Anspruch auf Altersrente nach Altersteilzeit in der gesetzlichen Rentenversicherung; Zulässigkeit eines Wechsels der Rentenart;
Verfassungsmäßigkeit
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 28.03.2008 und vom 09.04.2010 jeweils in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2010, mit denen die Beklagte die Gewährung von Altersrente wegen Schwerbehinderung ab
dem 01.04.2010 abgelehnt hat.
Der 1948 geborene Kläger war bei der Landesversicherungsanstalt Berlin beschäftigt und vereinbarte mit seinem Arbeitgeber
am 25.08.2003 die Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Altersteilzeit. Dabei wurde die Altersteilzeit gemäß § 2 dieses
Änderungsvertrages im Blockmodell geführt, d.h. die Arbeitsphase lief vom 01.10.2003 bis zum 31.12.2005 und anschließend die
Freistellungsphase vom 01.01.2006 bis 31.03.2008.
Am 20.12.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Altersrente nach Altersteilzeit ab dem 01.04.2008.
Am 27.02.2008 beantragte der Kläger zunächst mündlich und am 07.03.2008 sodann schriftlich die Gewährung von Altersrente für
Schwerbehinderte ab dem 01.04.2008. Ebenfalls am 07.03.2008 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag beim Zentrum Bayern
Familie und Soziales - Versorgungsamt W. -. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihm mit Bescheid vom 04.11.1991 ein Grad der Behinderung
(GdB) von 40 zuerkannt gewesen.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 28.03.2008 dem Kläger Altersrente nach Altersteilzeit ab dem 01.04.2008. Hiergegen
legte der Kläger mit Schreiben vom 03.04.2008 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Widerspruchseinlegung vorläufig
bis zur Entscheidung über die Schwerbehinderteneigenschaft erfolge. Das Widerspruchsverfahren wurde auf Wunsch des Klägers
bis zur Entscheidung im Schwerbehindertenverfahren ruhend gestellt.
Der Verschlimmerungsantrag im Schwerbehindertenrecht vom 07.03.2008 wurde vom Versorgungsamt W. mit Bescheid vom 15.04.2008
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2008 abgelehnt, da eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen
nicht eingetreten sei. Das hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg unter dem Az. S 12 SB 497/08 geführte Klageverfahren wurde nach Einholung mehrerer Gutachten mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2010 dahingehend entschieden,
dass dem Kläger ein GdB von 50 ab dem 25.06.2009 zuerkannt wurde. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft
bereits ab Antragstellung im März 2008 lägen nicht vor. Hiergegen legte der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht
(BayLSG) ein, die unter dem Az. L 16 SB 41/10 geführt und durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten am 01.06.2011 erledigt wurde, nachdem sich die Verfahrensbeteiligten
vergleichsweise auf die Zuerkennung eines GdB von 50 ab dem 20.04.2009 geeinigt hatten.
Bereits mit Schreiben vom 19.02.2010 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei der Beklagten unter Hinweis auf
den Ausgang des Schwerbehindertenverfahrens die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.04.2010.
Aus dem Wortlaut des §
34 Abs
4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) ergebe sich, dass ein Wechsel in eine Rente wegen Alters nur für Zeiten des Bezuges einer solchen Rente nicht möglich sei.
Ab dem 01.04.2010 sei deshalb eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit einem Rentenabschlag von 3,3 % zu gewähren.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.04.2010 die Gewährung von Altersrente wegen Schwerbehinderung ab dem 01.04.2010 unter
Hinweis auf §
34 Abs
4 SGB VI ab, da der Kläger tatsächlich Altersrente wegen Altersteilzeit seit dem 01.04.2008 beziehe und eine rückwirkende Zuerkennung
der Schwerbehinderteneigenschaft nicht vorliege. Die Beklagte wies den hiergegen am 16.04.2010 eingelegten Widerspruch sowie
den gegen den Bescheid vom 28.03.2008 eingelegten Widerspruch, über den bislang noch nicht entschieden war, mit Widerspruchsbescheid
vom 24.06.2010 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der hiergegen am 08.07.2010 zum SG Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, dass ein Wechsel
in eine Rente wegen Alters nur für Zeiten des Bezuges einer solchen Rente nicht möglich sei. Da bei Antragstellung die Altersrente
ab 01.04.2010 noch nicht bezogen worden sei, sei der Kläger der Auffassung, dass eine Umwandlung in eine Altersrente für schwerbehinderte
Menschen mit einem Rentenabschlag von 3,3 % möglich sein müsse. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger noch keine "Altersrente
wegen Alters" bezogen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2010 wurde das Klageverfahren unter Hinweis auf das anhängige Berufungsverfahren
im Schwerbehindertenrecht ruhend gestellt. Zugleich erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid
einverstanden, sollte das Verfahren vor dem BayLSG nicht erfolgreich sein. Mit Schriftsatz vom 14.02.2011 wurde zunächst noch
mitgeteilt, dass es nach wie vor bei der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft ab dem 25.06.2009 verblieben sei.
