Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1948 geborene Klägerin hat für den Zeitraum 1. Januar 1995 bis 30. Juni 2005 als Ehegatte eines Landwirts Pflichtbeiträge
zur Beklagten entrichtet. Zum 1. Juli 2005 wurde das Unternehmen übergeben; seit diesem Zeitpunkt erhält der Ehemann Rente
wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 18. August 2005 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Zur
Begründung wurde unter Beifügung von Befundberichten der behandelnden Ärzte Dr. H. und Dr. H. auf ein Venenleiden, psychovegetative
Störungen sowie Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden verwiesen.
Die Beklagte holte daraufhin ein internistisches Gutachten von Dr. R. ein. Dieser stellte bei der Klägerin wirbelsäuleabhängige
Beschwerden und Funktionseinschränkungen bei degenerativen Veränderungen und Übergewicht, derzeit ohne Anhalt für eine akute
Wurzelreizung, Aufbrauchserscheinungen beider Hüftgelenke, Schulterarmsyndrom beidseits, Belastungsbluthochdruck bei Fettleibigkeit
ohne wesentliche Auswirkung auf den Herzmuskel, Blutrückflussstörungen an beiden Beinen bei ausgeprägter Krampfaderbildung
an beiden Beinen, derzeit ohne Anhalt für akute Komplikationen (Ulcus cruris), ein psychovegetatives Syndrom, ausgeprägte
Knick-Senk-Spreizfüße beidseits, schwere Fehlstellung der Großzehen rechts mehr als links und ein Lipom über dem Schulterblatt
rechts fest. Die Klägerin sei noch in der Lage, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten zu verrichten.
Mit angefochtenem Bescheid vom 28. September 2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs übersandte die Klägerin Befundberichte des Orthopäden Dr. S., des Internisten
Dr. R. und des Neurologen Dr. P ... Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme hierzu wies die Beklagte den Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2005 zurück.
Mit der hiergegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Vom Zentrum Bayern Familie und Soziales sei ein Grad der Behinderung von 40
festgestellt worden. Auch läge bei der Klägerin ein Ulcus cruris links, Verschleißerscheinungen an allen Knochen und Gelenken,
massive CVI beidseits mit wiederkehrenden Geschwulstbildungen, Arthrose in beiden Knien, psychosomatische Beschwerden sowie
eine rezidivierende depressive Störung mit derzeit mittelgradig depressiver Episode und ein Restless-Legs-Syndrom vor. Die
Fingerpolyarthrose sei von der Beklagten nicht gewürdigt worden. Tätigkeiten, die ein Feingefühl der Hände erfordern, seien
der Klägerin somit ebenfalls verschlossen.
Das SG zog Befundberichte des Orthopäden Dr. S., des Allgemeinmediziners Dr. H., des Chirurgen Dr. H. bei und holte gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. Dr. W. ein. Der Gerichtssachverständige stellte bei der Klägerin in
seinem Gutachten vom 20. Juni 2007 folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden der HWS und LWS ohne Nervenwurzelreizerscheinungen
2. Karpaltunnel-Syndrom beidseits
3. Restless legs
4. Aufbraucherscheinungen der Schulter-, Knie- und Hüftgelenke beidseits.
Die Klägerin sei noch in der Lage, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen,
Stehen und Sitzen, ohne Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit
mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Einschränkungen
der Umstellungsfähigkeit seien nicht ersichtlich. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Auf Antrag der Klägerin holte das SG gemäß §
109 SGG ein chirurgisch-sozial-medizinisches Gutachten von Dr. L. vom 21. November 2007 ein. Dr. L. diagnostizierte bei der Klägerin
aufgrund der Untersuchung am 28. September 2007 folgende Gesundheitsstörungen:
1. HWS-Syndrom mit Spondylosis C5 bis C7, Zervikalgien
2. LWS-Syndrom bei Osteochondrose L4/L5 und L5/S1, anamnestisch bekannte Band scheibenprotrusion L5/S1 mit Verdrängung der
Wurzel S1 beidseits, Ventrolisthesis L4 gegenüber L5, Baastrup-Phänomen L3 bis S1, Lumbalgien
3. BWS-Syndrom mit rechtskonvexer Skoliose, Spondylosis deformans thorakolumbal
4. Omarthrose beidseits, rechtsbetont bei fortgeschrittener AC-Gelenksarthrose
5. Fingerfehlstellung beidseits bei geringer Fingerpolyarthrose, fortgeschrittener Ritzarthrose beidseits mit mangelnder Greiffunktion;
MCP-Arthrose 2. und 3. Strahl klinisch
6. Coxarthrose beidseits bei Rotationseinschränkung, Belastungsbeschwerden
7. Gonarthrose beidseits, medial betont, links auch lateral betont, mit Retropatellaarthrose, Belastungsbeschwerden
8. Massive Knick-, Senk- und Spreizfußdeformität mit Hallux valgus Fehlstellung, Fehlstellung der zweiten und dritten Zehe
rechts, Belastungsbeschwerden mit durchgetretenem Längsgewölbe
9. Fortgeschrittene chronisch-venöse Insuffizienz beidseits mit abgelaufener Geschwürsbildung links am Unterschenkel
10. Adipositasgrad 1, BMI von 31 kg/m²
11. Restless-Legs-Syndrom
12. vorbeschriebene psychische Minderbelastbarkeit, angegebene Schmerzerkrankung (?).
