Gebührenerstattung durch die Staatskasse
Prozesskostenhilfe für den nicht von einer Rechtsschutzversicherung gedeckten Teil der Prozesskosten
Keine Begrenzung eines Prozesskostenhilfebeschlusses auf die Selbstbeteiligung
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der nicht von der Rechtschutzversicherung umfassten und durch die Staatskasse zu erstattenden
Gebühren.
Der Beschwerdegegner vertrat im sozialgerichtlichen Verfahren S 18 AS 7962/10 vier Kläger. Mit Beschluss vom 11. März 2011 bewilligte das Sozialgericht Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete den Beschwerdegegner
bei. Das Verfahren endete mit Klagerücknahme vom 14. April 2011. Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2013 teilte der Prozessbevollmächtigte
mit, dass zwischenzeitlich eine Deckungszusage der Rechtschutzversicherung vorliege, wobei durch die Kläger eine Selbstbeteiligung
in Höhe von (i.H.v.) 150,00 Euro zu leisten und die Prozesskostenhilfe auf diese zu beschränken sei. Mit Beschluss vom 11.
März 2014 änderte der Vorsitzende der 18. Kammer die ursprüngliche PKH-Bewilligung dahin ab, "dass Prozesskostenhilfe lediglich
für den nicht von der Rechtsschutzversicherung der Kläger gedeckten Teil der Prozesskosten bewilligt wird.". Bereits mit Schreiben
vom 22. Oktober 2013 stellte der Beschwerdegegner der Rechtsschutzversicherung eine Vergütung i.H.v. 420,64 Euro (Verfahrensgebühr
i.H.v. 170,00 Euro zzgl. Gebührenerhöhung i.H.v. 153,00 Euro zzgl. Terminsgebühr i.H.v. 125,00 Euro zzgl. Fahrtkosten i.H.v.
5,70 Euro zzgl. Abwesenheitsgeld i.H.v. 5,83 Euro zzgl. Post- und Telekommunikation i.H.v. 20,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer
i.H.v. 91,11 Euro abzgl. Selbstbeteiligung 150,00 Euro) in Rechnung. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 regulierte die Rechtsschutzversicherung
den Versicherungsfall unter Ausschluss der Reisekosten (Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder) und Abzug der Selbstbeteiligung
durch Auszahlung von 406,92 Euro. Mit Schriftsatz vom 18. November 2013 beantragte der Beschwerdegegner unter Anrechnung der
Zahlung der Rechtsschutzversicherung von der Staatskasse einen Restbetrag i.H.v. 163,73 Euro (Verfahrensgebühr i.H.v. 170,00
Euro zzgl. Gebührenerhöhung i.H.v. 153,00 Euro zzgl. Terminsgebühr i.H.v. 125,00 Euro zzgl. Fahrtkosten i.H.v. 5,70 Euro zzgl.
Abwesenheitsgeld i.H.v. 5,83 Euro zzgl. Post- und Telekommunikation i.H.v. 20,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer i.H.v. 91,11 Euro
abzgl. Zahlung der Rechtsschutzversicherung 406,92 Euro).
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 9. April 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütung unter
Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr i.H.v. 102,00 Euro, einer Gebührenerhöhung i.H.v. 91,80 Euro und im Übrigen antragsgemäß
zunächst auf 416,89 Euro und unter Berücksichtigung der Begrenzung auf eine Selbstbeteiligung zur Rechtsschutzversicherung
einen auszuzahlenden Betrag i.H.v. 150,00 Euro fest.
Hiergegen hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt. Die Verfahrensgebühr sei i.H.v. 170,00 Euro festzusetzen. Im Übrigen
sei die PKH-Bewilligung nicht lediglich auf die Selbst-beteiligung, sondern auf den nicht von der Rechtsschutzversicherung
gedeckten Teil beschränkt worden.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 hat der Beschwerdeführer seinerseits Erinnerung eingelegt. Ausgehend von der zutreffend festgesetzten
Vergütung i.H.v. 416,89 Euro und unter Berücksichtigung des von der Rechtsschutzversicherung erstatteten Betrages i.H.v. 406,92
Euro verbleibe lediglich ein Vergütungsanspruch i.H.v. 9,97 Euro.
