Feststellung eines Grades der Behinderung
Erledigung eines Rechtsstreits
Annahme eines Anerkenntnisses
Auslegung eines Klagebegehrens
Meistbegünstigungsgrundsatz
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens
40 durch den Beklagten, vorrangig jedoch darüber, ob durch die Annahme eines Anerkenntnisses vor dem Sozialgericht eine Erledigung
des Rechtsstreits eingetreten ist.
Auf den am 18. August 2015 gestellten Erstantrag der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2015 einen
GdB von 20 fest. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, der GdB sei zu niedrig bemessen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2016 zurück.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 14. März 2016 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage gewandt und in der
Klageschrift zunächst wörtlich beantragt,
den Bescheid des Landesamtes für Soziales und Versorgung B vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2016
zu GZ: aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 30 festzustellen.
Die Klagebegründung wurde mit folgendem Satz eingeleitet:
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass bei ihr ein Grad der Behinderung von 50 vorliegt, sie aus diesem Grund schwerbehindert
ist.
Sie hat die Klage ferner eingehend medizinisch begründet und zur Bildung des Gesamt-GdB ausgeführt. So hat sie das Vorliegen
einer Depression geltend gemacht und dargelegt, dass es sich um eine mittelgradige handeln dürfte, so dass hierfür allein
ein GdB von 40 zu berücksichtigen sei. Sie hat ferner ein psychiatrisches Gutachten der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr.
H aus einem Klageverfahren gegen den für die Klägerin zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung vom 31. Januar
2016 nebst neuropsychologischer Testdiagnostik vom 1. Februar 2016 vorgelegt und am Ende ihrer Klageschrift unter Aufzählung
zahlreicher Leiden darauf hingewiesen, dass der Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen dieser Leiden
zueinander mit 50 festzustellen sei; dies werde durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden.
Mit der Klageerwiderung vom 13. Mai 2016 hat der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung des vorgelegten Gutachtens
ab August 2015 (Antragstellung) einen GdB von 30 anerkannt sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit.
Der Beklagte hat weiter erklärt, dass damit dem Klagebegehren aus seiner Sicht entsprochen worden sei und er für den Fall,
dass sich die Klägerin durch das vorstehende Anerkenntnis klaglos gestellt fühle, bereit sei, die notwendigen außergerichtlichen
Kosten zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2016 hat die Klägerin erklärt, sie nehme das Teilanerkenntnis an, wünsche jedoch im Übrigen eine
Entscheidung. Sie hat diese Erklärung mit Schriftsatz vom 14. Juni 2016 wiederholt.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach der Gesamt-GdB 30 betrage, mit Schriftsatz
vom 26. September 2016 erklärt, an seinem Klageabweisungsantrag festzuhalten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 25. Oktober 2016, in dem der Beklagte nicht vertreten
gewesen ist, hat die Vorsitzende der zuständigen Kammer nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift darauf hingewiesen, dass
ausweislich der Klageschrift ein GdB von mindestens 30 begehrt worden sei, in der Klagebegründung aber ersichtlich sei, dass
ein GdB von 50 angemessen sei. Es dürfte damit Hauptsachenerledigung eingetreten sein. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen
Verhandlung ausdrücklich beantragt, den Beklagten unter weiterer Änderung des entgegenstehenden Bescheides zu verurteilen,
"die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nicht nur mit einem Gesamt-GdB von 30 zu bewerten, die Klägerin vielmehr als
schwerbehinderten Menschen mit einem Gesamt-GdB von 50 anzuerkennen".
Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht festgestellt, "dass die Klage insgesamt durch die von der Klägerin erteilte
Annahme des Anerkenntnisses der Beklagten erledigt" sei. Es hat ferner ausgesprochen, dass über das von "der Beklagten" abgegebene
Anerkenntnis hinaus keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten seien. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig,
aber nicht begründet. Es sei festzustellen gewesen, dass die Klage, die ausweislich des in der Klageschrift formulierten Klageantrages
auf Zuerkennung eines GdB von 30 gerichtet sei, durch das mit Schriftsatz der Beklagten vom 13. Mai 2016 abgegebene Anerkenntnis
über die Gewährung eines Gesamt-GdB von 30 ab Antragstellung und dessen Annahme durch die Klägerin erledigt sei. Es sei nicht
nur eine teilweise Erledigung eingetreten. Bei einem anwaltlich vertretenen Kläger gehe das Gericht davon aus, dass - wenn
Antrag und Begründung nicht dasselbe Klageziel bezeichneten (und dies nicht etwa irrtümlich geschehe) - der bewusst so gefasste
Antrag maßgeblich sei. Das Klagebegehren könne bei der Entscheidung der Fragen, ob Erledigung der Hauptsache eingetreten sei
und welches Klagebegehren bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen sei, nur einheitlich beurteilt werden. Der Wortlaut
des Klageantrags sei vorliegend eindeutig. Begehrt worden sei ein GdB von mindestens 30, einen GdB von 30 habe die Beklagte
anerkannt, mithin sei die Klage vollständig erledigt. Der Wortlaut "mindestens" erlaube auch eine andere Auslegung nicht.
