Tatbestand
Die Parteien streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1958 geborene Kläger hat den Beruf des Energieanlagenelektronikers erlernt. Er war circa drei Jahre im erlernten Beruf
tätig. Anschließend arbeitete er zwei Jahre als Versicherungskaufmann. In der Zeit von 1994 bis 2007 war er selbstständig
in der Fensterbaubranche tätig. Von 01.03.2007 bis Oktober 2016 war er in Teilzeit (20 Stunden in der Woche) als Lkw-Fahrer
bei der Fa. H. versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seinen eigenen Angaben handelte es sich um eine angelernte Tätigkeit
(Auslieferung von Elektrofahrrädern). Zusätzlich führte er bis Ende Januar 2018 (Gewerbeabmeldung) zusammen mit seiner Ehefrau
einen Betrieb für die Montage von Werbeanlagen. Seit Oktober 2016 ist er arbeitsunfähig erkrankt. Seit November 2015 ist ein
Grad der Behinderung (GdB) von 40, seit Januar 2018 ein GdB von 50 anerkannt worden.
Am 06.03.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sowie eine medizinische
Rehabilitation. Letztere wurde von der Beklagten bewilligt und fand in der Zeit vom 29.05.2017 bis 23.06.2017 ganztägig ambulant
in der A. S.-Klinik statt. Diese entließ den Kläger am 23.06.2017 arbeitsunfähig. Nach dem Entlassungsbericht der A. S.-Klinik
vom 26.06.2017 liegt die Leistungsfähigkeit für die letzte berufliche Tätigkeit als Lkw-Fahrer bei drei bis unter sechs Stunden.
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe hingegen nach Rekonvaleszenz eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr für
körperlich mittelschwere Arbeiten. Die Schmerzen und die Beweglichkeit im linken Schultergelenk hätten sich gebessert (zuletzt
Anteversion 140°, Retroversion 20° und Abduktion 80°).
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 25.07.2017 ab. Die medizinischen
Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente seien nicht erfüllt. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Auslieferungsfahrer
könne der Kläger zwar nicht mehr ausüben. Er sei jedoch auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die er noch
im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne, breit verweisbar.
Hiergegen legte der Kläger am 02.08.2017 Widerspruch ein. Zur Begründung gab er an, der von der Versorgungsverwaltung anerkannte
GdB müsse berücksichtigt werden. Außerdem müssten sämtliche Funktionsbeeinträchtigungen in die Beurteilung mit einfließen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als Begründung führte sie an, nach den Feststellungen
des Sozialmedizinischen Dienstes seien keine Auswirkungen der bestehenden Erkrankungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen
des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschränkten. Der Kläger könne demnach unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Am 04.01.2018 hat der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte habe nicht alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt.
Im Verfahren auf Feststellung des GdB seien als zusätzliche Funktionsbehinderungen eine Refluxkrankheit der Speiseröhre, ein
Knorpelschaden an beiden Kniegelenken, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Bandscheibenschaden sowie eine Fingerpolyathrose
anerkannt worden. Weiterhin habe die Beklagte aktenkundige Befunde bei ihrer Beurteilung nicht beachtet. Insgesamt seien funktionelle
Einschränkungen der Finger, der Knie, des Magens, der Ohren und der Schulter sowie Bluthochdruck zu berücksichtigten. Dem
Sachverständigengutachten von Dr. S. (dazu unten) könne nicht gefolgt werden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte befragt. Der behandelnde Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkunde Dr. S. hat mit Schreiben vom 12.04.2018
dargelegt, dass bei dem Kläger Ohrgeräusche seit Mitte 2016 bestünden und Schwindelbeschwerden im Februar 2018 angegeben worden
seien. Hinsichtlich des Leistungsvermögens lägen keine wesentlichen Beeinträchtigungen vor. Der behandelnde Handchirurg Dr.
