Vollstreckbarkeit einer einstweiligen Anordnung im sozialgerichtlichen Verfahren; Beginn der Frist nach § 929 Abs. 2 ZPO; Sicherung existenziell notwendiger Leistungen
Gründe:
I. Hier ist über einen Antrag auf Zwangsvollstreckung zu befinden. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin
durch Zwangsgeld anzuhalten ist, dem Antragsteller Grundsicherung im Alter sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung
aus einer einstweiligen Anordnung vom 26.11.2007 (Az. L 8 B 800/07 SO ER) bis 31.05.2008, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, zu erbringen.
Einen am 21.03.2007 gestellten Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 03.04.2007 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit
ab. Hiergegen wurde weder Widerspruch erhoben noch sonst ein Rechtsbehelf ergriffen.
Das Sozialgericht München - SG - (vorläufiger Rechtsschutz, S 48 SO 194/07 ER) hatte die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 26.07.2007 verpflichtet, Leistungen
in Höhe von 80 v.H. des gesetzlich zustehenden Regelsatzes sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Antragstellers
(85 m² große 3-Zimmer-Wohnung zu 1.037,46 Euro monatlich) bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über seinen
Leistungsantrag vom 21.03.2007 zu erbringen sowie ihm ein Darlehen zur Tilgung seiner Mietschulden zu bewilligen. Ausschlaggebend
sei eine Güter- und Folgenabwägung. Denn die fristlose Kündigung der Wohnung des Antragstellers begründe eine aktuelle Notlage,
gegenüber der das Interesse der Antragsgegnerin, bei Erfolglosigkeit des Hauptsacherechtsbehelfs nicht auf einen Rückerstattungsanspruch
verwiesen zu sein, in den Hintergrund trete. Im Übrigen habe es die Antragsgegnerin versäumt, nähere Einzelheiten über die
selbstständige Tätigkeit des Antragstellers in Erfahrung zu bringen und insbesondere zu ermitteln, ob sein Kfz unentbehrlich
für die Fortsetzung der Tätigkeit sei. Die Antragsgegnerin hatte gegenüber dem SG ausgeführt, dass unabhängig von den Vermögensfreigrenzen (Verwertung des Kfz mit einem Wiederbeschaffungswert von 7.800 Euro,
Restwert 2.800 Euro) die Einkommenssituation völlig unklar sei. So sei nicht bekannt, seit wann die Ehefrau des Antragstellers
wieder arbeite, welche Unterstützungen aus dem Familien- und Freundeskreis zugeflossen seien und in welchem Umfang der Antragsteller
Betreuungsprovisionen eingenommen habe.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zum Bayer. Landessozialgericht - LSG - verpflichtete der Senat die Antragsgegnerin
mit Beschluss vom 26.11.2007 (L 8 B 800/07 SO ER) zur Erbringung der zuerkannten Leistungen der Grundsicherung im Alter sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die
Wohnung des Antragstellers lediglich bis 31.05.2008, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache (..."Der Beschluss
des Sozialgerichts München vom 26.07.2007 wird dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, dem Antragsteller
die zuerkannten Leistungen der Grundsicherung im Alter sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Antragstellers
bis 31.05.2008, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen".)
Hinsichtlich der Unterkunftskosten erklärte sich die Antragsgegnerin am 10.08.2007 bereit, die Kosten unvermindert bis zum
29.02.2008 zu erbringen. Dies war mit der Auflage versehen, ab Oktober 2007 jeden Monat Eigenbemühungen zur Senkung der Wohnungs-Kosten
nachzuweisen.
Zwischenzeitlich erfolgten durch die Antragsgegnerin Ermittlungen wegen Arbeitsverdiensten der Ehefrau sowie die Aufforderung
zur Verminderung der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung (Standardtarif). Mit Bescheid vom 11.09.2007 versagte
die Antragsgegnerin Grundsicherungsleistungen für September 2007, da das Einkommen den Betrag um 130,86 Euro übersteige. Mit
einer weiteren Mitteilung vom 18.01.2008 unter Bezugnahme auf die Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wurden
wiederum Leistungen verweigert, da das übersteigende Einkommen der Ehefrau den Bedarf decke.
Am 30.01.2008 hat der Antragsteller beim LSG beantragt, der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld mindestens in Höhe von 2.000,-
EUR aufzuerlegen, sowie ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und Rechtsanwalt M. E. D. beizuordnen, weil diese sich
weigere, den Beschluss des LSG vom 26.11.2007 zu erfüllen.
Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 16.01.2009 abgelehnt. Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes sei nach §§ 86b Abs.
