Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles.
Der 1952 geborenen Klägerin schlug am 19. September 2003 bei ihrer Tätigkeit als Pflegehelferin ein Patient auf den rechten
Arm. Am 22. September 2003 suchte sie den Allgemeinmediziner Prof. Dr. S. auf, der eine Armprellung mit Kraftlosigkeit und
Schmerz bei Belastung diagnostizierte. Der Durchgangsarzt, der Orthopäde Dr. K., äußerte am 7. Oktober 2003 den Verdacht auf
eine Muskelverletzung ohne livide Verfärbung, ohne Muskeldefizit, allerdings fehle die Kraft im Oberarm. Ein MRT vom 13. Oktober
2003 zeigte eine Zerrung/Quetschung des Bizepssehnenansatzes. Gegenüber dem Röntgenologen gab die Klägerin an, die Beugehemmung
habe sich während der letzten Tage deutlich gebessert. Am 16. Dezember 2003 hielt Dr. K. die Klägerin für arbeitsfähig. Am
29. März 2004 klagte sie gegenüber dem Chirurgen Dr. S. über einen geringfügigen Druckschmerz über dem Radiusköpfchen, die
Beweglichkeit war vollständig frei. Am 11. Juni 2004 war der Befund unverändert.
Im Gutachten vom 17. August 2004 erklärte der Arzt für Neurologie Dr. B., es bestünden keine Hinweise für eine bleibende Läsion
nervaler Strukturen. Das Schmerzsyndrom sei neurologisch nicht zuzuordnen. Die Chirurgen Privatdozent Dr. M. und Dr. M. führten
im Gutachten vom 28. Januar 2005 aus, es bestehe ein Druckschmerz im Ansatzbereich des Bizepsmuskels ohne Muskelverschmächtigung.
Die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Rente mit Bescheid vom 15. März 2005 ab. Unfallfolgen seien: Druckschmerzhaftigkeit
im Bereich des Bizepssehnenansatzes rechts, endgradig eingeschränkte Hebefähigkeit des rechten Handgelenks nach Zerrung und
Quetschung des Ansatzes der Bizepssehne am Speichenknochen rechts.
Im Widerspruchsverfahren erklärte der Orthopäde Dr. W. im Gutachten vom 18. Oktober 2005, die Angaben über Schonung des Arms
seien bei seitengleich entwickelter Muskulatur nicht nachvollziehbar. Im Rahmen der Ultraschalluntersuchung habe passiv eine
nahezu freie Innenrotation erfolgen können, auch seien keine Berührungsschmerzen geäußert worden. Die angegebenen Funktionsbeeinträchtigungen
könnten nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Eine MdE bestehe nicht mehr.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. führte im Gutachten vom 21. November 2005 aus, den Beschwerden liege keine
neurologische Erkrankung zu Grunde. Es gebe weder Anhaltspunkte für eine Schädigung des Nervus medianus, noch für eine Verletzung
anderer Armnerven. Zeitlich nach dem Unfallereignis habe sich eine depressive Störung entwickelt. Sie könne als unfallbedingte
Anpassungsstörung mit Depression gewertet werden, falls auf chirurgischem Gebiet Unfallfolgen festgestellt würden, die ein
chronisches Schmerzsyndrom erheblichen Schweregrades begründen könnten. Sonst sei die Depression als unfallunabhängig zu bewerten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2006 zurück.