Mit der am 22. November 2016 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr
Begehren in der Sache weiter. Sie verweist darauf, dass der gesamte Klageschriftsatz darauf aufgebaut gewesen sei, die Höhe
des GdB von 50 zu begründen, und hat insbesondere auf die Ausführungen am Ende der Klageschrift zum Gesamt-GdB einschließlich
Beweisangebot hingewiesen. Sie hat zunächst die Auffassung vertreten, das Sozialgericht habe die weitergehende Klage abgewiesen.
Die Klägerin nimmt auf das Urteil des Senats vom 12. Mai 2016 (Az.: L 11 SB 16/16) sowie den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. April 2001 (Az.: L 10 B 15/01 SB) Bezug.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsstreit weiterhin vor
dem Sozialgericht Berlin anhängig ist.
Der Beklagte beantragt nach Rücknahme eines zunächst schriftsätzlich gestellten Aussetzungsantrags zuletzt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er teilt die Auffassung des Sozialgerichts.
Die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, haben
vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Zulässigerweise ist Gegenstand des Berufungsverfahrens allein, ob das Sozialgericht mit dem Urteil vom 25. Oktober 2016 zu
Recht die Erledigung des Verfahrens festgestellt hat. Denn auch dann, wenn sich ein Rechtsstreit nicht durch entsprechende
Prozesserklärungen wie Klagerücknahme oder - wie hier - ein angenommenes Anerkenntnis erledigt haben sollte, wird er in der
Sache nicht bei dem Berufungsgericht anhängig und könnte dementsprechend auch nicht gemäß §
159 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) an das Sozialgericht zurückverwiesen werden.
Die Klägerin konnte daher zulässigerweise nur die zuletzt gestellten Anträge verfolgen (vgl. Urteil des Senats vom 21. Juni
2016 - Az. L 11 SB 217/13 - sowie des mit dem 11. Senat personenidentischen 25. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) vom 12. Juni
2015 - L 25 AS 2538/14 - unveröffentlicht -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. März 2013 - L 1 KR 450/12 WA -, juris Rn. 21 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. April 2013 - L 5 KR 605/12 -, juris Rn. 36; Bayerisches LSG, Urteil vom 12. Juli 2011 - L 11 AS 582/10 -, juris Rn. 21; Sächsisches LSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - L 7 AS 523/09 -, juris Rn. 28; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Juli 2014 - L 5 AS 612/13 -, juris Rn. 21; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. August 2011 - L 9 AS 61/10 -, juris Rn. 36; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. August 2012 - L 3 AS 133/12 -, juris Rn. 20; für eine Zurückverweisung der Sache nach §
159 SGG dagegen - jeweils ohne nähere Begründung - LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 - L 13 SB 32/11 -, juris Rn. 27; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Juli 2011 - L 11 KR 1429/11 -, juris Rn. 28; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10. Juli 2012 - L 7 AS 776/11 -, juris Rn. 28; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Juni 2010 - L 5 AS 217/10 -, juris Rn. 20; für das Revisionsverfahren: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R -, juris Rn. 50). Bezieht sich die Entscheidung auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Prozessrechtsverhältnisses
(in der Hauptsache) als solches, wird mit ihr nämlich keine Entscheidung innerhalb dieses Klageverfahrens in der Sache getroffen.
Das Berufungsgericht kann daher allein über die Richtigkeit dieser Feststellung als verfahrensrechtliche Vorfrage entscheiden,
nicht aber über den - bei falscher Entscheidung des Sozialgerichts - nach wie vor in erster Instanz anhängigen Rechtsstreit
in der Sache (so zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. März 2013, a.a.O., Rn. 22). Bei dem Zwischenstreit über
die Erledigung oder Fortsetzung des Verfahrens handelt es sich insofern um ein vom Ausgangsverfahren zu differenzierendes,
selbständiges Verfahren (Bayerisches LSG, a.a.O., Rn. 20; Sächsisches LSG, a.a.O.).
Nach dem eindeutigen Tenor der sozialgerichtlichen Entscheidung, die auch durch die Gründe gestützt werden, hat sich das Sozialgericht
auch auf die Feststellung des Eintritts der Erledigung des Prozessrechtsverhältnisses beschränkt. Dem in der Begründung ebenfalls
vorhandenen Satz, die zulässige Klage sei unbegründet, kommt in Ansehung der Gesamtheit der Gründe keine Bedeutung zu. Er
ist insbesondere nicht geeignet, eine Auslegung des Urteils im Sinne einer Sachentscheidung zu rechtfertigen.