W. hat mitgeteilt, dass sich der Kläger seit dem 01.01.2017 nicht mehr in seiner Behandlung befinde und er daher keine Auskünfte
erteilen könnte. Der behandelnde Facharzt für Neurochirurgie Prof. Dr. St. hat mit Schreiben vom 17.04.2018 angegeben, dass
er den Kläger nur einmalig am 14.10.2016 aufgrund einer Tendovaginosis stenosans des Mittel- und Ringfingers links untersucht
und behandelt habe. Aufgrund dieser Erkrankung sei es dem Kläger möglich, einer leichten Arbeit im zeitlichen Umfang von täglich
sechs Stunden nachzugehen. Der behandelnde Orthopäde Dr. Sch. hat mit Schreiben vom 24.04.2018 angegeben, dass im Bereich
der Lendenwirbelsäule eine schmerzhafte Belastungsminderung und Bewegungseinschränkung als Folge einer ausgeprägten Osteochondrose
und Spondylarthrose vorliege, wodurch ein Heben von schweren Lasten, Arbeiten in Zwangshaltung sowie Arbeiten über Kopf oder
ohne Witterungsschutz nicht mehr zumutbar seien. Außerdem liege an beiden Kniegelenken eine Arthrose 2. Grades vor. Am rechten
Knie bestehe auch eine leichte Bewegungseinschränkung sowie eine deutliche Belastungsminderung, die eine Einschränkung der
Gehstrecke auf 150 Meter zur Folge habe. Das führe auch zu einer Belastungsminderung für längeres Stehen und Gehen sowie für
Arbeiten in Zwangshaltung und vermehrtes Treppensteigen. Durch eine Rhizarthrose beidseitig sowie eine Kontraktur des Mittelfingers
um 20° sei die Greiffunktion der rechten Hand bezüglich schwerer Lasten eingeschränkt. Weiterhin bestehe im Bereich der Halswirbelsäule
ein chronisches Cervicalsyndrom, weshalb eine Einschränkung hinsichtlich des Hebens schwerer Lasten, Arbeiten in Zwangshaltung
und über Kopf oder ohne Witterungsschutz ebenfalls nicht mehr zumutbar seien. Demnach könne der Kläger nur noch leichte gelegentlich
mittelschwere Arbeiten, überwiegend im Sitzen in einem Umfang von täglich 6 Stunden ausüben. Der behandelnde Facharzt für
Orthopädie und Chirurgie Dr. S. hat mit Schreiben vom 09.05.2018 mitgeteilt, dass bei dem Kläger massive Bewegungseinschränkungen
an der linken Schulter (Abduktion bis maximal 90°), nächtliche Ruheschmerzen, Kraftminderung und belastungsabhängige Schmerzen
seit September 2016 vorlägen und dem Kläger daher weder leichte Arbeiten noch körperliche Arbeit unter drei Stunden möglich
seien. Der Allgemeinmediziner Dr. U. hat mit Schreiben vom 16.05.2018 angegeben, der Kläger klage seit einigen Jahren (in
den letzten zwei bis drei Jahren zunehmend) über eine eingeschränkte Belastbarkeit des gesamten Bewegungsapparates. Es sei
vertretbar, dass der Kläger einer leichten körperlichen Tätigkeit zwischen vier und sechs Stunden nachgehe, je nach Tätigkeit
und körperlicher Belastung.
