Rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine frühere juristische Tätigkeit
in einem Unternehmen
Identität von früherer und aktueller Beschäftigung
Beschränkung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auf die konkrete Beschäftigung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) für
seine frühere juristische Tätigkeit in einem Unternehmen nach §
231 Abs.
4b des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung -
SGB VI.
Der 1971 geborene Kläger ist Volljurist und war als zugelassener Rechtsanwalt seit dem 26. März 2002 Pflichtmitglied in der
Rechtsanwaltskammer S und seit Mai 2005 in der Rechtsanwaltskammer B mit entsprechenden einkommensbezogenen Pflichtbeiträgen
an das Versorgungswerk B. Auf seinen Antrag im Hinblick auf seine Rechtsanwaltstätigkeit in der Sozietät G wurde er von der
Beklagten ab 1. April 2002 von der Versicherungspflicht in der GRV befreit (Bescheid vom 9. Juli 2002).
Vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2015 war der Kläger als Leiter der Rechtsabteilung bei der S als "Legal Counsel" bzw.
Rechtsanwalt angestellt. Die Geschäftsführung hatte der Rechtsanwaltskammer B die Nebentätigkeit als Rechtsanwalt zur Aufrechterhaltung
seiner Zulassung mit Schreiben von Juli 2006 angezeigt. Seit Oktober 2015 war der Kläger (wieder) ausschließlich als selbständiger
Rechtsanwalt tätig.
Am 19. Mai 2014 hatte der Kläger die (ex nunc) Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
für seine Beschäftigung als Rechtsanwalt bei der S beantragt. Mit Bescheid vom 13. April 2015 lehnte die Beklagte den Antrag
auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigung bei der S ab. Die
Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk bestehe nicht wegen der Beschäftigung als Syndikusanwalt bei der
S. Er stehe in einem festen Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis als ständiger Rechtsberater und sei in dieser Eigenschaft (Syndikusanwalt)
nicht als Rechtsanwalt tätig. Eine Befreiung sei für die Beschäftigung nicht möglich und könne auch nicht aus einer erteilten
Vorbefreiung hergeleitet werden. Der Kläger erhob hiergegen am 15. Mai 2015 Widerspruch; das Widerspruchsverfahren ruht seither.
Seit dem 1. Ja-nuar 2015 leistete der Kläger Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte neben einem ermäßigten Beitragssatz
an das Versorgungswerk.
Am 14. März 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV
und die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. September 2015 durch Auskehrung an
das Versorgungswerk B, hilfsweise die Befreiung vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2015.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die in der Zeit vom 1. Oktober
2006 bis 30. September 2015 ausgeübte Beschäftigung des Klägers als Leiter der Rechtsabteilung bei der S ab mit der Begründung,
die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung lägen nicht vor. Zugleich wurde der Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter
Pflichtbeiträge, die zu Recht gezahlt worden seien, abgelehnt (Bescheid vom 4. April 2016, Widerspruchsbescheid vom 29. Juni
2017).
Auf die nachfolgende Klage hat das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom 11. Juli 2018 den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
29. Juni 2017 aufgehoben und diese verurteilt, den Kläger vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2015 für die von ihm ausgeübte
Tätigkeit bei der S rückwirkend von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sowie für
die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. September 2015 zu Unrecht gezahlte Pflichtbeiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte
B auszukehren. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht
als Rechtsanwalt aufgrund einer analogen Anwendung des §
231 Abs.
4b SGB VI in Verbindung mit §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI und §§ 46 ff. BRAO in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung. Zwar sei §
231 Abs.
4b SGB VI vorliegend nicht unmittelbar anwendbar, weil der Kläger seine Syndikustätigkeit beendet habe, bevor er nach dem neuen Recht
als Syndikusrechtsanwalt hätte zugelassen werden können. Indes wirke die rückwirkende Befreiung auch vom Beginn davor liegender
Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigung eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk
bestanden habe. Dem Willen des Gesetzgebers sei zu entnehmen, dass die Vorschrift auch die rückwirkende Befreiung für bereits
beendete Arbeitsverhältnisse erfassen solle, soweit eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk
bestanden habe. Hierfür würden auch rechtspolitische Gründe sprechen. Die Tätigkeit des Klägers habe der eines Syndikusrechtsanwalts
entsprochen, wie der vorgelegten Stellen- und Funktionsbeschreibung seines früheren Arbeitgebers zu entnehmen sei. Die ausdrückliche
Zulassung als Syndikusrechtsanwalt durch die Rechtsanwaltskammer sei dagegen nicht erforderlich. Die übrigen Befreiungsvoraussetzungen
seien erfüllt: Der Kläger habe vor dem 1. April 2016 bereits einen Antrag auf rückwirkende Befreiung gestellt. Das Widerspruchsverfahren
ruhe insofern, so dass vor dem 4. April 2014 keine bestandskräftige Ablehnung für die zu befreiende Beschäftigung ergangen
sei. Während der Beschäftigung habe eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestanden. Der Umstand,
dass der Kläger lediglich den Regelpflichtbeitrag an das Versorgungswerk eingezahlt habe, stehe dem Antrag auf rückwirkende
Befreiung von der Versicherungspflicht nicht entgegen, weil es sich auch insofern um einkommensbezogene Pflichtbeiträge gehandelt
habe. Die danach zu Unrecht entrichteten Pflichtbeiträge seien unmittelbar an die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung
zu erstatten.
