Erstattung geleisteter Beiträge zur Rentenversicherung
Rechtsreferendar
Recht zur freiwilligen Versicherung
Befreiung von der Versicherungspflicht
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger von der Beklagten die Erstattung von Beiträgen für die Zeit vom 02.04.1993
bis 31.12.1994 verlangen kann.
Der 1967 geborene Kläger ist österreichischer Staatsbürger und absolvierte in der Zeit vom 02.04.1993 bis 31.12.1994 sein
Rechtsreferendariat in einem öffentlich-rechtlichen Angestelltenverhältnis. Von Januar 1995 bis Juli 1995 befand sich der
Kläger dann aufgrund einer Änderung zugrunde liegender Vorschriften im Beamtenverhältnis auf Widerruf. Auf seinen Antrag vom
21.10.1995 wurde die Zeit der Tätigkeit als Beamter auf Widerruf von Januar bis Juli 1995 in der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen
nachversichert. Am 05.07.2010 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers nach §
149 Abs
5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) fest. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.07.2010 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 25.10.2010 begründete.
Eine Entscheidung über diesen Widerspruch ist nicht erfolgt, weil der Kläger mit Schreiben vom 30.12.2010 den Widerspruch
zurückgenommen hatte. Mit gleichem Schreiben übersandte er der Beklagten einen Antrag auf Beitragserstattung und bat um Auszahlung
der entrichteten Beiträge auf sein Privatkonto. Die Beklagte lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10.02.2011 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2011 den Antrag auf Beitragserstattung ab. Die Voraussetzungen nach §
210 Abs
1 Nr.
1, Abs
2 und Abs
3 SGB VI lägen nicht vor. Für den Kläger bestehe die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung. Es sei ohne Belang, ob eine zulässige
freiwillige Versicherung beabsichtigt werde oder nicht. Auch eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 Abs
1 SGB VI sei bisher nicht erfolgt.
Zur Begründung der am 29.08.2011 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.06.2012 darauf hingewiesen, dass er bereits am 24.06.1996 die Beitragserstattung
beantragt habe. Damals seien aber lediglich Beiträge aus der versicherungsfreien Zeit erstattet worden. Aufgrund §
6 Abs
1 SGB VI sei er als Selbständiger von der Beitragspflicht befreit, da er Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes
sei. Die allgemeine Wartezeit nach §
50 Abs
1 SGB VI habe er ebenfalls nicht erfüllt. Gemäß §
210 Abs
1a SGB VI seien Beiträge auf Antrag des Versicherten zu erstatten, wenn der Versicherte versicherungsbefreit und die allgemeine Wartezeit
nicht erfüllt sei. Auf die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung komme es daher nicht an. Im Übrigen habe der Kläger auch
einen Anspruch aus §
210 Abs
1 SGB VI, da er nicht versicherungspflichtig sei, weil er selbständiger Rechtsanwalt sei. Bis 11.08.2010 habe für den Kläger gerade
nicht die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung bestanden, so dass die Beiträge bis zu diesem Zeitpunkt zu erstatten gewesen
seien. Mit der Beklagten sei in der Zeit vom 05.07.2010 bis 11.08.2010 zahlreicher Schriftverkehr sowie ein Widerspruchsverfahren
bezüglich der Konten geführt worden. Der Widerspruch sei am 26.07.2010 eingelegt worden. Es sei um Akteneinsicht gebeten worden,
die die Beklagte aber nicht unverzüglich, sondern erst am 03.09.2010 und damit erst nach der Gesetzesänderung am 11.08.2010
gewährt habe. Die Beklagte hätte den Kläger bis zum 11.08.2010 darauf hinweisen müssen, dass ein Antrag auf Beitragserstattung
zu stellen sei. Dieser Hinweispflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen. Es werde auf die Rechtsprechung zu §
115 Abs
6 SGB VI verwiesen. Für die Beklagte habe es sich vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung aufdrängen müssen, dass jeder Versicherte
Beiträge erstattet haben und sie nicht bis zur Regelaltersrente zinslos der Inflation ausgesetzt parken möchte. Vor dem Hintergrund
der Kenntnis zur Zahlung in das Versorgungswerk sei auch klar gewesen, dass eine freiwillige Versicherung ausscheide. Die
Änderung der Gesetzeslage zum 11.08.2010 stelle eine grundlose unzulässige Rückwirkung dar, da dem Kläger seit 11.08.2010
unberechtigt Beiträge aus der Vergangenheit, die ihm hätten ausgezahlt werden können, nunmehr über Jahre zinslos vorenthalten
würden. Ein verfassungsrechtliches Recht für diese Rückwirkung bestehe nicht. Es liege auch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
vor. Die Vorschrift sei verfassungswidrig, da sie gegen Art.