Das SG Würzburg hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2011 die Klage abgewiesen. Entscheidend sei im Rahmen des §
34 Abs
4 SGB VI der tatsächliche Bezugstatbestand. Wechselschädlich sei der Tatbestand des Bezugs, nicht alleine sein Beginn. Die Altersrente
wegen Altersteilzeit sei vom Kläger tatsächlich bezogen worden und werde auch noch bezogen. Nur wenn der Kläger seine seit
dem 01.04.2008 empfangenen Rentenleistungen aus der Altersrente wegen Altersteilzeit an die Beklagte zurückgezahlt hätte,
wäre ein Bezug der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.07.2009 bzw. antragsgemäß ab dem 01.04.2010 möglich
gewesen. Insoweit werde auch auf die Entscheidungen des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25.01.2010, Az. L 7 R 582/08 und auf die Entscheidung des BayLSG vom 14.07.2010, Az. L 19 R 13/08 verwiesen.
Zur Begründung der hiergegen am 11.03.2011 beim SG Würzburg eingelegten und am 17.03.2011 zum BayLSG weitergeleiteten Berufung
trägt der Kläger vor, dass der Wortlaut des §
34 Abs
4 SGB VI ausdrücklich impliziere, dass der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters für Zeiten des Bezuges einer vorherigen Rente
ausgeschlossen sei und dieser Wortlaut sich dementsprechend nur auf Zeiten in der Vergangenheit beziehen könne. Zum Zeitpunkt
der hier streitgegenständlichen Antragstellung sei die Altersrente nach Altersteilzeit noch nicht bezogen worden. Leider sei
das Berufungsverfahren im Schwerbehindertenrecht unter dem Az. S 12 SB 497/08 nicht positiv für den Kläger ausgegangen in dem Sinne, dass die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bereits vor
Beginn der Altersrente wegen Altersteilzeit hätte erreicht werden können. Nichts desto trotz werde die rein rechtliche Auffassung
aufrecht erhalten, wonach ein Wechsel für die Zukunft möglich sein müsse.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2011 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung des Bescheides
vom 28.03.2008 und Aufhebung des Bescheides vom 09.04.2010 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2010 zu
verurteilen, dem Kläger ab dem 01.04.2010 Altersrente für schwerbehinderte Menschen in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2011 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn das SG Würzburg hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2011 die
Klage gegen die Bescheide vom 28.03.2008 und 09.04.2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2010 als unbegründet
abgewiesen. Ein Wechsel von der vom Kläger ab dem 01.04.2008 bezogenen Altersrente nach Altersteilzeit in eine Altersrente
wegen Schwerbehinderung ab dem 01.04.2010 ist durch §
34 Abs
4 SGB VI ausgeschlossen.
Der Kläger beantragte unstreitig am 20.12.2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeit ab dem
01.04.2008, die ihm mit streitgegenständlichem Bescheid der Beklagten vom 28.03.2008 ab diesem Zeitpunkt auch bewilligt wurde,
wenngleich mit erheblichen Abschlägen. Diese Rente hat der Kläger auch durchgehend tatsächlich bezogen. Am 19.02.2010 beantragte
der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente wegen Schwerbehinderung ab dem 01.04.2010, nachdem die vom Kläger
gewünschte und von ihm gerichtlich bis zum BayLSG verfolgte Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB von 50) nicht
ab Antragszeitpunkt 07.03.2008 oder früher, sondern erst im Rahmen des im Verfahren L 16 SB 41/10 abgeschlossenen Vergleichs ab dem 20.04.2009 erreicht werden konnte. Der daraufhin folgende Antrag auf Gewährung von Altersrente
wegen Schwerbehinderung ab dem 01.04.2010 wurde durch weiteren streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 09.04.2010
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2010 mit der Begründung abgelehnt, dass dies einen unzulässigen Wechsel von
einer Altersrente in eine andere im Sinne des §
34 Abs
4 Nr
3 SGB VI darstelle. Diese Entscheidung der Beklagten ist - wie das SG bereits zutreffend in dem Gerichtsbescheid vom 16.02.2011 ausgeführt hat - rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß §
34 Abs
4 SGB VI in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezuges
einer solchen Rente ein Wechsel in eine
1. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2. Erziehungsrente oder
3. andere Rente wegen Alters
ausgeschlossen.
