Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Schwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK).
Der 1960 geborene Kläger arbeitete vom 01. September 1977 bis zum 31. Dezember 1988 - mit einer Unterbrechung wegen der Armeezeit
vom 01. November 1979 bis zum 10. Mai 1981 - als Lehrling, Gehilfe und Heizer beim damaligen VEB P- S. Von September 1990
bis zum Mai 1999 arbeitete er als U-Bahn-Zugabfertiger bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), ab Mai 1999 im Call-Center der BVG, danach ab dem 15. April 2002 als Sachbearbeiter in der Buchhaltung/Fahrscheinabrechnung.
Die Beigeladene erfuhr durch eine ärztliche Anzeige des HNO-Facharztes Dr. S vom 26. Januar 2004, der Tonaudiogrammkurven
vom 22. Oktober 2001, 27. März 2002 und 09. Oktober 2003 beigefügt waren, vom Verdacht einer BK.
Der Kläger selbst gab an, er sei von 1990 bis 1999 als Zugabfertiger im Schichtbetrieb auf den Linien U 1 und U 7 ständiger
starker Lärmbelästigung ausgesetzt gewesen (Ein- und Ausfahrten der Züge im 3-Minuten-Takt, Bremstätigkeit, lautes Schließen
der Zugtüren, Kundenauskünfte infolge des Geräuschpegels lauter als normal, verstärkt im Nachtdienst, Starkgeräuschpegel durch
Gleisbauarbeiten). Ab Mai 1999 habe es bei der Tätigkeit im Call-Center eine starke Hörbelästigung durch Fax-Geräte sowie
durch die durch Kopfhörer extrem verstärkten Stimmen der Kunden gegeben. Im Jahr 2001 habe er einen Hörsturz mit Tinnitus
erlitten und leide sehr stark unter dieser Krankheit.
Die Beigeladene leitete daraufhin ein Verfahren zur Anerkennung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) wegen Lärmschwerhörigkeit ein und holte Befund- und Behandlungsberichte (BB) ein (der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr.
L vom 05. April 2004 [Diagnosen: akutes Ohrgeräusch, Hypakusis links, Hörminderung links, Tinnitus b. Z. n. Hörsturz, rez.
HWS-Syndrom bei Fehlhaltung HWS, depress. Syndrom] mit Anlagen [u. a. Kurzbefund des HNO-Facharztes Dr. S vom 06. Dezember
2001 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 10. November 2001]; des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie
Dr. S [T Zentrum B vom 14. April 2004 mit Bericht der B-Klinik, Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, H- vom 16. März 2004
über Aufenthalt des Klägers vom 22. Januar bis zum 04. März 2004 [Diagnosen: Anpassungsstörung, Tinnitus aurium, Hypakusis,
Innenohrschwerhörigkeit links mehr als rechts, Migräne; Entlassung als arbeitsfähig]).
Die Beigeladene holte eine Auskunft des betriebsärztlichen Dienstes der BVG (Fachärztin für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. Z) vom 13. April 2004 ein, wonach der Kläger bei der Einstellungsuntersuchung
am 14. Mai 1990 und bei den Nachuntersuchungen am 13. September 1993 und 07. Oktober 1996 über ein Hörvermögen für Flüstersprache
rechts/links über jeweils 5 Meter verfügt habe. Am 18. Dezember 2001 habe er sich nach Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen Hörsturzes
links, starkem Tinnitus und Hörminderung links vorgestellt. Zudem zog sie die Akte des Versorgungsamtes Berlin bei und fertigte
Kopien des BB des HNO-Artztes Dr. S vom 10. April 2002 [erstmalige Vorstellung wegen Tinnitus am 12. Juni 1999]).
Des Weiteren veranlasste die Beigeladene eine Arbeitsplatzanalyse des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten. Danach
war der Kläger während seiner Beschäftigung vom 01. September 1977 bis zum 31. Dezember 1988 bei der damaligen VEB P- S einer
relevanten Lärmbelastung aufgrund der damaligen Technik (Antriebe, Pumpen, Motoren etc.) ausgesetzt gewesen. Bei Einsatz überwiegend
an der Maschine sei mit einer Lärmexposition mit einem Beurteilungspegel von 88 bis 92 dB(A) zu rechnen gewesen; während der
Tätigkeit im Heizkraftwerk (1986 bis 1988) sei der Kläger bei Kontrollrundgängen, Reinigungen, Reparaturen im Bereich der
Kessel, Speisewasserpumpen, Luftgebläse, Turbinen etc. lärmexponiert mit einem Beurteilungspegel von etwa 87 dB(A) gewesen
(vgl. Bericht vom 07. Juni 2004).