Die Klägerin sei nur noch in der Lage, weniger als 6 Stunden leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne schweres Heben und Tragen,
Überkopfarbeiten und andere Zwangshaltungen wie Bücken oder Knien zu verrichten. Dies begründe sich auf den massigen degenerativen
Veränderungen, die in der Gesamtschau aller nachweisbaren Veränderungen eine doch erheblich eingeschränkte körperliche Belastbarkeit
bei der Klägerin ergeben. Die Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit könne zum Jahreswechsel 2006/2007 sowie im
Januar 2007 zumindest angenommen werden. Es möge eher (nach dem ebenso unvollständigen Leistungsbefund bei Dr. R.) noch grenzwertig
für vollschichtige Leistungen ausgereicht haben; dies sei jetzt mit Sicherheit nicht mehr der Fall. Die Wegefähigkeit sei
nicht eingeschränkt; zusätzliche Arbeitspausen würden von der Klägerin nicht benötigt.
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur erfüllt seien, wenn eine Erwerbsminderung
im Sinne des
SGB VI bereits rückwirkend seit Juli 2007 vorliegen würde. Damit sei auch dann, wenn man dem Gutachten Dr. L. folgen würde, ein
Rentenanspruch nicht gegeben. Im Übrigen könne Dr. L. bei seiner Einschätzung des quantitativen Leistungsvermögens nicht gefolgt
werden. Die Kläger erklärte hingegen, aufgrund des Gutachtens von Dr. L. stehe ein untervollschichtiges Leistungsvermögen
ab Januar 2007 fest.
Eine Nachfrage des SG bei Dr. L. ergab, dass ein Messwert für die oberen Extremitäten nicht erstellt wurde. Es handele sich vorwiegend um Fingerpolyarthrosen,
die im Messblatt nur unzureichend abgebildet wären. Auf angefertigte Fotos wurde hingewiesen.
Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 1. Februar 2008 abgewiesen. Aufgrund des Gutachtens von Dr. Dr. W. stehe fest, dass
bis Juli 2007 keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin vorgelegen habe. Das Gutachten von Dr.
L. führe nicht zu einer anderen Einschätzung. Die von Dr. L. in den Vordergrund gerückten Fingerfehlstellungen beidseits bei
geringer Fingerpolyarthrose und fortgeschrittener Ritzarthrose beidseits mit angeblich mangelnder Greiffunktion seien nicht
nachvollziehbar dargestellt. Die sonstigen Gesundheitseinschränkungen seien hingegen von den Vorgutachtern bereits dargestellt
und berücksichtigt worden. Das Gutachten von Dr. L. stelle im Wesentlichen eine Zusammenfassung der Vorgutachten mit Kommentierung
dar, weniger einen ordnungsgemäßen orthopädischen Befund.
Zur Begründung der hiergegen erhobenen Berufung hat die Klägerin ausgeführt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
für die Leistung einer Erwerbsminderungsrente seien gegeben. Im Gutachten von Dr. L. befänden sich ordnungsgemäß erhobene
Diagnosen. Aus den von Dr. L. selbst erhobenen Befunden seien auch begründete Schlussfolgerungen auf das aktuelle Leistungsvermögen
der Klägerin gezogen worden.