Der Kläger hat gegen den Bewilligungsbescheid vom 28.03.2008, mit dem ihm ab dem 01.04.2008 Altersrente nach Altersteilzeit
zuerkannt wurde, fristgerecht Widerspruch eingelegt, über den bis zum Abschluss des Schwerbehindertenverfahrens nicht entschieden
wurde. Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2010 war dieser Bewilligungsbescheid deshalb nicht bindend geworden
und konnte somit einem Wechsel in eine andere Rente nicht entgegenstehen (vgl. auch Freudenberg, in: juris Praxiskommentar,
§
34 SGB VI, Rdnr. 71). Dem Wechsel steht jedoch die 2. Alternative dieser Vorschrift entgegen, nämlich "Zeiten des Bezuges". Der Kläger
hat ab dem 01.04.2008 diese Altersrente sowohl im Rechtssinne als auch im tatsächlichen Sinne bezogen.
§
34 Abs
4 SGB VI ist mit Wirkung zum 01.01.2008 in Kraft getreten. Nach der davor geltenden Fassung (vom 01.08.2004 bis 31.12.2007) war ein
Wechsel von einer Altersrentenart in eine andere Rente wegen Alters nur bei bindender Bewilligung einer solchen Rente ausgeschlossen.
Da der Anspruch des Klägers auf Altersrente frühestens am 01.04.2008 entstanden ist (Vollendung des 60. Lebensjahres im März
2008), ist auf diesen Anspruch gemäß §
300 Abs
1 SGB VI die Neufassung des §
34 Abs
4 SGB VI in der Fassung ab dem 01.01.2008 anzuwenden. Weitere Übergangsregelungen bestehen insoweit nicht.
Die Neufassung des §
34 Abs
4 SGB VI erfolgte durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenzen an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung - RV-Altersgrenzenanpassungs-gesetz) vom 20.04.2007 (BGBl I 554). Ziel des Gesetzgebers
war es, mit den dort vorgenommenen Neuregelungen vor dem Hintergrund der weiter steigenden Lebenserwartung und sinkender Geburtenzahlen
wichtige rentenpolitische Maßnahmen zu ergreifen, um die gesetzlichen Beitragssatz- und Niveausicherungsziele einhalten zu
können (BR-Drucks 2/07, S 2). Zur Änderung des §
34 Abs
4 Nr
3 SGB VI wird in der gesetzgeberischen Begründung ausgeführt, dass durch diese Änderung sichergestellt werden solle, dass der Wechsel
von einer Altersrente in eine andere Rente auch dann ausgeschlossen ist, wenn bereits eine Altersrente bezogen wird und zu
einem späteren Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Erziehungsrente oder eine
andere Altersrente erfüllt werden. Nach der (bis dahin) geltenden Regelung greife der Ausschluss des Wechsels in den Fällen
nicht, in denen durch Einlegung eines Rechtsbehelfs der Rentenbescheid noch nicht bindend geworden sei. Nicht betroffen von
der jetzt vorgesehenen Änderung sei der Anspruch auf eine andere Rente, wenn diese vor oder gleichzeitig mit der Altersrente
beginne, etwa weil das Vorliegen von Schwerbehinderung erst nachträglich festgestellt worden sei. In diesen Fällen liege -
wie schon nach geltendem Recht - kein Wechsel vor (vgl. BR-Drucks. 2/07 S 84 f.). Mit dieser Regelung sollte also sichergestellt
werden, dass ein Versicherter nach seiner Entscheidung, sich vorzeitig aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen und eine vorzeitige
Altersrente in Anspruch zu nehmen, dauerhaft auch Bezieher dieser Leistung bleibt, die u.a. in der Regel mit erheblichen Rentenabschlägen
durch eine Absenkung des Zugangsfaktors verbunden ist (vgl. §
77 SGB VI). Durch die bloße Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bewilligungsbescheid konnte der Versicherte den Eintritt der Bestandskraft
des Bescheides verhindern, gleichwohl Altersrente beziehen und bei späterem Eintritt des Leistungsfalles einer anderen Rentenart
diese Rente in Anspruch nehmen, die oftmals mit deutlich niedrigeren Abschlägen verbunden war (vgl. auch Fichte, in: Hauck/Noftz,