Das SG hat daraufhin ein Sachverständigengutachten bei Dr. S. , Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, eingeholt. Dieser kommt
in seinem Sachverständigengutachten vom 23.07.2018 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger ein muskuläres Reizsyndrom der Halswirbelsäule
mit Funktionsbehinderung ohne radikuläre Reizerscheinungen bei degenerativen Veränderungen, eine Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule
mit muskulärem Reizsyndrom der LWS und leichter Funktionsbehinderung ohne radikuläre Reizerscheinungen bei degenerativen Veränderungen,
eine Funktionsbehinderung der linken Schulter (Abduktion 90°, Elevation 100°, Außenrotation 40°, Innenrotation 90°, jeweils
aktiv) bei nachgewiesener Rotatorenmanschettenläsion mit fortbestehendem Impingement, ein Zustand nach Ringbandspaltungen
an beiden Händen, eine Kniegelenkarthrose rechts mit Streck- und Beugedefizit und eine meralgia paraesthetica am linken Oberschenkel
bestehen. Dauerhaft mittelschwere und schwere Arbeiten seien nicht mehr möglich. Lastgewichte über 15 kg könnten nicht mehr
regelmäßig gehoben und getragen werden. Arbeiten in gebückter Haltung bzw. Zwangshaltung, Tätigkeiten auf unebenen Böden,
Leitern und Gerüsten mit erhöhter Absturzgefahr, Tätigkeiten in der Armvorhalte bzw. Überkopf, Arbeiten in Nässe und Kälte,
in Wechselschicht bzw. Akkord und mit schnellem Richtungswechsel seien nicht mehr zumutbar. Leichte körperliche Arbeiten mit
mittelschweren Spitzen könnten in trockenen und beheizten Räumen, auf ebenen Böden, im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und
Stehen ausgeübt werden. Dabei könnten Lastgewichte bis 10 kg gehoben und getragen werden. Es ergäben sich keine Befunde an
den unteren Gliedmaßen, die eine höhere Einschränkung der Gehfähigkeit von viermal täglich 500 m begründen würden. Die beschriebenen
Tätigkeiten könne der Kläger vollschichtig, d.h. 6 Stunden und mehr, verrichten. Zu den Einwendungen des Klägers gegen das
Sachverständigengutachten hat Dr. S. am 31.08.2018 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, er habe bei der von ihm durchgeführten
Untersuchung an der linken Schulter eine Abduktion von 90° und eine Elevation von 100° festgestellt. Diese Bewegungsmaße seien
mit den von Dr. S. genannten Funktionseinschränkungen vergleichbar. Die Bewegungseinschränkung habe er bei seiner Leistungsbeurteilung
einfließen lassen. Überkopfarbeiten bzw. Arbeiten mit Armvorhalte seien dem Kläger deshalb nicht mehr zumutbar. Es erschließe
sich hingegen aus der Stellungnahme von Herrn Dr. S. nicht, warum dieser davon ausgehe, dass dem Kläger auch eine Verrichtung
von leichten Arbeiten nur noch im Umfang von unter drei Stunden täglich möglich sei. Außer den Beschwerden an der Schulter
führe er keine Diagnosen an, die diese Auffassung stützen würden. Auch der Hausarzt Dr. U. benenne für die eingeschränkte
körperliche Belastbarkeit keine Befunde. Die Angaben hinsichtlich der möglichen Gehstrecke in dem Befundbericht vom 24.04.2018
des Orthopäden Dr. Sch. seien aus den anamnestischen Angaben des Klägers übernommen und nicht von diesem festgestellt worden.
Er (Dr. S. ) habe das Gangbild des Klägers bei der Untersuchung mehrfach beobachtet und keine höhergradige Einschränkung der
Gehfähigkeit festgestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er sei in
der Lage leichte körperliche Arbeiten mit mittelschweren Spitzen in trockenen und beheizten Räumen, auf ebenen Böden, im Wechsel
zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter Vermeidung von Tätigkeiten in gebückter Haltung bzw. Zwangshaltungen sowie in Armvorhalte
bzw. Überkopf sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer
Rente wegen Erwerbsminderung seien deshalb nicht erfüllt. Das Gericht folge den im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen
Unterlagen und dem Sachverständigengutachten von Dr. S ...
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 25.10.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.11.2018 Berufung beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, das Gutachten des Dr. S. sei nicht ausschlaggebend, da es
sich bei einer Begutachtung lediglich um eine Momentaufnahme handele. Daraus folge, dass ein Gutachter die betroffene Person
nicht in dem Maße kenne wie ein Arzt, der fortlaufend mit der Behandlung des Patienten betraut sei. Dr. S. habe den Kläger
regelmäßig in einem zwei bis drei Wochen-Takt behandelt und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Kläger gerade nicht mehr
möglich sei, leichte Tätigkeiten im Umfang von drei Stunden täglich auszuüben. Auch der ärztliche Entlassungsbericht der S.-Klinik
sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Dort sei das Leistungsvermögen bezüglich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit mit
drei bis sechs Stunden täglich angegeben worden. Dem Kläger sei zwar ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt worden,
diese Einschätzung sollte aber erst nach erfolgter Rekonvaleszenz zum Tragen kommen. Eine Rekonvaleszenz sei aber gerade zu
keinem Zeitpunkt eingetreten, vielmehr habe sich der Zustand sogar noch verschlechtert. Auch der behandelnde Orthopäde Dr.
