Nichtzulassungsbeschwerde
Verfahrensrüge
Zurückverweisung
Ermessensentscheidung
1. Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein.
2. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus
muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.
3. Es steht im Ermessen des Gerichts, ob es von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch machen will, wenn die Voraussetzungen
von §
159 Abs.
1 SGG gegeben sind.
4. Dabei ist es nicht ermessensfehlerhaft, eine Zurückverweisung als Ausnahme anzusehen und bei Entscheidungsreife hiervon
Abstand zu nehmen.
Gründe:
Der Kläger wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 4.4.2017,
das seine Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des SG Kiel vom 22.5.2015 zurückgewiesen hat. Mit diesem Gerichtsbescheid
hatte das SG die Beklagte entsprechend ihres Anerkenntnisses verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen
eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.12.2012 auf Dauer zu gewähren.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn sie ist nicht formgerecht begründet (§
160a Abs
2 S 3
SGG).
Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem
müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt
werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (Senatsbeschluss vom 30.5.2017 -
B 13 R 79/17 B - Juris RdNr 4). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG gestützt werden kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach §
103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist
(§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 3
SGG).
Für die vom Kläger geltend gemachte Rüge der Verletzung des §
159 Abs
1 Nr
1 und Nr
2 SGG durch das LSG mangelt es an hinreichenden Darlegungen, die einen solchen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts begründen
könnten. Er trägt vor, das LSG hätte die Sache nach §
159 Abs
1 Nr
1 und Nr
2 SGG unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung an das SG zurückverweisen müssen. Denn es habe zu Unrecht durch Gerichtsbescheid entschieden. Insbesondere hätte das SG Hintergründe und Konsequenzen des Anerkenntnisses aufklären müssen. Der Verweis auf die Gutachten Dr. B. und M. greife zu
kurz.
Es fehlt bereits an dem Vortrag, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der Berufungsinstanz die Zurückverweisung der Sache
an das SG beantragt habe (vgl zu diesem Erfordernis Senatsbeschluss vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - Juris RdNr 18 mwN). Aber auch darüber hinaus genügt das Beschwerdevorbringen des Klägers nicht, um die Zulassung der
Revision mit einem Verstoß des LSG gegen §
159 Abs
1 SGG zu begründen. Denn es steht im Ermessen des Gerichts, ob es von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch machen will,
wenn die Voraussetzungen von §
159 Abs
1 SGG gegeben sind. Dabei ist es nicht ermessensfehlerhaft, eine Zurückverweisung als Ausnahme anzusehen und bei Entscheidungsreife
hiervon Abstand zu nehmen (Senatsbeschlüsse vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - Juris RdNr 19 und vom 16.12.2003 - B 13 RJ 194/03 B - Juris RdNr 9). Der Kläger zeigt aber nicht in gebotenem Maße auf, dass und aus welchen Gründen das Berufungsgericht vor
diesem Hintergrund ermessensfehlerhaft von einer Zurückverweisung abgesehen habe. Soweit der Kläger mit der Auswertung und
Würdigung der im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten und beigezogenen Unterlagen (auch) durch das Berufungsgericht
nicht einverstanden ist, wendet er sich im Kern gegen dessen Beweiswürdigung. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht auf die Verletzung des §
128 Abs
1 S 1
SGG gestützt werden. Ebenso unerheblich ist, dass der Kläger die Entscheidung des LSG in der rechtlichen Würdigung für inhaltlich
falsch hält. Denn die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils kann nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde
gerügt werden.
Auch die Rüge der Verletzung des §
96 Abs
1 SGG hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er trägt vor, dass das LSG über den Rentenbescheid vom 19.6.2015 hätte mitentscheiden
müssen. Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht, das Berufungsgericht habe in seinem Urteil über einen nach
§
96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordenen Verwaltungsakts nicht entschieden, muss in der Beschwerdebegründung eine aus sich heraus
nachvollziehbare Darstellung des Verfahrensgangs unter Wiedergabe des ursprünglich angefochtenen und des angeblich einzubeziehenden
Verwaltungsakts erfolgen und dargelegt werden, dass der angeblich in das Verfahren einbezogene Verwaltungsakt einen mit dem
bislang streitbefangenen prozessualen Anspruch gleichen Streitgegenstand bildet und das Urteil dann für den Beschwerdeführer
günstiger hätte ausfallen müssen, wenn über den einbezogenen Verwaltungsakt mitentschieden worden wäre (vgl Senatsbeschluss
vom 4.2.2014 - B 13 R 161/13 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 21/09 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B - SozR 3-1500 § 96 Nr 9 S 17). Diesen Anforderungen an die Darlegungslast erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Es mangelt
schon an einer nachvollziehbaren, geordneten Darstellung des Verfahrensgangs. Der Kläger hat zwar den Bescheid der Beklagten
vom 19.6.2015 durch Bezugnahme zum Bestandteil seines Vortrags gemacht und der Beschwerdebegründung beigefügt. Er teilt jedoch
weder die Daten noch den Inhalt der ursprünglich angefochtenen Bescheide mit. Ohne genaue Kenntnis dieser Bescheide und der
gesamten Umstände des Verfahrens ist es jedoch dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob der Bescheid vom 19.6.2015 Gegenstand
des Berufungsverfahrens geworden ist. Zudem zeigt der Kläger nicht auf, dass das angefochtene LSG-Urteil für ihn günstiger
hätte ausfallen müssen, wenn über den - vermeintlich - einbezogenen Bescheid mitentschieden worden wäre.
Soweit der Kläger schließlich noch eine Grundsatzrüge iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG erhebt, indem er meint, die Frage, "ob bzw. unter welchen Umständen auf ein ausdrücklich nicht angenommenes Anerkenntnis
hin auf die Klage einer psychisch erkrankten Partei ein Gerichtsbescheid oder auch überhaupt ein Anerkenntnisurteil ergehen
darf; insbesondere dann, wenn die Folgen des Anerkenntnisses von ihm nicht überblickt werden (können) und das Rechtsschutzziel
im Rahmen einer Anfechtungsklage naturgemäß nicht positiv definiert ist", sei von grundsätzlicher Bedeutung, erfüllt sein
Beschwerdevortrag nicht ansatzweise deren Darlegungsvoraussetzungen (s hierzu allgemein zB Senatsbeschluss vom 21.4.2017 -
B 13 R 195/16 B - Juris RdNr 4 f). Denn er hat - anders als notwendig - schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich
einer konkreten revisiblen Norm (vgl §
162 SGG) hinreichend klar bezeichnet. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann. Es gehört nicht zu den Aufgaben
des BSG, den Vortrag des Klägers darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl
stRspr, zB Senatsbeschluss vom 16.3.2017 - B 13 R 390/16 B - Juris RdNr 7). Überdies hat er auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht darlegt. Er behauptet noch nicht einmal,
dass es zu dem von ihm mit der Frage angedeuteten Problemkreis noch keine Rechtsprechung des BSG gebe.
Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger entsprechend der Bitte seines Prozessbevollmächtigten um einen richterlichen
Hinweis, falls weiterer Vortrag erforderlich sei, vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen.
Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund
für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG. §
106 Abs
1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde
ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7; s auch Senatsbeschlüsse vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - BeckRS 2014, 67335 RdNr 10 = Juris RdNr 10 und vom 20.1.2015 - B 13 R 439/14 B - BeckRS 2015, 65952 RdNr 10 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.