Zur Begründung der Klage übersandte die Klägerin ein Attest von Prof. Dr. S. vom 8. Juni 2006: das seit 2003 immer wieder
vorgebrachte Beschwerdebild scheine auf den Unfall vom 19. September 2003 zurückzugehen. Infolge der langen Krankheitsdauer
habe sich eine Depression entwickelt, außerdem Schlafstörungen und zunehmende Nacken- und Schulterschmerzen. Vor dem Unfall
seien keine dieser Beschwerden bekannt gewesen.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten vom 6. Oktober 2006 und
der ergänzenden Stellungnahme vom 24. November 2006 aus, der Krankheitsverlauf sei von einem deutlichen Crescendo-Effekt gekennzeichnet,
der generell als verletzungsatypisch bezeichnet werde, zumal dann, wenn schon primär keine eindeutigen wesentlichen Strukturveränderungen
nachgewiesen seien und wenige Tage nach dem Unfall zunächst von einer Besserungstendenz berichtet worden sei. Kein Gutachter
habe eine Muskelminderung als Folge schmerzbedingter Schonung gemessen. Aufgrund des kernspintomographischen Befundes vom
13. Oktober 2003 sei von einer geringfügigen Zerrung oder Quetschung der Bizepssehne durch den Unfall auszugehen. Die jetzt
gezeigten Funktionsstörungen und subjektiven Empfindungen seien Ausdruck einer erheblichen Somatisierungsstörung.
Der auf Antrag der Klägerin gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. K. erklärte im Gutachten vom 26. Juni 2007 unter Berücksichtigung
des psychologischen Zusatzgutachtens des Diplom-Psychologen Dr. K. vom 30. Juni 2007 und des neurologisch-schmerzspezifischen
Gutachtens der Neurologin Dr. B. vom 20. Juni 2007, kernspintomographisch sei eine leichte Ellenbogengelenksarthrose nachgewiesen,
die die beklagten Beschwerden erklären könne. Da zwischenzeitlich keine weiteren Verletzungen eingetreten seien, sei die Arthrose
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Folge der damaligen Verletzung. Weitere Unfallfolgen seien die posttraumatische
Belastungsstörung und die daraus resultierende anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Depression. Auch geringe Ereignisse
könnten bei entsprechend prädisponierten Personen diese Erkrankung auslösen. Durch den psychosozialen Stress im Rahmen der
ausschließlich körperlichen Behandlung und der subjektiv so empfundenen Misshandlungen durch Untersucher seien die Chronifizierungsvorgänge
psychosozial forciert worden. Alle Erkrankungen seien direkte Folge des Unfalles. Die MdE sei mit 40 v.H. einzuschätzen.
Mit Urteil vom 17. Januar 2008 wies das Sozialgericht München die Klage ab. Dr. F. habe in Übereinstimmung mit Dr. W. darauf
hingewiesen, dass es ausweislich des MRT vom 13. Oktober 2003 außer einer geringfügigen Zerrung oder Quetschung des Bizepssehnenansatzes
zu keinen Verletzungen am Arm gekommen sei. Eine derartige Bagatellverletzung heile spätestens nach zwei Wochen folgenlos
aus. Dr. B. und Dr. N. hätten erklärt, dass es keinerlei Hinweise für Verletzungen der Nerven gebe und das Schmerzsyndrom
somit auch neurologisch nicht zuzuordnen sei. Die von der Klägerin angegebenen Funktionsbehinderungen seien allenfalls durch
eine Somatisierungsstörung zu erklären. Diese sei aber nicht unfallbedingt. Dr. K., Diplom-Psychologe K. und Dr. B. schlössen
aus einem rein zeitlichen Aufeinanderfolgen des Unfalls und der beklagten Beschwerden sowie der mangelnden Feststellung konkurrierender
Ursachen, dass die psychischen Gesundheitsstörungen wesentlich durch den Unfall verursacht worden seien. Dies führe zu einer
Beweislastumkehr, für die keine rechtliche Grundlage zu erkennen sei. Auch reiche es nicht aus, wenn durch den Unfall eine
psychische Erkrankung ausgelöst werde, wie Dr. K. annehme. Zudem hätten die von der Klägerin benannten Gutachter sich nicht
festgelegt, ob eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Depression oder eine Somatisierungsstörung vorliege. Zur Anerkennung
einer psychischen Störung als Unfallfolge sei aber eine exakte Diagnose erforderlich.
