Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Angemessenheit der Unterkunftskosten
in Berlin 2006 und 2007; Anwendbarkeit des Berliner Mietspiegels
Tatbestand:
Im Streit steht, in welchem Umfang der Beklagte dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum November 2006 bis April 2007 zu gewähren hat.
Der im Oktober 1950 geborene erwerbsfähige Kläger ist ledig und bewohnt sei 1959 - zunächst als Kind mit der Familie, inzwischen
alleine - eine 2 2/2-Zimmerwohnung mit einer Wohnfläche von knapp 75 m², für die er eine Brutto-Warmmiete von monatlich 515,87
Euro im streitgegenständlichen Zeitraum zu zahlen hatte (ohne Autostellplatz-Miete). Er ist promovierter Politikwissenschaftler.
Das JobCenter bewilligte ihm für die Zeit ab 21. April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 26. April 2006 teilte es dem Kläger mit, die Kosten der Unterkunft für nicht angemessen zu halten. Es sei
bereit, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft solange zu übernehmen, wie es diesem nicht möglich sei, durch einen Wohnungswechsel
oder durch Untervermietung bzw. Erwirkung einer Mietreduktion die Kosten der Unterkunft zu senken. Diese Zusage gelte nicht
länger als sechs Monate nach Zugang. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 machte der Kläger geltend, die Wohnung seit 1959 zu
bewohnen und in ihr sein umfassendes politisches Archiv - basierend auf seiner 20-jährigen Tätigkeit als F -, sein umfangreiches
Sarchiv und weitere Archivalien und Bücher zum Themenbereich "M" sowie weitere politische Literatur aufzubewahren. Er sei
als einziger wissenschaftlicher Experte für das Binternational anerkannt. Für seine Tätigkeit im Interesse einer Weiterbildung
des F sei er auf seine Archive und Archivalien angewiesen. Bei einem Umzug in eine kleinere Wohnung müsste er sich von diesen
Beständen trennen. Ohne sie wären ihm eine weitere wissenschaftliche Tätigung und damit auch eine für 2007 geplante Buchveröffentlichung
verwehrt. Seine Chancen auf den Arbeitsmarkt beruhten auf seiner weiteren wissenschaftlichen Betätigung.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 bewilligte der Beklagte ihm Leistungen für die Kosten der Unterkunft für den Zeitraum November
2006 bis April 2007 nur noch in Höhe von einer 396,- Euro. Es legte dabei den Grundwert für einen Einpersonenhaushalt von
360,- Euro nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung
für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin (für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 7. Juni
2005 [ABl. 3743], zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 [ABl. 2062]; im Folgenden: AV-Wohnen) für
die Bruttowarmmiete zuzüglich eines Zuschlages wegen längerer Wohndauer von 10 % zugrunde.
Der Kläger erhob Widerspruch. Ein Umzug sei ihm unzumutbar. Dadurch würde ihm jegliche Perspektive auf eine weitere wissenschaftliche
Forschungsarbeit genommen. Seine Buchveröffentlichung "M gelte als Standardwerk. Sein Archiv sei einzigartig und bestehe aus
mehreren Rollschränken, drei großen Büroschränken und vielen Regalen sowie weiteren, derzeit schon nicht mehr einsortierbaren
Aktenbeständen. Es enthalte Material, das sonst so nicht zu finden sei. Eine solch einzigartige Sammlung könne in einer Ein-
oder Zweizimmerwohnung nicht untergebracht werden. Er als Wissenschaftler werde immer nach seiner aktuellen Forschungsarbeit
beurteilt. Er müsse in der Forschungsszene präsent bleiben. Der weitere Erhalt seiner Wohnung sei deshalb im Interesse der
Forschung und seiner persönlichen beruflichen Perspektive. Er könne weder Teile der Wohnung untervermieten noch eine Senkung
der Miete erreichen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2007 zurück. Maßnahmen zur Senkung der Wohnkosten
würden in der Regel nicht verlangt werden können bei schwerer Krankheit oder Behinderung, bei über 60 Jahre alten Hilfeempfängern
nach längerer Wohndauer, bei einmaligen oder kurzfristigen Hilfen sowie Alleinerziehenden mit zwei oder mehreren Kindern.
Auf den Kläger treffe keine dieser Fallgruppen zu. Die Sicherung der Unterkunft nach § 22 SGB II sei keine Sicherung der beruflichen
Selbstständigkeit. Das Archiv des Klägers müsse deshalb unberücksichtigt bleiben. Sein Alter und die Wohndauer seien berücksichtigt,
indem der Richtwert um 10 % erhöht worden sei.