2 Satz 4
SGG, §
929 Abs.
2 ZPO unstatthaft, da verfristet.
Hiergegen hat der Antragsteller am 16.02.2009 beim SG Beschwerde eingelegt, welche am 23.02.2009 beim LSG eingegangen ist. Am 17.03.2009 hat er die Beschwerde damit begründet,
dass der Antragsteller davon ausgegangen sei, dass sich die Landeshauptstadt als öffentlich-rechtliche Körperschaft rechtmäßig
verhalten und einer Verpflichtung aus einer inzwischen rechtskräftigen Entscheidung des LSG nachkommen werde. Daher sei es
unbillig, ihn auf die Fristenregelung des §
929 Abs.
2 ZPO zu verweisen. Hinzu komme, dass sich der Antragsteller wiederholt, auch mit persönlicher Vorsprache vom 07.01.2008, an die
Antragsgegnerin gewandt habe.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des SG vom 16.01.009 durch Zwangsgeld zur Erfüllung ihrer Verpflichtung anzuhalten.
Die Antragsgegnerin, die am 27.03.2009 ihre Akten vorlegte, beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Bescheid vom 11.09.2007, habe sie dem Kläger mitgeteilt, dass sich aufgrund des Verdienstes seiner Ehefrau keine Grundsicherungsleistung
für September 2007 errechne. Das Einkommen übersteige den Betrag um 130 Euro.
II. Die gemäß den §§
172 ff.
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Auch eine einstweilige Anordnung ist ein Vollstreckungstitel im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 SGG. Es gilt §
200 SGG, außerdem §
201 SGG entsprechend (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, Rn. 46 zu 86b SGB, 9. Aufl.).
Nach §
201 SGG kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu tausend Euro durch Beschluss androhen
und nach vergeblichem Fristablauf festsetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Behörde in den Fällen des §
131 SGG der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Entsprechendes gilt nach übereinstimmender Meinung auch für die
Verpflichtung aus einer einstweiligen Anordnung. Sie ist nach zutreffender Auffassung auch auf Bescheidungsurteile und Grundurteile
iSd §
130 Satz 1
SGG iVm §
54 Abs.
4 SGG (vgl. zu letzterem Beschluss des erkennenden Senats vom 27.04.2007 - L 8 AS 1503/07 ER -) anwendbar (ausführlich hierzu Ruppelt in Hennig,
SGG, §
201 Rn. 5f). Gleiches gilt für Regelungsanordnungen nach
§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG. Diese enthalten - ähnlich wie das Bescheidungs- oder das Grundurteil nach §
54 Abs.
4 SGG - eine durch unvertretbare Handlung eines Sozialleistungsträgers zu erfüllende Verpflichtung.
Eine Vollstreckbarkeit der einstweiligen Anordnung ist aber nicht mehr gegeben. Ihre Wirkung war, modifiziert durch den Beschwerdebeschluss
des Senats, begrenzt auf spätestens den 31.05.2008, sonst im Zeitraum davor auf den rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache.
Den Bescheid vom 03.04.2007 über den genannten Antrag hatte der Antragsteller aber nicht angefochten. Dies ergibt sich eindeutig
aus seinem Schriftsatz vom 11.07.2007. Auch den gesamten vorgelegten Aktenvorgängen lässt sich ein Widerspruch gegen den Bescheid
vom 03.04.2007 nicht entnehmen. Gleiches gilt für den späteren Bescheid vom 11.09.2007 über Grundsicherung wie auch die Mitteilung
an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 18.01.2008. Damit steht jetzt auch fest, dass schon kein Rechtsschutzbedürfnis
für eine einstweilige Anordnung gegeben war, da das vermeintlich zu sichernde Recht in verbindlicher Weise geregelt worden
ist. In einem solchen Falle darf der vorläufige Rechtsschutz nicht an die Stelle des Erkenntnisverfahrens/Verwaltungsverfahrens
treten.
Im Übrigen ist auch - wie das SG zu Recht ausführt - die Vollziehung der Vollstreckung wegen verspäteter Antragstellung unstatthaft geworden. Unmittelbar
nach §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG (nicht über §
198 oder §
202 SGG) geltend diverse Vorschriften der
Zivilprozessordnung entsprechend, unter anderem §
929 Abs.
2 ZPO. Danach ist die Vollziehung des Arrestbefehles unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem er verkündet oder der Partei, auf
deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der stattgebenden
einstweiligen Anordnung (vgl. Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl., Rn. 46 zu §
86b SGG) - hier mit Zustellung an den Bevollmächtigten des Antragstellers am 29.11.2007. Erst am 30.01.2008 hat der Antragsteller
beim für die Vollstreckung nicht zuständigen LSG einen Antrag gestellt.
