Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf (Rück-)Zahlung der von ihm
im Jahr 2006 für die Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüsse abgerufenen und sodann unter Vorbehalt zurückerstatteten
Bundesmittel in Höhe von 164.554,00 Euro hat.
Der Kläger ist als sogenannte Optionskommune als Grundsicherungsträger nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zugelassen. Unter dem 06.01.2005 schlossen die Bundesrepublik Deutschland (Bund), vertreten durch das Bundesministerium
für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) und der Landkreis N eine Verwaltungsvereinbarung über die von der Beklagten als Bund zu tragenden
Aufwendungen des zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Nach § 1 der Vereinbarung ist der Kläger verpflichtet, 1. die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung sowie den wirtschaftlichen
und sparsamen Einsatz der vom Bund zu tragenden Aufwendungen sicherzustellen, 2. dem Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit auf Anforderung zeitnah Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sowie örtliche Prüfungen zu ermöglichen, die
eine Beurteilung ermöglichen, ob Aufwendungen nach Grund und Höhe von der Beklagten zu tragen sind.
Nach § 2 Abs. 1 der Vereinbarung ermöglicht der Bund dem Kläger die Teilnahme am automatisierten Verfahren für das Haushalts-,
Kassen- und Rechnungswesen (HKR-Verfahren). Danach ist der Kläger berechtigt, Bundesmittel auf der Grundlage von § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II und unter Beachtung dieser Verwaltungsvereinbarung sowie der Verfahrensrichtlinien des Bundesministeriums der Finanzen für
Mittelverteiler/Titelverwalter zu bewirtschaften und beim Bund abzurufen.
§ 5 der Verwaltungsvereinbarung enthält folgende weitere Regelung:
"(1) Der Landkreis richtet ein Verwaltungs- und Kontrollsystem ein, das die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung der
vom Bund hinsichtlich der besonderen Einrichtung des Landkreises nach § 6a Abs. 6 SGB II i.V.m. Art. 106 Abs. 8 zu tragenden Aufwendungen sicherstellt (§ 1 Satz 2), und überwacht sein einwandfreies Funktionieren. Um sowohl den Entwicklungsaufwand
für die Erarbeitung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme zu reduzieren als auch deren Einheitlichkeit und die Vergleichbarkeit
der Ergebnisse sicherzustellen, bietet das BMWA an, kurzfristig gemeinsam mit Vertretern aus Landkreisen und Städten ein einheitliches
Verwaltungs- und Kontrollsystem zu erarbeiten.
(2) Soweit sich bei der Prüfung durch das Kontrollsystem, bei der Schlussabrechnung oder bei einer Überprüfung nach § 1 Nr.
2 ergibt, dass Aufwendungen nicht vom Bund gem. § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II zu tragen sind, sind Überzahlungen unverzüglich auf das vom BMWA angegebene Konto zu erstatten.
(3) Der Landkreis übermittelt dem BMWA jährlich zum 28. Februar des Jahres, erstmals im Jahre 2006,
1. eine auf Grundlage der monatlichen Anweisungsnachweise erstellte Schlussrechnung über die Ausgaben für Leistungen zum Lebensunterhalt
(§ 2) und Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie Verwaltungskosten (§ 3) im Vorjahr;
2. eine Erklärung, dass die dem BMWA übermittelte Schlussrechnung und die durch die Anweisung veranlasste Kostentragung des
Bundes gemäß § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II für die im Vorjahr angefallenen Aufwendungen des Landkreises ordnungsgemäß erfolgt ist sowie dass der Landkreis zur Sicherung
der Ordnungsmäßigkeit ein funktionierendes Verwaltungs- und Kontrollsystem aufweist. Für die Bescheinigung des Landkreises
ist das dieser Vereinbarung als Anlage beigefügte Muster zu verwenden.
3. eine kurze Darstellung des Verwaltungs- und Kontrollsystems sowie eine Übersicht über die Ergebnisse der im Vorjahr durchgeführten
Kontrollen.
(4) Die Aufsicht der zuständigen Landesbehörde und die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes bleiben unberührt."
Im Jahr 2006 bewilligte und zahlte der Kläger als Grundsicherungsträger Hilfebedürftigen Ausbildungskostenzuschüsse in Höhe
von 158.654,00 Euro und Selbstvermittlungsprämien in Höhe von 5.900,00 Euro als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach
dem SGB II. Die Finanzmittel hierfür rief der Kläger bei der Beklagten ab. Die Bewilligung der Ausbildungskostenzuschüsse erfolgte unter
der Voraussetzung, dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II mit multiplen Vermittlungshemmnissen in ein Ausbildungsverhältnis eingestellt wurden. Der Zuschuss wurde an den Ausbilder
gezahlt und belief sich für die Dauer der ersten zwölf Ausbildungsmonate auf monatlich 300,00 Euro. Der Kläger setzte diese
Bewilligungspraxis auch in den Jahren 2007 und 2008 fort.
Selbstvermittlungsprämien konnten Leistungsberechtigte nach dem SGB II erhalten, wenn sie sich eigeninitiativ eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Verdienst von mindestens
700,00 Euro suchten, zeitgleich kein Einstiegsgeld bezogen und der Antrag vor Aufnahme der Arbeit gestellt wurde. Die Selbstvermittlungsprämie
wurde gestaffelt, abhängig von der Beschäftigungsdauer in drei Raten zu 100,00 Euro, 500,00 Euro und 600,00 Euro und damit
maximal von 1.200,00 Euro nach einer Beschäftigungsdauer von vier Wochen, sechs und zwölf Monaten ausgezahlt. Die Gewährung
der Selbstvermittlungsprämie war ausgeschlossen bei Einstellung durch eine Personalleasingfirma, Verwandte ersten Grades sowie
Ehepartner, über dritte Personen (private Arbeitsvermittler) sowie bei einer vorherigen Beschäftigung innerhalb von zwei Jahren
bei dem einstellenden Unternehmen.
Mit Schreiben vom 25.04.2007 übersandte der Kläger der Beklagten für das Jahr 2006 die nach § 5 Abs.3 der Verwaltungsvereinbarung
zu erstellende Abrechnung über die Ausgaben für Leistungen zum Lebensunterhalt und Leistungen zur Eingliederung in Arbeit.
Unter dem 25.09.2008 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis ihrer Abrechnungsprüfung mit. Hierin lehnte sie die Übernahme
der Kosten der Selbstvermittlungsprämien (5.900,00 Euro) und der Ausbildungskostenzuschüsse (158.654,00 Euro) ab und forderte
den Kläger zur Erstattung der hierfür abgerufenen Finanzmittel in Höhe von 164.554,00 Euro unter Geltendmachung einer weiteren
Forderung für das Projekt "Gründungscoach" auf. Das SGB II sehe für die Erbringung dieser Leistungen keine Rechtsgrundlage vor. Sie seien rechtswidrig erbracht worden.
Mit Schreiben vom 21.10.2008 forderte die Beklagte den Kläger erneut zur Zahlung der mit Schreiben vom 25.09.2008 geltend
gemachten Summe unter Fristsetzung bis zum 07.11.2008 auf. Für den Fall des Ausbleibens der Zahlung kündigte sie an, unverzüglich
finanzsichernde Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang verwies sie auf ihr Schreiben von April 2008. In diesem Schreiben
legte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die seiner Auffassung nach bestehenden Rechtsgrundlagen für Rückforderungen
des Bundes gegen zugelassene kommunale Träger (zkT) im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar. Unter Ziffer 4 heißt
es: "Weigert sich der zkT, den Rückforderungsbetrag zu begleichen, wird das BMAS mit den üblichen Mitteln der Rechtsverfolgung
wie z.B. mit einer Leistungsklage oder durch Aufrechnung die geltend gemachten Ansprüche realisieren. Soweit hiermit zugleich
eine Verletzung der in der Verwaltungsvereinbarung enthaltenen Pflichten vorliegt, kann dies die Finanzbeziehung zwischen
Bund und zkT erheblich beeinträchtigen. Insbesondere hat das BMAS gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsvereinbarung zu prüfen,
ob eine weitere uneingeschränkte Teilnahme des nicht zahlungswilligen zkT am HKR-Verfahren gerechtfertigt ist."
