Nichtzulassungsbeschwerde
Verfahrensrüge
Begriff des Verfahrensmangels
Beruhen der angefochtenen Entscheidung auf dem Mangel
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid.
Die Klägerin betreibt ein Großhandelsunternehmen für Verpackungsmaterialien, zu dem auch ein LKW-Fuhrpark gehört. Die LKW's
wurden überwiegend von Festangestellten der Klägerin gefahren. Bei Bedarf zog sie die zu 1. bis 6. beigeladenen Fahrer heran.
2010 führten sowohl das Hauptzollamt nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz als auch die beklagte Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover bei der Klägerin eine Prüfung durch, letztere hinsichtlich
des Zeitraums 2006 bis 2010. Die Beklagte stellte hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. bis 6. Versicherungspflicht aufgrund
Beschäftigung fest und forderte Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung iHv 182 448,19 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen
iHv 46 938 Euro) nach (Bescheide vom 4.3.2013 und 8.5.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2013). Das SG hat die Bescheide der Beklagten mit der Begründung aufgehoben, die Beigeladenen zu 1. bis 6. seien als selbstständig Tätige
anzusehen (SG Urteil vom 27.3.2017). Im Berufungsverfahren nahm die Beklagte ihre angefochtenen Bescheide durch Bescheid vom 7.11.2017
teilweise zurück: Hinsichtlich des Beigeladenen zu 6. hätten fehlerhafte Rechnungssummen vorgelegen (2008: 95 Euro zu viel,
2009: 1241 Euro zu viel). Die Beitragsnachforderung reduzierte sich um 497,17 Euro auf 181 951,02 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen
iHv 46 838,50 Euro). Das LSG sandte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Unterlagen per Telefax am Montag, den 13.11.2017,
vormittags zu. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am Mittwoch, den 15.11.2017, bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
ausweislich der Niederschrift, ihm im Hinblick auf den Änderungsbescheid der Beklagten vom 7.11.2017 eine "ergänzende Schriftsatzfrist"
einzuräumen. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.11.2017). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.11.2017 bleibt
ohne Erfolg. Ein Grund für eine Zulassung der Revision liegt nicht vor.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
Die Klägerin macht in der Beschwerdebegründung vom 29.1.2018 ausschließlich das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) geltend.
1. Entscheidungserhebliche Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2,
81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52
SGG). Nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 S 1
SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - Juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu §
162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung
darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens
wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden
Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene
Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
a) Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen §
103 SGG liegt nicht vor. Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Die Klägerin zeigt in ihrer Beschwerdebegründung nicht auf, dass sie im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen
Beweisantrag gestellt und in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 10 mwN). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin mit einem Schriftsatz an das LSG vom 29.1.2018
gestellten Antrags, die Niederschrift zu berichtigen. Die Klägerin macht geltend, in der Niederschrift hätte Folgendes protokolliert
werden müssen:
"Der Klägervertreter beantragt, alle beigeladenen Fahrer persönlich zu hören, um eine Betrachtung von jedem Einzelauftrag
gewährleisten zu können."
Hierin liegt kein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, weil er - insbesondere unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen
Vernehmung der Beigeladenen zu 1., 3. und 4. in der mündlichen Verhandlung am 27.3.2017 - weder ein Beweisthema benennt noch
die Beweismittel konkretisiert. Darin ist allenfalls eine Beweisanregung zu sehen. Eine Beweisanregung erfüllt aber nicht
die Voraussetzungen der Möglichkeit der Geltendmachung einer Verletzung von §
103 SGG im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
b) Auch eine von der Klägerin gerügte Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) liegt nicht vor.
Die Klägerin ist der Meinung, dass für ihre Prozessbevollmächtigten keine "hinreichende Möglichkeit" bestanden habe, "in hinreichendem
Umfang" auf den Änderungsbescheid der Beklagten vom 7.11.2017 einzugehen und ihn in vollem Umfang auf Korrektheit zu prüfen,
weil ihnen der Bescheid erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung per Fax zugegangen sei. Diesbezüglich hat sie im Schriftsatz
an das LSG vom 29.1.2018 einen weiteren Protokollberichtigungsantrag gestellt. Statt der in der Niederschrift enthaltenen
Formulierung ("Er [der Klägervertreter] bitte, ihm diesbezüglich eine ergänzende Schriftsatzfrist einzuräumen.") sollte protokolliert
werden:
"Der Klägervertreter beantragt, ihm eine ergänzende Schriftsatzfrist einzuräumen."
Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Der Änderungsbescheid betraf nicht den Kern des Rechtsstreits
(abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit), sondern nur einen untergeordneten Teil der Berechnung und führte - zugunsten
der Klägerin - zu einer geringfügigen Reduzierung der Beitragsforderung. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche
Verhandlung am 15.11.2017 wurde der Änderungsbescheid von der Vertreterin der Beklagten in der rund einstündigen mündlichen
Verhandlung dahingehend erläutert, dass bei einem beigeladenen Versicherten ein Entgeltmonat versehentlich doppelt berücksichtigt
worden sei. Auch die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin genannte Begründung, als Anwalt fehle ihm die Kompetenz zu überprüfen,
ob die Abrechnungen korrekt seien, ändert an der Beurteilung nichts: Kern des Streits war - ausweislich der Klage - die Rechtsfrage,
ob die Beigeladenen zu 1. bis 6. (abhängig) beschäftigt waren. In der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin
zudem weder ausgeführt, warum sie in knapp zwei Tagen vor und auch nach Erläuterung des Änderungsbescheids in der mündlichen
Verhandlung nicht in der Lage war, jenen in rechtlicher und rechnerischer Hinsicht zu prüfen, noch konkret dargelegt, was
sie inhaltlich gegen den Änderungsbescheid konkret noch vorgebracht hätte.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.