2 Abs
1 Grundgesetz (
GG) verstoße.
Mit Schreiben vom 18.09.2013 teilte die Beklagte auf Anfrage des Gerichts mit, dass sich für die streitige Zeit ein Erstattungsbetrag
in Höhe von 2.235,80 EUR ergeben würde.
Das SG hat sodann durch Urteil vom 14.01.2014 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.07.2011 verurteilt, dem Kläger die für die Zeit vom 02.04.1993 bis 31.12.1994 gezahlten Beiträge in Höhe von 2.235,80
EUR zu erstatten. Da der Kläger derzeit keinen Versicherungspflichttatbestand erfülle, sei er nicht versicherungspflichtig.
Eine Erstattung nach §
210 Abs
1 Nr.
1 SGB VI scheide aber dennoch aus, weil der Kläger das Recht zur freiwilligen Versicherung habe. Der Kläger könne sich aber die Beiträge
nach §
210 Abs
1a SGB VI erstatten lassen. Da der Kläger derzeit keinen Versicherungspflichttatbestand erfülle, sei er versicherungsfrei im Sinne
von §
210 Abs
1 und Abs
1a SGB VI (BSG Urteil vom 09.10.2012 - B 5 R 54/11 R), so dass die Voraussetzungen nach §
210 Abs
1a SGB VI erfüllt seien. Hiergegen hat die Beklagte am 19.02.2014 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Mit Schriftsatz
vom 25.03.2014 weist die Beklagte darauf hin, dass das SG die in §
210 SGB VI enthaltenen Begrifflichkeiten fehlerhaft angewandt habe. Maßgebend sei §
210 Abs
1a SGB VI in der ab dem 11.08.2010 geltenden Fassung. Nach Satz 1 dieser Regelung würden zwar versicherungsfreie Versicherte und von
der Versicherungspflicht befreite Versicherte gleich gesetzt. Versicherungspflichtige Versicherte würden aber in der Vorschrift
nicht genannt. Für nicht versicherungspflichtige Versicherte gelte nach wie vor §
210 Abs
1 Nr.
1 SGB VI. Anders als bei §
210 SGB VI in der vor dem 11.08.2010 geltenden Fassung, wo versicherungsfreie und von der Versicherung befreite Versicherte nicht genannt
worden seien und es deshalb der Auslegung der Vorschrift nach Sinn und Zweck bedurfte, gelte für versicherungsfreie und von
der Versicherungspflicht befreite Versicherte nun allein Abs 1a, während Abs 1 Satz 1 Nr. 1 weiterhin nicht versicherungspflichtigen
Versicherten das Recht auf Beitragserstattung einräume. Einer Gleichsetzung von nicht versicherungspflichtigen Versicherten
mit versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Versicherten bedürfe es bei Erstattungsanträgen nach dem
10.08.2010 bei Anwendung des §
210 Abs
1a SGB VI daher nicht mehr. Insoweit könne auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26.11.2013, Az. L 2 R 206/13 Rn. 24 ff, veröffentlicht in [...], verwiesen werden. Die Beklagte wolle klarstellend darauf hinweisen, dass nicht versicherungspflichtige
selbständige Rechtsanwälte keinesfalls schlechthin von der Beitragserstattung ausgeschlossen seien. Sie erfüllten zwar weder
die Voraussetzungen des §
210 Abs
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, weil sie das Recht zur freiwilligen Versicherung hätten, noch die Voraussetzungen des §
210 Abs
1a SGB VI, weil sie nicht versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit seien. Bei Vollendung der Regelaltersgrenze bestehe
jedoch ein Anspruch auf Beitragserstattung nach §
210 Abs
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI, wenn bis dahin nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt sei (vgl. auch BSG, Urteil vom 10.07.2012, Az. B 13 R 26/10 R, Rn. 36).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.01.2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.02.2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2011 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.01.2014 zurückzuweisen.
