Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem beklagten Rentenversicherungsträger die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der im Jahr 1970 geborene Kläger, der den Beruf des Schlossers erlernt hat, war zuletzt als CNC-Fräser versicherungspflichtig
beschäftigt. Seit Oktober 2012 ist er arbeitsunfähig erkrank, seit April 2014 ist er arbeitslos und bezog deswegen von der
Bundesagentur für Arbeit bis zum 05.05.2015 Arbeitslosengeld.
Vom 18.11. - 09.12.2014 durchlief der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik S. , D. , aus der er unter den
Diagnosen eines chronischen Schmerzsyndroms, chronischer Arthralgien, chronischer Bronchitis, des Verdachts auf ein Schlafapnoe-Syndrom,
Hypertonie und einer rezidivierenden depressiven Störung in gegenwärtig leichter Episode als fähig entlassen worden ist, leichte
körperliche Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich und mehr verrichten zu können. Im Entlassungsbericht
vom 09.12.2014 ist hierzu u.a. ausgeführt worden, dass eine Diskrepanz zwischen den (erhobenen) Befunden und deren subjektiver
Wahrnehmung beim Kläger bestehe.
Am 17.02.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Unter
Verweis auf die anlässlich der Rehabilitationsmaßnahme gestellten Diagnosen und den hiermit einhergehenden Beschwerden gab
er hierzu an, seit 2012 erwerbsgemindert zu sein. Mit seinem Antrag legte der Kläger Befundberichte der ihn behandelnden Ärzte
vor. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten des Orthopäden Dr. M. vom 14.09.2015 diagnostizierte dieser
beim Kläger eine Polyarthralgie, eine chronische Lumbalgie links, ein HWS- und BWS-Syndrom sowie eine Hypertonie. Die Wirbelsäule
sei statisch normal und funktionell altersentsprechend. Das rechte Handgelenk sei in der Beweglichkeit gemindert. Beim An-
und Auskleiden sei jedoch kein Schonverhalten zu erkennen. Eine Schmerzaggravation sei unverkennbar. Sowohl im Hinblick auf
das orthopädische Fachgebiet als auch im Hinblick auf eine Depression und eine chronische Bronchitis liege insg. keine Erwerbsminderung
vor; der Kläger könne eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit sechs Stunden täglich und mehr verrichten.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 26.02.2015 ab. Die medizinischen Voraussetzungen für eine
Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor.
Den hiergegen am 06.03.2015 unter der Begründung, die bestehenden Schmerzen und die seelischen Leiden bedingten eine wesentliche
Leistungseinschränkung, erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.11.2015 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Die bei ihm bestehenden Leistungseinschränkungen, die primär auf einem komplexen psychosomatischen Beschwerdebild
beruhten, seien von der Beklagten nicht hinreichend gewürdigt worden. Mit der limitierten psycho-physischen Leistungsfähigkeit
gingen auch funktionelle Defizite des Bewegungs- und Haltungsapparates einher. Das Beschwerdebild führe zu einer raschen Erschöpfbarkeit,
zu Antriebslosigkeit sowie zu Konzentrations- und Merkstörungen, die sich (auch) in einem sozialen Rückzugsverhalten manifestierten.
Hierzu hat er u.a. einen Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H.-M. vom 17.11.2016 vorgelegt, wonach
sich bei ihm als Reaktion auf die Schmerzen und die erheblichen Einschränkungen ein schweres depressives Syndrom ausgebildet
habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. R. , Facharzt für Anästhesie
und spezielle Schmerztherapie, hat unter dem 19.01.2016 ausgeführt, er erachte beim Kläger eine stufenweise Wiedereingliederung
für sinngebend. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin L. hat unter dem 26.01.2016 aufgeführt, dass beim Kläger Einschränkungen
der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit bestünden, ihm jedoch leichte Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens
sechs Stunden täglich möglich seien. Der Hand- und Fußchirurg Prof. Dr. K. hat in seiner Stellungnahme vom 12.02.2016 mitgeteilt,
dass beim Kläger, wenn keine schwere Tätigkeit zu verrichten sei, keine Arbeitsunfähigkeit vorliege. Leichte Tätigkeiten könnten
von ihm sechs Stunden täglich verrichtet werden. Diese Einschätzung vertrat auch der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Saad unter dem 09.03.2016.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das SG Dr. B. , Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines
Gutachtens beauftragt. In seinem freien orthopädischen Gutachten vom 07.08.2016 hat Dr. B. beim Kläger vor allem Gesundheitsstörungen
im Bereich der Haltungs- und Bewegungsorgane diagnostiziert. Unter Berücksichtigung der hierdurch bedingten Einschränkungen
sei es dem Kläger möglich und zumutbar, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuüben. Der Kläger
sei auch hinreichend wegefähig. Unter dem Aspekt einer psychosomatischen Überlagerung - ungeachtet wohl fehlender höhergradiger
krankheitswertiger psychopathologischer Befunde - sei ein nervenärztliches Gutachten sinnvoll. Es werde aber nicht davon ausgegangen,
dass dies zu einer Attestierung eines aufgehobenen Leistungsvermögens führen werde.
