Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nummern 1202 und 1319 der Anlage 1 zur BKV
Gründe:
Mit Schreiben vom 9. November 2011 wandte sich der 1949 geborene Kläger an die Beklagte und bat diese, eine erneute BK-Ermittlung
einzuleiten (ein BK-Feststellungsverfahren zur BK-Ziffer 4104 schloss die Beklagte bereits mit ablehnendem Bescheid vom 24.
September 2009 ab). Eine Erweiterung der BK-Ermittlungen sei erforderlich, weil er - der Kläger - über 20 Jahre als Kfz-Mechaniker
sehr viel mit Batterien und dadurch auch mit Schwefelsäure in Berührung gekommen sei.
In dem daraufhin erneut eingeleiteten BK-Feststellungsverfahren befragte die Beklagte den Kläger zunächst nochmals zu dessen
beruflichen Lebenslauf (1964 bis 1968 Lehre mit anschließender Gesellentätigkeit als Kfz-Mechaniker; 1969 bis 1970 Wehrdienst,
1970 bis 1991 Tätigkeit als Kfz-Mechaniker bei verschiedenen Firmen; 1992 bis 1993 Tätigkeit im Wachdienst; 1993 bis 2010
Tätigkeit als Auslieferer/Kommissionierer) sowie den beruflichen Belastungen. Hierzu führte er am 23. November 2011 u.a. aus,
dass er in der Zeit von 1964 bis 1968 sowie 1972 bis 1991 während seiner Tätigkeit bei der Firma F. hochgradig Dämpfen von
Schwefelsäure ausgesetzt gewesen sei. In einer großen Halle mit 5 Arbeitsplätzen und einer Hebebühne, in der von bis zu 5
Gesellen und 10 Lehrlingen Autos repariert und gewartet worden seien, sei auch eine Aufladestelle für Batterien gewesen. Es
seien 5 Batterien zur gleichen Zeit geladen worden, der Ladevorgang habe 24 Stunden gedauert. Es seien von der Firma F. sehr
viele Bundeswehrfahrzeuge gewartet worden, die 2 Batterien gehabt hätten. Die Dämpfe der Schwefelsäure seien in dicken Schwaden
durch die Halle gezogen. Da die Halle weder Fenster noch eine Lüfteranlage gehabt habe, habe nichts abziehen können. Alle
Anwesenden hätten dadurch ein fürchterliches Kratzen im Rachenbereich gehabt. Die Batterien seien circa dreimal in der Woche
geladen worden, in der Winterzeit täglich. Diese Gefährdung könne auch auf seine Beschäftigungszeit bei der Firma G. übertragen
werden.
Ferner zog die Beklagte Unterlagen aus dem mit ablehnenden Bescheid vom 24. September 2009 abgeschlossenen BK-Feststellungsverfahren
zur BK-Ziffer 4104 bei, u.a. die Berichte ihres Präventionsdienstes vom 27. Januar 2009 und des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft
Handel und Warendistribution vom 15. Januar 2009 sowie die Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. H. vom 27. August 2009,
wonach ein Larynxkarzinom bei einer Asbestfaserjahreszahl von 3,9 gesichert sei.
Anschließend bat sie erneut ihren Präventionsdienst um Stellungnahme, der am 10. Januar 2012 ausführte, dass die vom Kläger
beschriebene Gefährdung durch Schwefelsäure nicht für die BK-Ziffer 1202 gelte. Die Erkrankungen dieser BK-Ziffer würden durch
Schwefelwasserstoff (H2S) verursacht. Das Gas bilde sich u.a. bei der Herstellung von Salz- und Schwefelsäure. Beim Hantieren
mit Batterien, Auffüllen und Laden trete jedoch kein H2S auf. Der ärztliche Sachverständigenbeirat habe empfohlen, in die
Anlage 1 zur
BKV folgende neue BK aufzunehmen: "Larynxcarcinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen
Aerosolen" - siehe Bekanntmachung des BMAS vom 1. Juli 2011 - IVa4-45226-2. In der Begründung seien Gefahrenquellen ausführlich
beschrieben. Hinweise auf relevante Gefährdungen durch Schwefelsäure in Industriezweigen/Arbeitsbereichen gäben die Tabellen
3 und 4. In den genannten Tabellen seien weder PKW-Werkstätten noch Batterieladeanlagen aufgeführt.