Er weist mit Schriftsatz vom 25.11.2014 darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Beitragserstattung vorliegen würden,
weil er derzeit nicht versicherungspflichtig sei. Das Merkmal nicht versicherungspflichtig in §
210 SGB VI werde im weiteren Sinne verstanden und müsse auch versicherungsfreien sowie von der Versicherungspflicht befreiten Personen
zugestanden werden. Er habe am 07.01.2014 ausdrücklich einen Antrag auf Befreiung gemäß §
6 SGB VI gestellt. Über diesen Antrag sei bis dato nicht entschieden worden. Ungeachtet dessen verstoße §
210 Abs
1 und Abs
1a SGB VI gegen Art.
3 Abs
1 GG, da der Kläger (gemeint wohl die Beklagte) grundlos nur den versicherungsfreien und von der Versicherungspflicht befreiten
Personen bei Nichterfüllung der allgemeinen Wartezeit ein Wahlrecht zwischen freiwilliger Versicherung und Beitragserstattung
einräume, nicht aber den nicht versicherungspflichtigen Personen in ähnlicher Lage. Insoweit würde der angestellte Anwalt
dem selbständigen Anwalt grundlos bevorzugt. Ein sachlicher Grund hierfür sei nicht gegeben. Das Urteil des BSG vom 10.07.2012 mit dem Az. B 13 R 26/10 R sei nicht anwendbar, da dieses vor Einführung des §
210 Abs
1a SGB VI ergangen sei. Auch das zitierte Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26.11.2013 sei nicht einschlägig, da der Kläger
monatlich einkommensabhängige Beiträge im Versorgungswerk einzahle und finanziell nicht in der Lage sei, weitere Zahlungen
an die Rentenversicherung zu erbringen. Insoweit stelle es für den Kläger einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar,
wenn ein angestellter Rechtsanwalt seine Beiträge erstattet erhalte. Ferner sei zu beachten, dass es vorliegend um Beiträge
gehe, die ausschließlich durch seine Tätigkeit im öffentlichen Dienst erworben worden seien, da ihm das Beamtenverhältnis
verwehrt worden sei. Einem deutschen Referendar würden diese Beiträge des Referendariats übertragen. Der Kläger werde daher
allein aufgrund seiner Herkunft benachteiligt. Dies verstoße gegen EU-Recht. Es werde die Zulassung der Revision beantragt,
sollte das Berufungsgericht anderer Auffassung sein, als das SG. Die Rechtslage bezüglich der Ungleichbehandlung im Rahmen des §
210 Abs
1a und §
7 SGB VI sei nicht höchstrichterlich geklärt. Im Übrigen sei nicht höchstrichterlich geklärt, ob die Vorschriften vorliegend nicht
EU-konform auszulegen seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2017 hat der Kläger dargelegt, dass er jedenfalls eine rechtwidrige Ungleichbehandlung
in dem Umstand sehe, dass er im Zeitpunkt der Nachversicherung EU-Bürger gewesen sei und bereits damals hätte so behandelt
werden müssen als sei er während der gesamten Referendarszeit Beamter auf Widerruf gewesen. Insoweit hätten alle Beiträge,
die der Kläger zur Beklagten in der Zeit vom 02.04.1993 - 31.12.1994 entrichtet gehabt hätte, jedenfalls zur Anwaltsversorgung
weitergeleitet werden müssen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-). Sie ist auch begründet. Das SG hat fehlerhaft mit Urteil vom 14.01.2014 einen Anspruch des Klägers auf Beitragserstattung nach §
210 Abs
1a SGB VI bejaht. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger für die hier fragliche Zeit vom 02.04.1993 - 31.12.1994 nicht zu. Die Voraussetzungen
für eine Beitragserstattung nach §