S. habe zwar ein Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten angenommen, jedoch eine gravierende
Einschränkung im Hinblick auf die zurückgelegte Gehstrecke von nur noch 150m angegeben. Gegen die Auffassung des SG sprächen auch die Ausführungen des Allgemeinmediziners Dr. U. , der dem Kläger ein tägliches Leistungsvermögen zwischen vier
und sechs Stunden bescheinigt habe. Das SG habe den Ausführungen der Gutachter und sachverständigen Zeugen unterschiedliche Bedeutung zugemessen und sei falsch davon
ausgegangen, die Ausführungen einiger sachverständigen Zeugen seien auf subjektive Angaben des Klägers gestützt. Die sozialmedizinischen
Stellungnahmen müssten als Parteivortrag gewertet werden. Hinzu komme, dass die Verfasser (der sozialmedizinischen Stellungnahmen)
den Kläger nicht persönlich untersucht hätten. Nachdem der GdB des Klägers nunmehr mit 50 festgestellt worden sei, sei außerdem
eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes anzunehmen. Das Leistungsvermögen sei neu zu beurteilen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.10.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids
vom 25.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2017 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.03.2017 eine Rente
wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend. Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbringen
im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend hat sie einen aktuellen Versicherungsverlauf und eine sozialmedizinische Stellungnahme
von Dr. L. , Facharzt für Innere Medizin, vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in erster
und zweiter Instanz und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (vgl. §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft, da eine Rente für einen Zeitraum von über einem Jahr begehrt wird (vgl. §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Die Berufung des Klägers ist hingegen nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 25.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2017 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Nach §
43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung
und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554) haben Versicherte
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§
43 Abs.
2 Satz 1
SGB VI) oder Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung
die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3).
Voll erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach
§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß §
43 Abs.
3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer - unabhängig von der Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein eine Einschränkung
der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher (quantitativer) Hinsicht eine Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen vermag,
hingegen der Umstand, dass bestimmte inhaltliche Anforderungen an eine Erwerbstätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Situation
nicht mehr verrichtet werden können, einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich nicht zu
begründen vermag.
In Anlegung dieser Maßstäbe ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger in der Lage ist, einer leichten Tätigkeit in einem
zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich und mehr nachgehen zu können. Die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen
bedingen keine quantitative Leistungsreduzierung.
(1) Der Kläger leidet an einem muskulären Reizsyndrom der Halswirbelsäule mit Funktionsbehinderung ohne radikuläre Reizerscheinungen
bei degenerativen Veränderungen, einer Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule mit muskulärem Reizsyndrom der LWS und leichter Funktionsbehinderung
ohne radikuläre Reizerscheinungen bei degenerativen Veränderungen, einer Funktionsbehinderung der linken Schulter bei nachgewiesener
Rotatorenmanschettenläsion mit fortbestehendem Impingement, einem Zustand nach Ringbandspaltungen an beiden Händen, einer
Kniegelenkarthrose rechts mit Streck- und Beugedefizit, einer meralgia paraesthetica am linken Oberschenkel, einer Hypertonie,
Adipositas II. Grades, einer Refluxkrankheit und einem Tinnitus. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten von
Dr. S. und den von den behandelnden Ärzten des Klägers übermittelten Befundunterlagen.
