Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente; unterhaltsrechtliche Folgen eines vor dem 1.7.1977 ergangenen Scheidungsurteils
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Geschiedenenwitwerrente streitig.
Der 1939 geborene Kläger war Ehemann der am 09.03.1990 verstorbenen Versicherten E. A., geb. K ... Die Ehe wurde mit Urteil
des Landgerichts H. vom 10.06.1970 (AZ: 14 R 10/70) geschieden. Das Urteil ist seit dem 04.08.1970 rechtskräftig. Im Urteilstenor wurde die Alleinschuld des Klägers festgestellt.
Eine diesbezügliche Widerklage des Klägers war von diesem nicht weiterverfolgt worden. In der mündlichen Verhandlung am 10.06.1970
schlossen die Ehegatten einen Vergleich, in dem die Parteien u.a. auf gegenseitigen Unterhalt "auch für den Fall der Not"
verzichteten. Das Sorgerecht für die 1963 geborene gemeinsame Tochter wurde entsprechend der vergleichsweisen Einigung der
Ehefrau zugesprochen.
Am 19.02.2007 stellte der Kläger Antrag auf Gewährung einer Witwerrente, welchen die Beklagte mit Bescheid vom 16.05.2007
in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2008 zurückwies. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die
Gewährung von Witwerrente an den geschiedenen Ehegatten nach §
243 SGB VI seien nicht erfüllt, da bereits kein Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Ehefrau bestanden habe. Im Scheidungsurteil
sei die Alleinschuld des Klägers festegestellt worden. Zudem sei von den Parteien auf Unterhalt verzichtet worden.
Mit der beim Sozialgericht München erhobenen Klage vom 15.02.2008, bei Gericht eingegangen am 18.02.2008, wurde ausgeführt,
entgegen dem Scheidungsurteil trage nicht der Kläger sondern dessen Ehefrau die Schuld am Scheitern der Ehe. Es sei zu mehreren
handgreiflichen Übergriffen seitens der verstorbenen Ehefrau und ihres Vaters gekommen. Durch das Verhalten seiner Ehefrau
sei die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft unmöglich gewesen. Er habe die Alleinschuld nur auf Anraten des Rechtsanwaltes
auf sich genommen. Auch seitens der gegnerischen Partei sei diesbezüglich Druck auf ihn ausgeübt worden. Die im Scheidungsurteil
festgestellte Schuldzuweisung könne daher nicht zu einem Wegfall seines Unterhaltsanspruches führen, da das Urteil sittenwidrig
herbeigeführt worden sei. Das Urteil beruhe auf wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderungen. Der Kläger habe dem Vorgehen
nur zugestimmt, um eine streitige und langwierige Scheidung zu verhindern. Dies gehe auch aus einem Schreiben des gegnerischen
Rechtsanwalts vom 27.02.1970 hervor. Auch der erklärte Unterhaltsverzicht stehe einem Anspruch auf Witwenrente nicht entgegen,
da dieser unwirksam gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Verzichtes habe mangels Unterhaltsbedürftigkeit kein Unterhaltsanspruch
bestanden. Beide Ehegatten seien davon ausgegangen, dass kein Anspruch bis zum Tod eines Ehegatten entstehen werde. Der Unterhaltsverzicht
stelle deshalb eine "leere Hülse" dar und sei damit unbeachtlich. Auch seien die Voraussetzungen des §
779 Abs.
1 BGB nicht erfüllt, da kein Fall des gegenseitigen Nachgebens bestanden habe. Durch den Vergleich sei ein ungerechtes Missverhältnis
entstanden, indem der Kläger auf einen an sich begründeten Unterhaltsanspruch verzichtet habe, wohingegen die Ehefrau auf
nichts verzichtet habe, da sie aufgrund der überwiegenden Schuld am Scheitern der Ehe ohnehin keinen Unterhaltsanspruch gehabt
habe.