Der Kläger hat Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er hat ergänzend vorgebracht, trotz Arbeitslosigkeit sei er als
einziger wissenschaftlicher Experte auf seinem Gebiet international geachtet. Mittlerweile erscheine sein zweites Buch. Bei
einem Umzug würde ein Teil der A wegbrechen. Im Übrigen sei seine Wohnung aufgrund ihrer Hellhörigkeit und ihrer sanitären
Ausstattung und der der Küche (jeweils Stand 1959) für Untermieter unzumutbar.
Das SG hat im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren mit Urteil vom 21. Mai 2007 der Klage stattgegeben. Die
Kammer sei zu der Entscheidung gelangt, dass dem Kläger weiterhin ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der
Unterkunft zustehe. Aufgrund der Wohndauer von über 45 Jahren liege ein absoluter Ausnahmefall nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB
II vor. Dem Kläger sei es nicht zuzumuten, die Kosten der Unterkunft durch Umzug oder Untervermietung zu senken. Aufgrund
der tatsächlichen Wohnungsgröße von unter 80 m² für eine Person und eines Mietpreises von rund 7,- Euro pro m² läge hier auch
keine Ausnahme von dieser Ausnahme vor. Sämtliche sonstigen Umstände zur Bedeutung des Archivs seien für die Entscheidung
somit ohne Bedeutung.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Zur Begründung verweist er auf die einschlägige Verwaltungsrichtlinie.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil. Verwaltungsvorschriften bedürften regelmäßig eines Entscheidungsspielraums für außergewöhnliche,
von den typisierten Regelfällen abweichende Bedarfslagen. Dementsprechend sei hier in seinem speziellen Einzelfall ein Abweichen
von den Richtwerten geboten, was nach Ziffer 4 Abs. 4 Satz 3 der AV-Wohnen auch möglich sei. Da der Kläger bereits seit seinem
9. Lebensjahr in der streitgegenständlichen Wohnung wohne würde ihn ein Umzug ungleich härter treffen als einen 60-jährigen
Hilfeempfänger, der erst seit 15 Jahren in seiner Wohnung lebe. Der Zweck des Schutzes der Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt
gebiete darüber hinaus auch die Berücksichtigung seines Archivs. Überdies sei es unverhältnismäßig, vom Kläger einen Umzug
zu verlangen, weil die Differenz zwischen der tatsächlichen Miete und der angemessenen in zwei Jahren nur 2.876,88 Euro betrage.
Durch und im Zusammenhang mit einem Umzug entstünden weit größere Kosten. Aus seinen Buchveröffentlichungen erziele er keine
Einnahmen.
Auf die von dem Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang des Beklagten
hinsichtlich des Klägers (Leistungsakte) lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat teilweise Erfolg: Die Klage ist nur zu einem geringeren Teil begründet. Dem Kläger, der seinen Lebensunterhalt
im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen,
sichern konnte, stehen in dieser Zeit statt gewährter 396,- Euro monatlich 416,28 Euro als Kosten für Unterkunft und Heizung
zu.
Zu den Leistungen, welche der Kläger als Berechtigtem nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II beanspruchen kann, gehören gemäß § 22 Abs.
1 Satz 1 SGB II Geldzahlungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind.
Zur Frage, welche Kosten angemessen sind, hat der Senat bereits wiederholt in Eilverfahren Stellung genommen (vgl. zuletzt
Beschluss vom 4. April 2008 - L 32 B 458/08 AS ER -). Angemessene Kosten sind nicht in erster Linie anhand der AV-Wohnen zu bestimmen. Ob der Beklagte mittlerweile auch
für rückwirkende, noch nicht bestandskräftig entschiedene Zeiträume die neue AV Wohnen vom 10. Februar 2009 (ABl. 502) anwenden
müsste, braucht deshalb nicht entschieden zu werden. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit obliegt
im Streitfalle vielmehr den Gerichten; eine Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft
und Heizung ist bisher nicht ergangen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG; u. a. Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -, RdNr 24) eine Einzelfallprüfung voraus. Dabei ist zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen, und zwar
typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des
sozialen Mietwohnungsbaus In B erscheint für eine aus einer Person bestehende Bedarfsgemeinschaft eine Ein- bis Zweizimmerwohnung
(vgl. Ziff. 8 Abs.
1 der zur Umsetzung von §
5 Wohnungsbindungsgesetz [WobindG] i.V.m. § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz [WoFG] erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 [Mitteilung Nr. 8/2004])
mit einer Größe bis zu 45 m² (Einzimmerwohnung) bzw. 50 m² (Zweizimmerwohnung) als abstrakt angemessen (Abschnitt II Ziff.