Mit Schreiben vom 29.10.2008 teilte der Kläger mit, dass angesichts der Drohung, "unverzüglich" finanzsichernde Maßnahmen
zu ergreifen und angesichts der Umstände, dass das Bundesministerium ihn bereits mit Schreiben vom 07.05.2007 mit Wirkung
zum 31.05.2007 vom HKR-Verfahren abgetrennt und erst nach diesseitigem Unterwerfungsschreiben vom 14.05.2007 den Widerruf
mit Schreiben vom 22.05.2007 aufgehoben habe, er sich gezwungen sähe, der Zahlungsaufforderung unter Vorbehalt und ausdrücklich
ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorläufig Folge zu leisten und den geltend gemachten Betrag zu überweisen. Der Beweggrund
dafür sei einzig und allein, dass er ohne die Teilnahme am HKR-Verfahren seine Aufgaben als Träger der Grundsicherung nach
§§ 6, 6a SGB II nicht wahrnehmen könne.
Unter dem 11.11.2008 beglich der Kläger die Forderung unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
Am 18.11.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben, mit der er die Rückzahlung der an die Beklagte erbrachten Zahlungen für Selbstvermittlungsprämien
und Ausbildungskostenzuschüsse sowie die Feststellung, dass er die für diese Leistungen in den Jahren 2007 und 2008 abgerufenen
Finanzmittel nicht zu erstatten hat, begehrte. Er wies darauf hin, dass noch ein Betrag in Höhe von insgesamt 164.554,00 Euro
streitig sei. Hinsichtlich des Projekts "Gründungscoach" habe er die Rechtsauffassung der Beklagten übernommen und den Betrag
erstattet. Der Beklagten stehe jedoch kein Anspruch auf Erstattung der für die Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüsse
abgerufenen Mittel zu. Sowohl die Mittel für die Selbstvermittlungsprämien als auch die Mittel für die Ausbildungskostenzuschüsse
seien für Aufgaben der Grundsicherung im Sinne des § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II aufgewandt worden. Die Kostentragungspflicht der Beklagten gelte unabhängig davon, ob die Mittel für Leistungen verbraucht
worden seien, die von den gesetzlichen Regelungen des SGB II gedeckt seien. Wie sich aus dem Wortlaut, der Systematik, dem Sinn und Zweck und im Wege der verfassungskonformen Auslegung
des § 6b SGB II ergebe, sei für die Kostentragungspflicht allein entscheidend, dass die Mittel für die Erfüllung der Aufgaben der Grundsicherung
aufgewandt worden seien. Der Wortlaut des § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II nehme nicht auf einzelne Vorschriften, sondern auf die gesamten Grundsicherungsaufgaben Bezug. Hierfür spreche auch die Gesetzessystematik.
Nach § 6 Abs. 1 SGB II trete die Optionskommune an die Stelle der Bundesagentur für Arbeit. Wende die Bundesagentur Mittel für nicht gesetzeskonforme
Eingliederungsleistungen auf, so müsse die Beklagte diese Kosten ebenfalls als Eigenschaden tragen. Gleiches lasse sich auch
dem Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 6 ff. SGB II entnehmen. Durch die Übertragung der Grundsicherungsaufgaben auf die Optionskommunen habe der Gesetzgeber die Einhaltung
der gesetzlichen Vorschriften in den Zuständigkeitsbereich der Optionskommunen gelegt und lediglich der Aufsicht der Landesbehörden
unterworfen.
Zumindest jedoch müsse eine verfassungskonforme Auslegung des § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II zu einer Kostentragungspflicht der Beklagten führen. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Erbringung der Leistungen durch
die Optionskommunen obliege allein den Aufsichtsbehörden des Landes. Eine Berechtigung der Beklagten, die Rechtmäßigkeit der
Leistungen zu überprüfen, würde ihr indirekt eine Rechtsaufsicht gewähren. Die Beklagte sei daher lediglich befugt, die rechnerische
Richtigkeit der Mittelabrufung und deren Verwendung für Grundsicherungsaufgaben zu kontrollieren.
Im Übrigen seien ohnehin sowohl die Selbstvermittlungsprämien als auch die Ausbildungskostenzuschüsse Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II und damit rechtmäßig erbracht worden. § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II ermächtige den Grundsicherungsträger ausdrücklich, über die in Abs. 1 genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen zu erbringen.
Dem Leistungsträger obliege das Ermessen, ob und welche Leistungen er erbringe. Zumindest in der bis zum 31.07.2006 gültigen
Fassung des § 16 SGB II habe ihm ein Leistungserfindungsrecht zugestanden. Das "Aufstockungsverbot" sei erst zum 01.08.2006 in das Gesetz eingefügt
worden. Er habe daher "neue" Leistungen begründen dürfen. Hierfür spreche auch die Experimentierklausel des § 6a Abs. 1 SGB II. Die Experimentierklausel diene dazu, die Grundsicherung für Arbeitsuchende weiter zu entwickeln. Eine Weiterentwicklung
sei jedoch nicht möglich, wenn ihm kein Gestaltungsspielraum zugebilligt würde. Hinsichtlich der Selbstvermittlungsprämie
sei zudem zu berücksichtigen, dass er sich an der "Arbeitshilfe SWL" der Bundesagentur für Arbeit orientiert habe. Hier sei
als Beispiel für eine weitere Leistung nach § 16 Abs. 2 SGB II ausdrücklich die Selbstvermittlungsprämie benannt worden. Die Beklagte könne nicht auf der einen Seite bei der Bundesagentur
für Arbeit die Gewährung einer Selbstvermittlungsprämie als Grundsicherungsleistung tolerieren und sie ihm gegenüber monieren.
Sie sei daher verpflichtet, die erstatteten Mittel an ihn zurückzuzahlen.
Soweit es sich bei dem Schreiben vom 25.09.2008 und dem Schreiben vom 21.10.2008 um einen Verwaltungsakt handeln sollte, seien
die Mittel hilfsweise unter Aufhebung des Bescheides zurückzuerstatten. Da die Beklagte mit Schreiben vom 25.09.2008 ihn zudem
aufgefordert habe, die Schlussrechnung für das Jahr 2007 in den streitigen Punkten zu korrigieren und eine weitere Geltendmachung
von Erstattungsforderungen drohe, habe er zudem ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass eine Erstattungspflicht
für die Jahre 2007 und 2008 nicht bestehe.
Der Kläger hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 164.554,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise,
den Erstattungsbescheid der Beklagten vom 25.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 164.554,00 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
festzustellen, dass der Beklagten gegenüber dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der im Jahr 2007 und 2008 abgerufenen
Finanzmittel für Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüsse zusteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe nach § 6b Abs. 2 SGB II nur die Kosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten zu tragen. Welche Leistungen Grundsicherungsleistungen
darstellen, richte sich nach den §§ 14 ff. SGB II und somit auch nach § 16 SGB II. Der Kläger trete an die Stelle der Bundesagentur für Arbeit und habe daher ebenso wie diese die gesetzlichen Voraussetzungen
bei der Gewährung von Eingliederungsleistungen zu beachten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sie in dem Fall, in dem die
Bundesagentur für Arbeit ihre Kompetenzen überschreite, den hieraus resultierenden Schaden zu tragen habe. Im Unterschied
zur Bundesagentur für Arbeit unterliege der Kläger gerade nicht ihrer Rechtsaufsicht und sei an ihre Weisungen nicht gebunden.