Mit Urteil vom 07.08.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein
Rentenanspruch des Klägers jedenfalls daran scheitere, dass kein Unterhaltsanspruch gegen seine geschiedene Ehefrau bestanden
habe. Der Kläger habe selbst im Widerspruchs- und Klageverfahren vorgetragen, dass er keinen Unterhaltsanspruch gegen seine
Ehefrau gehabt habe, auch nicht zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten. Im Übrigen sei die Versicherte im letzten Jahr vor
ihrem Tod arbeitsunfähig gewesen und habe Krankengeld bezogen. Ein Unterhaltsanspruch sei nicht zu realisieren gewesen. Es
komme daher nicht darauf an, ob das Scheidungsurteil auf unrichtigen Angaben beruhe.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 23.09.2008, bei Gericht eingegangen am 24.09.2008. Er trägt ergänzend
vor, ihm habe im Jahr vor dem Tod der Versicherten ein Unterhaltsanspruch zugestanden. Er sei unterhaltsbedürftig gewesen.
Die Versicherte sei leistungsfähig gewesen, so dass ihm zumindest Aufstockungsunterhalt zugestanden habe. Er rügt, dass die
Einkommensverhältnisse der geschiedenen Eheleute nicht ermittelt worden seien. Der Kläger ist der Ansicht, dass er schon deswegen
einen Unterhaltsanspruch gegen die Versicherte gehabt habe, da er das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter erhalten hätte,
hätte er sich im Scheidungsverfahren nicht schuldig bekannt. Wäre der Vergleich nicht geschlossen worden, wäre ihm das Sorgerecht
in einem Sorgerechtsverfahren zugesprochen worden. Im Übrigen wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 07.08.2008 und des Bescheides der Beklagten vom 16.05.2007
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2008 zu verurteilen, dem Kläger Witwerrente aus der Versicherung seiner
verstorbenen früheren Ehefrau E. A. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend. Der Kläger habe wirksam auf Unterhalt verzichtet. Es sei
im Übrigen nicht erkennbar, dass auf den Kläger im Rahmen des Scheidungsverfahrens Druck ausgeübt worden sei. Das vorgelegte
Rechtsanwaltsschreiben enthalte nur einen Appell an seinen "Kavaliersgeist". Da er selbst vortrage, am Scheitern der Ehe nicht
schuldig gewesen zu sein, sei auch nicht nachvollziehbar, wie die Versicherte den Kläger habe unter Druck setzen können. Bei
dem gegenseitigen Unterhaltsverzicht habe es sich nicht nur um eine deklaratorische Erklärung gehandelt, sondern um ein Entgegenkommen
der Versicherten, falls der Kläger dem Scheidungsausspruch und der Feststellung des alleinigen Verschuldens nicht widerspreche.
Einem in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2010 wegen Besorgnis der Befangenheit gestellten Ablehnungsantrag gegen den
bestellten Berichterstatter wurde mit Beschluss vom 27.04.2010 stattgegeben, das Verfahren wurde einem neuen Berichterstatter
übertragen. Die Beteiligten haben im Termin vom 11.03.2010 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche
Verhandlung zu Protokoll erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die
Akte des Sozialgerichts München sowie auf die beigezogenen Versichertenakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung gem. §
124 Abs.
2 SGG entscheiden. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zutreffend die Klage gegen den angefochtenen
Bescheid vom 16.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2008 abgewiesen.
Gemäß §
243 Abs.
1 SGB VI besteht für den geschiedenen Ehegatten des verstorbenen Versicherten Anspruch auf kleine Witwen- bzw. Witwerrente, wenn die
Ehe u.a. vor dem 01.07.1977 geschieden (bzw. für nichtig erklärt oder aufgehoben) worden ist, der Ehegatte nicht wieder geheiratet
hat und er im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten von ihm Unterhalt erhalten hat oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand
vor dessen Tod einen Unterhaltsanspruch hatte. Voraussetzung ist, dass der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat
und nach dem 30.04.1942 gestorben ist. Treten weitere Voraussetzungen gem. §
243 Abs.2 Nr. 4
SGB VI hinzu, besteht ein Anspruch auf große Witwenrente. Gemäß §
243 Abs.
3 SGB VI besteht bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen ein Anspruch auch ohne die Unterhaltsvoraussetzung gemäß §
243 Abs.
2 Ziff. 3
SGB VI für Ehegatten, die einen solchen Unterhaltsanspruch wegen eines Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung,
selbständiger Tätigkeit, entsprechenden Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht hatten.