Sodann legte die Beklagte ihren Aktenvorgang der Landesgewerbeärztin der Freien und Hansestadt Bremen, I., vor, die in ihrer
Stellungnahme vom 17. Februar 2012 eine Anerkennung als BK nicht habe vorschlagen können.
Mit Bescheid vom 20. März 2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK nach der Ziffer 1202 der Anlage 1 der
BKV mit der Begründung ab, dass diese BK eine Einwirkung von Schwefelwasserstoff vorsehe, bei dem Kläger jedoch eine Einwirkung
gegenüber Schwefelsäure bestanden habe. Ferner bestehe bei dem Kläger keine "Wie"-BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII, weil der Kläger bei der Firma Autohaus F. keiner intensiven und mehrjährigen Einwirkung gegenüber schwefelsäurehaltigen
Aerosolen ausgesetzt gewesen sei.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 28. März 2012 Widerspruch, den er mit Schreiben vom 2. Mai 2012 dahingehend begründete,
dass er der Einschätzung des Präventionsdienstes der Beklagten widerspreche. Durch diesen sei überhaupt nicht hinsichtlich
einer Einwirkung von schwefelsäurehaltigen Aerosolen bei der Firma Autohaus F. ermittelt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Dezember 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und darauf verwiesen, dass er bei der Aufladung von Batterien entsprechenden Säuren ausgesetzt gewesen sei.
Zeugen könnten dies bestätigen.
Die Beklagte hat nach Vorlage von Stellungnahmen ihres Präventionsdienstes vom 11. September 2013 und 25. November 2016 darauf
verwiesen, dass sich nach Rücksprache mit dem Urheber der Tabelle 4 der wissenschaftlichen Begründung der BK-Ziffer 1319,
Herrn J., ergeben habe, dass die dort aufgeführten "Ladestellen" keinesfalls mit einer Ladestelle für Bleiakkumulatoren in
Kfz-Werkstätten vergleichbar sei. Vielmehr handele es sich bei den in Tabelle 4 bemessenen Unternehmen um Betriebe, die in
großem Maßstab Bleiakkumulatoren hergestellt hätten. Eine Beeinflussung durch die Formation (insbesondere Tankformation) sei
wahrscheinlich. Hierbei handele es sich um einen Prozessschritt innerhalb der Akkumulatorfertigung, bei dem auf den Elektroden
des Akkumulators die aktive Schicht aus Bleioxid erzeugt werde. Diese Formation finde bei der Tankformation in offenen, mit
Schwefelsäure gefüllten Tanks durch Einleiten von Gleichstrom statt. Dabei bildeten sich Gasbläschen, die an der Oberfläche
der Schwefelsäure platzten und dadurch ein Aerosol erzeugten. Die auf diese Weise formierten Platten würden anschließend gewaschen,
getrocknet, in die Akkumulatoren eingebaut, mit Schwefelsäure gefüllt und abschließend an der Ladestelle geladen. Die Formation
finde in räumlicher Nähe zur Ladestelle statt. In den bemessenen Betrieben werde zudem mit Schwefelsäure im Kubikmetermaßstab,
häufig in offenen Behältern, umgegangen, was zu hohen Messwerten ebenfalls beitrage. Ergänzend sei die bei der Berufsgenossenschaft
für Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse zuständige Aufsichtsperson, Herr K., zu einem Unternehmen befragt worden,
bei dem damals die Messungen für die Tabelle 4 der wissenschaftlichen Begründung zur BK-Ziffer 1319 durchgeführt worden seien,
welche Stückzahlen an Bleiakkumulatoren bei deren Herstellung in einer durchschnittlichen Arbeitsschicht den Teilbereich "Ladestelle"
durchlaufen würden. Dieser habe die Zahl auf etwa 100 Batterien geschätzt, die pro Ladestelle gleichzeitig geladen würden.
Die Bedingungen in einer Kfz-Werkstatt seien jedoch ganz anders. Hier gebe es für die Exposition gegenüber Schwefelsäureaerosolen
beim Laden von PKW- oder LKW-Batterien (Bleiakkumulatoren) in der Mega-Datenbank der Unfallversicherungsträger keine Einträge.
