers nach dem KFO-Behandlungsplan des Dr. med. dent. W. vom 29.05.2012 abgelehnt hatte,
war daher rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinem Anspruch auf kieferorthopädische Behandlung. Die Berufung ist daher
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, §
160 Abs.
2 SGG.