1 Buchst a und c der Anlage 1 der Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin = Wohnungsbauförderungsbestimmungen
1990 vom 16. Juli 1990 [ABl 1990, 1379 ff] i. d. F. der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13. Dezember
1992 [ABl 1993, 98 f]). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und
im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Letztlich kommt es darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche
und dem diesem Standard entsprechenden m²-Preis, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht
(so genannte Produkttheorie). Dabei ist der räumliche Vergleichsmaßstab für den Mietwohnungsstandard so zu wählen, dass dem
grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung
getragen wird (so bereits Beschluss des Senats vom 10. Juli 2007 - Az.: L 32 B 823/07 AS ER - unter weitgehend wörtlicher Übernahme des B. vom 14. Juni 2007 - L 10 B 391/07 AS ER -). Da maßgeblich nur die hypothetische angemessene Wohnung sein kann, auf die der Leistungsempfänger verwiesen werden
kann, steht dem Senat zu seiner Überzeugung ein besseres Ermittlungsmittel als die Anwendung eines gemäß §§
558 c und
558 d Bürgerliches Gesetzbuch qualifizierten Mietspiegels nicht zur Verfügung, da selbst ein Sachverständiger nur eine schätzweise Prognose erstellen könnte.
Zur Bestimmung der angemessenen Miete stützt sich der Senat hier konkret auf den Mietspiegel des Landes Berlin vom 11. Juli
2007 (ABl. 1797). Diesem liegt nämlich als Stichtag für die Miethöhe der 1. Oktober 2006 zugrunde (vgl. Berliner Mietspiegel
2007, Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel Endbericht, S.1 sowie S. 6ff zur Grundgesamtheit) Der hier streitgegenständliche
Bewilligungszeitraum liegt nach diesem Datum. Bei einer Absenkung der zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung von
den tatsächlichen auf die angemessenen Kosten ist aus Sicht des Senates dabei der günstigste Spannenhöchstbetrag innerhalb
der verschiedenen Baujahrsklasse für Wohnungen mit Bad und WC zugrundezulegen. Zumutbar erscheint nämlich zwar einerseits
abstrakt-generell jede Wohnung mit üblichem Standard, unabhängig vom Baujahr. Als angemessen kann andererseits nur die Miete
derjenigen Wohnungen herangezogen werden, für welche der konkrete Antragsteller wirklich einen Mietvertrag abschließen könnte.
Es muss tatsächlich eine konkrete Möglichkeit bestehen, im Vergleichsgebiet eine angemessene Wohnung auf dem Wohnungsmarkt
anmieten zu können (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R -). Solange der Leistungsträger dem Leistungsempfänger keine konkrete Mietvertragsabschlussmöglichkeit aufzeigt, muss bei
der Anwendung des Berliner Mietspiegels der Unterschied zwischen den Mieten aller in den Mietspiegel eingeflossenen Mietverhältnisse
und der Mieten für diejenigen Wohnungen, die auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden und die auch der Leistungsempfänger
realistischerweise anmieten könnte, berücksichtigt werden (vgl. auch Deutscher Verein für öffentlichen private Fürsorge e.V.:
Erstempfehlungen zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II [§ 22 SGB II] vom 8. Juli 2008 Seite 3: der Richtwert
ist als Angemessenheitsgrenze so zu bestimmen, dass alle Leistungsberechtigten im räumlichen Vergleichsgebiet eine realistische
Möglichkeit haben, eine Wohnung zu den ortsüblichen Marktbedingen zu finden, deren Kosten im Bereich dieses Richtwertes liegen).
Je unattraktiver ein Antragsteller als potentieller Mieter für Vermieter ist, desto schwieriger wird die konkrete Wohnungssuche
sein bzw. umso unattraktiver (zum Beispiel preislich) wird die konkret anmietbare Wohnung. In den Mietspiegel fließen hingegen
auch die Mieten attraktiver oder jedenfalls nicht erst neu vermieteter Wohnungen ein, welche also nicht auf dem freien Wohnungsmarkt
angeboten werden (vgl. Berliner Mietspiegel 2007 Grundlagendaten, S. 2 ff). Der Senat hält deshalb nach wie vor die Zugrundelegung
des Spannenoberwertes statt des Mittelwertes für die Kaltmiete geboten, um sicher genug schlussfolgern zu können, dass eine
solche Wohnung für den Antragsteller zur Verfügung stünde, auch wenn ein großer Teil der Leistungsempfänger Schwierigkeit
haben dürfte, sich für solche Wohnungen Vermietern gegenüber als akzeptable Mieter zu präsentieren (a. A. -Durchschnitt der
Spannenmittelwerte - ohne Begründung: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Oktober 2008 - L 5 AS 1649/07 -).