Ein späterer Fristbeginn als derjenige der Zustellung des stattgebenden Anordnungsbeschlusses liegt auch nicht vor.
Insoweit kann sich der Antragsteller weder für den Zeitraum vor dem Erlass des Beschlusses des LSG noch für den späteren Zeitraum
bis zum 31.05.2008 darauf berufen, dass es für ihn zunächst nicht erkennbar gewesen sei, dass die Antragsgegnerin den Beschluss
nicht habe befolgen wollen. Zwar vertreten Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit wie das OVG Lüneburg (Beschluss vom 08.12.1987,
Az.: 6 B 90/87) und der VGH Baden-Württemberg (VBlBW 1984, 150) die Ansicht, dass die Vollstreckungsfrist des §
929 Abs
2 ZPO bei einstweiligen Anordnungen gemäß §
123 Abs.
3 VwGO erst dann beginne, wenn der Antragsteller erkennen könne, dass die Behörde der Anordnung nicht oder nur unzureichend folgen
werde. Dieser Ansicht steht aber der klare Wortlaut der Norm entgegen, der nicht zulässt, davon auszugehen, dass die Monatsfrist
erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem der Gläubiger Kenntnis davon hat, dass der Schuldner der einstweiligen Anordnung
nicht freiwillig nachkommen will oder nur unzureichend gefolgt ist. Die Argumentation, wonach Verwaltungsbehörden wegen des
Rechtsstaatsprinzips rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen befolgen müssen, so dass Vollstreckungsmaßnahmen
grundsätzlich nicht erforderlich sind, trägt zudem der vorliegenden Fallkonstellation einer Güter und Folgen abwägenden, diagnostisch
zukunftsbezogenen Entscheidung nicht Rechnung. Hinzu kommt, dass die Geltendmachung eines Vollziehungsschadens nach §
945 ZPO gerade voraussetzt, dass der Gläubiger mit der Vollziehung der einstweiligen Anordnung begonnen hat (BGH, Urt. vom 13.04.1989,
LM
§
750 ZPO Nr. 4), die Behörde sich also dieser Möglichkeit begibt, wenn sie freiwillig leistet. Schließlich handelt eine Behörde, die
sich auf §
929 Abs.
2 ZPO beruft und nach Ablauf der Vollziehbarkeit nicht mehr leistet, auch nicht rechtsstaatswidrig, sondern in Einklang mit der
Rechtsordnung und damit rechtmäßig. Ist die Monatsfrist des §
929 Abs.
2 ZPO verstrichen, kann der Gläubiger die Leistung nicht mehr erzwingen.
Die Behörde kann in dieser Situation aber noch freiwillig leisten, was beispielsweise nach erfolglosem Abschluss des Beschwerdeverfahrens
jedenfalls dann naheliegen wird, wenn die Verhältnisse sich nicht geändert haben und die Berufung auf die fehlende Vollziehbarkeit
lediglich ein erneutes Anordnungsverfahren notwendig machen würde (so VGH Mannheim, NVwZ 2000, 691 [692]). Dies erklärt auch, weswegen kaum derartige Fallkonstellationen in der Rechtsprechung aufscheinen, im vorliegenden
Falle aber gerade auch keine zwingende Vollziehung verlangt werden darf. Denn hier sind neue Tatsachen gegenüber dem bisherigen
Erkenntnisstand bei Erlass der Beschlüsse des SG und des LSG vom Beschwerdegegner ermittelt und vorgebracht worden.
Für den Zeitraum zwischen der Antragstellung beim SG vom 24.04.2007 bis zum Beschluss des LSG (Bekanntgabe an den Antragsteller am 29.11.2007) bedarf es keiner Diskussion darüber,
dass nach Ablauf der Vollstreckungsfrist von einem Monat und fehlender Leistung der Antragsgegnerin eine Vollstreckung nicht
mehr möglich ist. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte bewusst nicht geleistet, weil sie davon ausgeht, dass der Kläger zusammen
mit seiner Ehefrau im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 2 SGB XII berechtigt sei und deren Einkommen den Bedarf an Grundsicherung der
Gemeinschaft decke (vgl. zuletzt Schreiben vom 18.01.2008 an die Bevollmächtigten des Antragstellers). Für die Zahlung der
unverminderten Wohnungskosten wusste dies der Antragsteller schon seit dem Bescheid vom 10.08.2007 (Zahlungsende 29.02.2008).