Außerdem holte die Beigeladene eine Stellungnahme ihrer Abteilung Prävention vom 09. Juli 2004 ein, wonach der Kläger während
der Tätigkeit als Zugabfertiger einer maximalen Lärmbelastung von 78 bis 80 dB(A) - beim Aus- und Einfahren der Züge - ausgesetzt
gewesen sei, wogegen die Lärmbelastung während seiner Tätigkeit im Call-Center weit unterhalb des Grenzwertes von 85 dB(A)
gelegen habe. Gleisbauarbeiten auf den Einsatz-Bahnhöfen H und M seien lediglich vom 17. August bis zum 18. November 1997
in der Nacht für ca. 3 Stunden durchgeführt worden. Der Kläger habe alle 11 Tage für jeweils 4 Nächte Schicht gehabt, so dass
er insgesamt maximal in 24 Nächten für jeweils 3 Stunden Lärm ausgesetzt gewesen sei; dies sei aber zu vernachlässigen, da
ein Dienstraum zur Verfügung gestanden habe.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2004 übersandte die Beigeladene die zuvor genannten Unterlagen an die Beklagte und bat um Prüfung,
ob deren Zuständigkeit gegeben war.
Die Beklagte, die ihre Zuständigkeit für die Beurteilung der Voraussetzen für das Vorliegen einer berufsbedingten Schwerhörigkeit
nach Nr. 50 der Verordnung der DDR über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten (BKVO-DDR) - Lärmschwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung - gegeben sah, beauftragte Prof. Dr. E, Unfallkrankenhaus B, Klinik für
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, mit der Erstellung eines Gutachtens.
In seinem unter Mitwirkung von Dr. S erstellten HNO-ärztlichen Gutachten vom 27. Oktober 2004 stellte Prof. Dr. E - entgegen
den Vorgaben der Beklagten - zur Nr. 2301 der Anlage 1 zur
BKV fest, dass von einer beruflichen Lärmexposition von über 85 dB(A) in einem Zeitraum von acht Jahren auszugehen sei (über
90 dB(A) von 1977 bis 1979, über 90 dB(A) von 1981 bis 1985, 78-80 dB(A) von 1990 bis 5/1999 und 55-60 dB(A) von 5/1999 bis
heute), so dass die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit nicht völlig ausgeschlossen sei. Bei der gutachterlichen Untersuchung
am 27. Oktober 2004 habe der Kläger eine beiderseitige Hörminderung, sowie einen Tinnitus links ohne Schwindelsymptomatik
beklagt. Tonaudiometrisch habe sich eine beidseitige reine Schallempfindungsschwerhörigkeit (cochleäre Schädigung) mit Betonung
des Mittel- und Hochtonbereiches dargestellt, die durch berufsbedingte Lärmeinwirkung bedingt sei. Aktenkundig sei ein Hörsturz
auf der linken Seite, der eine bleibende Hörminderung (zusätzlich 20 dB Hörminderung im Vergleich zur rechten Seite) und einen
Tinnitus links hinterlassen habe, der aber erst lange nach Ende der gefährdenden Tätigkeit aufgetreten und daher nicht beruflich
bedingt sei. Auf der rechten Seite liege ein annähernd normales Hörvermögen, auf der linken Seite eine annähernd geringe Schwerhörigkeit
vor. Nach den Empfehlungen des Königsteiner Merkblattes werde die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf weniger als 10
v. H. geschätzt.
Die Beklagte lehnte nach Einholung einer landesgewerbeärztlichen Stellungnahme vom 30. November 2004 durch Bescheid vom 16.
Februar 2005 die Anerkennung einer BK nach Nr. 50 BKVO DDR ab, da ein Hörschaden von sozialer Bedeutung erst ab einer MdE von mindestens 20 v. H. angenommen werden könne. Die durch
die Schwerhörigkeit hervorgerufene MdE betrage jedoch weniger als 10 v. H. Über den 31. Dezember 1991 hinaus sei der Kläger
keiner schädigenden Einwirkung ausgesetzt gewesen, da er ab dem 04. September 1990 als Zugabfertiger bei der BVG gearbeitet habe und eine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur
BKV aufgrund dieser Tätigkeit nicht anerkannt werden könne.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, ihm sei aufgrund der Schwerhörigkeit ein Grad der Behinderung
(GdB) von 40 v. H. anerkannt. Die Bundesagentur für Arbeit habe ihm eine Gleichstellung des GdB auf 50 v. H. erteilt, er sei
also schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Während seiner Tätigkeit als Zugabfertiger seien Züge im Drei-Minuten-Takt
ein- und ausgefahren, die aufgrund krummer Fahrstrecken stark gequietscht und beim Bremsen erheblichen Lärm entwickelt hätten.