Bei der Ermittlung dieses Wertes sind auch die (kalten und warmen) Betriebskosten einzubeziehen. Der Senat bleibt bei seiner
bislang nur in Eilverfahren und im vorläufigen Rechtsschutz vertretenen Auffassung, hierfür mangels besserer Zahlen die Werte
der Anlage I zum Mietspiegel heranzuziehen, auch wenn diese nicht amtlich sind. Der Mietspiegel enthält hierzu neben einem
Mittelwert auch einen 4/5 Spannen-Oberwert. Letzterer ist zugrunde zu legen, damit auch insoweit von tatsächlich realistischen
Kostenansätzen für anzumietende Wohnungen ausgegangen werden kann. Angeführt im Mietspiegel sind nämlich nur die Betriebskosten
des Jahres 2005 trotz steigender Preise jedenfalls für Energie. Zwar ergibt sich aus dem Betriebskostenspiegel des Deutschen
Mieterbundes für 2007 ein Mittelwert von 2,13 Euro/qm für Betriebskosten einschließlich Heizung, also deutlich weniger. Maßgeblich
kann aber aus vorgenanntem Grund (Unangemessenheit der jetzigen Miete nur soweit die konkrete zumutbare Alternative günstiger
wäre) nicht ein bundesdeutscher Mittelwert sein, sondern die zu schätzenden Betriebskosten für die mutmaßlich konkret anmietbare
Wohnung speziell in B (a. A. 5. Senat, Urteil vom 16. Oktober 2008, aaO.).
Konkret ist hier nach dem Mietspiegel ein Wert von 4,71 Euro (Baujahre 1965-72, einfache Wohnlage, 40 m² bis unter 60 m²)
+ 2,59 Euro kalte Betriebs- sowie 1,15 Euro Heizkosten pro m², insgesamt 422,50 Euro anzusetzen.
Der Mietspiegel weist allerdings auch Kosten für Warmwasser aus. Nach der mittlerweile als gefestigt zu bezeichnenden Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts ist jedoch im Regelsatz nach § 20 Abs. 1 SGB II bereits ein gewisser Betrag für Haushaltsenergie
enthalten. Dieser beträgt bei einem Regelsatz von 345,- Euro hier konkret 6,22 Euro (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008
- B 14/11b AS 15/07 R -) Der Beklagte muss demnach 422,50 Euro abzüglich 6,22 Euro = 416,28 Euro für den streitgegenständlichen Zeitraum an Kosten
für Unterkunft und Heizung übernehmen.
Das Alter des Klägers (57 Jahre) und der Umstand, dass er bereits seit seinem 9. Lebensjahr und damit über 45 Jahre in derselben
Mietwohnung lebt, sind - für sich alleine und auch in Kombination - keine Kriterien, aus welchen eine Unzumutbarkeit hergeleitet
werden kann, für die gebotene Senkung der Unterkunftskosten zu sorgen, notfalls durch einen Umzug in eine günstigere Wohnung.
Weder das Alter an sich noch die Wohndauer - und die Kombination - sind nämlich Anzeichen, dass aus physischen oder psychischen
Gründen ein Umzug eine zu große Härte bedeuten könnte. Dafür ist hier auch im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Es gibt
im Gegenteil keinen Grund, mangelnde Flexibilität zu belohnen. Soweit die AV-Wohnen einen Zuschlag für Leistungsempfänger
ab 60 Jahren vorsieht, mag dies unter dem Gesichtspunkt der nur vorübergehenden Hilfebedürftigkeit angesichts bevorstehender
Rentenleistungen ein partiell sachgerechter Gesichtspunkt sein. Es ist auch ohne weiteres davon auszugehen, dass auf dem Wohnungsmarkt
auch im Umfeld des bisherigen Lebensmittelpunktes in B Mietwohnungen zu dem zu Grunde gelegten Mietpreis für den Kläger anmietbar
wären.
Der Kläger kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, in seiner Wohnung sein Archiv unterbringen zu müssen. Selbst
wenn die wissenschaftliche Betätigung durch Arbeit mit dem eigenen Archiv der beruflichen Sphäre zugeordnet werden kann, gibt
es keinen Anhaltspunkt, weshalb es dem Kläger unzumutbar sein könnte, die Archivalien ganz oder überwiegend außerhalb der
Wohnung, z. B. im Keller aufzubewahren. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger wirklich gezwungen sein könnte,
seine Materialien - insbesondere die Unikate - zu vernichten, weil sich keine Lagermöglichkeit findet und auch keine öffentliche
oder private Stelle zur Übernahme bereit wäre.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die im Falle eines Umzuges entstehenden Kosten außer Verhältnis zu den ersparten
Unterkunftsaufwendungen stehen könnten. Soweit Schönheitsreparaturen vom Mieter zu erbringen sind, fallen diese regelmäßig
auch bei bestehenden Mietverhältnissen an.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Es ist dabei sachgerecht, die Quote nicht rein mathematisch zu bilden.
Die Revision ist zuzulassen. Die Frage, ob und wie bei der Anwendung qualifizierter Mietspiegel zur Ermittlung angemessener
Kosten nach § 22 Abs. 1 SGB II vom Mittelwert abzuweichen ist, hat aus Sicht des Senats grundsätzliche Bedeutung.