Mit ihrer Berufung vom 23. Juli 2018 macht die Beklagte geltend, die Neuregelung in §
231 Abs.
4b SGB VI knüpfe ausdrücklich an eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt und damit an eine Zulassung als
Syndikusrechtsanwalt durch die Rechtsanwaltskammer für eine bis zum 1. April 2016 aufgenommene Beschäftigung an. Eine solche
liege für die Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2015 bei der S nicht vor. Eine ausdrückliche
Regelungslücke bestehe nicht. Es handle sich um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer weiten, erweiternden oder analogen
Anwendung weder bedürftig noch fähig sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des §
231 Abs.
4b SGB VI sei eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in den Fällen, in denen eine Zulassung zur Syndikusrechtsanwaltschaft
wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vor der Zulassungsentscheidung nicht mehr erfolgen könne, ausgeschlossen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlage und insofern auf die vor-liegende Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
143,
144,
151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat den mit der Klage angefochtenen Bescheid der Beklagten zu Unrecht aufgehoben und jene einerseits zur Befreiung des Klägers
von der Versicherungspflicht in der GRV für seine Tätigkeit vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2015 bei der SCILd und andererseits
zur Erstattung in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. September 2015 gezahlter Pflichtbeiträge an das Versorgungswerk verurteilt.
Denn die statthafte kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage des Klägers (vgl. §§
54 Abs.
1 55, 56
SGG) ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
29. Juni 2017 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, mit der Folge, dass er die
geltend gemachten Ansprüche auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für seine bis 30. September 2015
ausgeübte Tätigkeit als Leiter der Rechtsabteilung bei der S und auf Erstattung von Pflichtbeiträgen, soweit entrichtet, nicht
hat.
Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung ist §
231 Abs.
4b SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2517). Danach wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die
die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn
während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung
nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April
2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die
Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt
oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der
Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden. Wie vom
SG insofern zutreffend aus-geführt und von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht entschieden worden ist, liegen
die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor.
Zwar war der Kläger als zugelassener Rechtsanwalt seit dem 26. März 2002 kraft Gesetzes und nach einem Kammerwechsel durchgehend
Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B und zahlte seither an dieses einkommensbezogene Pflichtbeiträge.
Indes erfolgte die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein mit der statusbegründenden Zulassung personenbezogen (vgl. §§ 4 BRAO) und nicht wegen einer bestimmten Beschäftigung (vgl. §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI). Die zum 1. April 2002 tätigkeitsbezogen erteilte Befreiung mit Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2002 wirkte nicht über
den 30. September 2006 hinaus für die neue Beschäftigung bei der S fort. Denn gemäß §
6 Abs.
5 Satz 1
SGB VI ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Wie §
231 Satz 1
SGB VI a.F. knüpft auch diese Norm für die (fortdauernde) Wirkung einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV
an die konkrete Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit an und fordert eine "Identität" der Beschäftigung oder selbständigen
Tätigkeit, die während der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht verrichtet wurde, mit der aktuellen Beschäftigung
oder selbständigen Tätigkeit. Die Wirkung einer erteilten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist auf die "jeweilige"
konkrete Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1998 - B 5/4 RA 80/97 - juris; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 - B 12 KR 11/00 R - juris). Der Begriff der "Beschäftigung" wird seinerseits in §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV als "nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem "Arbeitsverhältnis" definiert und in Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift gekennzeichnet
als Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines (konkreten) Weisungsgebers. Eine andere Beschäftigung liegt damit schon
dann vor, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird. An dieser Rechtsprechung hat das BSG mit seinem Urteil vom 5. Dezember 2017 - B 12 KR 11/15 R - juris Rn. 21) ausdrücklich festgehalten. Der Kläger dagegen wurde weder wegen seiner Beschäftigung bei der S zur Rechtsanwaltschaft
zugelassen noch derentwegen Pflichtmitglied des Versorgungswerks, die er vielmehr im Zeitpunkt der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
noch gar nicht ausgeübt hatte. Bei der sodann am 1. Oktober 2006 aufgenommenen Beschäftigung bei der S als Leiter der Rechtsabteilung
("Legal Counsel/Rechtsanwalt"), dürfte es sich zwar, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (Vgl. §