Während der Nachtschichten seien häufig Bauarbeiten durchgeführt worden. Bei der Loveparade, Fußballspielen und dem Karneval
der Kulturen sei er zusätzlichem Lärm durch Pfeifen, laute Musik, Pauken ausgesetzt gewesen. An Silvester hätten Fahrgäste
ihm Knallkörper vor die Füße geworfen. Bei seiner Tätigkeit im Call-Center der BVG hätten verärgerte Kunden Trillerpfeifen eingesetzt, außerdem seien Faxe auf die Telefonleitung umgeleitet worden und Kunden
hätten den Hörer auf die Gabel geknallt. 2001 habe er einen Hörsturz erlitten und leide seitdem an Tinnitus. Seine Lebensqualität
sei völlig reduziert, er könne kein Theater, Konzert oder Kino besuchen. Während seiner zuvorigen 10jährigen Tätigkeit in
der Papierfabrik in Shabe er täglich 8 Stunden und zusätzlich an Sonntagen 12 Stunden unter ständiger extrem hoher Lärmkulisse
gearbeitet. Daraus resultiere eine Vorbelastung für eine Lärmschädigung des Gehörbereiches.
In einer auf Veranlassung der Beklagten von der Beigeladenen eingeholten Stellungnahme vom 01. Juni 2005 zu den arbeitstechnischen
Gegebenheiten der Tätigkeit bei der BVG ab dem 04. September 1990 teilte die Abteilung Prävention der Beigeladenen mit, dass sich an ihrer ersten Beurteilung, der
Kläger sei während seiner Tätigkeit als Zugabfertiger einem Geräuschpegel von 78 bis 80 dB(A) ausgesetzt gewesen, nichts geändert
habe. Die Lärmbelastung während der Beschäftigung im Call-Center der BVG habe nach entsprechenden Lärmmessungen durch das Amt für Arbeitsschutz, Neuruppin, einen Beurteilungspegel von ca. 57 db(A)
ergeben, so dass der Grenzwert von 85 dB(A) auf keinen Fall überschritten gewesen sei. Im Mai 2005 sei im Call-Center in der
T Straße bei einer Lärmmessung ein Beurteilungspegel von 47,4 dB(A) festgestellt worden, so dass selbst der Grenzwert von
55 dB(A) für überwiegend geistige Arbeiten unterschritten worden sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist der
Senat auf den Inhalt der Stellungnahme vom 01. Juni 2005, die dem Kläger bekannt ist.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29. September 2005 als unbegründet zurück, da ein beruflich
bedingter Hörverlust, der entsprechend den Voraussetzungen der Nr. 50 der BKVO-DDR eine MdE von wenigstens 20 v. H. voraussetze, durch die arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen nicht habe
festgestellt werden können.
Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, bei ihm eine BK Nr. 2301 der Anlage 1 zur
BKV anzuerkennen. Die Schwerhörigkeit sei ausweislich des Gutachtens von Prof. Dr. E auf die Tätigkeit beim VEB P- S bis 1989
zurückzuführen. Der beidseitige Hörverlust schreite weiter fort. Auch während seiner Tätigkeit bei der BVG sei er gefährdendem Lärm ausgesetzt gewesen. Bei ihm sei mittlerweile ein GdB von 80 v. H. maßgeblich wegen Schwerhörigkeit,
Tinnitus und zeitweise auftretendem Schwindel anerkannt worden. Der behandelnde HNO-Facharzt Dr. S habe einen rechtsseitigen
Hörverlust von 64 bis 84 % und einen linksseitigen Hörverlust von 87 bis 90 % diagnostiziert, so dass auch nach dem Königsteiner
Merkblatt bei ihm eine MdE von mehr als 20 v. H. vorliege.
Der Kläger hat den Arztbrief des Unfallkrankenhauses B vom 24. Oktober 2005, den Abhilfebescheid des Versorgungsamtes vom
15. März 2006 über einen GdB von 80 und den BB des HNO-Facharztes Dr. S vom 17. Mai 2006 für das Versorgungsamt vorgelegt.
Die Beklagte trug vor, dass nach der nach Betriebsbesuch bei der heutigen L, Werk S gefertigten Stellungnahme ihrer Abteilung
Prävention vom 23. Januar 2007, auf die hinsichtlich der Einzelheiten der erneuten Berechnung Bezug genommen wird, habe die
berufliche Lärmbelastung des Klägers bei durchschnittlich 88 dB(A) gelegen, und die Entstehung einer entschädigungspflichtigen
Lärmschwerhörigkeit sei möglich.
Durch Beschluss vom 05. Februar 2007 ist die Beiladung der BG Straßen-, U- und Eisenbahnen erfolgt.