Mit Beschluss vom 25. September 2017 hat das Sozialgericht auf die Erinnerung des Beschwerdegegners den Vergütungsfestsetzungsbeschluss
abgeändert und die von der Staatskasse zu erstattenden Gebührten und Auslagen auf 163,72 Euro festgesetzt. Die Erinnerung
des Beschwerdeführers hat das Sozialgericht zurückgewiesen. Die PKH sei nur hinsichtlich der Deckungslücke zur bestehenden
Rechtsschutzversicherung bewilligt worden. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts
(Beschluss vom 8. Mai 2013 - L 15 SF 104/12 B, juris) sei die UdG an die im Rechtsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Rechtsschutzversicherung erfolgte Abrechnung gebunden
und habe Prüfungsbefugnis lediglich hinsichtlich des zu ermittelnden nicht gedeckten Teils der anwaltlichen Vergütung. Dieser
offene Teil betrage vorliegend 163,72 Euro. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung hat das Sozialgericht zugelassen.
Mit seiner Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, begehrt der Beschwerdeführer weiterhin eine Festsetzung
der von der Staatskasse zu erstattenden Vergütung lediglich i.H.v. 9,97 Euro. Bezüglich des PKH-Änderungsbeschlusses sei schon
die Zuständigkeit des Vorsitzenden fraglich; hierüber habe vielmehr die UdG zu entscheiden gehabt. Im Übrigen sei die beantragte
Gebührenfestsetzung unbillig und nur in Höhe der Festsetzung durch die UdG angemessen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Verfahrensakte S 18 AS 7962/10 verwiesen.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts der 1. Senat.
Der Berichterstatter hat ihm mit Beschluss vom 20. Mai 2019 das Verfahren übertragen.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Keine Bedenken bestehen, soweit beim Sozialgericht der Vorsitzende die ursprüngliche PKH-Bewilligung auch nach Erledigung
des Rechtsstreites der Höhe bzw. dem Umfang nach abgeändert hat. Hierzu war er aufgrund des mit Wirkung zum 1. Januar 2014
neugefassten §
73a Abs.
6 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ermächtigt, wonach er unter anderem die Aufgaben der UdG bezüglich der Änderung und Aufhebung der PKH-Bewilligung zu jedem
Zeitpunkt an sich ziehen kann. §
40 des Gesetzes, betreffend die Einführung der
Zivilprozessordnung (EGZPO) enthält bezüglich §
73a SGG keine Übergangsbestimmung für PKH-Bewilligungen vor dem 1. Januar 2014.
Eine vergleichbaren Fallgestaltung (PKH-Bewilligungsbeschluss, mit dem das Prozessgericht die PKH auf die Übernahme der Selbstbeteiligung
sowie auf die Übernahme der Terminsauslagen beschränkte) hat bereits das Bayerisches Landessozialgericht (Beschluss vom 8.
Mai 2013 - L 15 SF 104/12 B, juris) entschieden: In dieser Konstellation habe das Prozessgericht im Rahmen der PKH-Bewilligung zum einen den aus dem
Vermögen des PKH-Berechtigten zu zahlenden Betrag nicht positiv beziffert, sondern quasi negativ über die verbleibende Deckungslücke
definiert und zum anderen habe das Prozessgericht mit dem PKH-Beschluss eine Art Verrechnung vorgenommen hat (auf die dem
beigeordneten Rechtsanwalt an sich zustehende Vergütung nach §§ 45 ff. des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes [RVG] werde das, was der PKH-Berechtigte an sich als Zahlung nach §
120 Abs.
1 Satz 1 der
Zivilprozessordnung [ZPO] leisten müsste, angerechnet). Auch wenn es sich vom Grundsatz her um die Anrechnung von Vermögen handle, habe das Prozessgericht
diese bei der Bemessung des Leistungsanspruchs realisiert. Denn die Vergütung für den beigeordneten Prozessbevollmächtigten
werde entgegen den gesetzlichen Vorgaben "gedeckelt". Das Prozessgericht habe festgelegt, dass die Staatskasse auf jeden Fall
für die Deckungslücke aufzukommen habe. Zusammenfassend habe die Entscheidung des Prozessgerichts bewirkt, dass sich die Vermögensanrechnung
(im weiteren Sinn) im Leistungsbereich manifestiere. Vor allem aber habe das Prozessgericht auch §
122 Abs.
1 Nr.
3 ZPO modifiziert. Denn der beigeordnete Prozessbevollmächtigte solle, soweit die Rechtsschutzversicherung zahlt, keiner Forderungssperre
unterliegen. Man habe ihm gerade erlaubt, seine gegen den PKH-Berechtigten entstandenen Ansprüche zu realisieren. Davon profitiere
die Staatskasse. Sie könne sich von vornherein auf eine Lückenschließung beschränken und müsse nicht dem beigeordneten Rechtsanwalt
die vollen Gebühren zahlen. Bei der Quantifizierung dieser Lücke dürfe die Staatskasse aber nicht ihre eigenen Maßstäbe anwenden.
