Rechtsmissbräuchlichkeit eines Befangenheitsantrages im sozialgerichtlichen Verfahren; Anspruch auf Arbeitslosengeld; Begründung
einer neuen Anwartschaft
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).
Im Anschluss an die Arbeitslosmeldung des Klägers zum 01.10.2007 bewilligte die Beklagte diesem unter Berücksichtigung der
vorhergehenden Beschäftigungszeiten mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.10.2007 Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen.
Diese Bewilligung hob die Beklagte mit Bescheid vom 15.01.2008 für die Zeit ab dem 15.01.2008 wegen der Arbeitsaufnahme des
Klägers auf.
Am 08.09.2008 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 01.10.2008 erneut arbeitslos und gab an, in der Zeit vom 15.01.2008
bis 30.09.2008 als Elektriker beschäftigt gewesen zu sein.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 07.10.2008 Alg für die Dauer von 76 Kalendertagen. Den hiergegen
erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2008 zurück und verwies darauf, der Kläger sei
in der Rahmenfrist vom 01.10.2007 bis 30.09.2008 lediglich an 260 Kalendertagen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
Somit habe er keine neue Anwartschaft erworben und er könne lediglich den Restanspruch aus dem zum 01.10.2007 erworbenen Anspruch
von 76 Kalendertagen geltend machen.
Die hiergegen am 19.12.2008 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobene Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2009 abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden.
Mit der beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger geltend gemacht, für die von ihm geleistete
Arbeit seien Beiträge entrichtet worden.
Der Kläger beantragt,
den Richter am Landessozialgericht Utz wegen Befangenheit abzulehnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat war auch nicht gehindert in der Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Berufsrichters zu entscheiden, denn der
Befangenheitsantrag des Klägers war rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig, so dass es auch keiner gesonderten Entscheidung
durch Beschluss bedurfte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
SGG, 9. Aufl., §
60 Rn.10d mwN).
Trotz einer formalen Begründung, der Berufsrichter habe Prozesskostenhilfe verweigert und in einem anderen Verfahren Rechtsschutz
abgelehnt, stellt das Gebrauchmachen der prozessualen Möglichkeit einen Befangenheitsantrag zu stellen, in der konkreten Situation
der mündlichen Verhandlung am 22.07.2010 einen Rechtsmissbrauch dar. Die Gründe, die der Kläger genannt hat, waren diesem
seit langem bekannt, insbesondere dass der abgelehnte Richter mit seinen Angelegenheiten befasst war. Gleichwohl hat er sich
mit Aufruf der Sache, dem Vortrag des Sachverhaltes und Erörterung des Streitstandes auf eine mündliche Verhandlung (§
112 Abs
1 Satz 2
SGG) mit dem Berufsrichter eingelassen, so dass er in Bezug auf diesen ihm bekannten Grund sein Ablehnungsrecht verloren hat
(§
43 Zivilprozessordnung -
ZPO). Andere Gründe hat er nicht genannt, und auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zum Ausdruck gebracht,
es gehe ihm allein darum, einen ihm missliebigen Richter aus dem Verfahren zu entfernen. Diese Verfahrensweise hat der Kläger
auch bereits mehrfach vor dem Sozialgericht praktiziert, wie sich aus der beim Landessozialgericht geführten Verfahrensliste
ergibt, ausweislich derer er allein in den Jahren 2008 und 2009 in fünf Verfahren erster und in einem Verfahren zweiter Instanz
Richter - ausnahmslos mangels hinreichender Gründe - erfolglos abgelehnt hat. Auch die Art und Weise einem Automatismus folgend
Richter abzulehnen, von denen er nachteilige Entscheidungen erwartet, zeigt, dass der Kläger seine prozessualen Gestaltungsmöglichkeiten
missbraucht (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 02.11.1960 - 2 BvR 473/60 - BVerfGE 11, 343, 348).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 07.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.12.2008 ist rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt, denn er hatte im Anschluss an seine Arbeitslosmeldung
zum 01.10.2008 lediglich noch für 76 Tage, mithin bis einschließlich 16.12.2008 einen Anspruch auf Alg. Diese Bescheide bilden
vorliegend den Streitgegenstand. Zwar weigerte sich der Kläger einen - sinnvollen - Sachantrag zu stellen. Gemäß §
123 SGG ist das Begehren des Klägers unter Einbeziehung auch seines erstinstanzlichen Vorbringens dahingehend auszulegen, dass er
die Abänderung dieser Bescheide und die Weiterzahlung von Alg über den 16.12.2008 hinaus begehrt.
Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die u.a. die Anwartschaftszeit erfüllt haben, §
118 Abs
1 Nr.
3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III). Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis
gestanden hat, §
123 Satz 1
SGB III (idF des Gesetzes vom 24.12.2003). Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen
Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, §
124 Abs
1 SGB III, wobei die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit
erfüllt hatte, §
124 Abs
2 SGB III.
Vorliegend begann - im Anschluss an die Arbeitslosmeldung des Klägers zum 01.10.2008 - die Rahmenfrist am 30.09.2008 und endete
- rückwärts gerechnet - gemäß §
124 Abs
2 SGB III bereits mit Ablauf des 01.10.2007, denn mit Ablauf des 30.09.2007 hatte die vorhergehende Rahmenfrist begonnen, innerhalb
derer der Kläger die Zeiten derjenigen Versicherungspflichtverhältnisse zurückgelegt hatte, die die Anwartschaft für den Leistungsbezug
ab dem 01.10.2007 begründet hatten.
In der Zeit vom 01.10.2007 bis 30.09.2007 hat der Kläger jedoch nur im Zeitraum vom 15.01.2008 bis 30.09.2008 in einem anwartschaftsbegründenden
Versicherungspflichtverhältnis gestanden, mithin weniger als zwölf Monate, so dass der Kläger für die Zeit ab dem 01.10.2008
keinen neuen Anspruch erworben hat und lediglich den Restanspruch aus dem vorhergehenden Leistungsbezug geltend machen konnte.
Diesen Restanspruch hat die Beklagte dem Kläger für die Dauer von 76 Tagen mit Bescheid vom 07.10.2008 bewilligt, so dass
eine Rechtsgrundlage für die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld nicht ersichtlich ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere
nicht zu erkennen, dass die Beklagte den Restanspruch unzutreffend berechnet hätte.
Die Bewilligung des Alg an den Kläger zum 01.10.2007 für die Dauer von 180 Tagen ist nach den in der dortigen Rahmenfrist
ermittelten Zeiten der Pflichtversicherungsverhältnisse nicht zu beanstanden. Im Weiteren ist der Anspruch des Klägers durch
den Leistungsbezug vom 01.10.2007 bis 14.01.2008 für die Dauer von 104 Tagen erfüllt worden (§
128 Abs
1 Nr.
1 SGB III), so dass die Ermittlung des Restanspruches mit 76 Tagen (= 180 Tage - 104 Tage) auch rechnerisch zutreffend erfolgt ist.
Im Ergebnis ist die Berufung daher erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Absatz
2 Nr.1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.