(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen des Klägers in qualitativer Hinsicht
ein. Dauerhaft mittelschwere und schwere Arbeiten sind nicht mehr möglich. Lastgewichte über 10 kg können nicht mehr regelmäßig
gehoben und getragen werden. Arbeiten in gebückter Haltung bzw. Zwangshaltung, Tätigkeiten auf unebenen Böden, Leitern und
Gerüsten mit erhöhter Absturzgefahr, Tätigkeiten in der Armvorhalte bzw. Überkopf, Arbeiten in Nässe und Kälte, in Wechselschicht
bzw. Akkord und mit schnellem Richtungswechsel sind nicht mehr zumutbar. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten
von Dr. S ... Weitere (qualitative) Einschränkungen ergeben sich auch nicht unter Berücksichtigung der Befunde auf internistischem
und hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet. Dies entnimmt der Senat den Aussagen der als sachverständige Zeugen befragten Ärzte
des Klägers.
(3) Dass die Gesundheitsstörungen eine relevante quantitative Leistungseinschränkung zur Folge haben, kann dagegen nicht festgestellt
werden. Der Senat ist vielmehr überzeugt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen zumindest
leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben kann. Der Senat
stützt seine Überzeugung auf das schlüssige und nachvollziehbare Sachverständigengutachten von Dr. S ...
Die dagegen erhobenen Einwände des Klägers greifen nicht durch. Die vom Kläger angeführten abweichenden Stellungnahmen der
behandelnden Ärzte des Klägers hat der Sachverständige nachvollziehbar entkräftet. Die von Dr. S. angeführte Bewegungseinschränkung
der linken Schulter mit Abduktion bis maximal 90° hat der Gutachter Dr. S. im vergleichbaren Maße festgestellt. Entgegen der
Auffassung des Klägers hat er dies auch berücksichtigt, indem er Arbeiten Überkopf bzw. mit Armvorhalten nicht mehr als dem
Kläger zumutbar eingestuft hat. Überzeugend führt der Sachverständige an, dass den Ausführungen von Dr. S. nicht zu entnehmen
ist, weshalb aufgrund der Schulterbeschwerden links selbst leichte Arbeiten auch für 3 Stunden nicht möglich seien. Auch den
Ausführungen des Hausarztes Dr. U. kann nicht gefolgt werden. Diesbezüglich legt der Sachverständige nachvollziehbar dar,
dass der Hausarzt nur allgemein auf eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit des gesamten Bewegungsapparats abstellt.
Befunde zur Stützung seiner Ausführungen legt der Hausarzt hingegen nicht vor. Der Stellungnahme des Hausarztes kann auch
deshalb nicht gefolgt werden, weil sie nicht ausreichend differenziert zwischen quantitativen und qualitativen Einschränkungen.
Die sachverständige Zeugenaussage des Orthopäden Dr. Sch. stützt die Auffassung des Sachverständigen in Bezug auf die quantitative
Leistungsfähigkeit des Klägers. Auch der Entlassbericht der S.-Klinik steht den Ausführungen des Sachverständigen nicht entgegen.
Denn entgegen der Auffassung des Klägers wurde von Dr. S. berücksichtigt, dass dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen
nach erfolgter Rekonvaleszenz bescheinigt wurde. Das Leistungsbild, das in dem Entlassbericht der S.-Klinik dargestellt wurde,
ist mit dem im Sachverständigengutachten von Dr. S. beschriebenen Leistungsbild vergleichbar. Auch die S.-Klinik geht davon
aus, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach Rekonvaleszenz körperlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrythmus,
jeweils überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen, von 6 Stunden und mehr arbeitstäglich durchführen kann. Damit wird deutlich,
dass die von der S.-Klinik vorausgesetzte Rekonvaleszenz in der Folge tatsächlich eingetreten ist.
Quantitative Einschränkungen des Leistungsvermögens des Klägers resultieren schließlich auch nicht aus den Erkrankungen auf
internistischem und hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt des Klägers Dr. S. bestätigte, dass die
Ohrgeräusche keine wesentliche Leistungseinschränkung zur Folge haben. Hinsichtlich des Bluthochdrucks, der Adipositas II.
Grades und der Refluxkrankheit ergibt sich aus den von den Ärzten des Klägers mitgeteilten Befunden keine maßgebliche Relevanz
für das Leistungsvermögen. Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Dr. L. vom Sozialmedizinischen
Dienst der Beklagten an.