Die Bildung von Schwefelsäureaerosolen beim regulären Laden von Bleiakkumulatoren sei aus wissenschaftlich-technischer Sicht
nicht anzunehmen, deshalb seien keine Messungen vorgenommen worden. Es fänden sich lediglich Einträge für das Laden von wesentlich
größeren Staplerbatterien.
Diese Messungen seien in den Batterieladeräumen selbst vorgenommen worden. Die gemessenen Konzentrationen hätten im Bereich
von 0,006 bis 0,024 mg/m3 gelegen und damit maximal bei einem Viertel des Arbeitsplatzgrenzwertes von 0,1 mg/m3. Das 90te
Perzentil der statistischen Verteilung liege mit 0,0191 mg/m3 bei einem Fünftel des Arbeitsplatzgrenzwertes. Die in der Tabelle
4 der wissenschaftlichen Begründung zur BK-Ziffer 1319 erwähnte "Ladestelle" sei folglich nicht mit dem Laderaum für PKW-
und LKW-Batterien in einer Kfz-Reparaturwerkstatt vergleichbar. In einem solchen Laderaum sei eine Exposition gegenüber Schwefelsäureaerosolen
nicht anzunehmen.
Der Kläger hat hierzu nochmals auf die beißenden Nebelschwaden mit Schwefelwasserstoffanteilen verwiesen, denen er ausgesetzt
gewesen sei. Eine BK-Ziffer 1319 liege vor.
Mit Urteil vom 7. April 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es zusammenfassend ausgeführt, dass weder eine BK-Ziffer 1319 - die nach ihrer Aufnahme
in die Anlage 1 zur
BKV nunmehr aufgrund der unbegrenzten Rückwirkung Streitgegenstand sei und die im Bescheid aufgeführte "Wie"-BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII abgelöst habe - noch eine BK-Ziffer 1202 bei dem Kläger vorliege. Hinsichtlich der BK-Ziffer 1202 seien die arbeitstechnischen
Voraussetzungen nicht erfüllt, weil der Kläger während seiner beruflichen Beschäftigungen keiner Schwefelwasserstoffeinwirkung
ausgesetzt gewesen sei. Es sei an den ehemaligen Arbeitsplätzen des Klägers nicht durch Elektrolyse von Schwefelsäure zu einer
Belastung durch Schwefelwasserstoff gekommen. Hinsichtlich der BK-Ziffer 1319 sei zwar das von der BK-Ziffer geforderte Krankheitsbild
in Form eines Larynxkarzinoms erfüllt, allerdings seien ebenfalls die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt, weil
der Kläger keiner intensiven Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen ausgesetzt gewesen sei. Von einer intensiven
Exposition im Sinne der BK-Ziffer 1319 sei nach der wissenschaftlichen Begründung des Sachverständigenbeirats für BKen vom
1. Juli 2011 bei einer Expositionshöhe ab 0,2 mg/m3 auszugehen. Der Präventionsdienst der Beklagten habe jedoch lediglich
eine Schwefelsäurekonzentration im Bereich von 0,006 bis 0,024 mg/m3 selbst beim Laden von Staplerbatterien und damit eine
Exposition von maximal einem Viertel des Arbeitsplatzgrenzwertes von 0,1 mg/m3 und maximal einem Achtel der für die BK-Ziffer
1319 zu fordernden Expositionshöhe errechnet. Die Einschätzung des Präventionsdienstes entspreche den Angaben in der wissenschaftlichen
Begründung des Sachverständigenbeirats für BKen, in der als wichtige Industriezweige und Verfahren mit relevanten Gefährdungen
durch Schwefelsäure weder Kfz-Werkstätten noch Batterieladeanlagen aufgeführt würden, sondern lediglich die Herstellung vonBleiakkumulatoren
(Übersicht 1 unter 1.2, Seite 2). Die Messwerte der Tabelle 4 ließen nicht den Rückschluss zu, dass es beim bloßen Laden von
PKW- oder LKW-Batterien zu einer Bildung von Schwefelsäure in der für die BK-Ziffer 1319 erforderlichen Konzentration komme.