Mit dem Berufungsantrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils durfte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung verbinden,
dass der Rechtsstreit noch bei dem Sozialgericht anhängig ist.
II.
Die Berufung ist auch begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Erledigung des Rechtsstreits insgesamt durch angenommenes Anerkenntnis festgestellt.
Nach §
101 Abs.
2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache. Ein Anerkenntnis
kann sich auf einen Teil oder auf den gesamten Klageanspruch beziehen. Bezieht sich das Anerkenntnis nur auf einen Teil des
Klageanspruchs tritt Erledigung nur hinsichtlich dieses Teils ein, im Übrigen ist über den Rechtsstreit durch streitiges Urteil
zu entscheiden. Ist der gesamte Klageanspruch im prozessualen Sinne Gegenstand des Anerkenntnisses und hat der Kläger dessen
Annahme erklärt, ist Erledigung des gesamten Rechtsstreits eingetreten.
Das Sozialgericht ist vorliegend zutreffend davon ausgegangen, dass bei Streit über den Eintritt der Erledigungswirkung -
hier nach §
101 Abs.
2 SGG - grundsätzlich die Erledigung bei Vorliegen der Voraussetzungen durch Urteil festzustellen ist.
Indes war vorliegend zum maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, nicht streitig,
dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klagebegehrens auf Feststellung eines GdB von 30 durch angenommenes Anerkenntnis erledigt
worden ist. Vielmehr hat die Klägerin vor Schluss der mündlichen Verhandlung einen ausdrücklich auf die Feststellung eines
GdB von 50 durch den Beklagten gerichteten Klageantrag gestellt und die Auffassung vertreten, dass dieser Antrag bereits vom
ursprünglichen Klagegenstand (Antrag auf "mindestens 30") erfasst worden sei. Der zuletzt gestellte Antrag war unzweifelhaft
nicht Gegenstand des angenommenen Anerkenntnisses des Beklagten im Schriftsatz vom 13. Mai 2016.
In dieser Konstellation, die nicht mit dem Streit über die Wirksamkeit einer erledigenden Prozesserklärung vergleichbar ist,
durfte das Sozialgericht nicht die Erledigung des Rechtsstreits aufgrund des zuvor abgegebenen und angenommenen Anerkenntnisses
feststellen, sondern hätte über den zuletzt gestellten Klageantrag entscheiden müssen. Sollte dieser Antrag tatsächlich erstmals
nach Eintritt der Erledigung des ursprünglichen Prozessverhältnisses gestellt worden sei, so wäre er als unzulässig abzuweisen
gewesen, weil jede Form der Klageerweiterung oder -änderung ein (noch bestehendes) Prozessrechtsverhältnis voraussetzt. Die
Frage der Erledigung des ursprünglichen Prozessverhältnisses ist in dieser Konstellation gleichsam nur noch Vorfrage im Rahmen
der Prüfung der Zulässigkeit des zuletzt ausdrücklich gestellten Antrags. Für eine auf den nunmehr verfolgten Antrag erstreckte
Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits bleibt kein Raum.
Vorliegend hätte das Sozialgericht auch ausgehend von seiner Rechtsposition im Rahmen der gebotenen Entscheidung über den
zuletzt ausdrücklich gestellten Antrag zu prüfen gehabt, ob nicht bereits der Schriftsatz der Klägerin vom 26. Mai 2016 unter
Heranziehung der Klagebegründung, der Bezeichnung als Teilanerkenntnis und dem Wunsch nach Entscheidung im Übrigen als eine
- keine Klageänderung darstellende - Klageerweiterung nach §
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG anzusehen ist.
Unabhängig davon ist das Sozialgericht auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass das mit der Klageschrift geltend gemachte Begehren
auf einen GdB von 30 beschränkt gewesen ist. Vielmehr war das Klagebegehren hier in Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur
Auslegung von Willenserklärung und von §
123 SGG dahingehend auszulegen, dass jedenfalls ein GdB von 50 begehrt worden ist. Angesichts der ausdrücklichen, wiederholten und
hergeleiteten Geltendmachung eines GdB von 50 in der Klageschrift kann dem Klageantrag eine Begrenzung auf einen GdB von 30
nicht entnommen werden.