Das SG hat sodann Dr. M. , Oberarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus G. , zum gerichtlichen
Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten
vom 02.05.2017 hat Dr. M. beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine chronische Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren, eine rezidivierende depressive Störung in gegenwärtig leichtgradiger Episode und einen Schmerzmittelmissbrauch
festgestellt. Im Vordergrund stehe, so Dr. M. , die Schmerzstörung. Eine mittel- oder schwergradige depressive Episode habe
weitestgehend ausgeschlossen werden können. Das Ausmaß einer möglichen quantitativen Leistungsminderung lasse sich aufgrund
der gezeigten, über Verdeutlichungstendenzen deutlich hinausgehenden Beschwerdeausweitung, Beschwerdeüberhöhung und Beschwerdeverstärkung
durch den Kläger zwar nicht "ohne vernünftigen Zweifel" abschätzen; er, Dr. M. , erachte den Kläger jedoch für noch in der
Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig ausüben zu können.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.09.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf die gutachterlichen Einschätzungen des Dr. B. und des Dr. M. hat es begründend ausgeführt,
die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen bedingten keine quantitative Leistungseinschränkung.
Gegen den ihm am 14.09.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.09.2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg
eingelegt. Er bringt vor, er könne wegen der bestehenden Schmerzen und psychischen Probleme keine sechs Stunden täglich arbeiten.
Das SG habe es unterlassen, Dr. H.-M. einzuvernehmen, bei der er regelmäßig in Behandlung stehe. Auch die Anhörung des ihn behandelnden
Psychologischen Psychotherapeuten H. sei erforderlich.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13.09.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 26.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2015 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen
teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.02.2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages hat die Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. vom 14.01.2019 vorgelegt.
Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte zuletzt den Versicherungsverlauf des Klägers (Stand 17.09.2019) vorgelegt, in dem
die (chronologisch) letzte Pflichtbeitragszeit den Zeitraum vom 01.01. - 05.05.2015 erfasst. Sie hat hierzu ausgeführt, der
Kläger erfülle aktuell die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht. Dies sei letztmalig bei einem
Leistungsfall am 30.06.2017 der Fall gewesen.
Der Senat hat (weitere) behandelnde Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. S. , Fachärztin
für Neurologie und Psychiatrie, hat unter dem 28.09.2018 mitgeteilt, den Kläger (persönlich) seit Januar 2018 in 4 - 6 wöchigen
Abständen zu behandeln. Zuvor sei er in Behandlung der Praxisvorgängerin (Dr. H.-M. ) gewesen. Seit Januar 2018 habe sie eine
rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig in mittelgradiger Symptomatik, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren und eine sonstige andauernde Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Das Beschwerdebild habe sich
über den Behandlungszeitraum als konstant und gleichbleibend dargestellt. Beim Kläger bestünden erhebliche Beeinträchtigungen
im kognitiven, affektiven und psychosozialen Bereich. Der Kläger sei, so Dr. S. , nicht in der Lage, eine sechsstündige leichte
Tätigkeit verrichten zu können. Der Psychologische Psychotherapeut H. hat unter dem 14.10.2018 ausgeführt, den Kläger seit
März 2017 zu behandeln. Bei ihm liege eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig in einer schweren Episode vor, die
es dem Kläger unmöglich mache, zu arbeiten. Dr. B. , Facharzt für Neurologie, hat in seiner Stellungnahme vom 05.12.2018 ausgeführt,
den Kläger seit März 2018 zu behandeln. Nach den Angaben des Klägers habe sich, so Dr. B. , seit einem Jahr eine Lese- und
Rechtschreibschwäche entwickelt. Die beim Kläger bestehende allgemeine Verlangsamung und die Sprachstörung stünden der Fähigkeit,
konkurrenzfähig zu arbeiten, entgegen.
Der Senat hat sodann Dr. H. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen
ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 04.03.2019 hat Dr. H.
beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet eine leichte depressive Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung
diagnostiziert. Dr. H. hat hierzu ausgeführt, dass sich die geklagten kognitiven Leistungseinschränkungen nicht hätten nachvollziehen
lassen. Die beim Kläger bestehenden Einschränkungen seien nur qualitativer Natur, wobei in Gesamtschau und unter Berücksichtigung
der Lese- und Rechtschreibschwäche nur geistig eher anspruchslose Tätigkeiten in Betracht zu ziehen seien.
Der Kläger ist der gutachterlichen Einschätzung des Dr. H. unter Vorlage einer Stellungnahme von Dr. S. vom 11.04.2019 entgegengetreten.