Gegen das ihm am 22. Mai 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Juni 2017 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren
auf Anerkennung und Entschädigung seiner Erkrankung als BK nach den Ziffern 1202 und 1319 fortführt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
1. das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 7. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2012 aufzuheben,
2. festzustellen, dass die bei ihm bestehende Kehlkopfkrebserkrankung (Larynxkarzinom) Folge einer BK nach den Ziffern 1202
und/oder 1319 der Anlage 1 zur
BKV ist,
3. hilfsweise: die Zeugen Siegfried L., Walter M. und Reinhard N. dazu zu hören, dass er - der Kläger - während seiner beruflichen
Tätigkeit schwefelsäurehaltigen Dämpfen ausgesetzt gewesen ist, die in dicken Schwaden durch die Halle gezogen sind und ein
Kratzen im Rachenbereich verursacht haben,
4. weiter hilfsweise: die Arbeitssituation nachzustellen und Messungen vorzunehmen, die Aufschluss über die Zusammensetzung
und Konzentration der schwefelhaltigen Dämpfe geben.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Begründung ihrer Bescheide sowie die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren am 24. Januar 2018 durch seinen Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt,
Entscheidungsgründe:
Mit Schreiben vom 9. November 2011 wandte sich der 1949 in dem der vorher von Amts wegen mit einer Gutachtenerstattung nach
Aktenlage beauftragte Sachverständige Dr. O., Facharzt für Arbeitsmedizin, P., sein am 21. Januar 2018 schriftlich erstelltes
Sachverständigengutachten mündlich erläutert und den Beteiligten für Rückfragen zur Verfügung gestanden hat. Hinsichtlich
des Ergebnisses des Erörterungstermins sowie des Inhalts des Sachverständigengutachtens wird auf das Protokoll vom 24. Januar
2018 und der Anlage verwiesen.
Der Senat hat die Beteiligten mit Anhörungsschreiben vom 9. März 2018 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, über die Berufung
durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu entscheiden und sie zurückzuweisen und dabei auf das Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Dr. O. verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte
der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beschlussfassung waren.
II. Der Senat entscheidet über die vorliegende Berufung nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche
Verhandlung (§
153 Abs.
4 SGG), weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Einer Zustimmung der
Beteiligten zu dieser Verfahrensweise bedarf es nicht.
Die gem. §§
143 f.
SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und somit zulässig.
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 8. November 2012 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG). Das SG Bremen hat zu Recht in dem von dem Kläger angefochtenen Urteil vom 7. April 2017 entschieden, dass die bei dem Kläger
bestehende Kehlkopfkrebserkrankung (Larynxkarzinom) weder eine BK nach der Ziffer 1202 noch nach der Ziffer 1319 der Anlage
1 zur
BKV darstellt. Hinsichtlich der weiteren Entscheidungsgründe nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung von
§
153 Abs.
2 Satz 3
SGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bremen in seinem angefochtenen Urteil vom 7. April 2017 (Az.: S 29 U 128/12, Seite 7 bis 11 der Entscheidungsgründe) und weist die Berufung aus diesen Gründen zurück.
Lediglich ergänzend ist in Bezug auf die im Berufungsverfahren von Amts wegen veranlasste medizinische Sachaufklärung auszuführen,
dass die Ausführungen des Sachverständigen Dr. O. in seinem am 21. Januar 2018 schriftlich erstellten und im Erörterungstermin
am 24. Januar 2018 mit den Beteiligten ausführlich erörterten Sachverständigengutachten das Ergebnis des erstinstanzlichen
Verfahrens bestätigt haben. Der Sachverständige hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Voraussetzungen
einer BK nach den Ziffern 1202 und 1319 der Anlage 1 zur
BKV nicht erfüllt sind. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Gegen die Annahme zunächst einer BK-Ziffer 1202 spricht,
dass weder die arbeitstechnischen noch medizinischen Voraussetzungen der BK erfüllt sind. So gehören Larynxkarziome nicht
zum BK-typischen Krankheitsbild einer BK-Ziffer 1202, denn der in der BK-Ziffer aufgeführte "Schwefelwasserstoff" wird im
Organismus überwiegend zu biologisch indifferenten Substanzen oxidiert und lediglich der kleinere, nicht oxidierte Teil kann
Schäden im zentralen und eventuell auch peripheren Nervensystem hervorrufen. Bei einer akuten Intoxikation, also einer Einwirkung
sehr hoher Konzentrationen, kommt es innerhalb weniger Sekunden - ähnlich wie bei einer Zyanvergiftung - zum Atemstillstand
infolge zentraler Atemlähmung. Bei länger anhaltender arbeitsmedizinisch-toxikologisch relevanter Exposition mit einer geringen
bis mittleren Schwefelwasserstoffkonzentration können Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Speichelfluss,
Brechreiz, Metallgeschmack, Appetitlosigkeit, Diarrhoe und Gewichtsabnahme auftreten. Derartige Beschwerden sind jedoch weder
aktenkundig noch werden sie von dem Kläger geltend gemacht. Zudem besteht nach dem aktuellen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen
Kenntnisstand auch keine generelle Geeignetheit dafür, dass Schwefelwasserstoff beim Menschen Kehlkopfkrebs hervorruft.