Für diesen Zeitraum hätte auch durchaus in Erwägung gezogen werden können, dass der Senat bereits im Beschwerdeverfahren den
Beschluss des SG kassiert hätte. Denn der Antragsteller hatte damals bereits verabsäumt, innerhalb der Frist des §
929 Abs.
2 ZPO die Vollstreckung aus dem Beschluss des SG einzuleiten. Soweit die Vollziehung der einstweiligen Anordnung aber bereits unstatthaft geworden ist, fehlt für eine Beschwerdeentscheidung
das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. LSG Baden-Württemberg, NJOZ 2007, 909). Davon konnte damals allenfalls abgesehen werden, weil
in den wechselseitigen Verhandlungen noch eine Geltendmachung der Ansprüche durch den Antragsteller und damit ein Bemühen
um die Vollstreckung gesehen werden konnte. Andererseits war der letzte Behördenkontakt vor der Antragstellung am 30. Januar
2008 vermutlich der Bescheid vom 11.09.2007.
Aber auch für den Teil der Anordnung, der aus damaliger Sicht prospektiv, zukunftsbezogen, eine Verpflichtung der Beklagten
ausgesprochen hat, gilt nichts anderes. Auch hier hätte der Kläger noch vor Ablauf der Vollstreckungsfrist sofort die Zwangsvollstreckung
einleiten müssen. Auch hier kann er sich nicht darauf berufen, dass es für ihn nicht erkennbar gewesen sei. Denn die Weigerung
der Antragsgegnerin erstreckte sich auch auf die Zukunft. Sie hat ihm für den Monat September 2007 einen ablehnenden Bescheid
vom 11.09.2007 zukommen lassen. Aus diesem Bescheid, der auf das Einkommen der Ehefrau abstellte, war ersichtlich, dass der
Antragsteller bei unverminderter Sachlage nicht mit Zahlungen der Antragsgegnerin rechnen konnte. Des Weiteren war dies auch
schon aus der Einlassung der Antragsgegnerin gegenüber dem SG, die dem Bevollmächtigen des Antragstellers zugänglich gemacht worden ist, ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat gegenüber
dem SG ausgeführt, dass unabhängig von den Vermögensfreigrenzen (Verwertung des Kfz) die Einkommenssituation völlig unklar sei.
So sei nicht bekannt, seit wann die Ehefrau des Antragstellers wieder arbeite, welche Unterstützungen aus dem Familien - und
Freundeskreis zugeflossen seien und in welchem Umfang der Antragsteller Betreuungsprovisionen eingenommen habe.
Eine Verfristung wäre im Übrigen selbst dann anzunehmen, wenn im Rahmen des §
929 Abs.
2 ZPO auch die Fälligkeit der Leistung berücksichtigt werden könnte. Demnach mag es zwar sein, dass §
929 Abs.
2 ZPO jedenfalls auf künftig fällig werdende wiederkehrende (laufende) Leistungen nicht anzuwenden ist, weil insoweit innerhalb
der Monatsfrist die Vollziehung der einstweiligen Anordnung noch nicht beantragt werden kann (vgl. Beschluss des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 26.02.2001, Az.: 4 OB 784/01, m.w.N. auf den Beschluss vom 19.12.1990 - 4 M 144/90 -, Az.: erster Instanz: 3 D 3/90 VG Hannover, seitdem ständige Rechtsprechung, u. a. Beschluss vom 29.04.1993 - 4 O 1928/93 - und vom 12.08.1998 - 4 M 3591/98 -).
Die Frist zur Vollziehung der einstweiligen Anordnung hinsichtlich der erst nach dem 29.11.2007 fällig gewordenen Leistungen
ist im vorliegenden Falle aber dennoch verstrichen. Die einstweilige Anordnung des Senats hatte auf sechs Monate bezogene
mehrmalige Leistungspflichten zum Gegenstand. In der einstweiligen Anordnung ist direkt nichts hinsichtlich der Fälligkeit
bestimmt, aber es ist davon auszugehen, dass die zugesprochene Hilfe ohne weitere Bedingungen zu erbringen ist. Es war der
Sinn der auf einer Güter- und Folgenabwägung beruhenden Entscheidung des Senats, dem Antragsteller trotz der Unwägbarkeiten
in der Sachverhaltsermittlung gerade wegen der existenziellen Bedeutung der Grundsicherungsleistung diese in einem absehbaren
Zeitraum zu sichern. Schließlich ist auch im Anordnungsbeschluss des Senates deutlich ausgeführt, dass nach § 44 Abs. 1 S.
1 SGB XII die Leistungen jeweils für 12 Monate bewilligt werden sollen. Dieser zeitliche Rahmen könne auch im einstweiligen
Rechtschutzverfahren als Maßstab für eine zeitliche Begrenzung herangezogen werden.