Im Bereich der bundeseigenen Verwaltung erfolge die Berichtigung von Rechtsverstößen grundsätzlich nicht durch die Geltendmachung
von Erstattungsansprüchen, sondern durch die Ausübung des Weisungs- und Direktionsrechts.
Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Aufgaben der Grundsicherung in eigener Definitionskompetenz
übertragen worden seien. Würde man hieraus eine Kostentragungspflicht für jedwede im Rahmen der Grundsicherung erbrachten
Leistungen herleiten, hätte dies zur Folge, dass der Kläger eigenmächtig rechtswidrige Leistungen erbringen könne, deren Kosten
sie zu tragen hätte. Auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 6b Abs. 2 SGB II in dem vom Kläger befürworteten Sinne sei nicht geboten. Das Recht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen begründe
keine Rechtsaufsicht. Es spiegele lediglich die haushaltstechnische Selbstverständlichkeit wider, dass nur solche Aufwendungen
erstattet verlangt werden können, deren Berechtigung dem Grunde und der Höhe nach nachgewiesen sei.
Sowohl bei der Selbstvermittlungsprämie als auch bei dem Ausbildungskostenzuschuss handele es sich nicht um vom SGB II gedeckte Eingliederungsleistungen. Die Gewährung einer Prämie für die eigenständige Arbeitsaufnahme stehe im Widerspruch
zu § 2 Abs. 1 SGB II und stelle eine unzulässige Aufstockung der Mobilitätshilfen dar. Nach § 2 Abs. 1 SGB II sei der Hilfebedürftige bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner
Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen. Die Gewährung einer Prämie für die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten sei mit dem Gesetzeszweck
nicht vereinbar. Zudem habe der Kläger neben den Selbstvermittlungsprämien auch Mobilitätshilfen gewährt. Auch Mobilitätshilfen
würden der Förderung von Eigenbemühungen dienen. Die Selbstvermittlungsprämie stelle eine quantitative Erhöhung der Mobilitätshilfen
dar. Zu einer solchen quantitativen Erhöhung (Aufstockung) sei der Kläger nicht berechtigt gewesen. Dies habe bereits vor
Einfügung des (klarstellenden) § 16 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB II durch das SGB II-Fortentwicklungsgesetz vom 20.07.2006 gegolten. Gleiches gelte für die Gewährung der Ausbildungskostenzuschüsse. Auch hierin
läge eine unzulässige Aufstockung der Leistungen. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 235 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) regele die Gewährung von Ausbildungskostenzuschüssen abschließend. Hiernach komme eine Gewährung nur im Falle der Abwesenheit
des Auszubildenden vom Betrieb wegen der Teilnahme an ausbildungsbegleitenden Hilfen während der Arbeitszeit, für die Ausbildung
schwerbehinderter Menschen und zur Ausbildung behinderter Menschen in Betracht. Soweit der Kläger weiterhin die Feststellung
begehre, dass er zur Erstattung für die in den Jahren 2007 und 2008 abgerufenen Finanzmittel nicht verpflichtet sei, sei die
Klage bereits unzulässig und im Übrigen auch unbegründet.
Das SG hat mit Urteil vom 04.06.2009 die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne gegenüber der Beklagten keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend
machen. Die Beklagte habe die Zahlung des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erhalten. Der Beklagten stehe gemäß § 5 Abs. 2 der
Verwaltungsvereinbarung ein Anspruch auf Erstattung der für die Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüsse abgerufenen
Mittel zu. Die Beklagte sei nach § 6b Abs. 1 SGB II lediglich verpflichtet, solche Kosten zu tragen, die auch gesetzliche Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende darstellen.
Weder bei den Selbstvermittlungsprämien noch bei den Ausbildungskostenzuschüssen handele es sich um solche Leistungen. Soweit
der Kläger die Feststellung begehre, dass die in den Haushaltsjahren 2007 und 2008 abgerufenen Finanzmittel für Ausbildungskostenzuschüsse
und Selbstvermittlungsprämien nicht von ihm zu erstatten seien, sei der Antrag zulässig, jedoch unbegründet. Denn er habe
der Beklagten aus den obigen Gründen die in den Jahren 2007 und 2008 abgerufenen Mitteln gemäß § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung
zu erstatten.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27.06.2009 zugestellte Urteil am 02.07.2009 Berufung eingelegt. Unter dem 03.12/14.12.2009
haben die Beteiligten eine Verfahrensvereinbarung über die Behandlung der Rückforderungsbeträge für die Jahre 2007 und 2008
geschlossen. Danach ist der Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren L 7 AS 83/09 nicht verpflichtet, die im Jahresabschlussschreiben des BMAS vom 16.09.2009 geltend gemachten Erstattungsansprüche des Bundes
über Ausbildungskostenzuschüsse in Höhe von 261.259,66 Euro für das Jahr 2007 und in Höhe von 174.610,00 Euro für das Jahr
2008 und Selbstvermittlungsprämie in Höhe von 155.300,00 Euro für das Jahr 2007 und in Höhe von 220.812,10 Euro für das Jahr
2008 an den Bund zu erstatten.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch bezüglich des gezahlten Betrages in
Höhe von 164.554,00 Euro zustehe. Hinsichtlich der von ihm in den Jahren 2007 und 2008 abgerufenen Finanzmittel für Selbstvermittlungsprämien
und Ausbildungskostenzuschüsse habe die Beklagte ebenfalls keinen Anspruch auf Erstattung. Die Beklagte könne einen Anspruch
aus der Verwaltungsvereinbarung nicht herleiten. Die Verwaltungsvereinbarung treffe keine materiell-rechtlichen Regelungen.
Dieser Auffassung sei auch das SG Detmold im Urteil vom 01.04.2009 (S 23 AS 22/07).
Für seine hier streitgegenständlichen Aufwendungen bestehe eine grundsätzliche Kostentragungspflicht der Beklagten aus § 6b Abs. 2 SGB II, unabhängig von der Rechtmäßigkeit der von ihm gewährten Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüssen. Darüber
hinaus seien die von ihm erbrachten Leistungen als rechtmäßig anzusehen. Die Beklagte sei verpflichtet, alle Aufwendungen
für seine Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 6b SGB II zu tragen. Dies könne im Einzelfall auch rechtswidriges Handeln umfassen. Die Rechtmäßigkeit einer Leistung im Einzelnen
gemäß den §§ 14 ff. SGB II sei für die Kostentragungspflicht gemäß § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II irrelevant. Ein Missbrauch, also ein gezielt rechtwidriges Verhalten einer Optionskommune, führe hingegen nicht zu einer
Kostentragungspflicht der Beklagten. Nach Art.
20 Abs.
3 GG sei ausgeschlossen, dass er gegenüber der Beklagten Aufwendungsersatz für bewusst rechtswidrige Leistungen fordern könne.