Der Sachverständige hat ferner nochmals für den Senat überzeugend bestätigt, dass auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen
der BK-Ziffer 1202 nicht erfüllt sind, denn Schwefelwasserstoff entsteht überall dort, wo menschliche, tierische oder pflanzliche
Materie in Fäulnis übergeht. So können sich größere Mengen von Schwefelwasserstoff z.B. in Brunnenschächten, Jauchegruben
und Abwasserkanälen ansammeln und insbesondere bei Druck- und Temperaturschwankungen frei werden. Auch in Schlammböden, Faulgruben
von Abdeckereien und Gerbereien, Friedhofsgrüften, in Abwässern von Zuckerfabriken, Gelatinefabriken sowie in Kohlegruben,
Gips- und Schwefelbergwerken könne Schwefelwasserstoff vorkommen. Eine derartige Exposition ist jedoch bei den berufstypischen
Tätigkeiten eines Kfz-Mechanikers, wie dies der Kläger gewesen ist, nicht zu erwarten. Der Sachverständige hat hierzu auch
nochmals die Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten vom 11. September 2013 ausdrücklich bestätigt, dass sich infolge
einer elektrolytischen Zersetzung von Schwefelsäure in Bleibatterien kein Schwefelwasserstoff bildet bzw. dies nicht möglich
ist; dies liegt begründet in der enormen Stabilität des Sulfat-Ions, das sich im wässrigen Medium nicht auf elektrochemischen
Weg für die Bildung von Schwefelwasserstoffen notwendigen Sulfid-Ions reduzieren lässt.
Hinsichtlich der BK-Ziffer 1319 können nach Auffassung des Senats zwar die medizinischen Voraussetzungen als erfüllt angesehen
werden. Zwar ergeben sich aus den Akten der Beklagten hierzu keine detaillierten ärztlichen Aufzeichnungen zum Krankheitsbild
des Klägers, so dass der Sachverständige keine weitergehenden Aussagen zur Tumorentität, Prognose und letztendlich zweifelsfreien
Diagnosestellung treffen konnte. Allerdings ergibt sich aus der von der Beklagten aus dem abgeschlossenen BK-Feststellungsverfahren
zur BK-Ziffer 4104 beigezogenen Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. H. vom 27. August 2009, dass die Diagnose eines Kehlkopfkrebses
zweifelsfrei gesichert ist. Gegen die Annahme einer BK-Ziffer 1319 spricht allerdings, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Auch der Sachverständige hat
nochmals bestätigt, dass unter kritischer Würdigung der wissenschaftlichen Begründung zur BK-Ziffer 1319, verfasst vom Ärztlichen
Sachverständigenbeirat Sektion "Berufskrankheiten" beim BMAS, festzustellen ist, dass Kfz-Werkstätten in der Übersicht 1 der
Begründung, die Aufschluss über wichtige Industriezweige/Verfahren und Exposition gegenüber Schwefelsäure gibt, nicht gelistet
sind. Auch in den Tabellen 3 und 4, in denen Konzentrationen an Schwefelsäure in Industriezweigen und Arbeitsbereichen gelistet
sind, findet sich das Kfz-Reparaturgewerbe nicht. Zwar sind in der Tabelle 4 auch "Ladestellen" vermerkt, hierzu hat der Sachverständige
allerdings bestätigt, dass nicht Ladestellen von Kfz-Reparaturstellen gemeint sind, sondern Ladestellen in der Bleiakkumulatorherstellung
(Tabelle 4, Seite 9). Die Verhältnisse in der Bleiakkumulatorherstellung sind nach der Einschätzung des Sachverständigen,
die der Senat für überzeugend hält, auch aus arbeitsmedizinischer Sicht in keiner Weise mit Ladestellen im Kfz-Reparaturgewerbe
vergleichbar. Damit bestätigt der Sachverständige die Ermittlungsergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten in dessen
