Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Anspruch auf rechtliches Gehör
Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung
Gründe:
Mit Urteil vom 13.10.2017 hat das LSG Nordrhein-Westfalen die Berufung der verstorbenen E. B. gegen den Gerichtsbescheid des
SG Düsseldorf vom 28.5.2015 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde
beim BSG eingelegt.
Nach dem Tod der früheren Klägerin am .3.2017 galt die ihrem Sohn und jetzigen Kläger erteilte Prozessvollmacht fort, so dass
eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eintrat und das LSG den Rechtsstreit entscheiden konnte (§
202 S 1
SGG iVm §
246 Abs
1 ZPO). Mit Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger das Verfahren als Rechtsnachfolger der früheren Klägerin aufgenommen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Der Kläger trägt vor, der Vorsitzende Richter am LSG und die beisitzende Richterin hätten gegen die Wartepflicht nach §
47 ZPO verstoßen und nicht an der mündlichen Verhandlung mitwirken dürfen. Die Frist für eine "Gehörsrügeentscheidung" sei jeweils
noch nicht abgelaufen gewesen. Damit hat der Kläger einen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters iS von Art
101 Abs
1 S 2
GG nicht ausreichend bezeichnet. Es fehlt bereits an der Bezeichnung der einen solchen Verfahrensmangel begründenden Tatsachen
durch eine aus sich heraus verständliche substantiierte Schilderung aller maßgeblichen Umstände. Der pauschale Hinweis der
Beschwerde auf einzelne Seiten der Berufungsakte genügt hierfür nicht. Das Revisionsgericht ist nämlich nur in engen Ausnahmen
wegen eines fortwirkenden Verstoßes gegen das Gebot des gesetzlichen Richters iS von Art
101 Abs
1 S 2
GG an die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen nicht gebunden, die dem Endurteil des LSG vorausgegangen sind, wenn die zuvor
erfolglos abgelehnten Richter an der Endentscheidung des LSG mitgewirkt haben (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 6 RdNr 6).
Mit seinem weiteren Vortrag, über die erforderliche Vertagung habe nicht erst in der mündlichen Verhandlung am 13.10.2017
entschieden werden dürfen und nachdem festgestanden habe, dass die beiden abgelehnten Richter des LSG die noch ausstehende
Wartepflicht nicht einhalten wollten, habe der Kläger geltend gemacht, dass ihm "sinnentleertes Verhalten" nicht abzuverlangen
sei, rügt er sinngemäß eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch
auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden
Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten
die Möglichkeit erhalten, ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung darzulegen. Liegt ein erheblicher Grund für eine
Terminverlegung iS des §
227 Abs
1 S 1
ZPO iVm §
202 SGG vor und wird diese ordnungsgemäß beantragt, begründet dies grundsätzlich eine Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (vgl
BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - Juris RdNr 7). Über das Terminverlegungsgesuch ist grundsätzlich bis zu Beginn der mündlichen Verhandlung zu entscheiden
(vgl BSG Beschluss vom 12.5.2017 - B 8 SO 69/16 B - Juris RdNr 8). Auch einen solchen Verfahrensmangel hat der Kläger nicht hinreichend
bezeichnet. Es fehlen in der Beschwerdebegründung schon jegliche Angaben dazu, wann und mit welchem Inhalt der Kläger einen
solchen Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung überhaupt gestellt hat.
Ebenfalls offen bleibt, welches konkrete Vorbringen das LSG unter Verstoß gegen das (Grund-)Recht des Klägers auf rechtliches
Gehör unberücksichtigt gelassen haben könnte. Insbesondere hinsichtlich des Vorbringens des Klägers, das LSG habe seinen Vortrag
dazu, eine Heilung von Mängeln an der zuzustellenden Urkunde selbst durch den Gerichtsvollzieher scheide aus, nicht ausreichend
berücksichtigt und erörtert, fehlt es an einer hinreichenden Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Weitere Angaben zum Sachverhalt
enthält die Beschwerdebegründung nicht. Allein der Umstand, dass das LSG den Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren
nicht gefolgt ist, begründet indessen keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass
ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9).
2. Soweit der Kläger darüber hinaus ua vorträgt, das Feststellungsinteresse sei durch den Tod der Klägerin "nicht untergegangen",
das LSG weiche in der Sache von der Gesetzeslage ab, es bedürfte der Überprüfung, "ob ein Urkundsentwurf für das Tragen von
Vollstreckungsmaßnahmen ausreicht", eine Auseinandersetzung mit der etablierten Rechtsprechung zur Frage der Gestaltungserfordernisse
für einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss habe das LSG nicht vorgenommen und die "Divergenz" zur höchstrichterlichen
Rechtsprechung liege - auch hinsichtlich einer Bekanntgabepflicht der Dienstanweisungen und Richtlinien - "auf der Hand",
rügt er eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall. Ob das LSG die Sache richtig entschieden hat, ist jedoch nicht
Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich die Kostenentscheidung aus §
197a Abs
1 S 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Im Verfahren vor dem BSG besteht für den Kläger keine Gerichtskostenfreiheit mehr nach §
183 SGG. Für den Kläger, der keine fälligen Ansprüche auf laufende Geldleistungen geltend macht, bleibt als "sonstiger Rechtsnachfolger"
das von der Verstorbenen eingeleitete und in deren Person kostenprivilegierte Sozialgerichtsverfahren gemäß §
183 S 2
SGG nur in dem Rechtszug kostenfrei, in welchem das Verfahren aufgenommen wird (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 23).