Die Beigeladene hat eine weitere ergänzende Stellungnahme ihrer Abteilung Prävention vom 02. August 2007 vorgelegt. Hiernach
habe der normale Schalldruckpegel während der Beschäftigungszeit des Klägers von Mai 1999 bis April 2002 bei Durchführung
von Telefonaten mit dem Headset von durchschnittlich drei Stunden pro Schicht laut Hersteller bei 70 bis 75 dB SPL gelegen,
also deutlich unter dem Grenzwert von 85 dB SPL.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. Juni 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beurteilung des Falles richte sich nach den Voraussetzungen der Nr. 50 der BKVO-DDR, da der Beklagten die betreffende Krankheit vor der Anzeige von Dr. Sim Januar 2004 nicht bekannt geworden sei (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
RVO). Nach Nr. 50 der BKVO-DDR müsse die Lärmschwerhörigkeit "soziale Bedeutung" erlangt haben, was voraussetze, dass sie eine MdE von wenigstens 20
v. H. bedinge (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 04. Dezember 2001, B 2 U 35/00 R, in Juris). Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, wie sich nachvollziehbar aus dem Gutachten von Prof. Dr. E Dr. S ergebe.
Diese hätten überzeugend ausgeführt, dass der im Oktober 2001 infolge eines Hörsturzes eingetretene Tinnitus nicht auf eine
berufliche Lärmbelastung zurückzuführen sei, da der Kläger nämlich lediglich bis Ende 1988 gesundheitsgefährdendem Lärm mit
einem Beurteilungspegel von über 85 dB (A) ausgesetzt gewesen sei. Der erst erhebliche Zeit nach dem Ende der beruflichen
Belastung eingetretene Hörsturz könne nicht auf diese zurückgeführt werden. Daher sei die stärker ausgeprägte Schwerhörigkeit
auf dem linken Ohr bei der Beurteilung der MdE außer Acht zu lassen, da sich eine Lärmschwerhörigkeit regelmäßig seitensymmetrisch
entwickle (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage Berlin 2003, Ziffer 7.3.3.2.6).
Nach dem Gutachten habe beim Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung am 27. Oktober 2004 ein prozentualer Hörverlust für das
gewichtete Gesamtwortverstehen am rechten Ohr von 0 Prozent vorgelegen. Dass Prof. Dr. E diese Untersuchung nicht ordnungsgemäß
durchgeführt habe, sei weder zu ersehen noch vom Kläger behauptet. Seine Erwerbsfähigkeit sei also nicht aufgrund seiner Erwerbstätigkeit
bis zum 31. Dezember 1991 um wenigstens 20 v. H. gemindert gewesen. Auch der HNO-Facharzt Dr. S habe dem Kläger im Juni 2002
eine Hörhilfe lediglich für das linke, nicht aber für das rechte Ohr verordnet (vgl. die Verordnung vom 03. Juni 2002). Ebenso
wenig sei vor dem Hörsturz eine Einschränkung des Hörvermögens bei den betriebsärztlichen Prüfungen durch die BVG aufgefallen. Da eine Lärmschwerhörigkeit ihre volle Ausprägung bei Beendigung der beruflichen Lärmeinwirkung erreiche und
bei der Beurteilung ihres Ausmaßes grundsätzlich auf den Befund abzustellen sei, der dem Ende der Lärmarbeit zeitlich am nächsten
liege, seien etwaige zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterungen nicht zu berücksichtigen (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die
Berufskrankheitenverordnung, Stand 1/2004, M 2301, Anmerkung 2, S. 32).
Ebenso wenig liege eine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur
BKV aufgrund der Tätigkeit des Klägers nach dem 01. Januar 1992 vor. Zwar hätten Prof. Dr. E/Dr. S die reine Schallempfindungsschwerhörigkeit
des Klägers beidseits auf dessen berufliche Tätigkeit zurückgeführt. Dies gelte jedoch nur für die berufliche Tätigkeit bis
1988 beim VEB P- S, für die jedoch zusätzlich die Voraussetzungen der Nr. 50 der BKVO-DDR vorliegen müssten. Dass die Sachverständigen irrtümlich von einer gefährdenden Lärmbelastung lediglich bis 1985 ausgegangen
seien, ändere hieran nichts, da die gefährdende Lärmbelastung jedenfalls vor dem 01. Januar 1992 geendet habe.
Es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger während seiner Tätigkeit bei der BVG eine Lärmbelastung mit einem Schalldruckpegel von mindestens 85 dB (A) ausgesetzt gewesen sei, sodass die Schwerhörigkeit
nicht auf diese berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit,
aaO., Ziffer 7.3.3.2.2.). Die Beigeladene habe in der Stellungnahme ihrer Präventionsabteilung vom 09. Juli 2004 auf Vergleichsmessungen
auf Bahnhöfen der Berliner U-Bahn verwiesen, in welchen bei Ein- und Ausfahrt von Zügen maximal ein Beurteilungspegel von
78 bis 80 dB (A) erreicht worden sei. Außerdem sei der Kläger lediglich im geringen Umfang Baulärm ausgesetzt gewesen. Da
die Arbeitsbedingungen auf den Bahnhöfen nicht exakt zu rekonstruieren seien und dementsprechend auch keine entsprechenden
Messungen durchgeführt werden könnten, genüge der Verweis auf die entsprechenden Vergleichswerte. Dass ein Beurteilungspegel
von 85 dB (A) bei der Tätigkeit als Zugabfertiger überschritten worden sei, sei jedenfalls nicht belegt. Gleiches gelte für
die Tätigkeit im Call-Center der BVG. Der TAD der Beigeladenen habe in seiner Stellungnahme vom 02. August 2007 dargelegt, dass der normale Schalldruck bei der
Arbeit im Call-Center etwa bei 70 bis 75 dB SPL liege und kurzzeitig Belastungen von etwa 115 dB SPL erreicht werden könnten.