Die Beklagte sei jedoch verpflichtet, die Kosten für solche Leistungen zu tragen, die eine Optionskommune nach sorgfältiger
Rechtsprüfung auf Grundlage einer vertretbaren Auslegung des § 16 Abs. 2 SGB II als rechtmäßige Leistung erbringe, auch wenn sich diese vertretbare Auslegung später als unzutreffend herausstelle. Er sei
gewillt gewesen, rechtmäßig zu handeln und habe sich die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahmen vor der Leistungsgewährung von der
zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde bestätigen lassen. Er habe darauf vertraut, dass die Rechtsaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen
gegen die ihr bekannten Selbstvermittlungsprämien eingeschritten wäre, hätte es sie für rechtswidrig gehalten. Würde die Beklagte
berechtigt, ihm die Erstattung von Aufwendungen zu verweigern, die er nach einer vorherigen, positiv ausgefallenen Rechtsprüfung
durch die zuständigen Aufsichtsbehörden tätige, wäre das System der Aufsicht aus § 47 SGB II umgangen. Er müsse trotz zustimmender Rechtsauskunft der Rechtsaufsicht für jede neue Maßnahme zugleich eine Anfrage an das
BMAS der Beklagten hinsichtlich dessen Rechtsauffassung richten. Ein solcher Zwang könne aus systematischen Gründen nicht
hingenommen werden. Im Übrigen hätten Anfragen bezüglich anderer Maßnahme gezeigt, dass das BMAS keine verbindlichen Zusagen
im Vorfeld gebe. Aus systematischen Gründen sei § 6b SGB II so auszulegen, dass die Kostentragungspflicht der Beklagten auch rechtswidrige Leistungen umfasse, solange sie in zumindest
vertretbarer Weise unter §§ 14 ff. SGB II subsumiert werden können und solange dem jeweiligen Aufgabenträger nicht aufgrund entsprechender Weisungen der Rechtsaufsicht
oder durch gerichtliche Entscheidungen bekannt sei, dass die entsprechende Leistung gemäß §§ 14 ff. SGB II rechtswidrig sei.
Im Übrigen ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 07.09.2010 (2 BvF 1/09, NVwZ 2010, 1549 ff.), dass der Bund sowohl für die Finanzierung als auch für die Finanzkontrolle gegenüber den Ländern eine grundgesetzliche
Ermächtigung, die wegen der grundsätzlichen Trennung zwischen Bund und Ländern nicht stets übereinstimmen, benötige. Nur weil
der Bund grundgesetzlich befugt oder verpflichtet sei, eine Aufgabenerfüllung durch die Länder einschließlich der kommunalen
Gebietskörperschaften zu finanzieren, folge daraus nicht zugleich eine Befugnis, eine eigene Finanzkontrolle des Bundes über
die rechtmäßige, wirtschaftliche und sparsame Verwendung der den Ländern zugewiesenen Mittel bei den Ländern - wiederum einschließlich
der kommunalen Gebietskörperschaften - durchzuführen. Ein Anspruch könne niemals bestehen, wenn er von vornherein Prüfungsrechte
voraussetze, die nach den grundgesetzlichen Verwaltungskompetenzen ausgeschlossen seien.
Allein mit dem Argument, dem BMAS stünden die Mittel der Beanstandung oder der Ersatzvornahme nicht zu, könne das SG nicht die aufsichtsgleiche Wirkung des Rückforderungsbegehrens des BMAS beseitigen. Das Rückforderungsbegehren, insbesondere
verbunden mit der Androhung, ihn vom HKR-Verfahren auszuschließen, wirke sich in der Sache wie eine faktische Weisung oder
Anordnung direkt ihm gegenüber, also wie ein klassisches repressives Aufsichtsmittel aus. Der Schutz der kommunalen Selbstverwaltung
beziehe sich nicht nur auf originär kommunale Sachaufgaben, sondern umfasse darüber hinaus auch die von den Sachaufgaben zu
trennende Garantie der eigenständigen Aufgabenerledigung. Auch wenn bei bestimmten Aufgaben eine weisungsgebundene Aufgabenerfüllung
durch Kreise verfassungsgemäß sei, müsse sich die übertragene Ebene trotzdem daran halten, dass dem Kreis eine eigenständige
Aufgabenerfüllung garantiert sei. Er sei im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende finanziell in jeder Hinsicht so zu
stellen, wie die Beklagte die im Übrigen mit den entsprechenden Aufgaben betraute Bundesagentur für Arbeit sowie die ihr angehörigen
örtlichen Agenturen für Arbeit stelle. Daraus ergebe sich ein vollständiges Nettoausgabeprinzip, demzufolge die Beklagte alle
Aufwendungen der zkT zu erstatten habe, die die zkT für Arbeitsuchende erbringen und die nicht den kommunalen Leistungen nach
dem SGB II unterfallen. Dazu gehören, einem echten Nettoprinzip entsprechend, auch alle ggf. rechtswidrig erbrachten Leistungen. Zur
Unterstützung seines Vorbringens verwies der Kläger u.a. auf eine Stellungnahme des GVV-Kommunalversicherung VVaG vom 23.09.2010 sowie auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung.
Schließlich sei auch die Auffassung der Beklagten, die zwischen den Beteiligten geschlossene Verfahrensvereinbarung vom 03.12/14.12.2009
führe zur Unzulässigkeit des Feststellungsantrages, unzutreffend. Es handele sich nicht um eine Vereinbarung über den Streitgegenstand,
sondern eine vorsorgliche Vereinbarung über die Fälligkeit der Ansprüche, falls sie entgegen seiner Auffassung doch bestehen
sollten.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2012 hat der Kläger den in der ersten Instanz gestellten Feststellungsantrag (Antrag
zu 2) für erledigt erklärt. Die von ihm in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2012 gestellten Beweisanträge hat der Senat
mit Beschluss vom selben Tage mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. Wegen der Einzelheiten der Beweisanträge wird
auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 03.05.2012 verwiesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.06.2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm
164.554,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise,
den Erstattungsbescheid der Beklagten vom 25.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihm 164.554,00 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Die Beklagte beantragt, die Berufung
zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf (Rück-)Zahlung der von ihm im Jahr 2006 für die Selbstvermittlungsprämien
und Ausbildungskostenzuschüsse abgerufenen (und sodann unter Vorbehalt zurückerstatteten) Bundesmittel. Der Kläger könne aus
Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 6b Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht herleiten, dass eine grundsätzliche Kostentragungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger hinsichtlich der gewährten
Selbstvermittlungsprämie und Ausbildungskostenzuschüssen bestehe, und zwar unabhängig von der Rechtmäßigkeit dieser Leistungen.
Eine Parallele zum Staatshaftungsrecht sei ebenfalls verfehlt. Während es bei der Staatshaftung um die Verantwortungszurechnung
für rechtswidriges Verwaltungshandeln gehe, betreffe die Frage des Erstattungsanspruchs die rechtlich gebotene Vermögenszuordnung.
Aus diesem Grunde sei die vom Kläger erstmals befürwortete Differenzierung zwischen objektiv rechtswidrigen und vorsätzlich
rechtswidrigen Leistungen irrelevant. Es gehe nicht um Haftungszurechnung, die - wie im Rahmen des §
839 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) - vorsätzliches oder zumindest schuldhaftes Handeln voraussetze, sondern um Fragen der Vermögenszuordnung. Insoweit sei
ein Erstattungsanspruch immer schon dann geboten, wenn eine Vermögensverschiebung objektiv ungerechtfertigt sei. Rechtsgrund
für die Rückzahlung des Klägers sei ein vertraglicher Anspruch nach § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung. Einen vertraglichen
Anspruch habe auch das SG Aachen in dem Urteil vom 24.02.2012 (S 21 AS 264/10) bejaht. Nur hilfsweise habe sie sich als Rechtsgrund auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt.
Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch schließe einen eigenständigen vertraglichen Anspruch nicht aus.
Der Kläger könne aus der sog. Haftungskernrechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Art.
104a Abs.
5 Satz 1 Halbsatz 2
Grundgesetz (
GG) nicht ableiten, dass der Rückzahlungsanspruch des Bundes nur in den Fällen bestehe, in denen der Mittelabruf der Optionskommune
vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt sei. Art.
104a Abs.
5 Satz 1 Halbsatz 2
GG sei für die Auslegung des vertraglichen Rückforderungsanspruchs gar nicht anwendbar. Er gelte nur im Verhältnis des Bundes
und der Länder, nicht aber im Verhältnis Bund und Kommune. Die Sperrwirkung der Haftungskernrechtsprechung entfalte sich zudem
nur gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, nicht gegenüber vertraglichen Ansprüchen. Der Umstand, dass
Kommunen staatsorganisationsrechtlich den Ländern zugeordnet seien, stehe dem nicht entgegen. Im Rahmen der finanzverfassungsrechtlichen
Vorschriften unterscheide das
Grundgesetz bewusst zwischen den Ländern und Gemeinden. Ein Beleg hierfür sei Art.
106 Abs.
8 Satz 1
GG, der insoweit Länder und Gemeinden eigenständig behandele. Für Ausgleichsansprüche im wechselseitigen Verhältnis zwischen
dem Bund und den Optionskommunen sei Art.
106 Abs.
8 GG die vorrangige Rechtsgrundlage. Das finanzverfassungsrechtliche Gefüge des Art.
106 Abs.
8 GG würde umgangen, wenn die Rückzahlung des Sonderlastenausgleichs auf die Fälle vorsätzlich oder grob fahrlässig pflichtwidrigen
Verhaltens beschränkt würde. Eine andere Beurteilung rechtfertige auch nicht die Stellungnahme des GVV-Kommunalversicherung
VVaG. Zwar befürworte dieser eine Kostentragungspflicht des Bundes für alle tatsächlich entstandenen Nettoausgaben. Die Optionskommune
solle finanziell genauso gestellt werden wie die Bundesagentur als Leistungsträger. Eine Gleichstellung sei jedoch nicht berechtigt,
weil es sich nicht um vergleichbare Sachverhalte handele. Soweit die Bundesagentur für Arbeit Leistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II erbringe, unterläge sie der Rechts- und Fachaufsicht durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Solche Weisungsrechte bestehen im Verhältnis zwischen dem Bund und den zugelassenen kommunalen Träger gerade nicht. Hinsichtlich
des (zunächst noch im Berufungsverfahren) gestellten Feststellungsantrages fehle es dem Kläger jedenfalls aufgrund des Abschlusses
der Verfahrensvereinbarung vom 03.12/14.12.2009 an dem erforderlichen Feststellungsinteresse.
Der Kläger hat ein Rechtsgutachten zum Umfang der Finanzierungslast des Bundes nach § 6 Abs. 2 SGB II und zur Frage der Berechtigung von Erstattungsansprüchen des Bundes gegen zugelassene kommunale Träger von Prof. Dr. I vom
07.02.2011, welches der Gutachter im Auftrag des GVV-Kommunalversicherung VVaG erstellt hat, zu den Akten gereicht. Nach dem Ergebnis des Gutachters stehen dem Bund hinsichtlich der Ausbildungskostenzuschüsse
und der Eingliederungshilfen keine Rückforderungsansprüche gegenüber den Optionskommunen zu. Wegen der Einzelheiten wird auf
das Gutachten von Prof. Dr. I vom 07.02.2011 verwiesen.
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren weiter die nicht rechtskräftigen Urteile des SG Braunschweig vom 19.01.2012 (S
52 AS 4013/10) und des SG Aachen vom 24.02.2012 (S 21 AS 264/10). Auch auf ihren Inhalt wird verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich der mit dem Hauptantrag verfolgten Leistungsklage zulässig und begründet.
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Bei dem hilfsweise angefochtenen Schreiben vom 25.09.2008 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Der Kläger
und die Beklagte stehen nicht in einem für einen Verwaltungsakt notwendigen Über-/Unterordnungsverhältnis, sondern in einem
Gleichordnungsverhältnis gegenüber. Auch hat die Beklagte den Erstattungsanspruch mit ihren Schreiben vom 25.09.2008 nicht
in der Form eines Verwaltungsaktes geltend gemacht.
Über den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag war keine Entscheidung mehr zu treffen, weil dieser Antrag vom Kläger
in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2012 für erledigt erklärt worden ist.
Die Leistungsklage ist auch begründet. Das SG hat die Klage des Klägers mit Urteil vom 04.06.2009 zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch
auf Rückzahlung der unter dem 11.11.2008 erbrachten Zahlungen bezüglich der Selbstvermittlungsprämien (5.900,00 Euro) und
der Ausbildungskostenzuschüsse (158.654,00 Euro) in Höhe von insgesamt 164.554,00 Euro.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung zu, welcher als gewohnheitsrechtlich
anerkanntes und aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut anzusehen ist.
Der Anspruch gleicht eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage aus und verschafft dem Anspruchsinhaber
ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund oder durch eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung
erfolgt ist. Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind,
denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (BSG, Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 98/10 R, Rn. 14 -[...] mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung; BVerwG, Urteil vom 30.11.1995, 7 C 56/93). Ein solcher Erstattungsanspruch besteht auch, wenn eine Behörde einem Leistungsträger ohne Rechtsgrund eine Leistung erbracht
hat (BSG, Urteil vom 27.08.2011, B 4 AS 1/10 R, Rn. 24; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 10. Auflage 2012, §
51 Rn. 11a). Auf ein Verschulden bzw. Vertretenmüssen kommt es im Rahmen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs
nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.11.1995, 7 C 56/93, BVerwGE 100, 56 ff.).
Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind gegeben. Die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten,
aus der vorliegend die Streitigkeit resultiert, ist öffentlich-rechtlicher Natur. Die Beklagte hat die Zahlung des Klägers
ohne Rechtsgrund erhalten. Ihr stand kein Anspruch auf Rückerstattung der streitigen Leistungen für das Jahr 2006 zu. Ein
solcher Anspruch folgt weder aus § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2005 noch aus dem öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch und auch nicht unmittelbar aus dem
Grundgesetz (Art.
106 Abs.
8 GG, Art.
104a Abs.
5 Satz 1
GG).
Der Beklagten steht ein Anspruch nach § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung, die einen zulässigen öffentlich-rechtlichen
Vertrag zwischen gleichgeordneten Vertragspartnern mit verfahrensrechtlichen und materiellen Inhalt darstellt, nicht zu. Der
Abschluss der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Beteiligten war zulässig. Die Verwaltungsvereinbarung verstößt nicht gegen
verfassungsrechtliche Normen. Denn in Ausnahmefällen ist die Zuweisung von Aufgaben an Gemeinden oder Gemeindeverbände als
Selbstverwaltungsaufgaben durch den Bundesgesetzgeber zulässig, ohne dass der Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung gemäß
Art.
28 Abs.
2 GG verletzt wird (BVerfG, Entscheidung vom 20.12.2007, 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04, Rn. 132 ff. zu Art.
84 Abs.
1 GG a.F.). Zur Überzeugung des Senats müssen als Annex zu dieser Kompetenzentscheidung auch vertragliche Regelungen zur Ausgestaltung
aus dem Gesetz ergebenden Verwaltungs- und Finanzbeziehungen grundsätzlich als zulässig angesehen werden (ebenso Maunz in
Maunz-Dürig, Kommentar zum
Grundgesetz, Band VI, Art.
