Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Zeitnaher Antrag auf Statusfeststellung
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von seinem beklagten früheren Arbeitgeber
die Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses im Rahmen seiner freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) für die Zeit vom 15.3.2008 bis 30.11.2009 in Höhe von (noch) 5261,26 Euro.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum freiwilliges Mitglied der GKV. Er war vom 15.3.2008 bis 31.7.2010 für die beklagte Steuer-
und Rechtsberatungspartnerschaftsgesellschaft mbB als Rechtsanwalt tätig. Zugrunde lag ein Vertrag über "freie Mitarbeit".
Am 1.8.2011 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens.
Jene stellte fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beklagte aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag (Bescheide vom 26.1.2012, Widerspruchsbescheid
vom 4.1.2013; hierzu SG Urteil vom 12.11.2014, LSG Urteil vom 23.6.2015).
Am 30.12.2014 hat der Kläger gegen die Beklagte Klage auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses zur GKV in Höhe von insgesamt
7838,66 Euro erhoben, hinsichtlich des Arbeitgeberzuschusses zur sozialen Pflegeversicherung haben die Beteiligten einen Unterwerfungsvergleich
geschlossen. Erstinstanzlich hat er hinsichtlich des Zeitraums 1.1. bis 31.7.2010 (= 1837,50 Euro) Erfolg gehabt (SG Urteil vom 6.10.2016), im Berufungsverfahren, mit dem der Kläger weitere 5529,54 Euro verlangt hat, auch hinsichtlich des
Monats Dezember 2009 (= 268,28 Euro) (LSG Urteil vom 21.9.2017). Im Übrigen haben die Vorinstanzen seine Klage mit der Begründung
abgewiesen, dass sein grundsätzlich bestehender Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss überwiegend verjährt sei. Mit seiner
Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 21.9.2017 ist ohne
Erfolg. Es gibt keinen Grund, die Revision zuzulassen.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 28.11.2017 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48).
Der Kläger wirft auf Seite 4 f der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:
"(1.) ob der Anspruch eines Arbeitnehmers auf einen Beitragszuschuss gegenüber seinem Arbeitgeber für freiwillig in der gesetzlichen
Krankenversicherung Versicherte nach §
257 SGB V entsprechend §
7a Abs.
6 Satz 2
SGB IV erst mit Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Feststellung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Arbeitnehmers
fällig wird, wenn der Antrag zur Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens nach §
7a Abs.
1 SGB IV nicht gemäß §
7a Abs.
6 Satz 1
SGB IV innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird",
falls nein,
"(2.) ob die Durchführung eines entsprechenden Statusfeststellungsverfahren nach §
7a Abs.
1 SGB IV zur Verjährungshemmung des Anspruchs des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber nach §
257 SGB V gemäß §
198 Satz 2
SGB VI analog führen würde",
falls nein,
"(3.) ob die stets zu erfolgende, notwendige Beiladung des Arbeitnehmers in den Gerichtsverfahren, in denen dessen Arbeitgeber
die Rechtswidrigkeit der ergangenen Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung geltend macht, verjährungshemmend entsprechend
§
204 Abs.
1 Nr.
6 BGB wirkt."
Die Rechtsfragen seien klärungsbedürftig. Sie seien weder vom BSG noch von anderen (Tatsachen-)gerichten entschieden worden. Die Antworten würden sich auch nicht zweifelsfrei aus dem Gesetz
ergeben. Es lägen planwidrige Regelungslücken vor, die durch die entsprechende Anwendung anderer Rechtsvorschriften zu schließen
seien: In Betracht kämen hinsichtlich der Fälligkeit eine entsprechende Anwendung von §
7a Abs
6 S 2
SGB IV und hinsichtlich einer Hemmung der Verjährung §
198 S 2
SGB VI bzw §
204 Abs
1 Nr
6 BGB. Sämtliche aufgeworfenen Rechtsfragen hätten eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, weil sie "im
Grunde" jeden Arbeitnehmer beträfen, dessen Beschäftigungsverhältnis erst durch ein durchgeführtes Statusfeststellungsverfahren
nach §
7a Abs
1 SGB IV festgestellt worden sei und der aufgrund der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht in der GKV versicherungspflichtig
sei. Mithin beträfen die Rechtsfragen typischerweise "jeden überdurchschnittlich verdienenden Scheinselbständigen".
Eine Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Fragen ist nicht anzuerkennen.
a) Die Antwort auf die vom Kläger in den Raum gestellten Fragen kann sich bereits aus der Rechtslage, der Gesetzessystematik
und der bisherigen Rechtsprechung ergeben.
§
7a Abs
6 S 1
SGB IV, auf den der Kläger wiederholt abstellt, hat als grundlegende Voraussetzung, dass der Antrag auf Statusfeststellung nach
Abs 1 der Vorschrift innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird. Das ist vorliegend nicht geschehen.