210 SGB VI sind nicht gegeben. Ein Verstoß gegen Normen des Verfassungsrechts oder ein Verstoß gegen übergeordnete Regelungen des europäischen
Rechts kann nicht gesehen werden. Der Kläger beantragte am 30.12.2010 bei der Beklagten die Beitragserstattung. Den gegen
den Feststellungsbescheid nach §
149 Abs
5 SGB VI vom 05.07.2010 eingelegten Widerspruch hatte er mit gleichem Schreiben vom 30.12.2010 zurückgenommen. Aufgrund des Datums
der Antragstellung ist §
210 SGB VI in der ab dem 11.08.2010 geltenden Fassung anzuwenden (§
300 Abs
1 SGB VI).
Gemäß §
210 Abs
1 SGB VI werden Beiträge auf Antrag erstattet, 1. Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen
Versicherung haben, 2 ... 3 ...
Gemäß §
210 Abs
1a Satz 1
SGB VI werden Beiträge auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind,
wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung
oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei sind.
Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen der Beitragserstattung nach §
210 Abs
1a SGB VI. Diese Norm verwendet die Begriffe "versicherungsfrei" und "von der Versicherungspflicht befreit" in einem strengen, technischen
Sinn. Dies hat das SG verkannt. Versicherungsfrei im Sinne des §
210 Abs
1a SGB VI sind Antragsteller nur dann, wenn eine Versicherungsfreiheit nach §
5 SGB VI vorliegt, d. h. Beschäftigungen ausgeübt werden, die vom Gesetz genannt und als versicherungsfrei bezeichnet werden. Nach
§
5 SGB VI sind versicherungsfrei Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie
Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst (Nr. 1), sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des
öffentlichen Rechts und sonstige Beschäftigte, denen nach kirchenrechtlichen Vorschriften eine Anwartschaft auf Versorgung
bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter gewährleistet wird (Nrn 2 und 3). Der Gesetzgeber hat diesen Personenkreis
für versicherungsfrei erklärt, weil anknüpfend bereits allein an den bestehenden Status eine entsprechende, speziellere Absicherung
gegen die von der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckten Versicherungsfälle Erwerbsminderung, Alter und Tod vorhanden
ist (Segebrecht, in: Kreikebohm, Kommentar zum
SGB VI, 4. Aufl., 2013, §
5 Rdnr 6). Zu diesem Personenkreis gehörte der Kläger in der hier streitigen Zeit nicht. Der Kläger gehörte unstreitig auch
nicht zu den weiteren in §
5 Abs
2 - 4
SGB VI genannten Personenkreisen. Der Begriff der Befreiung von der Versicherungspflicht im Sinne des §
210 Abs
1a 2. Alt
SGB VI kann ebenfalls nur in technischem Sinn verstanden werden, d. h. wenn die Voraussetzungen einer Befreiung von der der Versicherungspflicht
nach §
6 SGB VI gegeben sind. Der Kläger ist aber nicht nach §
6 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit. Eine Befreiung wurde von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt erteilt und war vom Kläger
auch nicht beantragt worden. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 SGB VI wäre auch rechtlich nicht möglich gewesen, da eine Befreiung begriffsnotwendig nur dann erteilt werden kann, wenn Versicherungspflicht
dem Grunde nach eingetreten ist. Da der Kläger aber nach seinen eigenen Angaben niemals abhängig als Rechtsanwalt beschäftigt
war, sondern immer nur selbstständig tätig gewesen ist, unterfällt er als Selbständiger per se schon nicht der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung nach §