Wie die (ursprüngliche) Klage zu verstehen gewesen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, für die in Anlehnung an die Rechtsprechung
des BSG zur Auslegung von Prozesserklärungen (vgl. hierzu z. B. BSG, Urteil vom 22. März 1988 - Az.: 8/5 a RKn 11/87 - juris) die Auslegungsregel des §
133 des
Bürgerlichen Gesetzbuches gilt. Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen
Sinne des Ausdrucks zu haften. Maßgebend ist, wie die Erklärung nach den Gesamtumständen zu verstehen ist, wobei neben dem
Wortlaut der Erklärung auch alle sonstigen Umstände des Falles, wie z. B. sonstige Schreiben, vorherige Erklärungen sowie
der Inhalt der Verwaltungsvorgänge zu beachten sind, soweit sie für den Empfänger der Erklärung erkennbar gewesen sind. Entscheidend
ist der objektive Erklärungswert, d. h. die Erklärung muss so ausgelegt werden, wie der Empfänger sie bei Berücksichtigung
aller Umstände verstehen konnte, wobei für den Fall, dass - wie hier - ein Verpflichtungsbegehren in Rede steht, nach dem
im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden so genannten Meistbegünstigungsgrundsatz im Zweifel davon auszugehen ist, dass der Erklärende
alles begehrt, was nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommt. Dem trägt auch §
123 SGG Rechnung, wonach das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden
zu sein.
In Anwendung dieses Maßstabs ist das bereits mit der Klageschrift geltend gemacht Begehren offenkundig nicht auf einen Gesamt-GdB
von 30 beschränkt gewesen. Ausdrücklich wurde nur die Feststellung eines GdB von "mindestens 30" beantragt, so dass der Wortlaut
dieses Antrags die Gesamtheit der höheren Stufen des GdB umfasst (vgl. Urteil des Senats vom 12. Mai 2016 - Az.: L 11 SB 16/16 - juris). Der abweichenden Auslegung des Sozialgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Soweit das Sozialgericht meint,
durch die Verwendung des Adverbs "mindestens" werde eine Untergrenze gezogen, trifft dies zu. Eine Untergrenze dient bereits
nach seiner Begrifflichkeit der Eingrenzung einer Menge, hier der vom Streitgegenstand erfassten Stufen des Gesamt-GdB. Mit
der Klagebegründung hat die Klägerin unmissverständlich geltend gemacht, dass bei ihr ein GdB von 50 vorliegt. Sie hat eingehend
zu dem nach ihrer Auffassung vorliegenden Einzel-GdB von 40 für ein psychisches Leiden und die nach ihrer Ansicht gebotenen
Erhöhung aufgrund weiterer Funktionsbeeinträchtigungen vorgetragen. An dem wahren Willen der Klägerin, der in der Klageschrift
auch hinreichend zum Ausdruck gekommen ist, einen GdB von 50 festgestellt zu bekommen, kann bei dieser Sachlage kein Zweifel
bestehen.
Zu Recht verweist das Sozialgericht indes darauf, dass die ausdrückliche Beantragung eines "Mindest-GdB" nicht dazu führen
kann, für die Frage einer verbleibenden Beschwer und die Frage des Obsiegens in kostenrechtlicher Hinsicht von unterschiedlichen
Streitgegenständen ausgehen zu wollen. Dem ist indes nicht durch eine Modifikation der Auslegungsgrundsätze Rechnung zu tragen,
sondern durch konsequente Beachtung des Streitgegenstandes im Rahmen der Kostenentscheidung, soweit nicht anderen Gesichtspunkten
übersteuernde Ermessensrelevanz im Rahmen des §
193 Abs.
1 SGG zukommt. Wird "mindestens" ein GdB in einer bestimmten Höhe beantragt, so erfasst der Streitgegenstand sämtliche (Zehner-)Stufen
zwischen dem zuerkannten GdB und einem GdB von 100. Der Umfang des Obsiegens ist hieran zu bemessen, so dass bei einem ursprünglichen
GdB von 20 und einer Erhöhung auf 30 im gerichtlichen Verfahren regelmäßig die Erstattung eines Achtels der Kosten ermessensgerecht
ist. Für die von der Klägerin bei Abfassung der Klageschrift angenommene Gestaltungsmöglichkeit besteht daher nach Ansicht
des Senats kein Raum.
Wie der Senat bereits entschieden hat, besteht bei Anerkennung des beantragten "Mindest-GdB" eine Beschwer fort. Insoweit
verweist der Senat auf das den Beteiligten bekannte Urteil vom 12. Mai 2016 (Az.: L 11 SB 16/16 - juris).
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die begehrte Feststellung zu treffen.
III.
Das Sozialgericht wird im Rahmen des noch anhängigen Verfahrens nach §
193 SGG auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben, das der Sache nach nur einen prozessualen Zwischenstreit
darstellt.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor. Die im Verfahren B 9 SB 2/16 R bei dem Bundessozialgericht anhängige Rechtsfrage ist - wie dargelegt - vorliegend nicht entscheidungserheblich.