Auf Anfrage des Senats haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Februar 2008 aufzuheben und die Be- klagte unter Abänderung des Bescheids vom
28. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2006 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung
ab 1. Februar 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 28. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
20. Januar 2006 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 1 ALG iVm §
43 Abs.
1 SGB VI und damit erst recht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 ALG iVm §
43 Abs.
2 SGB VI zu.
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Voraussetzungen des §
153 Abs.
4 SGG sind gegeben.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG ist die Leistungsfähigkeit der Klägerin qualitativ hinsichtlich der Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert,
ohne dass die qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch einen rentenerheblichen Umfang angenommen hätten. Eine quantitative
Leistungseinschränkung liegt nach Überzeugung des erkennenden Senats zumindest zu dem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen letztmals gegeben sind, nicht vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind nur dann erfüllt, wenn
die volle oder teilweise Erwerbsminderung spätestens im Juli 2007 eingetreten ist. Nur dann sind in den 60 Kalendermonaten
vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ALG). Verlängerungstatbestände liegen bei der Klägerin erst ab Januar 2008 vor (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 8 ALG), nicht jedoch im Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007.
Zutreffend hat das SG unter Berufung auf das überzeugende Gutachten von Dr. Dr. W. ausgeführt, dass die Klägerin bis Juli 2007 noch in der Lage
war, vollschichtig leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit der Folge zu verrichten, dass ein Rentenanspruch
nicht besteht. Das Gutachten von Dr. L. konnte auch den Senat nicht überzeugen. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen
der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe
ab (§
153 Abs.
2 SGG).
Auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Eine nachvollziehbare
Begründung, warum die Klägerin nur noch unter 6 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig sein sollte, und eine
intensive Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Vorgutachter lässt das Gutachten von Dr. L. vermissen. Insbesondere in
Bezug auf die von Dr. L. festgestellte Bewegungs- und Schmerzstörung beider Hände ist darauf zu verweisen, dass diese von
Dr. L. nicht nachvollziehbar dokumentiert worden ist. Eine meßtechnisch objektivierte Darstellung der Beweglichkeit der Hände
und Finger der Klägerin fehlt. Aus dem übersandten Foto lassen sich insoweit auch keine Erkenntnisse gewinnen.
Dr. L. setzt sich darüber hinaus nicht damit auseinander, dass die Klägerin noch gegenüber Dr. Dr. W. angegeben hatte, das
Binden ihrer Schuhe noch ebenso selbst zu verrichten wie das Sortieren und Aufhängen von Wäsche. Auch gab sie damals an, sie
sei noch in der Lage, die Hühner zu versorgen, Frühstück zu bereiten, Blumen zu gießen, zu bügeln und Blumenbeete zu hacken.
Damit ist eine derart gravierende Bewegungs- und Schmerzstörung beider Hände, wie sie von Dr. L. beschrieben wurde, nicht
vereinbar. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nach den eigenen Angaben der Klägerin eine Schmerzmedikation nicht oder
nur unregelmäßig stattfindet.
Hinzu kommt, dass Dr. L. ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen der Klägerin mit der erforderlichen Sicherheit auch
erst ab dem Zeitpunkt der Begutachtung im September 2007 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, feststellt. Denn seine Aussage, ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen
könne zum Jahreswechsel 2006/2007 sowie im Januar 2007 zumindest angenommen werden, setzt Dr. L. bereits im folgenden Satz
mit dem Hinweis außer Kraft, dass das Leistungsvermögen (zu diesem Zeitpunkt) eher noch grenzwertig für vollschichtige (und
damit mehr als sechsstündige!) Leistungen ausgereicht hätte; erst jetzt (also zum Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin)
sei dies mit Sicherheit nicht der Fall.
Auf Grund dieses Einsatzvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt scheidet auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
und erst recht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus. Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin
unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde.
Denn bei ihr liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit
erforderlich machen würde. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt bei der Klägerin auch nicht aufgrund der Gesundheitsstörungen
an den Händen vor, die vom BSG etwa bei einer weitgehenden Gebrauchsunfähigkeit einer Hand (vgl. BSG SozR 220 § 1246 Nr. 30)
angenommen worden ist. Von derart gravierenden Einschränkungen der Beweglichkeit der Hände, die einer (funktionellen) Einhändigkeit
gleichkämen, kann angesichts des oben beschriebenen Tätigkeitsumfangs der Klägerin keine Rede sein. Relevante Einschränkungen
der Wegefähigkeit bestehen ebenfalls nicht. Auch für sonstige sogenannte Katalogfälle (vgl. SozR 2200 § 1246 Nrn. 30, 75,
81, 90, 104, 109, 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8, § 1246 Nr. 41) liegt - nach den Feststellungen der Sachverständigen und der
Überzeugung des erkennenden Senats - kein Anhalt vor.
Die Berufung musste daher als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.