1 SGB VI. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht könnte nach §
6 Abs
1 Nr.
1 SGB VI vielmehr nur dann erteilt werden, wenn der Kläger die Tätigkeit als Rechtsanwalt in Form eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
in einer Anwaltskanzlei (oder gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen als Syndikus-Anwalt) verrichtet hätte. Insoweit
kommt es auch nicht auf den Umstand an, dass der Kläger - nach seinen eigenen Angaben - am 07.01.2014 einen Antrag auf Befreiung
nach §
6 SGB VI gestellt haben will.
Eine Beitragserstattung nach §
210 Abs
1 Nr
1 SGB VI kommt ebenfalls nicht in Betracht, da der Kläger zwar nicht versicherungspflichtig im Sinne dieser Vorschrift ist, er aber
das Recht zur freiwilligen Versicherung hat.
Als selbständiger Rechtsanwalt unterliegt der Kläger nicht der Versicherungspflicht nach §
1 SGB VI. Er ist auch kein versicherungspflichtiger Selbständiger nach §
2 SGB VI, da er nach seinem eigenen Vortrag mehrere Angestellte beschäftigt und im Übrigen auch nicht nur für einen Auftraggeber tätig
ist (§
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI). Der Kläger unterfällt auch keinem Personenkreis, der nach §
3 SGB VI versicherungspflichtig wäre. Somit wäre die erste Voraussetzung des §
210 Abs
1 Nr.
1 SGB VI zwar erfüllt, der Kläger hat jedoch das Recht zur freiwilligen Versicherung nach §
7 SGB VI. Dabei hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger konkret oder künftig die
Absicht hat, sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern oder ob er im Zeitpunkt des Antrags auf
Beitragserstattung entsprechende Pläne gehabt hätte. Ausreichend ist, dass ihm dieses Recht auf freiwillige Versicherung zusteht.
Gemäß §
7 SGB VI können sich Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig
versichern. Dies gilt nach §
7 Abs
1 Satz 2
SGB VI auch für Deutsche, die einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Eine freiwillige Versicherung ist nach dieser Vorschrift
erst dann ausgeschlossen, wenn mit bindender Wirkung eine Vollrente wegen Alters zuerkannt wurde oder wenn eine solche Rente
bereits bezogen wird. Beides ist beim Kläger nicht der Fall. Dabei ist das Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen
Rentenversicherung nach §
7 SGB VI nicht auf deutsche Staatsangehörige beschränkt, sondern steht jedem zu, der sich in der Bundesrepublik Deutschland gewöhnlich
aufhält, nicht versicherungspflichtig ist und das 16. Lebensjahr vollendet hat. Wann jemand einen gewöhnlichen Aufenthalt
hier hat, bestimmt sich nach der Legaldefinition in §
30 Abs
3 Nr.
2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB I -.
§
7 SGB VI wurde ebenfalls mit Wirkung zum 11.08.2010 geändert. Nach §
7 Abs
1 SGB VI in der Fassung vom 19.02.2002 bis 10.08.2010 konnten sich Personen, die nicht versicherungspflichtig waren, für Zeiten von
der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. In §
7 Abs
2 SGB VI in dieser Fassung bestand das Recht zur freiwilligen Versicherung für solche Personen, die versicherungsfrei oder von der
Versicherung befreit sind, nur dann, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt hatten. Dieser Tatbestand ist aber - wie oben
bereits ausgeführt - beim Kläger nicht erfüllt, da er im technischen Sinn nicht versicherungsfrei oder von der Versicherung
befreit war. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger damals die allgemeine Wartezeit erfüllt hätte oder nicht. Deshalb
wäre für den Kläger auch nach der früheren Fassung des §
7 SGB VI eine freiwillige Versicherung möglich gewesen, so dass eine Beitragserstattung nach §
210 SGB VI in der Fassung vor dem 11.08.2010 ebenfalls nicht möglich gewesen wäre. Deshalb kann es auch dahingestellt blieben, ob die
Beklagte den Kläger auf die zum 11.08.2010 geplante Gesetzesänderung hätte hinweisen müssen oder nicht. Auch ein sozialrechtlicher
Herstellungsanspruch aufgrund eines Beratungsfehlers wäre deshalb nicht denkbar.
