Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit
Möglicher Eindruck mangelnder Objektivität
Standpunkt eines verständigen Verfahrensbeteiligten
Objektive Gründe
Keine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits
1. Eine Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände
Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", also der mögliche
Eindruck mangelnder Objektivität.
3. Entscheidend ist demnach, ob das beanstandete Verhalten für einen verständigen Verfahrensbeteiligten Anlass sein kann,
an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln; dabei kommen nur objektive Gründe in Frage, die vom Standpunkt
des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen
und damit nicht unparteiisch gegenüber.
4. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus.
5. Das Verfahren auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit dient nicht dazu, die Richtigkeit seiner Verfahrensführung
oder seiner Entscheidungen zu überprüfen.
Gründe
I.
In dem unter dem Az. L 2 AS 1155/17 B ER geführten Beschwerdeverfahren wendet sich der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 30.03.2017,
mit dem das Sozialgericht die Vollziehung des Bescheides vom 03.02.2017 für den Monat März 2017 aufgehoben, die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs vom 14.02.2017 gegen den Bescheid vom 03.02.2017 für die Monate April und Mai 2017 angeordnet und
im Übrigen den Antrag abgelehnt hat. Die Ablehnung bezieht sich auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gegen den Bescheid vom 210.2016, auf um 4,00 EUR höhere Leistungen wegen Einlagerungskosten für eine Lagerbox, die Übernahme
von Auslagen für ein beendetes Widerspruchsverfahren, die Erteilung der Zusicherung zu einem beabsichtigten Umzug und die
Bewilligung künftiger Umzugskosten.
Mit am 06.07.2017 per Fax eingegangenen Schreiben hat der Antragsteller einen Befangenheitsantrag gegen den im Beschwerdeverfahren
zuständigen Berichterstatter, Richter am Landessozialgericht Q (im Folgenden: abgelehnter Richter), gestellt. Zur Begründung
trägt er vor, dem ablehnten Richter sei vorzuwerfen, dass er verfügt habe, ihm, dem Antragsteller, nicht mehr vorab per Fax
Schriftverkehr zu übersenden, obwohl Eilbedürftigkeit bestehe, er habe nicht über den gestellten Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe entschieden, bevor er einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts angesetzt habe. Der ablehnte Richter
ignoriere Anträge, die er, der Antragsteller gestellt habe, lasse ihm keine Abschriften des Schriftverkehrs an den Antragsgegner
zukommen, ziehe aus Postrückläufen die falsche Schlussfolgerung, dass er, der Antragsteller wohnungslos sei.
Der abgelehnte Richter hat sich am 13.07.2017 wie folgt dienstlich geäußert:
"Ich verweise auf die Akten."
Von der Möglichkeit, eine ergänzende Stellungnahme abzugeben, hat der Antragsteller keinen Gebrauch gemacht.
II.
Das Gesuch des Antragstellers, seine Ablehnung von Richter am Landessozialgericht Q für begründet zu erklären, ist zurückzuweisen.
Das zulässige Befangenheitsgesuch des Antragstellers ist nicht begründet.
Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die
Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§
60 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - i.V.m. §
42 Abs.
1 Zivilprozessordnung -
ZPO -). Eine Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände
Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 82, 30, 38). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", also der
mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (vgl. BVerfGE 46, 34, 41). Entscheidend ist demnach, ob das beanstandete Verhalten für einen verständigen Verfahrensbeteiligten Anlass sein kann,
an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGK 5, 269, 281; 13, 72, 79). Dabei kommen nur
objektive Gründe in Frage, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung wecken
können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige
Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.02.1995 - 2 BVR 1852/94 - juris RdNr.
6; BSG, Beschluss vom 31.07.1985 - 9a RVs 5/84 - juris RdNr. 14 mwN). Zweifel können beispielsweise erheblich sein, wenn der Richter
den Eindruck vermittelt, er wolle das Vorbringen von Beteiligten aus unsachgemäßen Erwägungen nicht zu Kenntnis nehmen oder
er habe sich einseitig auf eine Rechtsauffassung festgelegt und werde von dieser auch nicht abweichen. Für unrichtig gehaltene
Rechtsauffassungen eines Richters sind aber grundsätzlich kein relevanter Grund für die Ablehnung (BSG, Beschluss vom 10.12.2010 - B 4 AS 97/10 B - juris RdNr. 6). Es müssen vielmehr objektive Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass eine mögliche Fehlerhaftigkeit
einer Entscheidung auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten beruht oder willkürlich
im Sinne einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist (BSG, Beschluss vom 29.03.2007 - B 9a SB 18/06 B - juris RdNr. 13).
Gründe, die den Anschein der Parteilichkeit rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgebracht. Das Verfahren
auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit dient nicht dazu, die Richtigkeit seiner Verfahrensführung oder
seiner Entscheidungen zu überprüfen. Davon abgesehen, ist nicht ansatzweise zu erkennen, warum die Verfahrensführung des Richters
zu beanstanden sein sollte. Vielmehr hat der abgelehnte Richter, wie es seinem gesetzlichen Auftrag entspricht, gem. §
153 Abs.
1 i.V.m. §
106 Abs.
2 und §
155 Abs.
1 SGG das Verfahren zu fördern versucht, insbesondere durch Ermittlung der Zustellanschrift des Antragstellers zwecks Sicherstellung
der postalischen Erreichbarkeit, weil ständig Postrückläufe zu verzeichnen sind, ohne dass der Antragsteller bislang eine
Zustellanschrift benannt hätte. Einen PKH-Antrag hat der Antragsteller zum vorliegenden Verfahren überhaupt nicht gestellt,
so dass seine diesbezügliche Rüge ins Leere geht. Auch ist nicht erkennbar, welcher Schriftverkehr mit dem Antragsgegner dem
Antragsteller vorenthalten worden sein soll, ist ein diesbezüglicher Eingang eines Schriftsatzes des Antragsgegners im vorliegenden
Verfahren nicht zu verzeichnen.
Sämtliche Vorwürfe des Antragstellers gegen den abgelehnten Richter gehen vollständig ins Leere. Das Vorgehen des abgelehnten
Richters ist in keiner Weise zu beanstanden, geschweige denn beruht es auf Willkür.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).