Diese kurzzeitigen Belastungen seien jedoch nicht mit dem Beurteilungspegel in dB (A) zu verwechseln, welcher die dauerhafte
Belastung wiedergebe. Der TAD der Beigeladenen weise darauf hin, dass kurzzeitige Belastungen von 115 dB SPL bis zu 15 Sekunden
ertragen werden könnten, ohne dass Schäden aufträten (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., Ziffer 7.3.2.4., wonach
ein akutes Lärmtrauma erst etwa bei 130 dB auftrete). Es sei ohne weiteres nachvollziehbar, dass ein Mitarbeiter beim Auftreten
derartiger Spitzenbelastungen das Gespräch zügig abbrechen oder das Headset vom Kopf nehmen würde.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, dass Prof. Dr.
E in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2004 irrtümlich davon ausgehe, dass er im Jahre 2001 einen Hörsturz erlitten habe. Es
sei im Jahre 2001 eine bloße Hörprüfung in der Praxis von Dr. S durchgeführt worden, er habe jedoch nie einen Hörsturz erlitten
und in der Krankenakte des Dr. S sei zu keiner Zeit ein Hörsturz dokumentiert worden. Das Gutachten von Prof. Dr. E könne
daher nicht verwertet werden. Zudem habe das SG nicht das Schreiben von Dr. S vom 17. Mai 2006, in dem eine Hörminderung links von 54 bis 86 % und rechts von 87 bis 90 %
festgestellt werde, gewürdigt. Nach dem Königsteiner Merkblatt liege damit eine MdE von mindestens 40 % höchstwahrscheinlich
sogar 60 % vor. Auch wenn es keine formelhafte Übertragung des GdB auf den MdE gebe, sei doch zu berücksichtigen, dass für
ihn nach dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 15. März 2006 ein GdB von 80 anerkannt sei. Weiterhin würdige das SG die mit der Tinnitus-Erkrankung einhergehenden Erkrankungen, wie Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen, Depression, Schlafstörungen,
Schallempfindlichkeit, Migräneanfälle nicht. Schließlich führe auch ein Arbeitsunfall vom 29. Oktober 2003 ausweislich des
Gutachtens des untersuchenden Arztes Dr. M vom 07. März 2007 sowie des gefäßchirurgischen Zusatzgutachtens vom 28. März 2007
zu einer weiteren MdE von 10. v. H..
Die Stellungnahme der Abteilung Prävention der Beigeladenen überzeuge nicht. Anstelle von Messungen am konkreten Arbeitsort
seien lediglich Durchschnittswerte von einigen Berliner U-Bahnhöfen herangezogen worden. Bei der Ermittlung des gesundheitsgefährdenden
Lärms während der Arbeitszeit im Call-Center seien lediglich die Schalldruckpegel der Headsets im Sprachbereich, nicht aber
die sehr lauten, lange andauernden und ebenfalls durch das Headset übertragenen Nebengeräusche berücksichtigt worden. Zudem
sei zur Beurteilung der Lärmbelästigung am Headset auf Herstellerangaben zurückgegriffen worden.
Der Kläger hat zur Untermauerung seiner Auffassung einen Auszug aus dem Königsteiner Merkblatt, 4. Auflage, Seite 26 f; die
Seite 19 des Gutachtens des Dr. M vom 07. März 2007 und des gefäßchirurgischen Zusatzgutachtens vom 28. März 2007 (MdE: maximal
10 %) sowie ein weiteres Attest des Dr. S vom 27. August 2008 vorgelegt.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das Gericht den Direktor der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der C, Campus V-Klinikum, Prof. Dr. G mit der Erstellung
eines Sachverständigengutachtens beauftragt.