(4) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht
vor.
Zwar wirkt, wie oben dargelegt, grundsätzlich nur eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht rentenbegründend,
jedoch kann unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer spezifischen
Leistungsbehinderung das Erfordernis resultieren, den Versicherten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. BSG, Urteile vom 24.02.1999 - B 5 RJ 30/98 R -, vom 11.03.1999 - B 13 71/97 R -, und zuletzt vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R -, jew. in juris). Grundlage der Benennungspflicht bildet in diesen Fällen der Umstand, dass von vornherein ernste Zweifel
an einer Einsetzbarkeit in einem Betrieb aufkommen. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist in Betracht
zu ziehen, wenn, neben einer qualitativen Leistungseinschränkung auf "leichte Tätigkeiten", die Leistungsfähigkeit zusätzlich
in erheblichem Umfang einschränkt ist (Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 1, §
43 SGB VI, Rn. 47). In diesem Sinne ist unter der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen eine Häufung von Leistungseinschränkungen
zu verstehen, die insofern ungewöhnlich ist, als sie nicht regelmäßig bei einer Vielzahl von Personen bis zum Erreichen der
Altersgrenze für die Regelaltersrente angetroffen wird.
Eine solche ergibt sich nicht unter dem Aspekt eines etwaig verschlossenen Arbeitsmarktes. Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit
ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es für eine Vollzeittätigkeit hinreichend Arbeitsplätze gibt. Mithin obliegt bei
einer vollschichtigen Einsatzfähigkeit das Arbeitsplatzrisiko der Arbeitslosenversicherung bzw. dem Versicherten, nicht aber
der Beklagten (vgl. insofern §
43 Abs.
3 letzter Halbsatz
SGB VI, der bestimmt, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist).
Ausnahmsweise kann jedoch der Arbeitsmarkt als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf
die verbleibende Erwerbsfähigkeit nur möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen Arbeitsplatz
zu erhalten. Der Arbeitsmarkt gilt in Ermangelung einer praktischen Einsatzfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG abschließend als verschlossen, wenn der Versicherte nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen arbeiten kann,
der Versicherte entsprechende Arbeitsplätze aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann, der Versicherte nur in Teilbereichen
eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die
als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt
werden, die an Betriebsfremde nicht vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden,
die als Aufstiegspositionen nicht an Betriebsfremde vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer
Zahl vorkommen.
Keine der genannten Fallkonstellationen ist hier gegeben. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers (siehe oben)
sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen.
(5) Auch die Wegefähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats nicht eingeschränkt. Neben der zeitlich ausreichenden
Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen.
Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung
dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 - GS 2/95 -, in juris). Diese Kriterien hat das BSG zum Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelt, wie ihn § 1247
RVO und § 44
SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) umschrieben hatten (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris). Diese Maßstäbe gelten für den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (§
43 Abs.
2 SGB VI) unverändert fort (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2002 - B 5 RJ 12/02 R -, in juris). Konkret gilt: Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen
sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach
einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen,
dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel
sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach
grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also
jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen
Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden
Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris). Dazu gehört z. B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (zur Wegefähigkeit vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R -, in juris). Der Kläger ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurückzulegen
und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Senat folgt auch insoweit dem schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten
von Dr. S ... Der Einschätzung von Dr. S. , die Gehstrecke sei auf 150 m beschränkt, kann nicht gefolgt werden. Eine solche
Gehstrecke wurde von Dr. S. nicht festgestellt. Er hat die Gehstrecke vielmehr aus den anamnestischen Angaben des Klägers
übernommen. Der Sachverständige Dr. S. hat hingegen das Gangbild des Klägers im Rahmen der Untersuchung mehrfach beobachtet
und außer einem angedeuteten Rechtshinken keine höhergradige Einschränkung der Gehfähigkeit festgestellt.