153 Abs.
2 SGG), inhaltlich um die Tätigkeit eines Syndikusanwalts (vgl. § 46 Abs. 3 bis 5 BRAO in der ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung [a.a.O]) mit der Folge gehandelt haben, dass der Kläger nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung bei jenem Arbeitgeber abhängig beschäftigt und damit in der GRV grundsätzlich pflichtversichert war (vgl. BSG, Urteile vom 3. April 2014 - B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R - juris). Indes wird die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts
zwar mit der vor-genannten Vorschrift legaldefiniert, deren tatbestandliche Erfüllung durch die Rechtsanwaltskammern zu prüfen
ist, die gegebenenfalls in der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 46a BRAO mündet (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 BRAO). Erst im Anschluss an die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, die hier, wie ausgeführt, schon deshalb nicht erfolgte, weil
der Kläger seine Tätigkeit bei der SCILd bereits im Jahr 2015 beendet hatte, kann bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale
die Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI erfolgen, an der es hier fehlt. Diese tatbestandliche Voraussetzung außer Acht zu lassen kommt indes schon deshalb nicht
in Betracht, als der Gesetzgeber des am 1. Juni 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte
und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung (a.a.O.) der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt ist, indem er einen neuen Befreiungstatbestand unter bestimmten tatbestandlichen
Voraussetzungen nebst - befristetem - Bestandsschutz geschaffen hat. Anders als vom SG entschieden, ist §
231 Abs.
4b SGB VI mithin vorliegend nicht entsprechend anzuwenden. Der Gesetzgeber hat eine Rückwirkung für den Befreiungstatbestand nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI im Hinblick darauf, dass insbesondere Syndikusrechtsanwälte ab dem 1. Januar 2016 erst mit dem Datum der Zulassung als solche
Rechtsanwälten gleichgestellt werden, mit der Folge, dass für jene gemäß § 46c Abs. 1 BRAO die Vorschriften über Rechtsanwälte gelten, dahingehend geregelt, dass tatbestandliche Voraussetzung für die Befreiung von
der Versicherungspflicht nach §
231 Abs.
4b SGB VI, wie ausgeführt, jeweils eine entsprechende Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer ist. Zugelassene Rechtsanwälte dagegen
- wie der Kläger -, die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht (mehr) erwirken können bzw. konnten, sind weder fortlaufend
noch rückwirkend als Syndikusrechtsanwalt befreiungsfähig, ohne dass die konkreten Gründe hierfür relevant wären. Diese hat
der Gesetzgeber zur Überzeugung des Senats ausweislich der Gesetzesbegründung vielmehr auch bewusst in Kauf, indem es heißt,
für die geschätzt rund 40 000 betroffenen Syndizi - zu denen seinerzeit auch noch der Kläger gehörte - hätten die Entscheidungen
des BSG vom 3. April 2014 (B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R) Folgen für die Alterssicherung. Eine Befreiung von der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit als Syndikus sei entgegen langjähriger Praxis
hiernach nicht länger möglich. Für diejenigen, die über einen gültigen Befreiungsbescheid in ihrer ausgeübten Beschäftigung
verfügten oder bei denen besondere Vertrauensschutzregelungen zur Anwendung kämen, bleibe es bei der Absicherung im Versorgungswerk.
Für die übrigen Syndizi werde mit den Entscheidungen des Bundessozialgerichts ein Wechsel in der Versorgungsbiografie einhergehen.
Dies vorangestellt wurde für die Zeit ab Inkrafttreten der Neuregelung die vormals geübte Rechtspraxis der Befreiungsfähigkeit
u.a. von Syndikusrechtsanwälten (lediglich) unter bestimmten Voraussetzungen wieder hergestellt (vgl. BT-Drs 18/5201 S. 1,
46; auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2019 - L 2 R 3561/19 - juris Rn. 30). Wie ausgeführt, erfüllt der Kläger jene Voraus-setzungen gerade nicht sämtlich.
Verfassungsrecht wird hierdurch nicht verletzt. Zum einen ergibt sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge eines Befreiungs-
und Erstattungsanspruchs letztlich als Folge des mit §
231 Abs.
4b SGB VI zeitgleich in Kraft getretenen § 46a BRAO, indem eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag erst ab dem 1. Januar 2016 geregelt wird. Zu jenem Zeitpunkt hatte
der Kläger aber seine Tätigkeit als "Legal Counsel" bereits beendet. Soweit sich diese Regelung in Verbindung mit der streitigen
Befreiungsvorschrift zu Lasten des Klägers als abschließende Stichtagsregelung darstellt, wird auch hierdurch Verfassungsrecht
anders als der Kläger geltend macht nicht er-sichtlich verletzt. Denn dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, Stichtage für
die Anwendung von Normen einzuführen, soweit er im Rahmen seines vorliegend grundsätzlich weitreichenden Entscheidungsspielraums
den allgemeinen Gleichheitssatz (Art.