Im seinem Gutachten vom 15. November 2010 ist der Gutachter zur Feststellung einer Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits
(links stärker als rechts) sowie von Schwindelbeschwerden in Form von Dreh-, Lift- und Schwankschwindel gekommen. Der Sachverständige
hat ausgeführt, dass die genannten Gesundheitsstörungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ursächlich auf
die Lärmbelastung zurückzuführen seien. Zwar sei der Kläger bis 1988 beruflich bedingtem Lärm ausgesetzt gewesen, sodass eine
Schädigung des Hörvermögens nicht sicher auszuschließen sei. Jedoch könne mit Beendigung einer Lärmexposition ein weiteres
Fortschreiten der Hörschädigung aufgrund dieser früheren Lärmeinwirkung nicht eintreten. Da Ergebnisse einer Hörprüfung aus
jener Zeit bis Ende 1988 nicht vorlägen, sei hilfsweise auf die ersten Hörprüfungsergebnisse danach zurückzugreifen, die aus
dem Jahr 2001 und 2004 stammten. Hier habe sich im Tonaudiogramm ein asymmetrischer Kurvenverlauf gezeigt, wobei das linke
Ohr schlechter höre, als das rechte. Es fehle jedoch auf beiden Seiten an einer für Lärmschwerhörigkeit typischen C5-Senke.
Auch seien für eine Lärmschwerhörigkeit atypisch die tiefen Frequenzen mit einem Hörverlust von 30 dB bei 250 Hz betroffen,
wobei letzteres bei den Audiogrammen des Herrn Dr. S jedoch auch technisch bedingt sein könne. Jedoch hätte unter Berücksichtigung
der Tätigkeit bis 1988 das Hörvermögen aufgrund einer Lärmeinwirkung auf beiden Seiten gleichermaßen betroffen sein müssen.
Das asymmetrische Tonaudiogramm zeige jedoch, dass zwei verschiedene Pathomechanismen die Hörfähigkeit betroffen haben müssten.
Deswegen könne lediglich hilfsweise das Tonaudiogramm für das besser hörende rechte Ohr für die Einschätzung des beruflich
bedingten Hörschadens herangezogen werden. Da die linke Seite schlechter höre, müsse hier ein sogenannter Nachschaden unterstellt
werden, insbesondere weil bei den vorausgegangenen Einstellungsuntersuchungen nie auf eine Seitenasymmetrie hingewiesen worden
sei. Ursache der nach 1988 eingetretenen Hörverschlechterungen könnten, da alle von der Präventionsabteilung durchgeführten
Messungen und Berichte keinen lärmgefährdenden Pegel ergeben hätten, sogenannte endogene, degenerative Veränderungen sein.
Hinweise ergäben sich bereits aus den ersten dokumentierten Überprüfungen aus dem Jahr 2001, in der es zu einer anders nicht
erklärlichen Seitendifferenz gekommen sei, in der die für Lärmschwerhörigkeit typische C5-Senke fehle und in der die tiefen
Frequenzen ungewöhnlich stark betroffen seien. In diesem Zusammenhang sei auch unerheblich, ob ein Hörsturz vorgelegen habe
oder nicht. Die widersprüchlichen Angaben diesbezüglich stammten anscheinend vom Kläger selbst. Es sei davon auszugehen, dass
das Hörvermögen des Klägers deutlich besser sei, als bei der jetzigen Untersuchung angegeben. Aufgrund starker Aggravationstendenz
könne der Grad der Schallempfindungsschwerhörigkeit nicht beurteilt werden, ebenso sei das Ausmaß eines anscheinend vorliegenden
subjektiven Tinnitus nicht sicher zu bestimmen. Berufliche Faktoren spielten jedoch für die jetzige Erkrankung eine völlig
untergeordnete Rolle. Auch wenn hinsichtlich der Bewertung des Hörschadens von dem Gutachten von Prof. Dr. E abgewichen werde,
so sei doch anhand der Untersuchung vom 27. Oktober 2004 nach der Tabelle nach Röser 1980 ein prozentualer Hörverlust für
das rechte Ohr von 0 % und von 20 % für das linke Ohr festzustellen. Nach der Modifikation der "Feldmann-Tabelle" nach Lessing
(1969) zur Ermittlung des Körperschadens in % in der früheren DDR ergebe sich daraus ein Körperschaden in Höhe von 0 %.