(6) Aus der Anerkennung eines GdB von 50 folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung
nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem
SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3). Für die Erwerbsminderung nach §
43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während §
152 Abs.
1 Satz 5
SGB IX (in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung des Art. 1 Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen [BTHG] vom 23.12.2016 [BGBL. I, S. 3234])
auf die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft abstellt (zuvor §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX in der bis zum 14.01.2015 geltenden Fassung und §
159 Abs.
7 SGB IX in der seit dem 15.01.2015 geltenden Fassung, eingefügt durch Art. 1a Nr. 3 Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung
und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 [BGBl. II, S. 15], die auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verwiesen; vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3).
b) Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet ebenfalls aus.
Gemäß §
240 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind, Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit. Berufsunfähig sind nach §
240 Abs.
2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst
alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs
ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation
mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs
Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die soziale Zumutbarkeit
einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Die Rechtsprechung des BSG hat insoweit das so genannte Mehrstufenschema entwickelt. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität,
diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung
oder Prestige, geordnet. Danach sind bei den Angestelltenberufen zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe I); Berufe mit
einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe II); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe III); Berufe,
die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe IV), zu
ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit
Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine
zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe V); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium
oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe VI). Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen
Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29.06.2004 - B 4 RA 5/04 R -, in juris). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der
auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten
gewesen ist. In formeller Hinsicht muss der Versicherungsträger den Verweisungsberuf schließlich hinreichend konkret benennen
(Gebot konkreter Benennung), sofern der Versicherte nicht zur Gruppe der ungelernten bzw. unteren Gruppe der angelernten Arbeiter
gehört und deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann. Nur bei konkreter Benennung des Verweisungsberufs
kann geprüft werden, ob er dem Hauptberuf des Versicherten qualitativ gleichwertig ist und ob ihn der Versicherte ausüben
könnte, ohne damit gesundheitlich oder fachlich über- oder unterfordert zu werden, ob also seine Berufskompetenz und sein
Restleistungsvermögen dem Leistungsprofil des Vergleichsberufs genügen (BSG, Urteil vom 14.05.1996, - 4 RA 60/94 -, in juris). Nur dann kann auch der Versicherte die Einwendung des Versicherungsträgers überprüfen und ihr, falls sie ihn
nicht überzeugt, substantiiert entgegengetreten. Das Gebot konkreter Benennung des Vergleichsberufs muss der Versicherungsträger
spätestens bei Erlass des Widerspruchsbescheids erfüllen. Allerdings kann der Vergleichsberuf auch noch im Berufungsverfahren
benannt werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14.05.1996, - 4 RA 60/94 -, in juris).
Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit nicht erfüllt.
Als bisheriger Beruf ist der eines Lkw-Fahrers zugrunde zu legen. Der Kläger war zuletzt als Auslieferungsfahrer für Elektrofahrräder
versicherungspflichtig beschäftigt. Den erlernten Facharbeiterberuf des Energieanlagenelektronikers hat der Kläger lediglich
für ca. drei Jahre ausgeübt. Anhaltspunkte dafür, dass er den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, liegen keine
vor.
Ob der Kläger mit dem oben beschriebenen Leistungsbild die Tätigkeit eines Lkw-Fahrers noch in einem Umfang von zumindest
sechs Stunden täglich ausüben kann, kann dahin gestellt bleiben. Denn der Kläger kann in dieser Tätigkeit keinen höheren rentenrechtlichen
Berufsschutz als max. den Berufsschutz des Angelernten des unteren Bereichs beanspruchen. Er hat für die zuletzt ausgeübte
versicherungspflichtige Tätigkeit keine Ausbildung von mehr als zwei Jahren absolviert. Hierfür ist nichts ersichtlich. Entsprechendes
behauptet der Kläger auch nicht. Der Kläger kann daher auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen
werden, die ihm gesundheitlich zumutbar sind. Eine Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf es wegen der Vielzahl der in
Betracht kommenden Arbeitsmöglichkeiten nicht (vgl. BSG, Urteil vom 18.04.1978 - 4 RJ 55/77; Urteil vom 28.08.1991 - 13/5 RJ 26/90 -; beide in juris). Da der Kläger - wie oben dargelegt - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten unter den genannten
qualitativen Einschränkungen in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, ist er (auch)
nicht berufsunfähig.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
3. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).