Der Kläger hat den Antrag erst über ein Jahr nach Ende der Tätigkeit gestellt. Bei §
198 SGB VI handelt es sich um eine Regelung des rentenrechtlichen Beitragsverfahrens (vgl Mutschler in Schlegel/Voelzke, juris-PK-
SGB VI, 2. Aufl 2013, §
198 SGB VI RdNr 8).
Systematisch ist festzustellen, dass die Möglichkeit, den sozialversicherungsrechtlichen Status im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens
nach §
7a SGB IV zu klären, grundlegend von einer zeitnahen Klärung der Verhältnisse ausgeht. Dafür sprechen ua dessen obligatorische Durchführung
bei einer Meldung bestimmter Verhältnisse zu Beginn der Tätigkeit (vgl §
28a Abs
1 S 1 Nr
1, §
7a Abs
1 S 2
SGB IV) und die bereits erwähnte Regelung in §
7a Abs
6 S 1
SGB IV. Diese möglichst zeitnahe Betrachtung entspricht auch der Lage bei der Erhebung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Der
Anspruch hierauf entsteht für abhängig Beschäftigte, sobald die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind (Beschäftigung
gegen Entgelt, vgl §
22 Abs
1 S 1
SGB IV) und wird spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt
erzielt wird, ausgeübt worden ist (§
23 Abs
1 S 2
SGB IV).
Hinsichtlich der Verjährung des Beitragszuschussanspruchs hat der Senat bereits zu § 405
RVO als einer Vorgängervorschrift zu §
257 SGB V (vgl BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 KR 4/11 R - SozR 4-2500 § 257 Nr 1 RdNr 16) entschieden, dass der Anspruch in vier Jahren verjährt (BSG Urteil vom 2.6.1982 - 12 RK 66/81 - Juris; so auch für §
257 SGB V Peters in Kasseler Komm, §
257 SGB V RdNr 21, Stand Einzelkommentierung September 2015).
Im Kern seines Vorbringens macht der Kläger lediglich geltend, für die von ihm gewünschte Lösung würde es keine Rechtsgrundlage
geben bzw die von den Vorinstanzen gefundene Lösung, ua unter analoger Anwendung der Vorschriften über die Verjährung, finde
nicht seine Zustimmung. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch - wie dargelegt - nicht
zur Zulassung der Revision führen.
b) Unabhängig davon ist eine Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus nicht aus Gründen der Rechtseinheit oder
Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich.
Nicht jede zweifelhafte, höchstrichterlich bisher nicht entschiedene Rechtsfrage rechtfertigt es, die Grundsatzrevision zuzulassen.
Die angestrebte Entscheidung muss in rechtlicher, nicht in tatsächlicher Hinsicht über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung
besitzen. Dies ist zu bejahen, wenn die gleiche Rechtsfrage auch in unbestimmt vielen Fällen oder wenigstens einer Mehrzahl
weiterer Fälle relevant ist, dh wenn von ihr erwartet werden kann, dass sie in einer die Interessen der Allgemeinheit berührenden
Weise das Recht oder die Rechtsanwendung fortentwickeln oder vereinheitlichen wird. Insoweit ist zwischen Rechtssachen, die
wegen ihrer besonderen Sachverhaltsgestaltung und damit verbundenen besonderen Rechtsproblematik Einzelfallcharakter haben,
bei denen sich die Rechtsanwendung einer aktuellen Verallgemeinerung entzieht, und Fällen, in denen Rechtsfragen zu entscheiden
sind, die auch in anderen Streitsachen bereits aufgetreten sind oder wahrscheinlich auftreten werden, zu unterscheiden (Kummer,
Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 322 mwN).
Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen entstammen einem außergewöhnlichen Sachverhalt, der nicht dem Regelfall entspricht, der
der gesetzlichen Grundkonzeption und der allgemeinen Lebens- und Arbeitswirklichkeit zugrunde liegt. Der Kläger hat als Rechtsanwalt
einen Vertrag über "freie Mitarbeit" abgeschlossen, aufgrund dessen er über zwei Jahre tätig war, ohne dass ihm zu Beginn
der Tätigkeit oder in deren Verlauf Zweifel an der zwischen ihm und dem beklagten Arbeitgeber vereinbarten Selbstständigkeit
gekommen sind. Demzufolge hat er weder zu Beginn der Tätigkeit noch während ihrer zweijährigen Durchführung einen Statusfeststellungsantrag
nach §
7a Abs
1 S 1
SGB IV und/oder einen vergleichbaren Antrag bei der zuständigen Einzugsstelle zeitnah gestellt. Erst über ein Jahr nach Beendigung
der Tätigkeit initiierte er ein Statusfeststellungsverfahren. Zwar stand der Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens
der zwischenzeitlich vergangene Zeitraum nicht entgegen. Inwieweit dieser Sachverhalt über den konkreten Einzelfall hinaus
eine Klärung der Fragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erfordert, ist aber nicht ersichtlich. Insoweit
ist nicht ausreichend, dass ein vergleichbarer Sachverhalt bei jedem "Scheinselbständigen" potentiell denkbar ist. Regelfall
ist vielmehr, dass die Möglichkeit eines Statusfeststellungsverfahrens mit dem Ziel, Gewissheit über den sozialversicherungsrechtlichen
Status zu erlangen, grundsätzlich von einer zeitnahen Klärung der Verhältnisse ausgeht (siehe oben a). Zudem dürfte "jeder
Scheinselbständige" im Regelfall ein originär eigenes Interesse an einer baldigen Klärung der sozialversicherungsrechtlichen
Verhältnisse haben, weil sich - gerade in der vorliegenden Konstellation einer fehlenden Versicherungspflicht in der GKV wegen
Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze - aus der Feststellung von Beschäftigung ein nicht unerheblicher Beitragszuschussanspruch
nach §
257 Abs
1 SGB V für ihn ergibt.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.