Unter diesen Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwerrente. Zwar ist die Ehe des Klägers und
der Versicherten E. A. durch Urteil des Landgerichts H. vom 10.06.1970 rechtskräftig geschieden. Der Kläger hat nicht erneut
geheiratet. Auch hat die Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt und ist nach dem 30. April 1942 verstorben. Der Kläger
hat jedoch weder im letzten Jahr vor dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau von dieser Unterhalt erhalten noch hatte er im letzten
wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod einen Unterhaltsanspruch.
Es kann hierbei offen bleiben, welche Natur der im Vergleichswege gegenseitig erklärte Unterhaltsverzicht hat und welche Rechtswirkung
er erzeugt, denn ein Unterhaltsanspruch, auf den der Kläger hätte verzichten können, war bereits dem Grunde nach nicht gegeben.
Wurde eine Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden, bestimmt sich die Unterhaltspflicht nicht nach den Unterhaltsvorschriften des
BGB sondern nach § 58 Abs 1 EheG, vgl. Art 12 Nr. 3 Satz 2 Erstes Eherechtsreformgesetz vom 14.6.1976 (1. EheRG - vgl auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.06.1998, AZ: 10 WF 1590/98). Gemäß §§ 58 f. EheG hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten
angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit
nicht ausreichen. Die allein oder überwiegend für schuldig erklärte Frau hat dem geschiedenen Mann angemessenen Unterhalt
zu gewähren, soweit er außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Ein Unterhaltsanspruch des schuldig erklärten Ehegatten
gegen den anderen ist nach den Vorschriften der §§ 58 ff. EheG, die durch das 1. EheRG zum 1.7.1977 außer Kraft getreten sind, nicht gegeben. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben bestimmt
sich die Unterhaltspflicht alleine nach dem Schuldausspruch im Tenor des Scheidungsurteils.
Vorliegend hat das Landgericht H. in seinem Urteil vom 10.06.1970 die Schuld des Klägers rechtskräftig festgestellt. Dieser
tenorierte Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Eine davon abweichende Unterhaltsvereinbarung zu Gunsten des Klägers
wurde nicht getroffen. Die Tatbestandswirkung des rechtskräftigen Scheidungsurteils ist auch für die Beurteilung der Unterhaltsansprüche
im Rahmen eines Anspruchs auf Geschiedenenwitwenrente für die Sozialgerichte bindend (st. Rechtsprechung, vgl. BSGE 10, 171; BSG vom 22.07.1992, 13 RJ 17/91). Damit scheidet ein Anspruch aus §
243 SGB VI aus.
Die vom Kläger bemühte Rechtsprechung, wonach ein Unterhaltsverzicht für unschädlich erachtet wird, wenn er sich angesichts
der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten als "leere Hülse" darstellt (vgl. BSGE 64, 167; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 92), die Rüge der unterlassenen Einkommensermittlung wie auch die Geltendmachung eines Verstosses
gegen §
779 ZPO kommen insoweit nicht mehr zum tragen. Es fehlt bereits dem Grunde nach an einem Unterhaltsanspruch des Klägers auf welchen
dieser in einem weiteren Schritt ggf. im Vergleichswege hätte verzichten können (so BSG vom 22.07.1992, aaO.).