3 Abs.
1 GG) beachtet. Aus Art.
3 Abs.
1 GG folgt indes insbesondere kein Anspruch auf eine zukünftig gleichbleibende Rechtslage, an deren gesetzlicher Regelung es vorliegend
in Bezug auf Syndikusrechtsanwälte gerade fehlte. Die Änderungsbefugnis des Gesetzgebers wird insofern zwar durch rechtsstaatlich
und grund-rechtlich begründete Rückwirkungsverbote und Gebote abgewogenen Vertrauensschutzes begrenzt. Der allgemeine Gleichheitssatz
schränkt jedoch diese Befugnis des Gesetzgebers über ein dem Willkürverbot entsprechendes allgemeines Sachlichkeitsgebot hinaus
nicht ein. Dies hat die Rechtsprechung zu Stichtagsregelungen klargestellt, die trotz gewisser Härten - wie hier - grundsätzlich
zulässig und im Übrigen auch geboten sind, um die Zahl der sich anschließenden Verwaltungsverfahren und hieraus resultierender
Kosten überschaubar zu halten. Die Einführung einer Stichtagsregelung und die Wahl des Zeitpunkts müssen sich allerdings am
gegebenen Sachverhalt orientieren und damit (allein) sachlich vertretbar sein (vgl. BVerfGE, Beschluss vom 12. Mai 2009 -
2 BVL 1/00 - juris Rn. 44). Zur Überzeugung des Senats bestehen danach hinsichtlich der Regelung der beschränkten Rückwirkung
keine gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss der Befreiungsmöglichkeiten für Syndikustätigkeiten, die bereits,
wie im Falle des Klägers, vor dem 1. Januar 2016 beendet waren, so dass es bereits an einer Vergleichbarkeit des Sachverhalts
fehlen dürfte. Abgesehen davon, dass es sich hier um einen - evident vom Gesetzgeber gewollt und explizit eng gefassten -
Ausnahmetatbestand im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG mit Urteilen vom 3. April 2014 - B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 und B 5 RE 3/14 R - handelt, und zwar allein für Fälle, in denen
die neu geschaffene Zulassung zur Syndikusrechtsanwaltschaft noch erfolgen kann, hat der Gesetzgeber in Abwägung mit Vertrauensschutzgesichtspunkten
einerseits und dem Interesse der Versichertengemeinschaft andererseits, aufgrund weitreichender Rückabwicklungen bereits langjährig
zurückliegender Beitragszahlungen belastet zu werden, den entsprechenden Geltungszeitraum begrenzt und dementsprechend ei-nen
zusätzlichen Verwaltungsaufwand in der GRV unter Einbeziehung des Beitragserstattungsverfahren prognostiziert (vgl. BT DRS
18/5201 S. 3). Mithin hatte der Gesetzgeber mit dieser Regelung die für ein Funktionieren der GRV erforderliche Beitragssicherheit
und -Stabilität als maßgebenden sachlichen Grund im Blick. Auch angesichts der nur eingeschränkten Befreiungsmöglichkeiten
in der GRV, die vielmehr einer regelmäßigen Versicherungspflicht gegenüber stehen, durfte der Gesetzgeber die Leistungsfähigkeit
der GRV bei der Schaffung eines neuen Befreiungstatbestandes berücksichtigen und sich insofern auf laufende Lebenssachverhalte
beschränken. Die Pflichtversicherung der gegen Entgelt Beschäftigten in der gesetzlichen Rentenversicherung (§
1 Satz 1 Nr. 1
SGB VI) und die damit einhergehende Beitragspflicht sind dagegen - wie auch vom Kläger nicht bestritten wird - verfassungsgemäß
und verstoßen nicht gegen Art.
12 Abs.
1, Art.
14 Abs.
1 oder Art.
2 Abs.
1 GG, und zwar auch soweit Angestellte mit höherem Einkommen, die für ihre Alterssicherung anderweitig Vorsorge treffen können,
dieser unterliegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1970 - 1 BvR 307/68 - juris) oder soweit für den einzelnen Beschäftigten eine soziale Absicherung durch eine Mitgliedschaft in einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung möglich ist. Ein Wahlrecht der Versicherten im Hinblick auf die Versorgung hat der Gesetzgeber von
vornherein gerade nicht eingeräumt (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2005 - B 12 RA 8/03 - juris Rn. 13). Verfassungsrechtlich besteht insofern grundsätzlich auch kein Wahlrecht, die jeweils günstigste Versorgungsmöglichkeit
zu wählen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. August 2004 - 1 BvR 1776/97 - juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.