Sodann hat er den Bericht des Dipl.-Psych. H. vom 17.05.2019 über eine am 14. und 17.05.2019 durchgeführte neuropsychologische
Untersuchung vorgelegt, nach der das dortige Ergebnis im verbalen und figuralen Lerntest weit unterdurchschnittlich ausgefallen
sei und der Kläger im aufmerksamkeitsbezogenen Bereich stark verlangsamt arbeite. Auch habe der Kläger starke Probleme bei
der selektiven Aufmerksamkeit gezeigt. Der Summenscore des Depressionsfragebogens habe auf eine massive depressive Störung
hingewiesen.
Auf eine ergänzende Anfrage des Senats hat Dr. H. hierzu ausgeführt, dass die bei der neuropsychologischen Untersuchung erhobenen
Befunde nicht mit den von ihm erhobenen in Einklang gebracht werden könnten.
Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2019 u.a. die (abermalige) Befragung der behandelnden Ärzte beantragt
hatte, hat Dr. S. unter dem 19.11.2019 mitgeteilt, dass die beim Kläger bestehenden kognitiven Defizite und sprachlichen Auffälligkeiten
schon länger bestünden. Sie hat hierzu die ihr vorliegenden Behandlungsunterlagen für die Zeit vor dem 30.06.2017 vorgelegt.
Der Dipl.-Psych. H. hat unter dem 02.12.2019 mitgeteilt, den Kläger in der Zeit vom 09.03. - 30.06.2017 13 x behandelt zu
haben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte
sowie die Prozessakten beider Rechtszüge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2020 geworden sind, sowie das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
2 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist nach §
143 Abs.
1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung des Klägers führt für diesen jedoch inhaltlich nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der den Antrag des Klägers ablehnende Bescheid der Beklagten vom 26.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2015
ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach §
43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung
und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554) haben Versicherte
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§
43 Abs.
2 Satz 1
SGB VI) oder Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI), wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung
die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr.
3). Voll erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach
§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß §
43 Abs.
3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer - unabhängig von der Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein eine Einschränkung
der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher (quantitativer) Hinsicht eine Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen vermag,
hingegen der Umstand, dass bestimmte inhaltliche Anforderungen an eine Erwerbstätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Situation
nicht mehr verrichtet werden können, einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich nicht zu
begründen vermag.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind hierbei bezogen auf den Leistungsfall, den Eintritt der Erwerbsminderung,
zu bestimmen. Das Erfordernis der Belegung von mindestens drei Jahren (36 Monaten) mit Pflichtbeiträgen innerhalb eines Zeitraumes
von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung führt dazu, dass i.d.R. der Versicherungsschutz bis zu einem Zeitraum von
zwei Jahren nach dem zuletzt Pflichtbeitragszeiten vorgelegen haben, aufrechterhalten bleibt, bei einer (zeitlich) weitergehenden
Abkehr vom Erwerbsleben i.w.S. der Versicherungsschutz hingegen erlischt. Vorliegend sind im Versicherungsverlauf des Klägers
zuletzt für die Zeit bis zum 05.05.2015 Pflichtbeitragszeiten vermerkt. Dies führt dazu, dass die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen letztmals erfüllt sind, wenn der Leistungsfall, der Eintritt der Erwerbsminderung, spätestens am 30.06.2017
eingetreten wäre. Mithin ist zur Bejahung des geltend gemachten Anspruchs vorliegend einzig maßgebend, ob die Erwerbsminderung
bereits am 30.06.2017 bestanden hat. Ob der Kläger hingegen seither und ggf. zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats erwerbsgemindert
ist, ist ohne entscheidungsrelevante Bedeutung.
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Merkmal der "Erwerbsminderung" um ein positives, den Anspruch begründendes
Element handelt, für das der Versicherte, vorliegend der Kläger, die objektive Feststellungslast trägt. Kann trotz gerichtlicher
Ermittlungen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass eine quantitative Leistungsreduzierung
besteht, geht dies zu Lasten des Versicherten.
Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger zum 30.06.2017 erwerbsgemindert gewesen ist. Im
Rahmen der Betrachtung des Gesundheitszustandes des Klägers zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt der Senat das Gutachten des
Dr. M. vom 02.05.2017. Dr. M. hat hierin, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Klägers am 21.03.2017, d.h. zeitnah
zum vorliegend relevanten Zeitpunkt, von einer beim Kläger bestehenden chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen
Faktoren, einer rezidivierende depressiven Störung bei gegenwärtig leichtgradiger Episode und einem Schmerzmittelmissbrauch
berichtet. Er hat anlässlich seiner Untersuchung beim Kläger keine Minderung der Auffassungsgabe, der Merkfähigkeit oder des
Gedächtnisses erkennen können, von einer ausgeglichenen Stimmung und einer erhaltenen affektiven Schwingungsfähigkeit berichtet
und hierzu ausgeführt, es finde sich kein Hinweis auf eine affektive Verflachung. Auch bezgl. weiterer psychischer Dimensionen
hat Dr. M. keine gravierenden psychopathologischen Befunde mitgeteilt. So hat er von einer klaren Bewusstseinslage, einer
voll erhaltenen Orientierung und keinen formalen Denkstörungen berichtet. Vielmehr hat Dr. M. auf Basis durchgeführter Testungen
die Einschätzung vertreten, dass die Beschwerdeschilderung des Klägers nicht authentisch sei. Ausgehend hiervon vermag sich
der Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. M. erwerbsgemindert gewesen
ist.