SGB VI, Stand Juli 2009, §
34 SGB VI Rdnr. 85; Gürtner in: Kasseler Kommentar,
SGB VI, Stand April 2011, §
34 SGB VI Rdnr. 50 ff. m. w. N.). Gerade diese Vorgehensweise sollte durch die Neuregelung des §
34 Abs
4 SGB VI in der Fassung ab dem 01.01.2008 vermieden werden.
Der Kläger hatte vor Gewährung der Altersrente nach Altersteilzeit zwar bereits den Antrag auf die Gewährung der Altersrente
wegen Schwerbehinderung gestellt, er hatte aber auch am 27.03.2008 bei der Beklagten ausdrücklich die Auszahlung der Altersrente
wegen Altersteilzeit verlangt. In diesem Beratungsgespräch vom 27.03.2008 wurde der Kläger ausführlich darauf hingewiesen,
dass infolge der Rechtsänderung zum 01.01.2008 nicht allein eine bindende Bewilligung einer Altersrente einem Wechsel entgegenstehe,
sondern auch Zeiten des Bezuges einer solchen Rente. Gleichwohl bestand der Kläger auf der bescheidsmäßigen Zuerkennung der
Altersrente wegen Altersteilzeit sowie auf deren tatsächlicher Gewährung. Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 07.03.2008
rückwirkende Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers konnte im gerichtlichen Verfahren nicht erreicht werden,
so dass eine rückwirkende - in diesem Sinne dann auch erstmalige - Zuerkennung der für den Kläger günstigeren Altersrente
wegen Schwerbehinderung nicht erfolgen konnte. Wäre dem Kläger rückwirkend zum 07.03.2008 oder bis zum Erlass des Bescheids
vom 28.03.2008 die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt worden, wäre dies - auch nach der gesetzgeberischen Begründung -
kein Fall des Wechsels von einer Rentenart wegen Alters in eine andere gewesen, die §
34 Abs
4 SGB VI ausgeschlossen hätte. Der Kläger hatte zwar vorliegend sowohl die Altersrente nach Altersteilzeit als auch die Altersrente
wegen Schwerbehinderung bereits beantragt, bevor die Voraussetzungen für die Gewährung der Altersrente nach Altersteilzeit
ab dem 01.04.2008 gegeben waren, die weiteren Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente wegen Schwerbehinderung sind
jedoch erst während des bereits laufenden Bezugs der Altersrente nach Altersteilzeit eingetreten. Deren Voraussetzungen für
die Leistungsgewährung lagen jedoch weiterhin vor. Damit liegt ein Wechsel zwischen zwei Altersrentenarten vor, den der Kläger
ab dem 01.04.2010 vornehmen wollte. Ein solcher Wechsel ist jedoch nach §
34 Abs
4 Nr
3 SGB VI ausgeschlossen.
§
34 Abs
4 SGB VI kann nach Überzeugung des Senats auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass ein Wechsel nur für Zeiten des Bezuges einer
Altersrente ausgeschlossen sei, für die Zukunft jedoch weiterhin möglich sein müsse. Dies ergibt sich weder aus dem Zweck
der Neuregelung, noch ist hierfür unter dem Aspekt der eigentumsrechtlich geschützten Rentenanwartschaften nach Art.
14 Abs
1 Grundgesetz (
GG) eine entsprechende Auslegung vorzunehmen. Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass der Wortlaut der Neuregelung des §
34 Abs
4 SGB VI nicht ganz eindeutig ist und der Gesetzgeber durch eine anderweitige Formulierung des Ausschlusstatbestandes gegebenenfalls
entstehende Missverständnisse hätte vermeiden können. Nach dem bloßen Wortlaut ist ein Wechsel für Zeiten des Bezuges ausgeschlossen.