106 Rn. 101).
Die Verwaltungsvereinbarung hat auch einen materiellen Inhalt. Die Auslegung, die Verwaltungsvereinbarung treffe ausschließlich
verfahrensrechtliche Abwicklungs- und Abrechnungsregelungen (so SG Detmold, Urteil vom 01.04.2009, S 23 AS 22/07; SG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2012, S 52 AS 4013/10; SG Osnabrück, Urteil vom 28.09.2011, S 18 AS 118/10), wird vom Senat nicht geteilt. Zwar spricht für eine verfahrensrechtliche Regelung die Präambel der Verwaltungsvereinbarung.
Danach sind Gegenstand der Verwaltungsvereinbarung Verfahrensregelungen hinsichtlich der vom Bund zu tragenden Aufwendungen.
Darüber hinaus ist § 5 mit der Überschrift Finanzkontrolle versehen. Diese Vorschrift ist unter dem Abschnitt 2 aufgeführt,
der wiederum mit der Überschrift Berichtspflichten und Finanzkontrolle versehen ist. Die Verwaltungsvereinbarung hat jedoch
auch einen eigenen materiellen Inhalt (in diesem Sinne auch SG Aachen, Urteil vom 24.02.2012, S 21 AS 264/10). Neben dem Wortlaut und der in der Präambel definierten Zielsetzung bietet vor allem die Regelung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung
mit § 1 Satz 1 Nr. 2 der Verwaltungsvereinbarung eine materiell-rechtliche Erstattungsvereinbarung. Nach § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung
sind, soweit sich bei der Prüfung durch das Kontrollsystem, bei der Schlussabrechnung oder bei einer Überprüfung nach § 1
Nr. 2 der Verwaltungsvereinbarung ergibt, dass Aufwendungen nicht vom Bund gemäß § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II zu tragen sind, die sich hieraus ergebenden Überzahlungen an die Beklagte unverzüglich zu erstatten. Die Anspruchsvoraussetzung
"Überzahlungen" wird in § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung dahingehend konkretisiert, dass Bundesmittel für Aufwendungen
abgerufen worden sind, die nicht vom Bund gemäß § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II zu tragen sind.
Es kann dahinstehen, ob bei der Überprüfung nach § 1 der Verwaltungsvereinbarung, "ob Aufwendungen" nach "Grund und Höhe vom
Bund zu tragen sind", eine verfassungskonforme Berücksichtigung der grundlegenden Finanz- und Haftungsregelungen nach Art.
104a Abs.
5 GG und Art.
106 Abs.
8 GG stattzufinden hat. Ein Anhaltspunkt hierfür könnte sein, dass Art.
106 Abs.
8 GG als verfassungsrechtliche Legitimation der direkten Finanzierungsbeziehung zwischen Bund und kommunalen Träger in der Präambel
angesprochen wird. Auf eine detailliertere Eingrenzung des Umfangs der vertraglichen Haftung und der verfassungsrechtlichen
Einbindung dieses Anspruchs kommt es hier nicht an. Deswegen konnte der Senat auch davon Abstand nehmen, den im Verhandlungstermin
gestellten Beweisanträgen des Klägers zu folgen. Ein Erstattungsanspruch nach § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung hängt
auf jeden Fall davon ab, ob die hier streitigen Aufwendungen für Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüssen
Aufwendungen der Grundsicherung im Sinne des § 6b Abs. 2 SGB II sind. Der Senat bejaht diese Frage.
Nach dieser Vorschrift, darauf weist auch die Präambel der Verwaltungsvereinbarung hin, trägt der Bund die Aufwendungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten. Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüsse
sind von der - im Tatbestand näher dargelegten - Zweckrichtung Eingliederungsleistungen für Arbeitsuchende im Sinne von §§
14 ff. SGB II. Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls Selbstvermittlungsprämien keine weiteren Leistungen im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II in den maßgebenden Fassungen vom 06.08.2004 (BGBl I S. 2014) und 01.08.2006 (BGBl I S. 1706 gültig bis zum 31.12.2008) darstellen. Danach konnten über die in Abs. 1 genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht
werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich waren. Die Erforderlichkeit
einer Eingliederungsleistung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II beurteilt sich nach den Zielvorgaben der §§ 1, 3 SGB II. Diese sind zwar für sich nicht anspruchsbegründend, stecken aber als programmatische Kernaussagen und Grundsätze den Leistungsrahmen
der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab (BSG, Urteil 23.11.2006, B 11b AS 3/05 R, Rn. 27). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder
Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sind. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB II in der Fassung vom 01.08.2006 durften die weiteren Leistungen die Leistungen nach Abs. 1 zudem nicht aufstocken.
Der Hauptzweck der Gewährung der Selbstvermittlungsprämie liegt entgegen der Leistungsgrundsätze des § 3 SGB II nicht in der Gewährung von Leistungen, die zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit
notwendig sind. Vielmehr wird mit der Selbstvermittlungsprämie lediglich ein zusätzlicher Anreiz für Hilfebedürftige geschaffen,
sich hinreichend eigenständig um eine Arbeitsstelle zu bemühen und damit ihren bereits gesetzlich in § 2 Abs. 1 SGB II normierten Pflichten zur Eigenaktivität nachzukommen. Die Gewährung einer Prämie, die vordergründig eine Belohnung für die
Erfüllung gesetzlicher Pflichten und nicht hauptsächlich eine erforderliche Leistung zur Eingliederung in das Erwerbsleben
darstellt, ist mit den Leistungsgrundsätzen der §§ 1, 3 SGB II nicht vereinbar (vgl. zur Rechtswidrigkeit einer Selbstvermittlungsprämie LSG NRW, Urteil vom 30.06.2011, L 7 AS 1212/10; LSG NRW, Urteil vom 02.02.2011, L 12 AS 1104/10 und SG Detmold, Urteil vom 04.06.2009, S 10 AS 106/08).
Ob die Gewährung der Ausbildungskostenzuschüsse von der Experimentierklausel des § 6a Abs. 1 SGB II gedeckt ist oder eine unzulässige Aufstockung der Leistungen nach § 16 Abs. 1 SGB II bedeutet und damit die diesbezüglichen Leistungen rechtswidrig erbracht worden sind, kann dahingestellt bleiben. Selbst bei
einer rechtswidrigen Gewährung besteht für den Kläger hinsichtlich der abberufenen Beträge sowohl für die Ausbildungskostenzuschüsse
als auch für die Selbstvermittlungsprämie keine Rückzahlungsverpflichtung. Dabei stand der von der Beklagten geltend gemachten
Forderung nicht entgegen, dass das Aufstockungsverbot erst zum 01.08.2008 in § 16 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB II seine gesetzliche Normierung gefunden hat. Bei der Einfügung des zweiten Halbsatzes handelte es sich lediglich um eine gesetzliche
Klarstellung des bereits zuvor geltenden Aufstockungsverbots (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11 b AS 3/05 R, Rn. 18 -[...]).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Finanzierungslast des Bundes nach § 6b Abs. 2 SGB II nicht - auch nicht als Auswirkung des Gesetzesvorbehalts nach §
31 SGB I - auf materiell rechtmäßige Aufwendungen beschränkt. Nach §
31 SGB I dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder
aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Hier ist jedoch zu beachten, dass auch nach allgemeinen
Verwaltungsrechtsgrundsätzen bindend gewordene rechtswidrige Leistungsbewilligungen gesetzliche Leistungen im Sinne des §
31 SGB I sind. Gestützt wird diese Auffassung durch die Gesetzesbegründung zu §
31 SGB I, wonach die anerkannten Grundsätze des Verwaltungsrechts - die auch im SGB X Gesetzesfassung erhalten haben - zu beachten sind (BT-Drs. 7/868, Seite 27 zu §
31; vgl. auch Weselski, jurisPK-
SGB I, 2. Auflage 2011, § 31 Rn. 35 m.w.N.). Gemäß § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch
Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Inwieweit rechtswidrige Verwaltungsakte zurückgenommen werden können, ergibt
sich aus den §§ 44 ff. SGB X.