Denn maßgebend dafür sei das Verhältnis zwischen dem beigeordneten Rechtsanwalt und seinem Mandanten; dieses müsse vom Rechtsverhältnis
zwischen dem beigeordneten Rechtsanwalt und der Staatskasse streng unterschieden werden. Die Staatskasse sei an diese besonderen
Regelungen des Prozessgerichts, die das Problem der Vermögensanrechnung auf die Leistungsschiene verlagere, gebunden. Die
Bindungswirkung ergebe sich allein schon daraus, dass die besonderen Bestimmungen des Prozessgerichts nicht nichtig seien.
Im Kostenfestsetzungsverfahren dürfe die Entscheidung des Prozessgerichts nicht "auf kaltem Weg" abgeändert oder auch nur
angetastet werden. Während die Bestimmung der Vergütungshöhe ansonsten dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG überlassen bliebe, bestünde im vorliegenden Fall keine Dispositionsbefugnis insoweit; denn das Prozessgericht habe dies in
seiner Entscheidung bindend vorweggenommen. Die Staatskasse habe die Regelungen des Prozessgerichts auszuführen. Dazu gehöre
auch die Bestimmung des Prozessgerichts, dass dem PKH-Berechtigten auf jeden Fall die Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00
Euro auszugleichen sei. Dies könne nur in der Form geschehen, dass die 300,00 Euro dem Beschwerdeführer als "Restvergütung"
überwiesen würden. Das Defizit in Höhe von 300,00 Euro bestünde im Übrigen nicht nur rechnerisch, sondern real. Denn die Rechtsschutzversicherung
habe 300,00 Euro weniger gezahlt, als der Beschwerdeführer an Vergütung beansprucht. Insoweit stünde der Staatskasse nicht
die Befugnis zu, die Deckungslücke unter Hinweis auf ihre eigene Vergütungsberechnung zu negieren. Wenn sich der Dissens bezüglich
der Höhe der Vergütung - mit welchem Ergebnis auch immer - auflöse, verblieben dem PKH-Berechtigten stets 300,00 Euro, die
er selbst tragen müsse. Gegebenenfalls habe der Beschwerdeführer Überzahlungen der Rechtsschutzversicherung zurückzuerstatten.
Just aus diesem Grund dürften keine von der Rechtsschutzversicherung erbrachten Überzahlungen zur Deckung der 300,00 Euro
verwendet werden. Obwohl das Prozessgericht selbst dafür gesorgt habe, dass Zahlungen der Rechtsschutzversicherung nicht in
irgendeiner Weise auf die von der Staatskasse zu erbringende Restleistung angerechnet würden, sei der Vollständigkeit halber
darauf hinzuweisen, dass dies im Einklang mit dem Rechtsgedanken des § 58 Abs. 2 RVG stehe. Danach würden Zahlungen, die der Rechtsanwalt erhält, zunächst auf den Anspruch auf die Wahlanwaltsvergütung angerechnet.
Dieser Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts schließt sich der Senat an. Da auch vorliegend seitens des Sozialgerichts
Prozesskostenhilfe für den nicht von der Rechtsschutzversicherung der Kläger gedeckten Teil der Prozesskosten bewilligt wurde
und die Rechtsschutzversicherung ihrerseits auf die Kostenrechnung über 570,64 Euro unter Außerachtlassung des Abwesenheitsgeldes
sowie der Fahrtkosten i.H.v. 11,53 Euro und unter Abzug der Selbstbeteiligung i.H.v. 150,00 Euro tatsächlich nur 406,92 Euro
ausgezahlt hat, ist dem Beschwerdegegner der volle Differenzbetrag von 163,72 Euro zu erstatten. Eine Begrenzung auf die Selbstbeteiligung
(150,00 Euro) findet mangels entsprechender Einschränkung im abändernden PKH-Beschluss vom 11. März 2014 nicht statt; die
PKH-Bewilligung erstreckt sich hier über den Gesamtbetrag, der nicht von der Rechtsschutzversicherung erstattet wird. Darüber
hinaus ist auch der Beschwerdeführer an die Abrechnung zwischen dem Beschwerdegegner und der Rechtsschutzversicherung der
Kläger gebunden. Eine eigene Prüfungskompetenz der UdG, des Beschwerdeführers und des Gerichts besteht insoweit grundsätzlich
nicht. Anderes ergibt sich allenfalls - wofür vorliegend jedoch keinerlei Anhalt besteht - bei willkürlicher oder bewusst
falscher Kostenabrechnung. Das dürfte regelmäßig ohnehin nur dann in Betracht kommen, wenn eine zutreffende Kostenabrechnung
unterhalb der Selbstbeteiligung verbliebe.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).