Mit der Berufung vom 10. März 2008 wandte die Klägerin ein, das Sozialgericht habe die Gutachten von Dr. K., Dr. K. und Dr.
B. nicht gebührend berücksichtigt. Hinreichende Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und der seelischen
Krankheit sei gegeben, zumindest im Sinn der wesentlichen Teilursache.
Die Klägerin wiederholt den Antrag
aus dem Schriftsatz vom 11. September 2008 mit der Maßgabe, Ziffer 1 dahingehend abzuändern, dass die angefochtenen Bescheide
nicht aufzuheben, sondern abzuändern sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen,
da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist. (§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -)
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung
der Sach- und Rechtslage führen konnte.
Entgegen den Einwendungen der Klägerin hat das Sozialgericht die Gutachten von Dr. K., Dr. K. und Dr. B. hinreichend berücksichtigt.
Dabei hat es aber zutreffend festgestellt, dass in diesen Gutachten eine generelle, durch wissenschaftliche Erkenntnisse untermauerte
Plausibilität der behaupteten Ursache-Wirkungs-Beziehung nicht begründet worden ist.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis
und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheits-Erst-Schadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang
nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen solchen
Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und
den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen,
die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BSGE vom 9. Mai 2006,
B 2 U 1/05 R m.w.N.). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache ist relevant, ob das Unfallereignis wesentlich
war. Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache
nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen
als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Zu prüfen ist also, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben
überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Dabei gilt der allgemeine beweisrechtliche
Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand
aufbauen muss. Eine medizinisch begründete Erklärung, inwiefern die leichte Ellenbogengelenksarthrose durch den Unfall verursacht
wurde und inwiefern sie die von der Klägerin geklagten Beschwerden erklären kann, hat Dr. K. nicht gegeben. Dagegen hat Dr.
F. in Auswertung der Röntgenaufnahmen erklärt, rechts wie links sei an den Ellenbogengelenken kein pathologischer Befund gegeben.
Wesentlich ist auch, dass keine auf Inaktivität oder Schonung hinweisende Demineralisierung und Muskelminderung rechts gegenüber
links festzustellen ist.
Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche
Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist. Insofern hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass aus
einem rein zeitlichen Aufeinanderfolgen eines Unfalls mit angegebenen Beschwerden und der mangelnden Feststellung konkurrierender
Ursachen nicht gefolgert werden kann, dass die Gesundheitsstörungen wesentlich durch den Unfall verursacht wurden. Die Anerkennung
von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen
möglich. Denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden. Psychische
Gesundheitsstörungen können nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten: Sie können unmittelbare Folge eines
Traumas sein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen entstehen. Sie können die Folge eines erlittenen Körperschadens
sein, sie können sich infolge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens erst herausbilden. Voraussetzung für die Anerkennung
von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente ist zunächst die Feststellung
der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (vgl. BSG aaO.).
Der. K. hat hinsichtlich der von ihm diagnostizierten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erklärt, hier handle es sich
um ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlicher ursächlicher Faktoren. Eine medizinisch begründete Erklärung, dass gerade
der Unfall die wesentliche Ursache für die Erkrankung ist, hat Dr. K. damit nicht gegeben. Die reine Möglichkeit des Ursachen-Zusammenhangs
genügt nicht.
Eine weitere Sachaufklärung war nicht veranlasst. Die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. B. und Dr. N.,
die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, bestätigen, dass Somatisierungsstörung/Schmerzsyndrom/somato-forme Schmerzstörung
keine Unfallfolgen sind. Dr. N. weist ausdrücklich darauf hin, dass zwar ein chronischer Schmerzzustand geeignet ist, eine
Anpassungsstörung mit Depression zu verursachen. Voraussetzung ist aber ein chronisches Schmerzgeschehen erheblichen Schweregrades
mit Funktionseinschränkungen als Folge des Unfalls. Gerade diesen Zusammenhang haben die Gutachten auf orthopädischem Gebiet
nicht bestätigt.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.