Ein Verstoß der Regelung des §
210 SGB VI i.V.m. §
7 SGB VI gegen Grundrechte des Klägers ist nicht ersichtlich, insbesondere liegt keine Verletzung von Art.
14 GG, Art
12 GG, Art
2 oder Art
3 GG vor. Eine Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art
12 GG scheidet unzweifelhaft aus, weil der Kläger ja gerade seinen Beruf erlernen, ergreifen und ausüben konnte und durch den Umstand,
einen Teil seiner Referendarzeit als versicherungspflichtiger Angestellter verrichten zu müssen, in diesem Recht nicht verletzt
sein kann. Eine Verletzung von Art
14 GG durch die notwendige Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung scheidet ebenfalls aus, da die vom Kläger und
seinem Arbeitgeber entrichteten Beiträge nicht entzogen wurden, sondern in Form der Rentenanwartschaften oder eines künftigen
Erstattungsanspruchs bleiben. Aus den gleichen Gründen fehlt es an einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Klägers. Eine Verletzung von Art
3 GG, dem allgemeinen Gleichheitssatz, sieht der Senat ebenso wenig. Aufgrund unterschiedlicher gesetzlich vorgesehener Versicherungstatbestände
und der Möglichkeit der Absicherung durch verschiedene Systeme der Alterssicherung ausschließlich oder parallel zu einander
hat der Gesetzgeber in §
210 SGB VI eine Regelung getroffen, die grundsätzlich nur dann eine Beitragserstattung vorsieht, wenn der Erwerb rentenrechtlicher Ansprüche
durch die Entrichtung von Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen normalerweise nicht mehr denkbar ist. Dies ist bei selbständig
Tätigen in der Regel erst mit Ausscheiden aus dem Erwerbsleben der Fall. Insoweit wird auf die Entscheidung des Hessischen
Landessozialgerichts vom 26.11.2013 (Az L 2 R 206/13) und den Beschluss des BSG vom 24.04.2014 (Az B 5 R 38/14 B, jeweils veröffentlicht bei [...]) verwiesen.
Ebenso wenig sieht der Senat einen Verstoß gegen höherrangige europarechtliche Regelungen. Zwar haben im Zeitpunkt der Beitragsnachentrichtung
durch den Arbeitgeber des Klägers im Jahr 1996 die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 gegolten, deren Ziel bereits
damals die Koordinierung der innerstaatlichen Regelungen über die soziale Sicherheit war. Es sollte grundsätzlich erreicht
werden, dass die sog. Wanderarbeitnehmer durch Wahrnehmung von Beschäftigungsmöglichkeiten in den Mitgliedstaaten der EWG
möglichst wenig Nachteile im Hinblick auf ihre soziale Absicherung erleiden (vgl. Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 6. Auf.,
2013, Einführung in das Europäische Sozialrecht, Rdnr 18 m. w. N.). Nach wie vor beschränkt sich das Europäische Sozialrecht
auf die Koordinierung unterschiedlicher innerstaatlicher Regelungen der sozialen Sicherheit, wenn auch die Regelungen der
VO Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 deutlich weiter entwickelt wurden (vgl. Fuchs, a.a.O., Rdnrn 19 ff. ). Der aufgrund des Vertrags
von Lissabon vom 0.12.2009 zwischenzeitlich in Kraft getretene Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - enthält in Art 18 ein allgemeines Diskriminierungsverbot, das für Arbeitnehmer durch Art 45 AEUV konkretisiert wird. Danach gewährt die Union jedem EU-Bürger das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben,
sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen, sich zur Arbeitssuche frei dort zu bewegen und
nach Beendigung der Beschäftigung auch unter bestimmten Bedingungen in diesem Mitgliedsstaat zu bleiben (Art 45 Abs 3 AEUV). Gleichzeitig wird von diesen Rechten in Art 45 Abs 4 AEUV aber der Bereich der Beschäftigung im öffentlichen Dienst ausgenommen.