Soweit Dr. S. in ihrer Stellungnahme vom 28.09.2018 gegenüber dem Senat mitgeteilt hat, beim Kläger bestünden erhebliche Beeinträchtigungen
im kognitiven, affektiven und psychosozialen Bereich, der Kläger sei nicht in der Lage, eine sechsstündige leichte Tätigkeit
verrichten zu können, bedingt dies vorliegend keine abweichende Beurteilung, da Dr. S. den Kläger erst seit Januar 2018 behandelt
und Rückschlüsse auf den relevanten Zeitpunkt, den 30.06.2017, nicht möglich sind, da Dr. S. ausdrücklich von einem konstanten
Beschwerdebild über den "Behandlungszeitraum" berichtet hat. I.d.S. kann auch der Einschätzung des Dr. B. keine maßgebliche
Bedeutung beigemessen werden. Dies gilt insb. deswegen, als Dr. B. in seiner Stellungnahme betr. einer Lese- und Rechtschreibschwäche
ausgeführt hat, dass dies auf den eigenen Angaben des Kläger beruht. Dies, und der Umstand, dass die neuropsychologische Untersuchung
durch Dipl.-Psych. H. erst am 14. und 17.05.2019 und damit nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
letztmalig erfüllt gewesen sind, durchgeführt worden ist, führt auch dazu, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung, dass der
Kläger starke Probleme bei der selektiven Aufmerksamkeit zeigt und auch (aktuell) Anzeichen für eine massive depressive Störung
bestehen, vorliegend nicht maßgeblich sind.
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger bereits in der Zeit bis zum 30.06.2017 unter Beschwerden aufgrund Erkrankungen aus
dem psychiatrischen Formenkreis gelitten hat, die, so Dipl. Psych. H. in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 02.12.2019
und 16.04.2020 im Zeitraum vom 09.03. - 30.06.2017 zu einer 13 maligen Vorstellung des Klägers bei ihm geführt haben, indes
beinhalten die aktenkundigen medizinischen Unterlagen keine derart gravierenden Befunde, die die Annahme einer quantitativen
Leistungsreduzierung bereits spät. zum 30.06.2017 rechtfertigen könnten. Solche sind insb. auch nicht in den von Dr. S. unter
dem 19.11.2019 vorgelegten Behandlungsunterlagen der den Kläger vormals behandelnden Dr. H.-M. beinhaltet, aus denen insb.
auch hervorgeht, dass der Kläger im Stande war, Dr. H.-M. gegenüber umfangreiche Angaben zu machen - auch über den noch im
Sommer 2017 erfolgten Besuch seiner Mutter in W ...
Dies, d.h. fehlende gravierende Befunde, gilt gleichermaßen für die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf dem orthopädischen
Fachgebiet, namentlich Erkrankungen des Bewegungs- und Haltungsapparates.
In Zusammenschau der vorliegenden Befunde ist der Senat daher nicht davon überzeugt, dass der Kläger spätestens am 30.06.2017
nicht mehr in der Lage gewesen ist, einer leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von
sechs Stunden täglich nachgehen zu können.
Der (zunächst) gestellte Antrag, ein weiteres Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von Amts
wegen einzuholen, ist in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2020 nicht aufrechterhalten worden. Ungeachtet hiervon ist der
medizinische Sachverhalt bereits umfassend ermittelt; die für die Leistungsbeurteilung erforderlichen medizinischen Befunde
sind hiernach bereits bekannt, weswegen sich der Senat auch im Rahmen des §
103 Satz 1
SGG nicht gedrängt sieht, ein weiteres Gutachten einzuholen.
Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalles zum
30.06.2017. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger unter dem Aspekt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
oder dem eines verschlossenen Arbeitsmarktes ausnahmsweise eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist, bestehen für
den Senat nicht.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §
240 SGB VI scheidet bereits deswegen aus, weil der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.
Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 13.09.2017, mit dem die Klage gegen den antragsablehnenden Bescheid der Beklagten vom 26.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10.11.2015 abgewiesen worden ist, ist daher nicht zu beanstanden; die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.