Stellungnahme vom 25. November 2016. Dessen Stellungnahme kann der Senat seiner Entscheidung auch zu Grunde legen, denn der
Präventionsdienst (früher "technischer Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaften") ist eine sachkundige Stelle, derer sich
das Gericht bedienen kann, um sich die zur Beantwortung technischer Fragen notwendige Sachkunde zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2004 - Az.: B 2 U 25/03 R). Diese ist vorliegend zudem durch den Sachverständigen aus arbeitsmedizinischer Sicht nochmals bestätigt und damit abgesichert
worden. Auch der Sachverständige hat für den Senat zutreffend unter Verweis auf die Ausführungen in der wissenschaftlichen
Begründung zur BK-Ziffer 1319, wonach unter einer intensiven Schwefelsäureeinwirkung im Sinne der Legaldefinition eine Expositionshöhe
von 0,2 mg/m3 und mehr verstanden wird, dargelegt, dass der Kläger einer solchen Exposition im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit
nicht ausgesetzt gewesen ist. Auch aus arbeitsmedizinischer Sicht hat der Sachverständige bestätigt, dass beim regulären Laden
von Bleiakkumulatoren mit einer derart hohen Schwefelsäureaerosol-Belastung nicht zu rechnen ist. Selbst bei Messungen für
das Laden wesentlich größerer Staplerbatterien wurde lediglich eine Schwefelsäurekonzentration von maximal 0,024 mg/m3 gemessen,
was lediglich ca. einem Achtel der für die BK-Ziffer 1319 zu fordernden Expositionshöhe entspricht.
Damit konnte der Sachverständige keine Risikoerhöhung zum Erwerb eines Larynxkarzinoms feststellen, die in erheblich höherem
Grade als die unbelastete Allgemeinbevölkerung behaftet ist.
Dem schriftsätzlich gestellten Antrag des Klägers, weitere Zeugen (Siegfried L., Walter M. und Reinhard N.) dazu zu hören,
dass er während seiner beruflichen Tätigkeit schwefelsäurehaltigen Dämpfen ausgesetzt gewesen ist, die in dicken Schwaden
durch die Halle gezogen sind und ein Kratzen im Rachenbereich verursacht haben, brauchte der Senat nicht weiter nachzugehen,
denn es ist nicht ersichtlich, dass sich hieraus eine andere Einschätzung einer Schwefelsäurekonzentration ergeben könnte.
Lediglich die Bestätigung, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit Dämpfen bzw. dicken Schwaden ausgesetzt gewesen ist,
besagt noch nichts über deren chemische Zusammensetzung. Auch dem weiter hilfsweise gestellten Antrag auf Nachstellung der
früheren Arbeitssituation zur Durchführung entsprechender Messungen, die Aufschluss über die Zusammensetzung und Konzentration
der schwefelhaltigen Dämpfe geben könnten, brauchte der Senat vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse, die der wissenschaftlichen
Begründung der BK-Ziffer 1319, insbesondere der in Tabelle 4 aufgeführten Industriezweigen und Arbeitsbereichen, zu Grunde
liegen und den übereinstimmenden Einschätzungen des Präventionsdienstes der Beklagten sowie des Sachverständigen entsprechen,
nicht nachzukommen. Der Tätigkeitsbereich des Klägers ist danach in keiner Weise mit den Verhältnissen in der Bleiakkumulatorenherstellung
zu vergleichen, so dass die von der BK-Ziffer 1319 vorausgesetzte Expositionshöhe nicht ansatzweise erreicht werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Es hat kein Anlass bestanden, die Revision zuzulassen.