Der Kläger hat das Gutachten von Prof. Dr. G für nicht verwertbar gehalten, da die Erwähnung eines ausgeprägten Demonstrationsverhaltens
mit Aggravation auf mangelnde Objektivität des Gutachters schließen lasse. Nicht hinreichende Beachtung habe der Gutachter
auch den Ohrengeräuschen geschenkt. Ein Tinnitus führe regelmäßig je nach Intensität seiner Ausprägung zu der Erhöhung der
MdE um 5 bis 10 %. Die Intensität der Beeinträchtigung lasse sich schon aus dem ärztlichen Attest des behandelnden Arztes
erkennen, in dem ein Arbeitsplatzwechsel zu einer Tätigkeit mit weniger akustischer Belastung empfohlen worden sei (ärztliches
Attest des Dr. S vom 26. März 2002).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09. Juni 2011 hat die Vorsitzende darauf hingewiesen, dass - ausgehend vom Inhalt
des hier angefochtenen Bescheides - lediglich über das Vorliegen einer BK nach Nr. 50 BKVO-DDR entschieden werden könne. Für die Annahme eines Versicherungsfalles nach dem Recht der DDR fehle es jedoch an objektiven
medizinischen Befunden für den Eintritt einer Erkrankung vor dem 01. Januar 1992, so dass der Anwendungsbereich der BKVO-DDR nicht gegeben sei. Hinsichtlich der BK Nr. 2301 nach der Anlage 1 der
BKV fehle es derzeit an einem prüfbaren Verwaltungsakt der Beklagten oder Beigeladenen, so dass es insoweit auch an der Zulässigkeitsvoraussetzung
einer darauf gerichteten Klage fehlen dürfte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005 aufzuheben und die bei ihm vorliegende Schwerhörigkeit als Berufskrankheit
nach Nr. 50 der BKVO-DDR oder Nr. 2301 der Anlage 1 zur
BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass der Kläger unter Berücksichtigung der arbeitstechnischen Ermittlungen lediglich bis zum 31. Dezember 1988
einer gehörschädigenden Lärmeinwirkung von wenigstens 85 dB (A) ausgesetzt gewesen sei, so dass die Voraussetzungen zur Anerkennung
einer BK sich nach Nr. 50 der BKVO-DDR und nicht nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur
BKV bestimmen würden. Die Verschlechterung des Hörvermögens nach Ausscheiden aus dem Lärmbereich im Dezember 1988 könne nicht
durch die vorangegangene berufliche Tätigkeit verursacht worden sein.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und weist nochmals darauf hin, dass eine gehörschädigende Lärmbelastung in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht vorgelegen habe
(Stellungnahmen der Präventionsabteilung vom 24. Mai 2005 und 02. August 2007). Daher müsse auch nicht gesondert über eine
BK Nr. 2301 entschieden werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat, wie das SG und die Beklagte im Ergebnis zutreffend entschieden haben, keinen Anspruch auf Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als
BK.
Der Senat entscheidet - ausgehend vom Inhalt des hier angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 16. Februar 2005 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005 - ausschließlich über das Vorliegen einer BK nach Nr. 50 BKVO-DDR. Hierzu wird auf den protokollierten Hinweis der Vorsitzenden des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.
Juni 2011 hingewiesen.
Nach § 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. DDR I, 185) und § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Verhütung,
Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (BKVO-DDR, GBl. DDR I, 137) ist eine BK eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher
Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der vom Minister für Gesundheitswesen in Übereinstimmung mit
dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) herausgegebenen Liste der BKen (Anlage zur Ersten Durchführungsbestimmung
der BKVO-DDR vom 21. April 1981 (GBl. DDR I, 139) genannt ist. Diese Rechtsvorschriften sind im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember
1991 in Kraft geblieben (Anl. II Kap VIII Sachgeb. I Abschn. III Nr. 4 und 5 des Einigungsvertrages). In der Liste der BKen
sind unter Nr. 50 BKen durch "Lärm, der Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung verursacht", genannt. Gemäß der "Richtlinie
zur Begutachtung von arbeitsbedingten Hörschäden (BK-Nr. 50)" -Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Gesundheitswesen
1989, Nr. 6 Seite 57 - ("Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer" 1945 - 1990, Sonderschrift 4 der Schriftenreihe
der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Berlin 1994, Seite 269, 271) wurde das Vorliegen einer Schwerhörigkeit mit sozialer
Bedeutung angenommen, wenn daraus nach den Ergebnissen der audiometrischen Untersuchung ein Körperschaden von mindestens 20
v. H. resultierte. Bei einem darunterliegenden Wert ist der Versicherungsfall nicht eingetreten, eine Anerkennung als BK kann
nicht erfolgen (vgl. im einzelnen BSG, Urteil vom 04. Dezember 2001, B 2 U 35/00 R, in Juris; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. Dezember 1997, L 5 a U 36/96, HVBG-Info 1998, 2617; LSG Niedersachsen, Urteil vom 7. Juni 2001, L 6 U 383/99, HVBG-Info 2001, 2550; Mehrtens/Perlebach, aaO., BKVO, M 2301 RdNr. 9).
Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich, dass beim Kläger schon die erste Voraussetzung für die Anerkennung
einer BK nach Nr. 50 BKVO-DDR - Eintritt eines Unfalls oder einer Krankheit vor dem 01. Januar 1992 - nicht erfüllt ist. Es gibt nämlich keinerlei
objektive medizinische Befunde für den Eintritt einer Hörminderung vor dem 01. Januar 1992. Die ersten medizinischen Unterlagen
und Angaben das Hörvermögen betreffend liegen in Form der Ergebnisse der Untersuchungen des Klägers für seine Tätigkeit bei
der BVG vor. Hiernach ergaben die Einstellungsuntersuchung am 14. Mai 1990 sowie die Nachuntersuchungen am 13. September 1993 und
am 07. Oktober 1996 ein unverändertes, annähernd normales Hörvermögen für Flüstersprache rechts/links über jeweils 5 Meter,
wobei ein Anlass zu weitergehenden Untersuchungen nicht gesehen wurde. Erst bei seiner Vorstellung am 18. Dezember 2001 nach
AU wegen Hörsturzes linksseitig gab der Kläger starken Tinnitus und Hörminderung links an (vgl. Schreiben des betriebsärztlichen
Dienstes der BVG, Fachärztin für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. Z vom 13. April 2004). Aktenkundig ist des Weiteren ein für das Versorgungsamt
Berlin beigebrachter BB des HNO-Arztes Dr. S vom 10. April 2002, aus dem sich eine erstmalige Vorstellung wegen eines Tinnitus
am 12. Juni 1999 ergibt, ohne dass der behandelnde Arzt weitere Untersuchungen wegen Verdachts einer Hörminderung veranlasst
hätte. Über Hörprobleme hatte der Kläger, wie sich aus dem BB des Dr. S ergibt, erstmals bei der Vorstellung am 22. Oktober
2001 geklagt (seit einem halben Jahr Rauschen im linken Ohr und Hörprobleme), so dass ein erstes Tonaudiogramm erstellt wurde,
dem weitere am 27. März 2002 und am 09. Oktober 2003 folgten. Eine Schwerhörigkeit des Klägers ist also erstmals bei der Vorstellung
am 22. Oktober 2001 - und damit lange nach dem Stichtag 01. Januar 1992 - dokumentiert, so dass es bereits aus diesem Grund
an den Voraussetzungen der BK Nr. 50 BKVO-DDR fehlt.
Die übrigen medizinischen Unterlagen ergeben keine abweichende Beurteilung. So wurden die Diagnosen im BB der Fachärztin für
Allgemeinmedizin Dr. Lvom 05. April 2004 (erstmalige Konsultation wegen wegen plötzlich aufgetretenen Pfeifens im linken Ohr
sowie wegen Hypakusis links im Oktober 2001; Diagnose: Hörminderung links, Tinnitus b. Z. n. Hörsturz, wiederkehrendes Halswirbelsäulen
(HWS)Syndrom bei Fehlhaltung HWS, depressives Syndrom ohne erklärbare ursprüngliche Genese) nicht aufgrund eigener Untersuchung
gestellt, sondern es wurden Befunde von Dr. S und Angaben des Klägers übernommen. Dasselbe gilt für die Diagnosen des Facharztes
für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 10. November 2001, auf den der Kläger sich beruft (Z. n. Hörsturz mit Hypakusis und
dekompensiertem Tinnitus; HWS-Symptomatik, rezidivierende Kreislauf-Symptomatik, Weiterbeschäftigung im Call-Center aus gesundheitlichen
Gründen nicht möglich).
Damit ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Lärmschwerhörigkeit des Klägers als BK Nr. 50 BKVO DDR selbst bei einem vor dem 01. Januar 1992 eingetretenen Hörschaden nicht gegeben wären. Denn es würde zum einen an einer
durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufenen Hörstörung
(§ 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 i. V. m. § 2 Abs. 1 der BKVO-DDR) fehlen, zum anderen wäre eine - etwaige - Hörminderung nicht mit mindestens 20 v. H. zu bewerten, sondern läge im Bereich
von 0 v. H. bis weniger als 10 v. H., wie auch Prof. Dr. E eindeutig festgestellt hat. Nicht entscheidungsrelevant ist hier
der vom Kläger hervorgehobene GdB von mittlerweile 80 v. H., weil die Ermittlung des GdB sich nach abweichenden Grundsätzen
vollzieht und weder eine berufliche Veranlassung noch Kausalitätserwägungen eine Rolle spielen. Daher ist auch das von Dr.
S für das Landesversorgungsamt erstellte Attest, in welchem er einen Hörverlust von 64 bis 84 % rechts und von 87 bis 90%
links ermittelt, für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Soweit der Kläger des Weiteren dem Sachverständigen Prof.
Dr. G wegen des Hinweises auf ausgeprägtes Demonstrationsverhalten mit Aggravation mangelnde Objektivität vorwirft, sei darauf
verwiesen, dass der Gutachter diese Feststellung ausführlich begründet hat (Seite 5 des Gutachtens "Hörprüfungen"). Zudem
gehört es zu den Aufgaben des Sachverständigen, bei der Feststellung des Krankheitsbildes auch etwaige Aggravationstendenzen
zu berücksichtigen bzw. darauf hinzuweisen, insbesondere wenn sich hierfür Hinweise durch eine nicht im Übereinklang zu bringende
objektive Befundlage ergeben (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., 8. Auflage, Seite 147 ff, 220 ff).