Die hier streitigen Eingliederungsmaßnahmen sind offenkundig im Außenverhältnis mit bindender Wirkung bewilligt worden. Anhaltspunkte
für eine Nichtigkeit oder sonstige Unwirksamkeit der ausgesprochenen Bewilligungen liegen nicht vor und werden auch von der
Beklagten nicht behauptet.
Für die Auslegung des erkennenden Senats spricht auch der Zusammenhang mit der Finanzierungsregelung in § 46 SGB II. Diese Vorschrift regelt, dass der Bund die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten
trägt, soweit die Leistungen von der Bundesagentur erbracht werden. Eine Beschränkung auf materiell rechtmäßige Leistungen
lässt sich hieraus nicht zwingend entnehmen. Nach der Präambel der Verwaltungsvereinbarung wird der Landkreis hinsichtlich
der Finanzierung der Aufwendungen nach § 46 SGB II der Bundesagentur für Arbeit gleichgestellt.
Die Beklagte kann auch keinen Anspruch aus Art.
106 Abs.
8 GG herleiten. Danach gewährt der Bund, wenn er in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen,
die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen,
veranlasst, den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden
kann, die Sonderbelastungen zu tragen. In Abs. 8 wird als Oberbegriff für Mehrausgaben und Mindereinnahmen im Wege der Legaldefinition
der Begriff der Sonderbelastung bestimmt. Art. 106 Abs. 8 bezieht in seinen Wirkungsbereich nur solche Belastungen ein, die
das einzelne Land, die einzelne Gemeinde, den einzelnen Gemeindeverband im Verhältnis zu anderen ungleich treffen (Maunz in
Maunz-Dürig, Kommentar zum
GG, Band VI, Art.
106 Rn. 97). Art.
106 Abs.
8 GG beinhaltet einen Ausgleichsanspruch der Kommune gegenüber dem Bund, wenn jener bei der Kommune besondere Belastungen veranlasst.
Zwar ist der Bund nur zum Ausgleich der erforderlichen Belastung verpflichtet. Daraus lässt sich aber nicht die Schlussfolgerung
treffen, die Kommune haftet bei einer nicht erforderlichen Belastung (so auch SG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2012, S 52 AS 4013/10). Denn das finanzverfassungsrechtliche Regelungskonzept des
GG unterscheidet zwischen der Finanzierung einer Aufgabe und der möglichen Haftung aufgrund einer etwaigen nicht ordnungsgemäßen
Ausführung der Aufgabe. Art.
104a Abs.
5 GG bezieht sich zwar unmittelbar auf das Verhältnis Bund-Länder. Im Anschluss an die Ausführungen des BSG im Urteil vom 15.12.2009 (B 1 AS 1/08 KL) sieht der Senat Art.
104a Abs.
5 Satz 1 Halbsatz 2
GG als eine über das Bund-Länder-Verhältnis hinausgehende Haftungsregelung an, die für das Auseinanderfallen von Verwaltungs-
und Finanzierungszuständigkeit typisch ist. Danach tragen der Bund und die Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben
und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung. Da eine gesetzliche Haftungsregelung jedenfalls für
den hier streitigen Zeitraum nicht existiert, hält der erkennende Senat eine sinngemäße Übertragung des Grundgedankens der
Haftung "für eine ordnungsgemäße Verwaltung" im Sinne von Art.
104a Abs.
5 GG für geboten. Aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ist die Finanzierungslast des Bundes im Hinblick auf das Auseinanderfallen
von Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeit nicht auf materiell rechtmäßige Aufwendungen beschränkt. Zwar sind die Gemeinden
wie auch die Länder und der Bund dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, sie sind insbesondere ebenso
wie die Länder und der Bund dafür verantwortlich, dass die öffentlichen Mittel sachgerecht - d.h. nach den Grundsätzen der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - und rechtmäßig verwendet werden (BVerwG, Urteil vom 17.09.1970, II C 48.68, Rn. 43). Bei sinngemäßer Übertragung des Grundgedankens der Haftungsregelung nach Art.
104a Abs.
5 Satz 1 Halbsatz 2
GG beschränkt sich die Haftung des Klägers auf den verfassungsrechtlich gebotenen Haftungskern "für eine ordnungsgemäße Verwaltung
zu haften". Nach herrschender verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung besteht ein Haftungsanspruch jedenfalls bei solchen
schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die vorsätzlich oder groß fahrlässig begangen worden sind (BVerwG, Urteil vom 15.05.2008,
5 C 25/07, Rn. 17 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 18.05.1994, 11 A 1/92, Rn. 47). Ohne ausdrückliche Ermächtigung, wer für das Risiko des fehlerhaften Gesetzesvollzuges der Kommunen einzustehen
hat, beschränkt sich die Haftung zwischen einer Optionskommune und dem Bund nach Auffassung des Senats auf den verfassungsrechtlich
gebotenen Haftungskern im Sinne von Art.
104a Abs.
5 Satz 1 Halbsatz 2
GG. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, dem Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des mit der Ausgabenverantwortung des Bundes
vor den Folgelasten einer nicht rechtmäßigen Mittelverwendung und dem Bedürfnis der Optionskommune, bei einer Aufgabenzuweisung
nicht in vollem Umfang das finanzielle Risiko für ausgabenrelevante Fehler im Verwaltungsvollzug tragen zu müssen, Rechnung
zu tragen. Dementsprechend ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs in Korrelation mit der gesetzlichen Finanzierungsregelung
des § 6b SGB II zu sehen.
Unter Berücksichtigung dieser Haftungsregelungen war der Kläger nicht zur Erstattung der im Jahre 2006 für die Selbstvermittlungsprämie
und für die Ausbildungskostenzuschüsse abgerufenen Mittel verpflichtet.
Die Voraussetzungen sind bei den hier streitigen Eingliederungsmaßnahmen offenkundig nicht erfüllt und werden von der Beklagten
auch nicht behauptet. Es ist eher der Konstellation vergleichbar, dass sich ein Verhalten nachträglich vor dem Hintergrund
einer geläuterten Rechtsauffassung als unrichtig herausstellt. Diese Konstellation reicht für die Annahme einer Haftung im
Sinne der Haftungskernrechtsprechung nicht aus.
Mangels Entscheidungserheblichkeit kann auch dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Klägers, ein Anspruch des Bundes
könne niemals bestehen, wenn er von vornherein Prüfungsrechte voraussetze, die nach den grundgesetzlichen Verwaltungskompetenzen
ausgeschlossen seien, zutreffend ist. Denn, wie oben ausgeführt, bestand bereits aus anderen Gründen keine Rückzahlungspflicht
des Klägers bezüglich der von ihm im Jahre 2006 abgerufenen Bundesmittel für die Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüsse.
Schließlich steht der Beklagten gegenüber dem Kläger auch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Dabei kann dahingestellt
bleiben, ob dieser Anspruch durch die entsprechende Anwendung des Art.
104a Abs.
5 GG im Rahmen des Art.
106 Abs.
8 GG gesperrt ist (zur Sperrwirkung des Art.
104a Abs.