Gleichwohl ist nicht allein der Wortlaut der Vorschrift als solcher maßgebend, vielmehr ist bei der Auslegung der Vorschrift
auch und entscheidend Sinn und Zweck der Vorschrift unter Beachtung des vom Gesetzgeber selbst artikulierten Regelungsinhaltes
zu beachten. Ergänzend zu der oben bereits dargelegten Begründung des Gesetzgebers, dass gerade die Umgehung von Rentenabschlägen
durch den späteren Wechsel in eine andere Rentenart wegen Alters ausgeschlossen sein sollte, die durch bloße Einlegung eines
Rechtsbehelfs und damit durch Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft des Bewilligungsbescheides erreicht werden konnte,
geht insbesondere aus den den Gesetzentwurf einleitenden Überlegungen des Gesetzgebers hervor, dass die im Rahmen des Gesetzes
zur Anpassung der Regelaltersgrenzen an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen
Rentenversicherung ergriffenen Maßnahmen in erster Linie dem Zweck dienen, die Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung
zu stabilisieren. Entschließt sich ein Versicherter, Versichertenrente zum frühest möglichen Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen,
der gesetzlich möglich ist, hat er aufgrund der damit - zumindest statistisch - zu erwartenden längeren Rentenlaufzeit auch
erhebliche Rentenabschläge in Kauf zu nehmen. Die Rentenlaufzeit verkürzt sich nicht durch den bloßen Wechsel in eine andere
Rentenart wegen Alters. Dass die Rentenabschläge, die §
77 SGB VI vorsieht, als solche nicht verfassungswidrig sind, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwischenzeitlich mehrfach entschieden
(vgl. zuletzt BVerfG Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09). Die Neuregelung des §
34 Abs
4 SGB VI in der Fassung ab dem 01.01.2008 ist sicherlich nur eine Maßnahme im Rahmen der vom Gesetzgeber gewollten Stabilisierung
der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung als solche, sie ist aber ein geeignetes und verhältnismäßiges Instrument,
um die Finanzierungsgrundlagen des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung vor übermäßiger Inanspruchnahme durch Versicherte
zu schützen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung des §
34 Abs
4 SGB VI können insoweit auch unter dem Aspekt des Art.
14 Abs
1 GG nicht gesehen werden.
Ein Anspruch des Klägers auf Altersrente wegen Schwerbehinderung ab dem 01.04.2010 ergibt sich im Übrigen auch nicht aus dem
von der Rechtsprechung entwickelten Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Zwar kann aus der Vielfalt der bestehenden
Rentenansprüche, ihres Verhältnisses zueinander und der für den Kläger bestehenden Wahlmöglichkeiten insoweit grundsätzlich
ein gesteigertes Beratungsbedürfnis des Versicherten abgeleitet werden, dem die Beklagte entsprechend Rechnung zu tragen hätte
(so auch Freudenberg, aaO., §
34 SGB VI Rdnr. 74). Der Kläger ist jedoch vorliegend von der Beklagten am 27.03.2008 ausführlich darüber informiert worden, dass nur
dann die Altersrente wegen Schwerbehinderung bezogen werden könnte, wenn die Schwerbehinderung tatsächlich rückwirkend zum
07.03.2008 festgestellt werden würde. Ansonsten würde der tatsächliche Bezug der Altersrente nach Altersteilzeit einem Wechsel
entgegenstehen. Im Beratungsvermerk vom 27.03.2008 ist festgehalten, dass sich der Kläger darüber im Klaren gewesen sei und
er dennoch vorab die Auszahlung der Altersrente wegen Altersteilzeit wünsche. Der Kläger wurde außerdem auch im Zusammenhang
mit seiner Antragstellung auf Gewährung von Altersrente wegen Schwerbehinderung ab dem 01.04.2010 nochmals ausdrücklich von
der Beklagten darauf hingewiesen, dass es ihm aufgrund des gegen den Bescheid vom 28.03.2008 eingelegten, noch nicht entschiedenen
Widerspruchs noch möglich wäre, den Antrag auf Altersrente nach Altersteilzeit zurückzunehmen und die bereits bezogene Rente
zurückzuzahlen. In diesem Falle könnte ihm ab der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, spätestens ab seiner Antragstellung
01.04.2010 auch eine entsprechende Altersrente wegen Schwerbehinderung bewilligt werden. Diese Handhabung ergibt sich auch
aus den Handlungsanweisungen der Arbeitsgruppe des Fachausschusses der Deutschen Rentenversicherung für Versicherung und Rente
(AGFAVR 1/2007, TOP 2), veröffentlicht im Beck-Online Kommentar zum
SGB VI, Stand 01.06.2011. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger - wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 19.03.2010 sowie
dem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.03.2010 ergibt - offenbar bewusst keinen Gebrauch gemacht, da dies wohl
unwirtschaftlich für ihn gewesen wäre.
Nach alledem ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine Altersrente wegen Schwerbehinderung ab dem 01.04.2010. Die Berufung
des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2011 war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil die hier entschiedene Rechtsfrage des Ausschlusses des Wechsels in eine andere Rentenart
nicht nur für abgelaufene Zeiten des Bezuges einer Altersrente grundsätzliche Bedeutung hat und eine höchstrichterliche Entscheidung
hierzu noch nicht ergangen ist (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).