Nichtzulassungsbeschwerde
Nichterreichen des Beschwerdewertes
Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
Klärungsbedürftige Rechtsfrage
1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage
abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung
des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt.
2. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht
ohne weiteres beantworten lässt.
3. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist.
Gründe
I.
Streitig ist die vom Kläger begehrte Wiederaufnahme des Verfahrens S 10 AS 1371/14 vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) nach der dort von ihm abgegebenen Erledigterklärung. Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 23.10.2014 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.12.2014 wegen der Minderung des Anspruches auf Leistung zu Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld
II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aufgrund einer Verletzung der Meldepflicht Klage zum SG erhoben, in der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2015 aber den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Erledigterklärung ist
ihm vorgelesen und von ihm genehmigt worden. Mit Schreiben vom 01.06.2015 hat der Kläger die Wiederaufnahme dieses Verfahrens
begehrt. Das SG Gotha habe mit Beschluss vom 26.05.2015 (S 15 AS 5157/14) Sanktionen nach dem SGB II für verfassungswidrig gehalten. Im Übrigen sei er "wegeunfähig" gewesen. Dies hätte aufgeklärt werden müssen. Nach Anhörung
zum Erlass eines Gerichtsbescheides vom 17.06.2015 hat das SG diesen am 26.06.2015 erlassen. Es hat die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens verworfen und festgestellt, dass der Rechtsstreit
S 10 AS 1371/14 durch Erledigterklärung beendet worden sei. Die Erledigterklärung sei vorliegend als Klagerücknahme auszulegen. Gründe für
eine Wiederaufnahme gemäß §
179 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
580 Zivilprozessordnung (
ZPO) seien unabhängig davon, ob die Frist gemäß §
586 Abs.
1 ZPO für eine solche Klage eingehalten sei, nicht zu erkennen. In der Rechtsmittelbelehrung hat es auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung
hingewiesen. Der Kläger hat die daraufhin eingelegte Berufung nach Hinweis des Senates zurückgenommen und Nichtzulassungsbeschwerde
zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er hat sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Das SG Dresden
habe sich im Urteil vom 10.08.2015 (S 20 AS 1507/14) der Auffassung des SG Gotha angeschlossen. 117,30 EUR seien daher nachzuzahlen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf
die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und - nach unzutreffend erteilter Rechtsmittelbelehrung - fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist
zulässig. Es gibt keinen Grund, die gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht,
streitig ist letztendlich ein Gesamtbetrag der Minderung in Höhe von 117,30 EUR. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende
Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen
Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse
nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11.Aufl, §
144 RdNr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur
nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten
ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich. Weder weicht das SG mit seinen Ausführungen zu den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens von der obergerichtlichen Rechtsprechung
ab, noch sind diesbezüglich Fragen grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Wirksame Prozesserklärungen - wie die vorliegend vom
Kläger abgegebene Erledigterklärung - können nicht durch Anfechtung beseitigt und nur ganz ausnahmsweise unter den Voraussetzungen
des §
580 ZPO widerrufen werden (vgl. hierzu Urteil des Senates vom 19.12.2013 - L 11 AS 567/13). Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind. Verfahrensfehler des SG sind ebenfalls nicht ersichtlich, nachdem die Frist zur Stellungnahme zum Erlass eines Gerichtsbescheides unter Berücksichtigung
der Postlaufzeiten zwar unangemessen kurz war, der Kläger jedoch innerhalb der Frist Stellung genommen hatte. Vom Kläger werden
Verfahrensfehler auch nicht geltend gemacht. Unabhängig hiervon bestünde auch, soweit es auf die Verfassungsmäßigkeit der
Sanktionsregelung des SGB II ankäme, keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites, denn das Bundessozialgericht (BSG) hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit bereits mit Urteil vom 29.04.2015 (B 14 AS 19/14 R - veröffentlich in [...] -) geklärt (vgl. Beschluss des Senates vom 27.10.2015 - L 11 AS 561/15 NZB).
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§
145 Abs.
4 Satz 4
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).