5 Satz 1
GG hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2009, B 1 AS 1/08 KL; BVerwG, Urteil vom 30.11.1995, 7 C 56/93). Zwar ist ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch neben dem Anspruch aus § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung
grundsätzlich anwendbar. Eine Vermögensverschiebung ist ebenfalls gegeben. Denn der Kläger hat im streitbefangenen Zeitraum
von der Beklagten insgesamt 164.554,00 Euro für die Gewährung von Ausbildungskosten und Selbstvermittlungsprämien durch den
Abruf von Bundesmitteln im HKR-Verfahren erlangt. Dass der Kläger die Gelder selbst abrufen konnte, rechtfertigt keine andere
Beurteilung. Dieses Verfahren diente lediglich der verwaltungstechnischen Abwicklung. Gegen eine Vermögensverschiebung spricht
auch nicht, dass der Kläger diese Gelder an Dritte ausgezahlt hat. Dies folgt bereits daraus, dass das Gesetz in §
818 Abs.
3 BGB den (späteren) Wegfall der Bereicherung von der Frage, ob etwas erlangt ist, unterscheidet. Zudem findet im Rahmen des öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruchs zu Gunsten der öffentlichen Hand §
818 Abs.
3 BGB wegen des hier geltenden Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung keine Anwendung (BVerwG, Urteil vom 15.05.2008, 5 C 25/07, Rn. 30; BVerwG, Urteil vom 17.09.1970, II C 48.68, Rn. 41 ff., BVerwGE 36, 108 ff.). Der durch eine rechtswidrige Gewährung bei den Dritten entstandene Vermögensvorteil ist innerhalb der Rechtsbeziehungen
zwischen dem Träger der Grundsicherung und den Dritten zu klären (vgl. zum Wertersatz für geleistete Arbeit im Rahmen einer
Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung BSG, Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 98/10 R). Die von dem Kläger im HKR-Verfahren abgerufenen Bundesmittel in Höhe des streitgegenständlichen Betrags sind jedoch,
wie oben ausgeführt, unter Beachtung von verfassungsrechtlichen Erwägungen mit Rechtsgrund geleistet worden. Eine Zweckverfehlung
liegt ebenfalls nicht vor. Denn es handelte sich bei den streitigen Leistungen um Eingliederungsleistungen nach §§ 14 SGB II, unabhängig davon, ob im Hinblick auf § 16 SGB II eine rechtswidrige Leistungsgewährung erfolgt ist.
Ob die Beklagte nunmehr gemäß § 6b Abs. 5 SGB II in der Fassung von Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03.08.2010 (BGBl. I S. 1112) einen Anspruch gegenüber dem Kläger geltend machen könnte, brauchte nicht entschieden zu werden. Diese Vorschrift ist erst
seit dem 01.01.2011 in Kraft. Die Rückzahlungsforderung der vom Kläger abgerufenen Bundesmittel wurde von der Beklagten bereits
im Jahre 2008 geltend gemacht und auch im Jahre 2008 vom Kläger unter Vorbehalt beglichen. Vor Erlass des § 6b Abs. 5 SGB II bestand eine solche abschließende gesetzliche Erstattungsregelung nicht. Gemäß § 6b Abs. 5 SGB II kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von dem zugelassenen kommunalen Träger die Erstattung von Mitteln verlangen,
die er zu Lasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat. Damit wird ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des zuständigen
Bundesministeriums gegen die zugelassenen kommunalen Träger gesetzlich fixiert und die Finanzinteressen des Bundes können
neben einer Prüfungsbefugnis gemäß § 6b Abs. 4 SGB II auch nach Abs. 5 durchgesetzt werden (vgl. Münder, Kommentar zum SGB II, 4. Auflage 2011, § 6b, Rn. 9). Nach § 6b Abs. 4 SGB II prüft das BMAS, ob Einnahmen und Ausgaben in der besonderen Einrichtung nach § 6a Abs. 5 begründet und belegt sind und den
Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen.
Zudem hat der verfassungsändernde Gesetzgeber der Finanzkontrolle durch den Bund erst ab dem 27.07.2010 in dem im
Grundgesetz eingefügten neuen Art.
91e Abs.
2 Satz 2
GG Rechnung getragen. Diese Regelung verpflichtet den Bund dazu, die "notwendigen Ausgaben" einschließlich der Verwaltungsaufgaben
zu tragen, soweit die Aufgaben einer Ausführung von Gesetzen nach Absatz 1 vom Bund wahrzunehmen sind. Abs. 1 spricht von
Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die umfängliche Finanzierungsverantwortung
des Bundes war dem Gesetzgeber Veranlassung, das BMAS mit der Befugnis (und Verpflichtung) zu einer weitreichenden Finanzkontrolle
gegenüber den Optionskommunen auszustatten (Klein in Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 91e, Rn. 37).
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§
291,
288 Abs.
1 BGB und ist in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begründet (vgl. zum Zinsanspruch bei Haftungsansprüche nach Art.
104a Abs.
5 Satz 1
GG, BSG, Urteil vom 15.12.2009, B 1 AS 1/08 KL, Rn. 56 ff. -[...]). Die Verzinsung beginnt mit dem Tag der Klageerhebung am 18.11.2008.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §§
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Der Beklagten waren sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger den Feststellungsantrag
in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2012 für erledigt erklärt hat. Jedenfalls bis zum Abschluss der Vereinbarung vom 03.12./14.12.2009
war der Feststellungsantrag zulässig und begründet. Denn der Antrag war in Übereinstimmung mit dem SG nicht auf Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses gerichtet, sondern es handelte sich um Auswirkungen eines bestehenden
Rechtsverhältnisses erst in der Zukunft (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rn. 8a). Der Antrag war auch begründet,
weil der Kläger nicht zur Rückzahlung der im Jahr 2007 und 2008 abgerufenen Mittel für die Selbstvermittlungsprämie und Ausbildungskostenzuschüsse,
wie oben für das Jahr 2006 ausgeführt, verpflichtet gewesen ist. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, den Kläger hinsichtlich
der Erledigungserklärung des Feststellungsantrages kostenrechtlich nicht zu belasten. Dementsprechend kann offen bleiben,
ob das Feststellungsinteresse durch die Vereinbarung vom 03.12./14.12.2009 nachträglich entfallen ist. Ebenso wenig fällt
kostenrechtlich die Reduzierung des vom Kläger während des Berufungsverfahrens ursprünglich geltend gemachten Zinsanspruchs
von 8 Prozentpunkten auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ins Gewicht.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 976.535,76 Euro festgesetzt. Die Feststellung des Streitwertes bezüglich
des ursprünglichen Antrages zu 1) in Höhe von 164.554,00 Euro beruht auf §
197a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG. Nach § 52 Abs. 3 GKG ist für den Streitwert, sofern der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt
betrifft, deren Höhe maßgebend. Für die ursprünglich noch im Wege der Feststellungsklage angegriffenen Forderungen der Beklagten
für 2007 und 2008 kann nunmehr der Betrag konkret beziffert werden. Bei einer Feststellungsklage, die mit einer Leistungsklage
gleichwertig ist, bemisst sich das wirtschaftliche Interesse an der erstrebten Entscheidung nach dem Zahlbetrag, den der Kläger
letztlich erstrebt (BSG, Urteil vom 05.10.1999, B 6 KA 24/98 R). Dieser Betrag setzt sich aus dem von der Beklagten geltend gemachten Forderungen für das Jahr 2007 in Höhe von 416.559,66
Euro und für das Jahr 2008 in Höhe von 395.422,10 Euro zusammen.