In einem solchen Fall - wie dem vorliegenden - erfordert das Gebot der Rechtssicherheit die strenge Anwendung des Fristbefehles
im Sinne von §§ 86b
SGG, 929 Abs. 2
ZPO. Dies verdeutlicht auch gerade die Sache des Klägers. Unwägbarkeiten durch Erforschung weiterer Tatbestände und eine eventuelle
Prüfung der Durchbrechung der Rechtskraft verhindern eine rasche Durchführung des vorläufigen Rechtsschutzes und der Vollstreckung.
Diese Probleme zeigen auf, dass ein Abweichen von §
929 Abs.
2 ZPO auch eine Vollstreckung gegenüber der öffentlichen Hand vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann. Letztlich wäre es auch inkonsequent,
zunächst die Vollstreckungsvorschriften auch auf einstweilige Anordnungen in öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen anzuwenden,
dann aber essenzielle Vorschriften dieses Verfahrens in ihrer Anwendung auszunehmen. Andernfalls würde das Antragsverfahren
dann auch immer wieder neu aufgerollt. Es müsste immer wieder neu im Vollstreckungsverfahren geprüft werden, ob weiterhin
ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Dies widerspricht der Bindungswirkung der vom LSG getroffenen Anordnung,
die gerade auch darlegt, dass trotz der Unwägbarkeiten in der Zeit nach Erlass des Beschlusses bis zum Endzeitpunkt der Anordnung
prospektiv die bisher bekannten Verhältnisse fortgeschrieben werden (Bedarf und Einkommen der Bedarfsgemeinschaft). Dem kann
nicht entgegengehalten werden, dass bei schwierigen Sachverhaltsermittlungen der Antragsteller vorschnell zur Zwangsvollstreckung
verleitet wird, um den o.g. Fristablauf zu vermeiden. Denn bleiben die Verhältnisse so, wie sie im Beschluss des anordnenden
Gerichts (hier LSG) zugrunde gelegt wurden, betreibt der Antragsteller die Zwangsvollstreckung zu recht und vermutlich erfolgreich.
Andernfalls erkennt er eine Änderung der Verhältnisse selbst am besten und muss das Risiko tragen, in einem Verfahren der
Zwangsvollstreckung zu unterliegen.
Schließlich läuft auch die Antragsgegnerin nicht Gefahr, mit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen überzogen zu
werden, wenn sich die Verhältnisse tatsächlich geändert haben. Denn dann kann sie entweder eine Änderung des Anordnungsbeschlusses
bewirken oder aber sich auf den Einfall bzw. eine Durchbrechung der Rechtskraft berufen.
In einem solchen Falle wäre es auch für den Antragsteller sofort erkennbar, dass sich die Antragsgegnerin vielmehr darauf
berufen werde, dass die Rechtskraft des Beschlusses vom 26.11.2007, auf den sich der vorliegend streitige Antrag des Antragstellers
bezieht, durch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse (Einkommen der Ehefrau) durchbrochen würde.
Insgesamt besteht also keine Veranlassung, von den Vorgaben der Zwangsvollstreckung nach der
Zivilprozessordnung abzuweichen. Der Topos von der Rechtstreue der öffentlichen Verwaltung gegenüber gerichtlichen Entscheidungen/Beschlüssen
- der eigentlich für die Zulässigkeit ansonsten subjektiver Feststellungsklage entwickelt worden ist - hat angesichts der
Rechtssicherheit in der Zwangsvollstreckung kein besonderes Gewicht. Insbesondere kann daraus der Leistungsempfänger keine
besonderen Vorteile ziehen. Denn auch für die öffentliche Verwaltung muss sofort unabwendbare Klarheit herrschen, wie sie
sich gegenüber einer gerichtlichen Anordnung verhalten muss. Kommt sie dieser in der gesetzten Frist eben nicht nach, wird
sie zu Recht mit einer Zwangsvollstreckung überzogen und muss ihre Rechte in dem komplizierten Verfahren einer Durchbrechung
der Rechtskraft oder einer Abänderung des Anordnungsbeschlusses wahren.
Angesichts dieser Sachlage hätte der Antragsteller zur Vermeidung der Rechtsfolgen von §
929 Abs.
2 ZPO wesentlich früher die Vollstreckung betreiben müssen. Gerade die behauptete Dringlichkeit hätte ein sofortiges Betreiben
der Zwangsvollstreckung erfordert. Andernfalls spricht dies ohnehin für einen fehlenden Anordnungsgrund.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt M. E. D. war wegen fehlender Erfolgsaussichten
des Antragsverfahrens abzulehnen (§
73 a Abs.
1 SGG i.V.m. §
114 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.