Art 45 AEUV kommt grundsätzlich aber nur zur Anwendung, wenn ein unionsbezogener Sachverhalt vorliegt. Bereits dies ist beim Kläger nicht
der Fall, weil er seine Schul- und Universitätsausbildung ebenso wie die Referendarszeit und auch seine selbständige Tätigkeit
ausschließlich in Deutschland absolviert hat. Ein unionsbezogener Ansatz könnte allenfalls durch eine mittelbare Diskriminierung
wegen der Staatsangehörigkeit des Klägers als Österreicher vorliegen.
Da Österreich erst mit Wirkung zum 01.01.1995 der Europäischen Union beigetreten ist, können die unionsrechtlichen Regelungen
auch erst ab diesem Zeitpunkt für den Kläger gelten. Nachdem es sich bei der Absolvierung der Referendarausbildung damals
um ein Beamtenverhältnis auf Widerruf gehandelt hat, wäre dieser Bereich der Beschäftigung im öffentlichen Dienst sowieso
von der Regelung des Art 45 AEUV ausgenommen. Der Kläger wurde aber auch nicht in seinen Grundfreiheiten als Arbeitnehmer im Sinne des Art 45 AEUV beeinträchtigt. Er wurde mit Wirkung zum 01.01.1995 tatsächlich in das Beamtenverhältnis übernommen, so dass insoweit kein
Diskriminierungstatbestand gegeben sein kann. Die Zeiten dieser versicherungsfreien Tätigkeit wurden dem Kläger wie deutschen
Staatsangehörigen auf seinen Wunsch hin auch zur Anwaltsversorgung nachversichert. Zwar war der Kläger im Zeitpunkt der Nachversicherung
Unionsbürger, er kann aber trotzdem nicht verlangen, dass die zu Recht von seinem Arbeitgeber an die Beklagte entrichteten
Beiträge an die Anwaltsversorgung nachversichert werden, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt. Der Kläger hat - da er
in der Zeit vom 02.04.1993 - 31.12.1994 nicht Beamter sein konnte - im Inland eine abhängige Beschäftigung ausgeübt, die nach
§
1 Nr 1
SGB VI versicherungspflichtig gewesen ist. Die Versicherungspflicht knüpft dabei nicht an die Staatsbürgerschaft, sondern an den
Ort der Beschäftigung im Inland an (§
3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IV -). Die zu Recht zur Beklagten entrichteten Beiträge können nicht deshalb an die Anwaltsversorgung weitergeleitet werden,
nur weil der Kläger sich hiervon eine bessere bzw. höhere Absicherung bei der Anwaltsversorgung verspricht. Die Beiträge bleiben
dem Kläger erhalten und können eine Rentenleistung nach sich ziehen, sobald die allgemeine Wartezeit nach §
50 SGB VI erfüllt wäre, wenn nicht, besteht ein Anspruch auf Beitragserstattung nach §
210 SGB VI mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger damals auch von der vom Dienstherrn
durchgeführten Pflichtversicherung als Beschäftigter in der hier streitigen Zeit insoweit profitiert hat, als er nach Abschluss
der Juristischen Ausbildung zunächst arbeitslos war und Arbeitslosengeld aufgrund der durchgeführten Pflichtversicherung beziehen
konnte.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des SG vom 14.01.2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.07.2011 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.