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, der Schuldspruch im Scheidungsurteil sei unbeachtlich, da inhaltlich
falsch, kann dem nicht gefolgt werden. Es kann dahinstehen, ob der Kläger - wie vorgetragen - die Schuld auf sich genommen
hat, obgleich eigentlich die Versicherte durch ihr Verhalten das Scheitern der Ehe verschuldet hat. Auch für den Fall, dass
die Ehegatten vor der Scheidung den Tatsachen zuwider vereinbart haben, dass einer die Schuld entgegen den tatsächlichen Umständen
auf sich nimmt, ist insoweit ein Abweichen von der Bindungswirkung des Scheidungsurteil nicht möglich (Hoffmann-Stephan, Ehegesetz,
§ 58 Rn. 21f.). Das BSG hat in der zitierten Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass alleine in dem Unterlassen der Erwirkung
eines für den Kläger im Hinblick auf die Unterhaltsfolge günstigeren Scheidungsurteils (Feststellung der gemeinsamen Schuld
bzw. der überwiegenden oder alleinigen Schuld der Ehefrau) kein "Unterhaltsverzicht" im Sinne der Rechtsprechung zur sog.
"leeren Hülse" gesehen werden kann. Die Tatbestandswirkung des Scheidungsausspruchs schließt es aus, die Frage nach der Unterhaltspflicht
des Versicherten aufgrund einer hypothetischen Beurteilung des Scheidungsverschuldens zu beantworten. (BSG vom 22.07.1992,
aaO.). Diese zur Vorgängervorschrift des § 1265
RVO entwickelten Grundsätze gelten nach Überzeugung des Senats auch für die nach Zweck und Inhalt und insbesondere bezüglich
der Unterhaltsvoraussetzungen inhaltsgleiche Vorschrift des §
243 SGB VI (vgl. LSG NRW vom 09.01.2007, AZ: L 2 B 20/06 KN).
Der Schuldausspruch im Scheidungsurteil ist erst und alleine dann nicht mehr maßgeblich, wenn sich einer der Ehegatten das
Scheidungsurteil i.S.v. §
826 BGB in sittenwidriger Weise erschlichen hat. Erst dann wäre denkbar, dass der andere Ehegatte entgegen des Urteilstenors Unterhaltsansprüche
geltend machen kann. Grundsätzlich erwachsen auch materiell unrichtige Urteile in Rechtskraft. Denn die Rechtskraft verbietet
es gerade, die Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit erneut aufzuwerfen. Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gebietet
die Rechtsbeständigkeit des Abschlusses von Rechtsstreitigkeiten. Rechtsfriede und Rechtssicherheit sind so hohe Güter, dass
um ihretwillen die Möglichkeit einer im Einzelfall unrichtigen Entscheidung in Kauf genommen werden muss (BGHZ 89, 121 ff). Die Rechtskraft muss nur dann zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass
der Titelinhaber seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten seines Gegners ausnutzt.
In diesem Falle wäre es der Beklagten verwehrt, sich zur Abwehr des vom Kläger erhobenen Rentenanspruchs auf die Rechtskraft
des im Scheidungsverfahren ergangenen Urteils zu berufen. Eine solche Durchbrechung der Rechtskraft muss auf besonders schwerwiegende,
eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt, die Rechtssicherheit beeinträchtigt
und der Rechtsfriede in Frage gestellt würde (BGH, Urteil vom 24.06.1993, AZ: III ZR 43/92; KG Berlin, Urteil vom 24.05.2004, AZ: 8 U 320/03, jeweils m.w.N.). Die objektive Unrichtigkeit des Titels und die spätestens im Prozess auch von seinem Inhaber bzw. Nutznießer
erworbene Kenntnis davon reichen grundsätzlich nicht aus, um die Berufung auf den Titel sittenwidrig erscheinen zu lassen.
Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer es dem Titelinhaber zugemutet werden muss, die ihm unverdient
zugefallene Rechtsposition aufzugeben (BGH, Urteil vom 24.06.1993 AZ: III ZR 43/92; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.03.2006, AZ: 16 U 159/02; KG Berlin, Urteil vom 24.05.2004, AZ: 8 U 320/03, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Auch wenn man entgegen dem Scheidungstenor den klägerischen Vortrag als
zutreffend unterstellt, wonach der Ehefrau die Allein- oder zumindest die Mitschuld an der Scheidung zukam, liegen keine besonderen
Umstände vor, die eine Rechtskraftdurchbrechung rechtfertigen könnten. Der Rückgriff auf den Titel wäre auch unter dieser
Prämisse nicht "in hohem Maße unbillig und geradezu unerträglich". Die Beklagte selbst war an dem Scheidungsverfahren in keiner
Weise beteiligt, hat somit weder bei der Herbeiführung des Scheidungstenors mitgewirkt noch hat sie dessen Ausnutzung erschlichen.
Der erkennende Senat vermag auch kein gegenüber dem Kläger sittenwidriges Verhalten der Versicherten E. A. zu erkennen, welches
sich die Beklagte unter Umständen zurechnen lassen müsste. Das Urteil wurde durch die Ehefrau nicht durch sittenwidrige Umstände
wie beispielsweise einseitig falsche Angaben oder Beeinflussung von Zeugen etc. erschlichen. Gerade das anwaltliche Schreiben
vom 27.02.1970 zeigt, dass sich der Kläger - auch angesichts der von ihm schon damals behaupteten anders gelagerten Schuldverteilung
- sehenden Auges und aus eigenem Entschluss auf einen Schuldspruch zu seinen Lasten eingelassen hat. Alleine aus der Ankündigung
eines streitigen und gegebenenfalls langwierigen Scheidungsverfahrens durch die Gegenseite kann nicht geschlossen werden,
auf den Kläger sei sittenwidriger Druck ausgeübt worden. Wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat, hätte der Kläger nach
seinem Vorbringen auch bei einer streitigen Scheidung nichts "befürchten" müssen. Die Scheidung zulasten des Klägers wurde
vielmehr von diesem selbst in einvernehmlichem Zusammenwirken mit seiner Ehefrau herbeigeführt. Der Kläger versprach sich
von diesem Vorgehen offensichtlich eigene Vorteile, wie die Abkürzung des Scheidungsverfahrens und im Gegenzug für die Schuldübernahme
die Freistellung von Unterhaltsansprüchen seiner Ehefrau. Es handelte sich insoweit um eine zur damaligen Zeit durchaus übliche
Beilegung streitiger Scheidungsverfahren.
Der Kläger könnte sich daneben auch deshalb nicht auf eine Sittenwidrigkeit des Scheidungstenors berufen, weil er die Tatsachenbehauptungen,
die seiner Auffassung nach zur Unrichtigkeit des Schuldspruchs führten, schon im Scheidungsverfahren hätte vorbringen können
bzw. tatsächlich vorgebracht hat (vgl. hierzu BGHZ 40, 130 ff.). Schon mit der Widerklage vom 26.02.1970 hat der Kläger die Geschehnisse, die aus seiner Sicht zur Zerrüttung der Ehe
geführt haben sollen, vorgetragen. Gleichwohl hat er selbst im Scheidungsverfahren keinen Antrag gestellt und die von ihm
erhobene Widerklage nicht mehr weiter verfolgt. Eine eventuelle Unrichtigkeit des Urteils und eine daraus folgende sittenwidrige
Ausnutzung des Urteils kann damit nicht mehr dadurch dargetan werden, dass nochmals dieselben Tatsachenbehauptungen, Beweismittel
und Rechtsausführungen vorgebracht werden, die schon in dem abgeschlossenen Vorprozess vorgetragen aber nicht weiterverfolgt
worden sind. Dieses wäre eine nicht zu billigende unzulässige Missachtung der Rechtskraft des Urteils. Es wäre dem Kläger
insoweit unbenommen gewesen, das Scheidungsverfahren unter Aufrechterhaltung seiner Widerklage fortzuführen.
Die Berufung ist nach alledem mit der Kostenfolge des §
193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Ziff. 1 und 2
SGG sind nicht ersichtlich.